Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Mitglieder des Hohen Hauses und Gäste! Hiermit eröffne ich die 95. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Dazu möchte ich alle Anwesenden herzlich begrüßen.

Ich habe eine Mitteilung zu Mandatsveränderungen erhalten. Die Abgeordnete Frau Nicole Rotzsch aus der Fraktion der CDU hat wegen der Übernahme anderer Aufgaben ihr Landtagsmandat niedergelegt. Wir wissen, dass sie nunmehr Bürgermeisterin der Stadt Querfurt ist.

Die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 13. Juli 2015 mitgeteilt, dass der Sitz auf Frau Cornelia Schiergott übergegangen sei und Frau Schiergott die Wahl angenommen habe. Ich darf auf die hierzu herausgegebenen Unterrichtungen in den Drs. 6/4209 und Drs. 6/4259 verweisen. - Sehr geehrte Frau Schiergott, seien Sie herzlich willkommen im Hohen Haus. Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und Erfolg bei der Mandatswahrnehmung.

(Beifall im ganzen Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Abgeordnete Herr Dietmar Weihrich aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat wegen der Übernahme anderer Aufgaben sein Landtagsmandat niedergelegt. Welche andere Aufgabe er übernommen hat, ist im Haus gut bekannt.

Die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 27. Juli 2015 mitgeteilt, dass der Sitz auf Dorothee Berthold übergegangen sei und Frau Berthold die Wahl angenommen habe. Ich darf auch hierzu auf die herausgegebenen Unterrichtungen in den Drs. 6/4229 neu und Drs.6/4283 hinweisen.

Sehr geehrte Frau Berthold, seien Sie herzlich willkommen im Haus. Ich wünsche auch Ihnen bei der Wahrnehmung Ihres Mandates gutes Gelingen und Erfolg.

(Beifall im ganzen Hause)

Ein Blick in die Runde gibt mir die Gewissheit, die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses feststellen zu können. Das mache ich hiermit.

Wir kommen zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Mit Schreiben vom 9. September 2015 sowie vom 10. September 2015 bat die Landesregierung für die 46. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen: Herr Ministerpräsident Herr Dr. Reiner Haseloff entschuldigt sich am Freitag bis 13.30 Uhr wegen der Teilnahme an der Eröffnung der Jahresversammlung der Leopoldina mit der Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel in Halle.

Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich am Donnerstag ganztägig wegen der Teilnahme an der Jahreskonferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder am 17. und 18. September 2015 in Neuruppin sowie am Freitag ganztägig wegen der Teilnahme an der Sitzung des ZDF-Fernsehrates in Mainz.

Herr Minister Stahlknecht entschuldigt sich am Donnerstag ab 17 Uhr wegen der Teilnahme an einer kurzfristig einberufenen Bürgerversammlung zur Flüchtlingssituation in Sachsen-Anhalt und insbesondere zur geplanten Unterbringung von bis zu 700 Flüchtlingen in einem Gebäude am RiebeckPlatz in Halle. - So weit hierzu.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung für die 46. Sitzungsperiode liegt Ihnen allen vor. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat fristgemäß das Thema „Aus Steuergeldern finanzierte Sendungen von Ministerinnen und Ministern bei Radio SAW“ zur Aktuellen Debatte eingereicht. Dieses Thema in der Drs. 6/4384 wurde als Tagesordnungspunkt 29 in die Tagesordnung aufgenommen. Es wird gemäß einer Übereinkunft der parlamentarischen Geschäftsführer am Freitag an erster Stelle behandelt. Hierzu schlagen die parlamentarischen Geschäftsführer die Rednerreihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und CDU vor. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Dann können wir so verfahren.

Weiterhin wurde mir mitgeteilt, dass im Tagesordnungspunkt 17 die Rednerreihenfolge zwischen der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN getauscht werden soll.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf der 46. Sitzungsperiode möchte ich noch Folgendes sagen: Am heutigen Abend findet mit der Unterstützung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt eine parlamentarische Begegnung des Imkerverbandes

Sachsen-Anhalt e. V. unter dem Motto „Faszination Bienenstaat“ im Theater an der Grünen Zitadelle Magdeburg statt. Die morgige 96. Sitzung des Landtages beginnt um 9 Uhr.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

Umsteuern in der Personalpolitik sofort einleiten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4357

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4388

Für die Einbringerin hat nunmehr Herr Fraktionsvorsitzender Gallert das Wort.

Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag behandeln wir heute ein Projekt, das ich als das zentrale oder zumindest eines der ganz wenigen zentralen Projekte nicht nur dieser Legislaturperiode, sondern auch der vorhergehenden Legislaturperiode der Landesregierung bezeichnen will, nämlich den Personalabbau im Bereich des Landesdienstes.

Nun könnte man normalerweise von einer Opposition erwarten, dass sie sich ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen mit einem Projekt der Landesregierung beschäftigt, das im Wesentlichen gescheitert ist. Ich sage ganz deutlich: Das Projekt des Personalabbaus ist in den letzten beiden Jahren aus der Perspektive der Landesregierung wahrscheinlich das erfolgreichste Projekt, das man umgesetzt hat.

(Herr Dr. Brachmann, SPD: Hört, hört!)

Wir können uns die entsprechenden Zahlen anschauen. Die Reduzierung im Personalbereich des Landes, des öffentlichen Dienstes ist außerordentlich erfolgreich umgesetzt worden. Das Problem für das Land Sachsen-Anhalt besteht nur darin, dass genau dieser Erfolg ein Problem für das Land Sachsen-Anhalt bedeutet, weil es zu einem massiven Qualitätsverlust in der Perspektive der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Lebensqualität geführt hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Erinnern wir uns: Im Jahr 2006 ist das zentrale Projekt im Wesentlichen das erste Mal verkündet worden. Ich möchte das strategische Herangehen kurz erklären. Man hat die Bevölkerungsprognosen herangezogen, die von einer stark sinkenden Bevölkerung in Sachsen-Anhalt ausgegangen sind. Wir wissen auch, dass sie so stark nicht sinken wird. Gleichzeitig hat man gesagt, pro 1 000 Einwohner wird Sachsen-Anhalt die maximale Zahl von Landesbediensteten haben, die wir aus dem Durchschnitt westdeutscher Flächenländer errechnet haben. Dabei handelte es sich einmal um 20 Bedienstete je 1 000 Einwohner und einmal um 18 Bedienstete je 1 000 Einwohner. Dies sind jeweils deutlich weniger Bedienstete, als bisher im Land Sachsen-Anhalt im öffentlichen Dienst beschäftigt waren.

Es wurde relativ einfach argumentiert, dass die anderen Länder auch so wenig Personal beschäftigen und es dort auch irgendwie geht, und wir deshalb auch deutlich weniger Personal benötigen. Wir können den Personalabbau durchziehen; das

spart Geld, vor allen Dingen Geld, das zur Schuldentilgung verwendet werden kann.

Dieses Programm hat im Enddefekt, in der Konsequenz zur Folge, dass wir uns auf einem unendlichen Abbaupfad befinden müssten und sollen. Dieser wird dadurch organisiert, dass man ohnehin davon ausgeht, dass die Bevölkerungszahl in diesem Land Sachsen-Anhalt permanent sinkt.

Zudem wurde immer argumentiert, dass die anderen Länder, an denen Sachsen-Anhalt sich ausrichtet, auch weiterhin Personalabbau betreiben. Somit wird die Bezugszahl, die wir erreichen wollen, permanent gesenkt und wir müssen ihr permanent hinterherlaufen. Es handelt sich also um eine Never ending Story des Personalabbaus.

Was war also das zentrale Herangehen der Landesregierung seit dem Jahr 2006? - Das klare Signal war: Wir wollen die öffentliche Daseinsvorsorge schneller schrumpfen lassen als die Bevölkerung dieses Landes. Ich sage Ihnen ganz klar: Dieses Signal ist das fatalste Signal, das wir in den letzten Jahren von dieser Landesregierung bekommen haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Die Landesregierung hat weder die Qualität der Aufgabenerfüllung interessiert, noch hat man sich Gedanken über gesellschaftliche Wechselwirkungen gemacht, die ein solches Signal in eine Gesellschaft ausstrahlt. Das dominante Signal war Folgendes: Sachsen-Anhalt ist ein Land, in dem Schrumpfungsprozesse möglichst schnell organisiert werden müssen, und kein Land, in dem Wachstumspotenziale und Perspektiven geschaffen werden.

Wenn wir heute über die miserable Wirtschaftsentwicklung des Landes Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Bundesländern reden, die genau die gleichen strukturellen Probleme haben, dann sage ich Ihnen ganz deutlich: Auch hierin liegt ein ganz wesentlicher Faktor dafür, dass wir heute die rote Laterne in der Wirtschaftsentwicklung im Osten Deutschlands haben.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Schröder, CDU: Haben wir nicht!)

