Protokoll der Sitzung vom 04.06.2015

Erschrocken bin ich aber über Ausführungen eines Verbandsvertreters, ich möge auf die Sach- und Fachebene zurückkehren. Um es klar zu sagen: Agrarpolitik und Agrarverwaltung in Sachsen-Anhalt richten sich nach den vom Gesetzgeber vorgegebenen Tierschutznormen, damit sind wir bisher gut gefahren. Und das bleibt auch so.

(Zustimmung bei der CDU)

Bei intensiven Diskussionen auf Agrarministerkonferenzen, mit dem Bundesministerium, mit dem Bundesminister, mit den Landräten und nicht zuletzt auch hier im Hohen Hause hat es sich gezeigt, dass es einzig zielführend ist, die Thematik Tierschutz sachlich und fachlich fundiert zu bearbeiten, und nicht ideologisch, meine Damen und Herren. Ich habe das auch gegenüber berufsständischen Vertretern thematisiert.

Ich möchte an dieser Stelle eines noch sehr gern tun: Ich möchte auf die Aktivitäten des Landes in Iden bezüglich der Untersuchung, wie sich mehr Tierwohl umsetzen lässt, verweisen. Gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wird dort nach wirkungsvollen Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei den Kastenständen, geforscht. Erste Versuchsergebnisse liegen inzwischen vor, wie wir heute der Presse entnehmen können. Mein Dank gilt den Kollegen in Iden für ihre engagierte und erfolgreiche Arbeit. Meine Damen und Herren! Das hilft uns weiter.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Abschließend noch ein Wort zu Ihrer gestrigen Presseinformation, Frau Frederking. Die Überschrift Ihrer gestrigen Presseinformation, „Landesregierung hat beim Tierschutz versagt“, ist nicht nachvollziehbar, nicht haltbar, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Die Landesregierung ist beim Tierschutz engagiert unterwegs. Verehrte Frau Frederking, animieren Sie bitte Ihre Parteifreunde in anderen Bundesländern, Sachsen-Anhalt bei seinen engagierten Zielen zum Wohle unserer Tiere zu unterstützen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als erster Debattenredner wird Herr Barth für die SPD sprechen. Doch zuvor können wir Damen und Herren aus der Region Qued

linburg bei uns begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Barth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift mit ihrem Antrag das Thema Tierschutz erneut auf, das im Landtag und auch im Agrarausschuss bereits umfänglich behandelt wurde und auch weiter behandelt werden sollte.

Ich bin Herrn Minister Dr. Aeikens für seine Ausführungen dankbar, die letzthin unterstreichen, dass Sachsen-Anhalt bei der Umsetzung von Tierschutz- und Tierwohlfragen in vielen Punkten eine Vorreiterrolle in Deutschland einnimmt. Das muss man an dieser Stelle einmal so sagen. Natürlich möchte ich hier die Unterstützung der SPD für diese Initiativen zum Ausdruck bringen. Herr Dr. Aeikens, vielleicht bekommen wir es sogar noch hin, dass sich die CDU der Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine nicht weiterhin verschließt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der LIN- KEN)

Das wäre vielleicht auch noch hilfreich.

(Frau Frederking, GRÜNE: Wie sieht es mit der SPD aus?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Inhalte des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN umfassen Forderungen, die bereits umgesetzt worden sind: Bundesratsinitiativen von Sachsen-Anhalt, die von grünen Ministern gestoppt wurden, und Forderungen, deren Auswirkungen auf die Betriebe nach unserer Auffassung vorher kritisch zu hinterfragen sind. Dabei geht es insbesondere um den Vorschlag, für Tierschutzkontrollen kostendeckende Gebühren zu erheben.

