Ich will gleich vorwegnehmen: Grundsätzlich und prinzipiell haben wir mit Blick auf diese Fragen viel Gemeinsames. Das wird hier niemanden wundern, dass wir viele der Anliegen, die dahinterstehen, nahezu voll und ganz teilen. Aber der Teufel steckt mitunter im Detail.
Ich möchte auf einige Punkte genauer eingehen. Erstens. Bezüglich der Einführung der Studien- und Berufsorientierung als Aufgabe an allen weiterführenden Schulen kann ich es kurz machen - ich verweise auf unsere Debatten sowohl im Parlament als auch im Ausschuss -: Wir unterstützen dieses Anliegen voll und ganz. Die Klage darüber, dass die Berufsorientierung, insbesondere an den Gymnasien, zu wünschen übrig lässt, haben alle im Bildungsausschuss vernommen.
Zweitens. Ich finde es auch wichtig bzw. es ist ein interessanter Vorschlag zu sagen, wir brauchen mehr Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler, ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit oder ihrer Arbeit in demokratisch gewählten Gremien nachzukommen. Dazu fiele mir noch mehr ein - Ihnen sicherlich auch. Keine Frage - Zustimmung.
Drittens. Sie schlagen vor, die Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II bei den Kosten für die Schülerbeförderung zu entlasten. Wir haben darüber im Zuge der Einführung des Bildungs- uns Teilhabegesetzes in diesem Haus sehr intensiv diskutiert. Wir hatten damals gleichlautende Anträge. Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass es durchaus eine Barriere für die Entscheidung ist, ob ich auf eine weiterführende Schule, also auf ein Gymnasium, gehe oder nicht. Solche Bildungsbarrieren gibt es häufiger. Ich nenne nur die Elternbeiträge für die Kitas, die deutlich höher liegen, die Kosten für die vollzeitschulische Ausbildung in Einrichtungen privat organisierter Träger und nicht zuletzt die Lebenshaltungskosten beim Studieren.
Hinzu kommt, dass wir alle mehr Investitionen in Bildung wollen. Die frühkindliche Bildung ist hierbei
ein besonderer Schwerpunkt. Ich denke aber, man muss glaubhaft bleiben. Man muss ehrlich sagen: Wir werden nicht alles stemmen können. Das heißt, die Parteien sind gefragt, dazu Abwägungsprozesse in Gang zu bringen, Entscheidungen zu treffen und diese Prozesse auch transparent zu machen, damit man letztlich weiß, welcher Vorschlag bzw. welches Angebot hinter welcher Partei steht. Diesbezüglich wäre ich im Moment noch vorsichtig. Ich habe Sympathien für diesen Vorschlag, ich würde mich jetzt aber nicht für meine Partei dafür entscheiden wollen.
Wir sind völlig d’accord bei der Frage der Aufhebung der Verfolgung der Verletzung der Schulpflicht als Ordnungswidrigkeit. Dabei hatten wir, wenn ich mich richtig erinnere, auch die Rechtspolitiker der CDU eigentlich schon auf unserer Seite.
Ich glaube, für die Bildungspolitiker war das noch ein wenig zu freiheitlich-liberal. Darüber muss man noch ein wenig diskutieren.
Die zentrale Frage - Sie haben sie als solche auch gekennzeichnet - ist: Wie wollen wir die Zukunft der Schulnetzplanung organisieren? - Auch diesbezüglich sind wir uns prinzipiell einig: Wir wollen mehr Entscheidungen für die kommunale Familie.
Ich komme zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich würde jetzt nicht sagen: Das ist verfassungswidrig. Das wäre mir doch ein wenig too much. So forsch wäre ich im Moment nicht.
Aber auch wir haben über unkonventionelle Lösungen nachgedacht, zum Beispiel über die regionalisierte Verteilung von Personal. Wir sind diesbezüglich aber noch nicht übereingekommen.
Ich möchte einen Punkt nennen, der uns hierbei vor eine ganz schwierige Herausforderung stellen wird. Es ist heute früh angeklungen, dass die Personalwirtschaft in Sachsen-Anhalt und insbesondere im Lehrerbereich in den letzten Jahren eine Mangelwirtschaft gewesen ist. Das ist so. Daran kommt auch eine künftige Regierung, egal welcher Farbe, nicht vorbei.
