In der IWH-Studie „Wirtschaft im Wandel“ vom 30. April 2015, also ganz aktuell, können Sie etwas über die Entwicklung der Tarifbindung in Deutschland lesen. Ich will nur zwei Fakten benennen, die dort aufgedeckt werden:
„Der Anteil der Beschäftigten, die im Rahmen eines Tarifvertrages beschäftigt und zugleich auch durch einen Betriebsrat vertreten sind, ging zwischen 1998 und 2013 sowohl in Westdeutschland (von 45 % auf 35 %) als auch in Ostdeutschland (von 33 % auf 25 %) zurück.“
Die Tendenz ist abnehmend, und das trotz vielfältiger Erklärungen zum Thema Tarifeinheit und dazu, wie wichtig sozusagen die Tarifpartnerschaft usw. sei.
„Der anhaltend geringe Abdeckungsgrad in Ostdeutschland bietet sich zudem als mögliche Erklärung für einen Teil des ostdeutschen Produktivitätsrückstandes an.“
Man sollte einmal darüber nachdenken und diskutieren, woran es liegt. Dafür, dass Unternehmen mit Betriebsräten gut arbeiten können, gibt es viele Beispiele in Sachsen-Anhalt. Aber in der Mehrheit sieht die Realität immer noch anders aus. Dagegen sollten wir uns stellen; dagegen sollten wir agieren. Es ist wichtig, dass wir uns für entsprechende Bedingungen einsetzen. Ich denke, dabei ist die Landesregierung genauso in der Pflicht wie die Fraktionen, egal ob in Koalition oder Opposition. Auf diesen Weg möchte ich Sie herzlich einladen. - Vielen Dank.
Danke schön, Kollege Dr. Thiel. Es gibt noch eine Anfrage des Abgeordneten Steppuhn. Möchten Sie diese beantworten?
Ich habe trotzdem eine Nachfrage. Es ist davon gesprochen worden, dass kleinere Gewerkschaften betteln müssten, dass sie bei den großen mit verhandeln dürfen. Wenn das die Position ist, ist es dann richtig, dass eine kleine Gewerkschaft den Anspruch stellen kann, für Beschäftigte Tarifverträge auszuhandeln, obwohl sie eigentlich die schwächere gegenüber der stärkeren Gewerkschaft ist? Ist es nicht vielmehr richtig, mit einem solchen Tarifeinheitsgesetz auch ein Stück weit Druck für eine gemeinsame Zusammenarbeit auszuüben?
Ich habe doch erklärt, Andreas, das Prinzip „Ein Unternehmen - ein Tarifvertrag“ war über viele Jahre hinweg richtig. Aber aufgrund der unternehmerischen Entwicklung hat sich die Entwicklung so vollzogen, wie ich sie beschrieben habe. Irgendwann fanden sich bestimmte Beschäftigte nicht mehr in der Situation, dass sie sich durch die große Gewerkschaft vertreten fühlten. Deswegen haben sie nach neuen Wegen gesucht.
Jetzt geht es darum, auf diesen Weg wieder zu diesem bewährten Prinzip „Ein Betrieb - ein Tarifvertrag“ zurückzufinden. Aber das Gesetz, so wie es momentan vorliegt, beschreibt dies auf gesetzlichem Wege. Das heißt, die Gewerkschaften sind offenbar - oder wollen nicht oder was auch immer - nicht mehr in der Lage, an der Stelle miteinander zu reden, und im Gesetz steht - das kannst du nachlesen -: Wenn eine kleinere Gewerkschaft einen Streik organisieren will, ist dies nicht zulässig, weil er nicht zu einem Tarifvertrag führt. - Das ist der Punkt, um den es hierbei geht. Darüber wird man sich in Karlsruhe noch kräftig streiten.
Wir sind doch an der Stelle völlig d’accord, dass es uns beiden um starke Gewerkschaften und um starke Mitbestimmungsrechte geht. Aber in Bezug auf den Weg, wie wir dahin kommen, haben wir an einigen Stellen unterschiedliche Auffassungen.
