Protokoll der Sitzung vom 04.06.2015

(Herr Schröder, CDU: Die SPD sitzt auf der anderen Seite! Es geht quer durch alle Par- teien! Jetzt brauchen wir noch einen von den GRÜNEN!)

Ich bin der festen Überzeugung, dass es gute Argumente dafür gibt, dass dieses Tarifeinheitsgesetz richtig ist. Es stärkt die Tarifautonomie. Es stärkt die Sozialpartner und es wird am Ende auch die Tariflandschaft stärken. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Steppuhn hat viele Aspekte genannt, die hinterfragt werden könnten. Zumindest zwei Abgeordnete möchten Sie befragen. - Sie möchten darauf antworten, wenn ich das richtig deute. Zunächst Herr Abgeordneter Gallert.

Erstens die Information, dass der Kollege Klaus Ernst dieses Tarifeinheitsgesetz natürlich abgelehnt hat, als es jetzt drin war.

(Oh! bei der SPD)

- Warum erzählt er denn so ein Zeug?

Das hat er damals aber gesagt, Herr Gallert.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Das hat er ge- sagt!)

Zweitens. Wir sind beide klug genug, um zu wissen, wo der substanzielle Unterschied zwischen den christlichen Gewerkschaften und den in Rede stehenden Spartengewerkschaften ist: Die einen sind streikfähige Gewerkschaften und die anderen waren es nie. Deswegen gab es ein entsprechendes Gerichtsurteil und deswegen hat sich der Kollege Klaus Ernst damals so geäußert, wie er sich geäußert hat.

Drittens, Kollege Steppuhn, finde ich es schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrem Kopf offensichtlich zwei DGB-Gewerkschaften bereits ausgeschlossen haben. Sie haben davon gesprochen, dass sich bei den DGB-Gewerkschaften nur ver.di gegen dieses Gesetz ausgesprochen habe. Das haben Sie explizit gesagt. Der ver.di-Vorsitzende von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat mir erst letzte Woche klar gesagt, dass ver.di da

gegen vor Gericht ziehen wird. Aber es gibt außerdem noch die GEW und die NGG, die genau die gleiche Position haben. Haben Sie diese jetzt aus dem DGB schon ausgeschlossen oder warum haben Sie sie vergessen?

Ich wollte meine Rede nicht unnötig in die Länge ziehen und habe deshalb nur die größte Gewerkschaft, ver.di, genannt. Es ist überhaupt keine Frage, dass ich auch andere Meinungen und Argumente respektiere. Das ist kein einfaches Thema. Aber es gibt nach wie vor eine Mehrheit von DGBGewerkschaften, die sagen: Wir sind für dieses Tarifeinheitsgesetz, auch aus den Erfahrungen mit kleineren Splittergewerkschaften heraus, wie damals den christlichen Gewerkschaften. Es gibt Tarifverträge aus diesem Bereich, die heute noch nachwirken.

Neulich hat es ein Urteil gegeben, bei dem noch nicht klar ist, ob das auch auf andere Tarifverträge Wirkung hat, das besagt, dass diese Tarifverträge damals schon rechtsungültig waren. Aber sie haben eine Zeitlang gegolten. Deshalb, glaube ich - ich weiß auch nicht, wie es vor dem höchsten Gericht ausgehen wird -, sind wir weit davon entfernt, das Streikrecht irgendwie auszuhöhlen; vielmehr geht es einfach darum, für Sozialpartnerschaft in den Betrieben zu sorgen.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das aus meiner Erfahrung betriebliche Praxis ist; zumindest hat das bei den DGB-Gewerkschaften immer funktioniert. Es war durchaus möglich, dass es zwei Gewerkschaften in einem Betrieb gab. Die stärkste Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern war dann federführend in der Verhandlungsführung.

Ich kenne das aus meinem eigenen Bereich. Im Bereich der Wohnungswirtschaft gab es früher drei Gewerkschaften. Dort gab es die Gewerkschaft HBV, die Gewerkschaft DAG, jetzt alles ver.di, und die IG BAU. Dort hat man immer gemeinsame Tarifverhandlungen geführt und war auch erfolgreich. In der Wohnungswirtschaft gibt es schon seit Langem ein Einkommensniveau von 100 % im Vergleich zum Westen.