Das Problem, das wir jetzt mit dem Gesetzentwurf haben, besteht darin, dass die Schulnetzplanung und die Personalentwicklung zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, zumindest solange wir als Land für das Personal zuständig sind. Die Schulschließungen der vergangenen Monate haben es gezeigt: Sie waren die Konsequenz einer verfehlten Personalpolitik, einer Mangelwirtschaft. Hinzu kommt die heimliche Schulentwicklungsplanung - Stark III. Und jetzt haben wir den Salat - um es einmal klar zu sagen -: Wir haben eine mangelhafte Unterrichtsversorgung.
Wenn so klar wäre, wie viele VZLE wir haben, dann frage ich Sie, Herr Kollege Kultusminister: Warum sind Sie uns im Bildungsausschuss diese Antwort schuldig geblieben?
Ich finde, das kann und das muss man beklagen - keine Frage. Aber ich möchte auch ganz klar sagen: Das wird unser aller Erbe auch in der nächsten Legislaturperiode sein. Das heißt, das hat Konsequenzen für die Frage, wie viele Steuerungsmöglichkeiten wir als Land brauchen.
Sie sagen, Sie wollen die Anfangsklassenregelungen auch weghaben. Ich habe in Ihrem Gesetzentwurf, ehrlich gesagt, die Stelle - § 13 Abs. 2 - nicht gefunden.
Sie wollen die Schulentwicklungsplanungsverordnung aufheben. Dafür wäre ich namens meiner Fraktion auch offen. Ich finde, es ist an der Zeit, auch unkonventionelle Lösungen zu suchen, auch welche, die vor allem die Mitbestimmungs- und die Entscheidungsmöglichkeiten der Kommunen erhöhen. Aber ob man gänzlich auf alle geeigneten staatlichen Steuerungsinstrumente verzichten sollte, darüber muss man, denke ich, noch diskutieren. Das bedarf intensiver Überlegungen und Debatten, aber diese lohnen sich, denke ich.
Das stärkste Gewicht muss am Ende haben: Wir brauchen ein kinderfreundliches Schulnetz - das müssen wir ermöglichen -, müssen aber gleichzeitig eine hohe Qualität bei den Bildungsangeboten sichern. Davon sind wir im Moment weit entfernt. Insofern hat Ihr Gesetzentwurf durchaus seine Berechtigung, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass am 13. März 2016 hier eine Entscheidung ansteht. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN soll inhaltlich breite Änderungen des Schulgesetzes bewirken. Ein Teil der Vorschläge ist in der Tat nicht neu. Diese konnten bisher keine Mehrheit in diesem Haus finden. Über einige Vorschläge wird gerade im Fachausschuss beraten. Ich weise auf das Thema der Berufs- und Studienorientierung hin. Es ist mitnichten so, dass wir bei diesen wichtigen Fragen nichts täten. Diesen Vorwurf kann man so nicht stehen lassen.
Es fehlt nämlich an der Beantwortung von Fragen zur Abschätzung zum einen der praktischen und zum anderen der finanziellen Folgen der vorgeschlagenen Änderungen. Ich möchte mit drei Beispielen dazu aufwarten.
Das erste Beispiel ist aus unserer Sicht ein überflüssiger Vorschlag, wenngleich es auch ein wichtiges Anliegen ist. Mit dem vorgeschlagen neuen § 35a für Freistellungen zur Wahrnehmung von Ehrenämtern von bis zu fünf Tagen verschlechtert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die schon jetzt bestehenden Möglichkeiten; denn nach der aktuellen Erlasslage können Schulleiterinnen und Schulleiter bereits Beurlaubungen für bis zu zehn Unterrichtstage gewähren. Darüber hinaus kann man in den Zeugnisbeiblättern das Ehrenamt benennen und damit auch würdigen.
Dieser Erlasslage ist natürlich eine Diskussion und auch ein Einbringen der Jugendverbände vorausgegangen, die in den Schulen oftmals als Kooperationspartner agieren. Diese haben eine stärkere Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements gerade in der Schule gefordert. Sie sind mit dieser Möglichkeit auch hoch zufrieden, wie ich mir habe sagen lassen; denn ich habe mich in der Tat zu diesem Thema kundig gemacht. Man könnte jetzt also fragen: Was stört Sie an dieser Regelung? Aus der Sicht der SPD-Fraktion wäre Ihre Regelung überflüssig.
Ich komme zum zweiten Beispiel, zu einem aus unserer Sicht widersprüchlichen Vorschlag. Wir verstehen den Vorschlag zur Aufnahme in die Schule so, dass es den Schulen grundsätzlich freigestellt werden soll, wen sie aufnehmen. Eine sozialpolitische Folge in den größeren Städten wäre eine verstärkte soziale und zwischenzeitlich auch ethnisch-räumliche Abgrenzung. Im Übrigen lässt sich schon jetzt in der Stadt Halle Folgendes gut beobachten: Im Durchschnitt streben 48,6 % der Viertklässler das Abitur an; in den Grundschulen nördlich der B 80 gehen durchschnittlich 60 % der Grundschüler an das Gymnasium, südlich der B 80 sind es nur 37,5 % der Grundschülerinnen und -schüler.
