Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Abgeordnete Herr Striegel das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Einbringung dieses Gesetzentwurfes habe ich ausgeführt, in diesen Tagen nicht über den Datenschutz zu reden, hieße, die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts für Demokratie, Bürgerrechte und Rechtstaat zu ignorieren. Wir sind nun ein Jahr weiter und an dieser Ausgangssituation hat sich eigentlich nichts geändert. Der NSAUntersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages bringt weiter Ungeheuerliches zutage, wird aber weiterhin durch die Bundesregierung behindert. Die Selektoren liegen den Abgeordneten immer noch nicht vor. Auch der Überwachungszombie Vorratsdatenspeicherung feiert unter CDU und SPD fröhliche Urstände.

(Herr Wunschinski, CDU: Was soll das?)

Wieder einmal wird der Versuch unternommen, vorsichtshalber Bürgerrechte einzuschränken und auf diese Weise zur Sicherheit stetig Bewegungsmuster der Nutzerinnen und Nutzer von Mobiltelefonen zu erstellen und deren Kommunikationsverhalten zu speichern. Dabei ist seit langem klar, die Vorratsdatenspeicherung ist ein untaugliches Mittel der Gefahrenabwehr. Mit gleicher Begründung müssten wir auch den Hausmüll aller Bürgerinnen und Bürgern durchsuchen, weil sich auch darin Hinweise auf Straftaten finden könnten, wie Herr Graulich heute zu Recht erklärt hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Der Datenschutz ist in Gefahr durch öffentliche Stellen und Private. Wir in Sachsen-Anhalt machen unsere Hausaufgaben nur zum Teil.

Ein Fortschritt in dem neuen Gesetz liegt sicherlich darin, dass es ein Jedermann-Anrufungsrecht des Datenschutzbeauftragten zum Schutz von Whistleblowern enthält. Weiterhin aber fehlt die völlige Unabhängigkeit des Landesbeauftragten.

Ebenso eine Verbesserung stellt die Einführung des § 14b dar, in dem eine Pflicht zur Information des Landesbeauftragten für den Datenschutz und auch der Betroffenen bei Datenpannen normiert wird. Jedoch wurden in dieser Hinsicht die qualitativen Vorgaben auf der Bundesebene auch nach der Befassung im Innenausschuss nicht erreicht.

So ist beispielsweise nicht explizit geregelt, dass die Benachrichtigung der zuständigen Aufsichtsbehörde in solchen Fällen auch eine Darlegung möglicher nachteiliger Folgen der unrechtmäßigen Kenntniserlangung und der von der Stelle daraufhin ergriffenen Maßnahmen enthält. Ebenso hätte die Regelung des Bundes-Datenschutzgesetzes übernommen werden können, dass die Information der Öffentlichkeit insbesondere durch Anzeigen in den im Lande erscheinenden Tageszeitungen oder durch andere geeignete Maßnahmen erfolgt, um Informationen der Bürgerinnen und Bürger auf das gleiche Niveau zu heben. Darüber hinaus ist es meines Erachtens schwierig festzustellen, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass die Betroffenen die entsprechenden Informationen auf andere Weise erhalten haben und somit nicht mehr durch die entsprechenden Stellen benachrichtigt werden müssen.

Ob die Nachbesserung in § 48b des Landesjagdgesetzes einen möglichen Missbrauch der erhobenen Daten verhindern kann, muss sich noch erweisen. Die Regelung ist jedenfalls besser als das, was ursprünglich in dem Gesetzentwurf stand. Das hat Kollegen Tiedge schon gesagt.

Insgesamt meinen wir als GRÜNE, dass das Datenschutzrecht in Bund und Ländern komplett neu gestaltet werden muss. Unser Recht muss sich den Herausforderungen unserer sich durch die Informationstechnologie immer weiter verändernden Welt stellen.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Auch Privatunternehmen sind bei der Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten und bei deren Schutz stärker in die Pflicht zu nehmen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wenden sich gegen die Vorratsdatenspeicherung. Wir befürworten eine freie Internetkultur und lehnen Internetsperren ab. Wir wollen eine bessere Information über die Risiken, welche die Teilnahme an sozialen Netzwerken mit sich bringt. Der Weg der eigenen Daten muss nachvollziehbar sein. Sie müssen jederzeit gelöscht werden können. Auch die Einführung eines gesetzlich geschützten Gütesiegels kann ein Weg zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Daten sein. Durch dieses Audit erhielten Verbraucherinnen und Verbraucher zuverlässigere Informationen, die bei Kaufentscheidungen unterstützend wirken würden.

Verbände sollten auch im Bereich des Datenschutzes durch Sammel- und Verbandsklagen in den Stand gesetzt werden, die Rechte der Bürgerinnen und Bürgern bei Datenmissbrauch vor Gericht geltend zu machen.

Es gäbe noch viele andere Punkte anzusprechen. Ein modernes Datenschutzrecht würde diese enthalten.