Daher, glaube ich, stärkt es die Gewerkschafter eher, wenn sie gemeinsam in einem Betrieb verhandeln. Deshalb zeigt das Tarifeinheitsgesetz genau diesen Weg auf.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Dalbert.

Danke, Herr Präsident. - Herr Steppuhn, Sie haben wiederholt gesagt, auch in Ihren letzten Äußerun

gen, dass das Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht nicht aushöhlen würde. Das hätte ich gern von Ihnen erklärt bekommen.

Das Bundesarbeitsgericht sagt ganz klar, die Verhältnismäßigkeit von Streik sei dann gegeben, wenn es um tariflich zu regelnde Ziele gehe; dann könne man streiken. Da aber eine kleine Gewerkschaft im Sinne des Tarifeinheitsgesetzes überhaupt nicht mehr über einen Tarifvertrag verhandeln kann, hat sie nichts mehr, wofür sie laut Bundesarbeitsgericht streiken darf. Wieso sagen Sie dann, dass das Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht nicht aushöhlen würde?

Das Tarifeinheitsgesetz schließt nicht aus, dass Gewerkschaften - egal ob groß oder klein - das Unternehmen, für das sie zuständig sind, auch zu Tarifverhandlungen auffordern und dann diese Tarifverhandlungen führen.

Diese Auseinandersetzung mit der GDL zeigt, dass es dabei nicht nur um Einkommensbedingungen geht, sondern dass man auch für Bereiche zuständig sein will, nämlich das Servicepersonal, und alles, was über die Lokführer hinausgeht, bei denen man als Gewerkschaft in der Minderheit ist. Wenn man in einer Minderheit ist, muss man sich eigentlich mit der größeren Gewerkschaft zusammentun und gemeinsam die Verhandlungen führen. Das muss der Weg sein.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich habe es nie für gut gehalten. Natürlich haben Lokführer oder Piloten, weil sie am Steuerknüppel oder am Hebel sitzen, in einem Betrieb eine ganz andere Macht, um Tarifverhandlungen zu führen. Ich bin aber dafür, dass es in einem Unternehmen ein Solidarprinzip gibt und dass für alle Beschäftigten eines Unternehmens Tarifverhandlungen geführt werden. Genau dafür sorgt das Tarifeinheitsgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch Nachfrage von Frau Kollegin Dalbert. Möchten Sie diese beantworten?

Ja, gern. Wir haben doch Zeit, oder?

Nein, wir sind schon in Verzug.

(Herr Borgwardt, CDU: Es gibt doch auch eine gewerkschaftliche Mittagspause! - Hei- terkeit)

Ich habe eine kurze Nachfrage. Der Kern des Tarifeinheitsgesetzes ist, dass am Ende pro Betrieb nur der Tarifvertrag der mitgliedstärksten Gewerkschaft gilt.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja!)

Was haben dann kleinere Gewerkschaften tarifvertraglich zu regeln?

(Zuruf von der LINKEN: Nichts!)

- Nichts. Und deswegen dürfen sie dann auch nicht streiken.

Frau Dalbert, es gibt durchaus noch Vorstufen des Ganzen. Unabhängig davon findet jetzt eine Schlichtung statt. Ich glaube schon, dass auch bei der Bahn ein Diskussionsprozess einsetzen wird - weil es diese Gewerkschaft weiterhin gibt - und man sich fragen wird, ob man dort vielleicht zu gemeinsamen Tarifverhandlungen für alle Beschäftigten kommt. Aber die Situation, die wir in der Vergangenheit hatten, dass eine Gewerkschaft besser als die andere sein will, wäre kein erstrebenswerter Dauerzustand gewesen.