Danke schön, Kollege Dr. Thiel. - Wir schließen die Aussprache zu diesem Antrag ab und treten in das Abstimmungsverfahren zum Antrag in der Drs. 6/4091 ein. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. - Möchten sich Abgeordnete der Stimme enthalten? - Das sehe ich nicht. Dann hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit bekommen und ist abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 4 ist erledigt.
Weiterentwicklung des Rundfunkbeitrages Unternehmen in Sachsen-Anhalt entlasten - KfzVeranlagung abschaffen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als Koalition werden Wort halten; das haben wir zugesagt. Deshalb gibt es diesen Antrag. Denn im November 2011, also vor ungefähr dreieinhalb Jahren, haben wir in diesem Hause über den Entwurf des Vierten Medienrechtsänderungsgesetzes gesprochen. Der erste und vielleicht auch wichtigste Punkt dieses Artikelgesetzes war der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag.
Das war in der Tat ein ganz besonderer Staatsvertrag; denn erstmals seit dem Beginn der öffentlichrechtlichen Rundfunkfinanzierung wurde ein Systemwechsel vollzogen weg von einer geräteabhängigen Gebühr und hin zu einem haushaltsbezogenen Beitrag. Der Hintergrund dieser Änderung war, dass wir mehr Nachhaltigkeit, eine langfristige Einnahmesituation und mehr Gerechtigkeit herstellen wollten.
Wie das bei solchen Systemumstellungen üblich ist, muss es dann natürlich eine Evaluation geben. Mit Blick auf eine solche Evaluation haben wir schon damals gesagt: Wenn die Umstellung zu Mehreinnahmen führt, dann wollen wir uns sehr genau ansehen, woher diese kommen und wie wir darauf reagieren.
Nun liegen die Zahlen der KEF vor. Das Ergebnis ist, die Umstellung war richtig und die erzielten Einnahmen lassen Entlastungen zu. Zum ersten
Mal in der bundesdeutschen Geschichte konnte der Beitrag zum 1. April dieses Jahres gesenkt werden, wenn auch geringfügig. Das hatten wir noch nie.
Der Bericht der Kommission sagt darüber hinaus auch aus, dass noch mehr Spielraum besteht. Das haben wir eigentlich schon geahnt, als wir dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag damals zugestimmt haben. Ich will aus der Entschließung zitieren, die der Landtag unter der Drucksachennummer 6/566 damals verabschiedet hat. Darin heißt es:
„Der Landtag betont die Notwendigkeit, die Anknüpfungstatbestände der Beitragserhebung dieses 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages auf der Grundlage des 19. KEFBerichtes auf ihre finanziellen Auswirkungen und Ausgewogenheit hin zu untersuchen. Der Landtag erwartet insbesondere, dass die Einbeziehung von nichtprivaten, gewerblich genutzten Kraftfahrzeugen gemäß Artikel 1 § 5 Abs. 2 Nr. 2 dieses Staatsvertrages mittelfristig entfällt.“
Im Vorfeld der Umstellung auf einen Rundfunkbeitrag wurde nicht nur bei uns im Land lebhaft und heiß diskutiert. Im Ergebnis eines Kompromisses mit den Kammern wiesen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in einer Protokollerklärung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag darauf hin, dass es diese Problematik gibt.
Nun ist es so weit, dass sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 28. Juni 2015 erneut treffen werden, um über den zukünftigen Rundfunkbeitrag zu beschließen. Wir meinen, sie sollten diese Protokollerklärung von damals wieder hervorholen und den Worten jetzt Taten folgen lassen. Deshalb ist es Zeit, an unseren damaligen Beschluss zu erinnern und ihn noch einmal zu bekräftigen.
Warum ist es der SPD-Fraktion so wichtig, genau an den Stellen, die in unserem Antrag aufgeführt sind, Änderungen beim Rundfunkbeitrag für die Unternehmen im Land herbeizuführen?