Ich verweise auch auf die „MZ“ vom 20. August 2015, auf den halleschen Bildungsäquator mit der großen Überschrift. Ich fand den Kommentar erstaunlich, der darauf abstellt, dass die soziale Chancengleichheit mit dieser Regelung ab absurdum geführt würde.
Die Möglichkeit der Feststellung von Schuleinzugsbereichen ist wohl eher als Ausnahme von der freien Wahl gemeint. Das heißt für uns aber auch:
An beliebten Schulen gibt es ein Losverfahren, die Kapazitätsgrenze stellt sich als gläserne Decke hinsichtlich einer freien Wahl dar - und andere Schulen laufen leer.
Wegen des Gleichbehandlungsanspruchs nach dem Grundgesetz wäre nach der bisherigen Rechtsprechung ausschließlich das Losverfahren gerichtsfest. Was hat, bitte schön, ein Schulleiter oder eine Schulleiterin dann noch von dem Recht, über die Aufnahme von Schülerinnen oder Schülern zu entscheiden? Im Landkreis Wittenberg standen wir einmal vor der Situation, dass das Losverfahren durchgeführt werden musste. Ich wünsche mir diese Situation nicht wieder herbei. Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle aus der Praxis mitgeben.
Das dritte Beispiel befasst sich mit der rechtlich fragwürdigen Vorschlagslage. Ich würde darauf abstellen, dass mit dem Gesetzentwurf praktisch die derzeit geltende Schulentwicklungsplanung aufgehoben werden soll. Das führt aus unserer Sicht zu mehreren Problemen. Einige Problemen hat Birke Bull angesprochen; das kann ich an dieser Stelle nur unterstreichen. Das Land würde wesentliche Steuerungsmöglichkeiten für die Sicherung eines leistungsfähigen Bildungswesens im Land verlieren. Es besteht in der Tat die Gefahr, dass keine Schulentwicklungsplanung mehr stattfindet, die sich an den realen Bedarfen orientiert.
Wenn wir uns umschauen, dann stellen wir fest: Die Erfahrung zeigt, dass die Kommunen, die Bürgermeister Schulen trotz Schülermangels nicht schließen. Sie handeln so, um sich den daraus entstehenden Konflikten nicht unmittelbar auszusetzen. Wer schließt schon gern Schulen? Diesbezüglich brauchen wir auch nicht zu agitieren.
Ich denke, das kommunale Ehrenamt im Kreistag ist in der Tat nicht einfach. Die Konflikte, die sich dort ergeben, haben wir durch. Ich bin in die Schulentwicklungsplanung im Kreistag seit dem Jahr 1996 involviert. Ich kann Ihnen mitteilen, dass der Landrat des Landkreises Wittenberg einen sogenannten runden Tisch für Demografie mit den Bürgermeistern eingerichtet hat, um bei diesem Thema die Selbstbestimmung auch ein Stück weit zu unterstützen. Er ist mit diesem Versuch leider gescheitert.
Daher sage ich: Wir können uns viel wünschen, aber dass all das in der Praxis durchsetzbar und realisierbar ist, möchte ich doch anzweifeln.
Das Bundesverfassungsgericht hat eben nicht nur auf die Kompetenzen der Schulträger im eigenen Wirkungskreis abgestellt, sondern lediglich auf die Belange der Schulbehörden. Das Selbstverwaltungsrecht ist sehr wohl ein hohes Gut. Die staatliche Verpflichtung sollten wir an dieser Stelle aber nicht unterschätzen.
Alles in allem: Wir haben viele offene Fragen. Deshalb bedarf es weiterer bildungs- und sozialpolitischer Überlegungen. Die gesetzgeberischen Schnellschüsse verbieten sich für uns an dieser Stelle. Deshalb werden wir der Überweisung nicht zustimmen, sondern wir werden uns der Stimme enthalten. - Vielen Dank.
Ich hatte Sie eigentlich mit meinem Einwand darauf hingewiesen, dass Sie Ihre Rede beenden möchten bzw. einen Satz noch vortragen können.
Meine Damen und Herren! Wir haben die Freude, Damen und Herren des Instituts für Berufliche Bildung in Salzwedel bei uns begrüßen zu können. Seien Sie recht herzlich willkommen!