Stellen Sie sich einmal einen Betrieb vor, in dem zwei Gewerkschaften alle zwei Jahre um den besten Tarifvertrag konkurrieren. Ich glaube, das hält kein Unternehmen auf der Welt aus. Daher, glaube ich, stärkt dieses Tarifeinheitsgesetz die Sozialpartnerschaft.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Danke schön. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Zum Abschluss der Aussprache hat Herr Dr. Thiel für die Fraktion DIE LINKE noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte war relativ spannend. Wir hatten eigentlich gedacht, dass die Debatte über den Antrag emotionslos einhergehen würde, weil alle Dinge im Bundestag schon gesagt worden sind. Aber genau deshalb, weil alle Dinge anscheinend schon im Bundestag gesagt worden sind und dieses Gesetz auch Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt haben wird, ist es notwendig, dass wir uns hier klar positionieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen ging es darum festzustellen, welche Position der Landtag hat. Das haben wir im ersten Punkt beschrieben. In Punkt 2 haben wir beschrieben, was getan werden müsste, um den unheilvollen Auswirkungen dieses Gesetzes wirksam zu begegnen.

Zu den bunten Sträußen, lieber Herr Bischoff, lieber Herr Thomas. Die Blumen blühen immer schön, aber Sie sollten auch dazu sagen, dass sie Samen produzieren und dass sie keimen. Das ist eigentlich das Ziel: dass das an der Stelle zu Ergebnissen führt.

Frau Professor Dalbert, vielen Dank, dass Sie unser Anliegen unterstützen. Ich glaube, es ist wichtig, dass dieses Signal nach außen gegeben wird.

Zwei Bemerkungen zum Kollegen Steppuhn und zum Kollegen Thomas. Lieber Andreas, du hast jetzt versucht zu argumentieren. Das Gesetz ist doch aber so ausgelegt - jedenfalls habe ich das so interpretiert -, dass ein Tarifvertrag, den eine kleinere Gewerkschaft abschließt, keine Gültigkeit besitzt; denn sie muss sozusagen bei der größeren Gewerkschaft darum betteln, dass ihre Forderungen mit aufgenommen werden. Das ist das eigentliche Ziel dieses Gesetzes.

Damit ist doch klar: Wenn eine kleine Gewerkschaft nicht mehr erfolgreich sein kann, weil sie für ihre Mitglieder nichts erstreiken kann, dann wird sie sich über kurz oder lang in Luft auflösen. Das ist offenbar das eigentliche Ziel dieser Macher, was dort im Hintergrund existiert. Das ist das Problem.

Das Prinzip „Ein Betrieb - eine Gewerkschaft“ ist richtig gewesen. Warum ist es denn aufgeweicht worden? Ich habe vorhin versucht, es zu begründen. Habt ihr das nicht gesehen? Durch die Zergliederung von Unternehmen, durch die Auslagerung ist das Prinzip „Ein Betrieb - eine Gewerkschaft“ untergehöhlt worden. Beim Thema Post sehen wir es genau, was dort läuft. Deswegen muss das Prinzip „Ein Betrieb - ein Tarifvertrag“ wieder auf dem Verhandlungsweg zwischen den Gewerkschaften erreicht werden und nicht auf gesetzlichem Weg.

Eine zweite Bemerkung. Das, was du gesagt hast - was Sie gesagt haben, Entschuldigung, ich muss die parlamentarische Würde wahren - zum Thema Gewerkschaftseinheit: Der Spalt ist damit in die Gewerkschaften getrieben worden, weil es nicht darum geht, wie es Kollege Gallert gerade gesagt hat, dass die einen die Verbände dafür und die anderen dagegen sind. Nein, auch innerhalb der Gewerkschaften gibt es unterschiedliche Auffassungen zu diesem Gesetz. Davon konnten wir uns jüngst überzeugen, als wir mit den Betriebsräten der IG Metall über dieses Thema gesprochen und diese klar gesagt haben, dass dieses Gesetz aus ihrer Sicht falsch ist.

Eine weitere Bemerkung zum Kollegen Thomas. Jetzt ist er gerade gegangen. Okay, ich wollte mich mit ihm eigentlich geistig duellieren, aber ich sah, er kam ohne Waffen daher.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Zu- rufe von der CDU)