- Beiden Fraktionen, natürlich. - Erstens. Unsere Wirtschaft ist von Mittelstand und Handwerk geprägt. Das ist so. Gerade bei diesen Unternehmen schlägt die Einbeziehung von nichtprivaten, gewerblich genutzten Kraftfahrzeugen zu Buche. Hier werden Einnahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk generiert, die es vorher in dieser Größenordnung nicht gegeben hat. Das ist - wir haben es damals schon geahnt - alles andere als ausgewogen, wenn man sich die Säule, die die Wirtschaft zum Rundfunkbeitrag beisteuert, anschaut.
Zweitens. Kleine und mittelständische Unternehmen beschäftigen viele Teilzeitkräfte. Daher ist die bisherige Regelung, dass der Beitrag über die Anzahl der Beschäftigten ermittelt wird, gerade für diese Unternehmen besonders belastend. Auch das wussten wir schon. Aber ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu fordern, dass die Beitragsbemessung für Unternehmen künftig sinnvollerweise an Vollzeitäquivalenten ausgerichtet wird. Das würde schon zu einer vernünftigen Verschiebung im Sinne der kleinen und mittelständischen Unternehmen und auch zu einer gerechteren Erhebung führen.
Drittens. Wir - beide Koalitionsfraktionen, lieber Herr Kollege Schröder - wollen nicht, dass es zu einer grundsätzlichen Verschiebung des Beitragsaufkommens zulasten der privaten Haushalte kommt. Denn 90 % des Beitragsaufkommens kommen schon jetzt aus den Privathaushalten. Deshalb ist es richtig, die Beitragsstaffelung für Unternehmen zu überprüfen und innerhalb dieser Säule zu schauen, wie die zusätzliche Belastung, die aus dieser Systemumstellung resultiert, zugunsten der mittelständischen Unternehmen wieder relativiert und auf ein vernünftiges Maß reduziert werden kann.
Deshalb ist es richtig, dass der Anteil der Wirtschaft an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt nicht zurückgeht. Aber in diesem Bereich muss darüber geredet werden, wer welchen Anteil aufbringt.
Ich möchte kurz auf den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE eingehen. Sie wollen eine große Breite von Befreiungstatbeständen einführen und prüfen lassen. Für viele der einzelnen Punkte, die Sie aufgeführt haben, habe sowohl ich persönlich als auch die SPD-Fraktion und vermutlich auch meine Kollegen von der CDU große Sympathien. Aber dafür ist die diesmalige Evaluierung jedenfalls von unserer Seite aus nicht gedacht gewesen.
Es gab damals bei der Einführung des Beitragsmodells zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen breiten Konsens. Wenn es Mehreinnahmen gibt, soll nicht nur die Höhe, sondern insbesondere auch die Struktur der Einkünfte evaluiert werden. Auf diese Punkte, die in der Struktur verschoben worden sind, haben wir damals hingewiesen. Das ist das Ziel der jetzigen Evaluierung.
Es gäbe darüber hinaus sicherlich noch viel mehr einzelne Menschengruppen oder gesellschaftlichen Gruppen, für die man eine Änderung begründen könnte. Wenn darüber hinaus etwas gemacht werden soll, dann würde das im Grunde die gesamte Situation der Einnahmen verändern. Wir reden bei dieser Evaluierung von einer Verschiebung innerhalb einer Säule, nicht von einer grundsätzlichen strukturellen Änderung.
Darüber muss man sich unterhalten und schauen, ob die Einnahmen langfristig stabil sind und ob noch mehr Luft in diesem auf eine langfristige Finanzierung angelegten System ist, sodass es hoffentlich nicht zur Notwendigkeit der Anhebung kommt. Die Frage ist, ob es langfristig Mehreinnahmen gibt und ob man bei einer zweiten Evaluierung diese gesellschaftlichen Gruppen mit berücksichtigen kann. Ich will das für die Zukunft nicht ausschließen.