Protokoll der Sitzung vom 09.09.2011

Für DIE LINKE hat eine Bundeswehrreform kurzgefasst folgende Hauptziele: die Zahl der Streitkräfte halbieren, die defensive Ausrichtung der Bundeswehr und die Auslandseinsätze beenden. Das ist unser Credo für eine Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, wir halten eine Welt für möglich, in der Konflikte grundsätzlich mit friedlichen und zivilen Mitteln gelöst werden können. Aber diese Debatte ist heute nicht der Hauptgegenstand der Beratung.

Die fehlende Diskussion kann jedoch nicht durch eine simple Standortdebatte ersetzt werden und die Bundeswehr kann nicht allein über Wirtschaftsfaktor und Katastrophenschutzhelfer definiert werden. Ob sich dadurch vielleicht von unliebsamen Diskussionen über Afghanistan oder andere Einsatzfelder ablenken lässt, ist fraglich.

Es gibt durchaus einen realen Widerspruch zwischen einer breiten Ablehnung von Kriegseinsätzen einerseits und der lokalen Zustimmung zur Bundeswehr als Wirtschaftsfaktor bzw. auch als Katastrophenschutzhelfer andererseits.

Ich komme aus dem Burgenland wie der Kollege Erben, der den Antrag eingebracht hat. Wir sind eine Region mit Konversionserfahrungen und auch mit Bundeswehrpräsenz.

Herr Erben, wir haben in den Jahren 2005 und 2006 gemeinsam die Aufgabe des Standortes Hohenmölsen erlebt, wo 50 Millionen € in eine Landschaft investiert worden sind, die nicht mehr ohne Weiteres so genutzt werden kann.

Wir haben den Übungsplatz in der Verwaltungsgemeinschaft Droyßiger-Zeitzer Forst. Dort soll eine neue Schießanlage im Wert von 10 Millionen € entstehen. Momentan regt sich dagegen breiter

Widerstand, zumal in der Nachbarschaft zu diesem Schießplatz im Sommer 2011 ein Waldspielplatz mit Schulungsangeboten errichtet worden ist.

Das ist ein Analogon wie in Bezug auf den Standort in der Colbitz-Letzlinger Heide, den wir als LINKE mit seiner Ausrichtung als Übungsplatz für Auslandseinsätze aufgelöst sehen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben auch das Sanitätskommando in Weißenfels. Vertreter dieses Kommandos sind heute hier zu Gast. Dort sind medizinisch und logistisch bestens ausgebildete Einheiten verfügbar. Sie sind in der Lage, innerhalb einer Woche an einem beliebigen Ort in der Welt medizinische Einrichtungen in der Größe eines Kreiskrankenhauses zu errichten. Da stellt sich die Frage: Warum eigentlich erst dann, wenn Bomben gefallen sind?

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir einen Alternativantrag in die heutige Debatte eingebracht, mit dem wir den Landtag auffordern, zur Kenntnis zu nehmen, dass die von der CDU und der FDP im Bund vorgesehene Bundeswehrreform tatsächlich eine Reduzierung der Truppenstärke und daraus resultierend auch eine Reduzierung der Zahl der Standorte zur Folge hat.

Weiterhin fordern wir die Landesregierung auf, sich gegenüber der Bundesregierung vor allem dafür einzusetzen, dass der Bund im Falle der Schließung von Standorten bzw. der Redzierung der Truppenstärke die strukturellen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Folgen kompensieren muss.

Ich komme zu einer sehr wichtigen Forderung, um das einmal ganz deutlich zu sagen. Den Kern des Katastrophenschutzes müssen zivile Institutionen und Organisationen bilden, die auch in Zukunft mit entsprechenden Ressourcen auszustatten sind. Die Bundeswehr sollte nur in besonderen Katastrophenfällen zivile Kräfte unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Der Bund, meine Damen und Herren, hat klargestellt, dass alle Standortentscheidungen ausschließlich aus der Sicht der Interessen der Bundeswehr gefällt werden. Das ist gewissermaßen das Credo, was eigentlich allen auch klar ist.

Momentan wird in nahezu allen Landtagen in der Bundesrepublik Deutschland durch ähnliche Anträge versucht, gewissermaßen die Auswirkungen der Truppenstärkenreduzierung im eigenen Territorium zu begrenzen. Wir haben es diesbezüglich mit Resolutionen in allen Landtagen zu tun.

Deswegen sind wir der Auffassung, dass der Bund als Verursacher der Probleme den betroffenen Regionen und Kommunen mit einem entsprechen

den Konversionsprogramm einfach helfen muss. Davon sollten wir ausgehen.

Statt mehr Geld für Rüstungsprojekte oder Auslandseinsätze zur Verfügung zu stellen, sind mit diesen Mitteln die Folgen der möglichen Reduzierung der Truppenstärke vor Ort abzufedern.