Der große Wurf ist das, was die Koalitionsfraktionen vorgelegt und im Innenausschuss verabschiedet haben, nicht. Es sind aber nicht irgendwie gravierende Punkte in dem Gesetzentwurf, sodass wir nicht dagegen stimmen, sondern uns am Ende der Stimme enthalten werden. Wir sehen für die nächste Legislaturperiode einer wirklichen Reform des Datenschutzrechts auf Landesebene entgegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Striegel - Der Kollege Dr. Brachmann fügt seiner Berichterstattung noch einen Debattenbeitrag für die SPD-Fraktion hinzu. Bitte schön.

Das mache ich gern. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Tiedge, es trifft zu, wir reden hier im Hohen Hause häufig über den Datenschutz, unlängst in der letzten Sitzung, in der wir den Elften Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten erörtert und dazu im Landtag einmütig eine Entschließung beschlossen haben, in der im Grunde genommen die Grundzüge der Entwicklung des Datenschutzes aufgezeigt werden und das, was wir bei der Umsetzung des Datenschutzrechts im Land bewerkstelligen können.

Dass der Datenschutz längst eine Dimension erreicht hat, die nicht mehr mit dem Landesrecht Sachsen-Anhalts einzufangen ist, ist allen Beteiligten klar. Das klang eben auch bei Herrn Striegel an. Aufgrund der Datenvielfalt in einer digitalen Welt und deren Kommerzialisierung brauchen wir europaweit und darüber hinaus Regeln, die datenschutzrechtliche Barrieren aufbauen. Das ist auf dem Weg. Eine EU-Datenschutzverordnung ist im Entstehen.

Was wir hier im Land tun können, ist mit dieser dritten Novelle geschehen. Hierbei trifft das zu, was häufig so ist, dass ein Gesetzentwurf den Landtag nicht so verlässt, wie er in den Landtag hineingekommen ist. Das, was in dem Gesetzentwurf im Ergebnis der Anhörung zu verändern war - der Minister hat vier Punkte genannt -, ist auch geändert worden. Ich will nur noch einmal auf zwei Punkte eingehen.

Der erste Punkt sind die Fotofallen. Dabei stehen auf der einen Seite die Jäger, die diese Apparate gerne im Wald aufstellen wollen, um, wie sie sagen, zur Pflege des Wildbestandes beizutragen - der Fachbegriff lautet „Hege“. Das ging den Wald- und Gebirgsvereinen, die es in Sachsen-Anhalt auch gibt, deutlich zu weit. Sie sagten, wir wollen nicht auch noch im Wald geblitzt werden, und haben darauf gedrungen, dass es hierbei deutliche Restriktionen gibt. Insoweit haben wir eine Regelung gefunden, die im Hinblick auf die Frage, wann es zulässig ist, solche Fotofallen aufzustellen, deutlich eingrenzend wirkt und im Übrigen eine Abwägungsklausel enthält, wonach die Aufstellung von Kameras zu unterbleiben hat, wenn Belange der Persönlichkeitsrechte überwiegen.

Der zweite Punkt, den ich hier noch einmal erwähnen möchte: Frau Tiedge, darin sind wir unterschiedlicher Auffassung, was eine EU-konforme Ausgestaltung der Stellung des Landesbeauftragten für den Datenschutz anbelangt. Ich weiß, die Wunschliste des Herrn Dr. von Bose war länger. Das hat er in der Anhörung auch vorgetragen und dazu Stellung genommen. Dem vermochte die SPD-Fraktion nicht zu folgen.

Wir haben eine Klarstellung vorgenommen, was das Disziplinarverfahren anbelangt. Aber darüber hinaus vertreten wir die Auffassung, dass das EUrechtskonform ist, was die Ausgestaltung seiner Stellung betrifft.

Insoweit darf ich im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zum Gesetzentwurf bitten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Brachmann. - Das war das Ende der Debatte.

Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zu der Drs.6/4195. Darf ich über die selbständigen Bestimmungen wieder in der Gesamtheit abstimmen lassen? - Offensichtlich ja. Dann frage ich: Wer stimmt diesen in der Fassung der Beschlussempfehlung zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Dann stimmen wir über die Artikelüberschriften ab. Wer stimmt den Artikelüberschriften zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE.

Wir stimmen jetzt über die Gesetzesüberschrift ab. Sie lautet: Drittes Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften. Wer stimmt der Gesetzesüberschrift zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die vorigen.

Wir stimmen jetzt über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer stimmt dem Gesetz zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die vorigen. Damit ist das Gesetz beschlossen und wir haben den Tagesordnungspunkt 12 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung

Stellungnahme zu dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht - Landesverfassungs

gerichtsverfahren LVG 2/15 (ADrs. 6/REV/133)

Beschlussempfehlung Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - Drs. 6/4182

Die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes erfolgt gemäß § 52 der Geschäftsordnung im vereinfachten Verfahren gemäß § 38 Abs. 3, so dass wir unmittelbar in das Abstimmungsverfahren eintreten. - Dagegen sehe ich auch keinen Widerspruch.

Wer der Drs. 6/4182 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist das ganze Haus. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind damit an das Ende der 92. Landtagssitzung gekommen. Ich berufe die 93. Landtagssitzung für morgen, 2. Juli, 9 Uhr ein und wünsche Ihnen für heute Abend viele kühlende Elemente. Bis morgen.

Schluss der Sitzung: 18.47 Uhr.