Meine Damen und Herren! Dem Agrarausschuss ist der Erlass vom 19. Mai 2015 hinsichtlich der Durchführungsbestimmungen zu den amtlichen Kontrollen zur Überprüfung und Einhaltung der Bestimmungen des Veterinärrechts aus dem Ministerium zugegangen. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich Ihnen sagen, dass dieses Regelwerk sehr umfangreich ist und dem Tierschutz, insbesondere der Berücksichtigung der Risikokriterien, umfangreich Rechnung trägt. Damit dürfte sich Punkt 1 Ihres Antrags erledigt haben.

Hinsichtlich des Anliegens, künftig die Tierschutzkontrollen über kostendeckende Gebühren zu finanzieren, möchte ich anmerken, dass damit insbesondere kleine und mittlere Betriebe getroffen würden, da die Kosten für die Kontrolle je Nutztier

in diesen Betrieben höher ausfallen dürften als in großen Betrieben. Wir sollten uns also im Agrarausschuss über die Frage der Verteilung der entstehenden Kosten unterhalten und keine Schnellschüsse veranstalten.

Was den Personalbedarf in Tierhaltungsanlagen betrifft, so hängt dieser maßgeblich auch von der Stalltechnik ab. Hochtechnisierte Anlagen kommen mit wenig Personal aus, da körperlich schwere Arbeit automatisiert ist, was aber keineswegs den Kontrollgang erspart, der notwendig ist, um das Wohlbefinden der Tiere einschätzen zu können und dann entsprechend reagieren zu können. Die eigentlich wichtigen Faktoren für das Wohlbefinden der Tiere sind das Platzangebot, die Futter- und Frischluftversorgung, das Licht und die Beschäftigungsmöglichkeiten. Ob die Festlegung eines Mindeststandards bezüglich des Arbeitskräfteeinsatzes wirklich Verbesserungen bringen kann, muss einer vertieften Betrachtung unterzogen werden, der wir uns im Agrarausschuss zuwenden wollen.

Ich möchte auf das Vorhaben des Agrarausschusses verweisen, sich über Tierwohlfragen direkt am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf in der Nähe von Rostock zu informieren. Der Termin steht schon fest.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Qualifizierung des Personals möchte ich anmerken, dass unsere Betriebe gut qualifiziertes Personal brauchen, um wirtschaftlich sein zu können. Der Weg zum unternehmerischen Erfolg führt insbesondere in der Tierhaltung über ein gutes Management. Nur Tiere, die gesund sind und sich wohlfühlen, erbringen auch die gewünschte Leistung. Es ist nicht einfacher geworden, qualifiziertes Personal zu finden. Wir haben darüber im Ausschuss schon mehrmals diskutiert. Derzeit wird uns vom Bauernverband versichert, dass wir in Sachsen-Anhalt noch über ausreichend gut qualifiziertes Personal verfügen. Damit dies so bleibt, müssen wir die Attraktivität der grünen Berufe steigern.

(Zustimmung bei der SPD, von Frau Brake- busch, CDU, von Herrn Daldrup, CDU, und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass Sachsen-Anhalt gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen auf der Agrarministerkonferenz im Januar 2015 Anforderungen an die Sachkunde von landwirtschaftlichen Nutztierhaltern ohne einschlägige Ausbildung oder Berufserfahrung sowie die Einführung einer weisungsbefugten sachverständigen Person für Tierschutzfragen bei großen Bestandsgrößen gefordert hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Alternativantrag liegt vor. Herr Minister hat ihn ausführlich begründet; somit kann ich mir das sparen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Alternativantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, von Frau Brake- busch, CDU, und von Herrn Daldrup, CDU)

Danke sehr, Herr Kollege Barth, auch für den Dank für die Aufmerksamkeit. Man könnte sich vorstellen, dass es insgesamt noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit gibt. Es ist sehr unruhig im Haus.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es spricht jetzt für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Krause. Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn wir das Schlagwort „Tierschutz“ bei der Parlamentsdokumentation eingeben, dann werden für die sechste Legislaturperiode 132 Treffer bzw. Vorgänge im Plenum und in den Ausschüssen angezeigt. Das ist ein Thema, das uns wiederholt beschäftigt hat, nicht allein weil fachlich gesehen in einigen Bereichen Handlungsbedarf besteht, sondern auch weil eine breite und wachsende Öffentlichkeit die Politik, also auch uns, wiederkehrend zum Handeln auffordert, uns auffordert, mehr zu tun, um die Bedingungen in der Nutztierhaltung zu verbessern. Vor allem werden wir aufgefordert, festgestellte Missstände zu beseitigen und gegenüber betroffenen Betrieben konsequenter zu ahnden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch wenn ich es ablehne, dass Landwirtschaft und Massentierhaltung pauschal gleichgestellt werden, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass dies in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird.