Die Konversion muss in enger Verzahnung von Stadtentwicklung sowie Umwelt- und Sozialpolitik erfolgen. Konversion sollte von den Kommunen als Chance für eine tatsächliche und nachhaltige Strukturentwicklung erkannt und umgesetzt werden, so wie Sie es, meine Damen und Herren von der Koalition, in der Überschrift Ihres Antrages formuliert haben.

Deshalb werbe ich um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. Herr Kollege Dr. Thiel, es gibt eine Frage. Möchten Sie diese beantworten?

Gern.

Herr Harms, bitte.

Herr Dr. Thiel, Sie haben einen konkreten Standort in Sachsen-Anhalt angesprochen. Sie sagten, dass sich DIE LINKE dafür einsetzt, diesen aufzulösen. Können Sie das mit einer konkreten Begründung untersetzen?

(Herr Höhn, DIE LINKE: Das hat er doch ge- macht!)

Wir haben schon seit dem Jahr 1990 die Bürgerinitiative in der Altmark in dem Vorhaben unterstützt, die Colbitz-Letzlinger Heide von militärischen Einsatzgebieten freizumachen. Das haben wir immer wieder gesagt. Dazu stehen wir auch nach wie vor.

Wir haben in den letzten 20 Jahren auch immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass es uns vor allem missfällt, dass gerade dieser Standort ausgebaut worden ist, um die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die wir nicht wollen, zu ermöglichen. Deshalb stellen wir uns vor allem auch gegen diesen Standort.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde eine Nachfrage zulassen.

Herr Dr. Thiel, sind das Erkenntnisse, die DIE LINKE von außen gewonnen hat, oder war DIE LINKE auch vor Ort und hat sich informiert?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Jeden ersten Sonn- tag im Monat! - Unruhe bei der LINKEN)

Ich glaube, das machen wir an jedem ersten Sonntag im Monat. Sie können gern mit dabei sein, Herr Harms.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Es hat eine Reihe von Gesprächen mit Kollegen der Bundeswehr vor Ort und mit Kommunen vor Ort stattgefunden, weil wir genau auch diese Problematik gesehen haben. Aber es ist eine grundsätzliche Frage, wie die Bundeswehr ausgerichtet worden ist. Das ist gewissermaßen das, wozu wir als LINKE eine andere Auffassung haben als Sie.

Danke schön. - Für die Fraktion der CDU wird jetzt der Abgeordnete Herr Geisthardt die Debatte fortsetzen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt wohl keine Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, die in ihrer Geschichte so viele und häufig so einschneidende Strukturwandel hat hinnehmen müssen wie die Bundeswehr.

Die jetzige Reform ist eigentlich etwas mehr als eine Reform. Sie ist ein Paradigmenwechsel, insbesondere weil die Truppestärke um ein Fünftel verkleinert wird und weil die Wehrpflicht ausgesetzt wurde.

Aber die logische Folge dieser Reform ist natürlich die Schließung von Standorten. Die Schließung von Standorten bedeutet: Rückzug aus der Fläche.

Wenn wir heute und hier sagen, dass wir das nicht wollen und dass wir unsere Standorte hier erhalten sehen wollen, dann klingt das möglicherweise ein bisschen nach Sankt Florian. Das ist es aber nicht; denn das Gegenteil ist der Fall.

Sowohl der Herr Ministerpräsident als auch der Kollege Erben haben deutlich dargetan, wo die Probleme liegen und wo wir mit unserer Stationierungsdichte stehen.

Wenn wir sie weiter absenken lassen, dann wird die Bundeswehr fast völlig aus der Fläche verschwunden sein.

Der Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Kompensationsleistungen des Bundes fordert, deckt sich mit dem, was die Koalitions

fraktionen dem Ministerpräsidenten und der Landesregierung ohnehin aufgegeben haben, nämlich nichts hinzunehmen, was den Standort SachsenAnhalt schwächen würden. Hierin sind wir, denke ich, einer Meinung und können auch gemeinsam so verfahren.

Meine Damen und Herren! Unsere Soldaten sind in unserem Land willkommen und sie fühlen sich auch wohl hier. Ich habe das am letzten Montag während einer Vereidigung in Reesen gesehnen. Das war ein kleines Volksfest. Die Bürger des Ortes Reesen feierten diesen Akt mit den Soldaten ihrer Patenkompanie.

Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Thiel, davon reden, dass der Standort Altmark eigentlich überflüssig ist, dann mag das Ihre gute Meinung sein. Aber dann fragen Sie einmal bitte die Bürgermeister, die Gemeinderäte und die Leute vor Ort. Die haben nämlich alle ihre Patenkompanie. Die fühlen sich wohl und die sind sehr froh, dass sie ihre Soldaten dort haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)