Es ist nicht so, dass es nicht genug warnende Stimmen gegeben hat. Die Zahl der Initiativen und Anträge meiner eigenen Fraktion seit zwei Legislaturperioden dürfte knapp dreistellig sein. Darunter wurden zwei Enquete-Kommissionen beantragt. Aber nun bin ich es gewohnt, dass vor allem die CDU natürlich nicht auf das hört, was LINKE sagen. Das ist richtig.

(Herr Scheurell, CDU: Was?)

Allerdings, Herr Kurze, einer derjenigen, der vor fünf Jahren dezidiert erläutert hat, welche Rahmenbedingungen wir in der Schule im Jahr 2015 haben werden, nämlich Unterrichtsausfall, sinkende pädagogische Angebote und keine Ressourcen, war damals der Kultusminister Herr Olbertz, CDU. Der hat im Jahr 2010 in der Enquete-Kommission klar gesagt, so viele Schulstandorte müssen geschlossen werden, so muss die Stundenzahl reduziert werden und so müssen die Klassen vergrößert werden. All das hat nicht interessiert, weil es noch nicht passierte.

Jetzt haben wir die Situation, dass die Leute auf einmal real spüren, was der Personalabbau in der Schule bedeutet. Jetzt fängt diese Landesregierung an, hektisch umzusteuern, und man stellt sich hin und sagt: Das konnten wir alles nicht ahnen. Woher sollten wir denn wissen, dass auf einmal Lehrer fehlen? - Aber das, liebe Kolleginnen von der Koalition, bedeutet nun wirklich, dass man sechs Jahre lang die Augen zugemacht hat. Das ist nichts, was mit verantwortungsvoller Politik zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich kann man sich jetzt hinstellen und sagen, jetzt haben wir auf einmal Flüchtlingskinder, die zu uns kommen. Ja, das ist ein Problem. Aber die Situation haben wir doch deswegen so extrem in der Schule, weil wir schon die Basics nicht mehr erreichen. Schon ohne den Zuzug von Flüchtlingskindern hätten wir jetzt eine extrem schwierige Situation in der Schule.

Was fordern wir also? Wir fordern nicht hektisches Gegensteuern, das genau bis zum Wahltag dauert und dann wieder vergessen wird. Das haben wir übrigens alles im Jahr 2010 auch schon einmal gehabt. Es gab Personalentwicklungsblätter der Landesregierung, die gesagt haben, ab dem Jahr 2011 brauchen wir 900 Neueinstellungen pro Jahr. Das dauerte genau bis zum Wahltag. Dann kam eine Koalitionsvereinbarung, in der 400 Neueinstellungen pro Jahr standen. Jetzt haben wir, in den beiden Bereichen Schule und Polizei besonders gut sichtbar, das Resultat dieser falschen Politik. Diese Politik muss sofort korrigiert werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

In beiden Bereichen, sowohl in der Schule als auch bei der Polizei, kommt übrigens die Schwäche eines Instrumentes zum Ausdruck. Der Personalabbau, die Personalentwicklung, ist in allen Bereichen des Landes, aber auch in diesen beiden Bereichen, mit einem Instrument organisiert worden. Dieses Instrument heißt Neueinstellungskorridor.

Das heißt, man hat nicht, wie es eigentlich üblich ist, gesagt, wir haben diese Aufgabe im Land, die

wollen wir in dieser Qualität erfüllen und dafür brauchen wir so viele Leute. Man hat stattdessen einfach gesagt, wir legen einmal fest, wie viele Leute wir maximal in den verschiedenen Bereichen einstellen. Was am Ende an Arbeitskräftepotenzial für diese Aufgabe herauskommt, wissen wir zwar nicht so genau. Aber wir wissen genau, dass wir nicht mehr Leute einstellen wollen.

Wir haben folgendes Problem: In allen diesen Planungen hat es immer einen Fehler gegeben. Eigenartigerweise waren die Abgänge aus den entsprechenden Bereichen immer viel zu niedrig angesetzt. Viele sagen inzwischen, das war Absicht, weil man dadurch die Abbauziele schneller erreicht. Ob es Absicht war oder nicht, wissen wir nicht. Fakt ist jedenfalls, dass wir heute die Situation haben, dass mein Kollege Matthias Höhn eine Anfrage stellt: Nun sagt uns bitte einmal, wie viele Vollzeitlehrereinheiten haben wir jetzt eigentlich aktiv in diesem Schuljahr vor der Klasse stehen? Was sagt die Landesregierung? - Das können wir nicht genau sagen. Das wissen wir nicht.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja!)