Es ist keine Frage mehr, dass der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung, über den immer wieder diskutiert wird, mit der Herdengröße und der Tierkonzentration zunimmt, dass sich ernährungsbedingt Antibiotikaresistenzen entwickeln und dass dies auch negative Folgen für unsere Gesundheit mit sich bringt. Ja, die Bürgerinnen und Bürger beäugen die Nutztierhaltung äußerst kritisch.

(Zustimmung von Herrn Geisthardt, CDU)

Zu diesem Schluss kamen letztlich auch die Wissenschaftler des Beirats für Landwirtschaft und Nutztierhaltung, die im Auftrag der Bundesregierung ein Gutachten erstellt haben. Fazit: Tierschutz und artgerechte Tierhaltung werden den Verbrauchern immer wichtiger. Vor allem in der Geflügelhaltung wird eine radikale Wende bei den Haltungsbedingungen gefordert.

Es muss - ich habe es hier im Landtag schon einmal gesagt - Schluss damit gemacht werden, dass

Großinvestoren in der Schlacht- und Verarbeitungsbranche Tierhaltungsanlagen und entsprechende Herdengrößen einfach aus ihrer technologischen Sicht heraus konzipieren und sich die Agrarstruktur so entwickelt.

(Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

Auch wenn gewerbliche Tierhalter und auch einzelne Landwirte in der Diskussion immer wieder einmal feststellen, dass die Politik der Industrie auch nicht in betriebliche Wachstums- und Konzentrationsprozesse hineinredet, sollten wir nicht vergessen, dass die Tierhaltung nicht im Geringsten mit Zulieferbetrieben industrieller Branchen verglichen werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Tiere sind keine Bauelemente. Es sind Geschöpfe, deren Schutz uns Menschen grundgesetzlich anvertraut wurde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, warum betone ich das? - Für uns steht fest: In der herrschenden Agrarpolitik ist der Anspruch auf Regionalität, das heißt die Entwicklung und der Ausbau von regionalen Wirtschaftskreisläufen, nur noch ein Nebenschauplatz. Ich verweise ganz aktuell auf die laufenden Debatten zum TTIP.

Die Menschen in unseren Dörfern haben einfach erkannt, dass diese Fehlentwicklung in der Agrarpolitik auch eine Ursache für die sich häufenden Probleme bei der Einhaltung des Tierschutzes, bei der Gestaltung der Biodiversität und für die Entwicklung des Bodenmarktes, der für die Landwirte wieder bezahlbar werden muss, ist.

Wir haben versucht, diesen regionalen Ansatz in der Entwicklung der Tierproduktion mit unserem Antrag zur Gestaltung von Bestandsobergrenzen für Tierproduktionsanlagen in den Fokus der politischen Auseinandersetzung zu stellen. Es ist einfach bedauerlich, dass dies hier im Haus nicht zur Kenntnis genommen wird bzw. man hier im Haus nicht gewillt ist, daraus den notwendigen Handlungsbedarf abzuleiten.

Wir bleiben dabei: Regionale und flächengebundene Landwirtschaft bietet mehr Transparenz und die Möglichkeit einer wirksamen öffentlichen Kontrolle, nicht nur durch Behörden, sondern auch durch das gemeinsame Miteinander landwirtschaftlicher Unternehmen und der Menschen in den Dörfern, zum Wohle der Tiere.

(Beifall bei der LINKEN)