Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

(Herr Borgwardt, CDU: Das müssen Sie Ih- rer Bundestagsfraktion sagen!)

- Dass es sich beim Schulschwänzen um eine Ordnungswidrigkeit handelt, steht in § 84 Abs. 1 Satz 1 unseres Schulgesetzes. Insofern betrifft dies unsere Belange; denn das Schulgesetz ist Landessache.

Wir würden gern in § 44 klarstellen, dass den Kindern und den Jugendlichen, wenn es Probleme bei der Erfüllung des pädagogischen Auftrages gibt, dann direkt geholfen wird und dass der Schulsozialarbeiter und der schulpsychologische Dienst eingeschaltet werden. Denn unser Anliegen muss es sein: Wenn es Probleme im Bildungsauftrag gibt wie Schulabsentismus oder Gefährdung von anderen Personen in der Schule, dann muss direkt geholfen werden. Das ist unser Anliegen, das wir mit diesem Entwurf einbringen.

Anlass dafür ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das uns unseres Erachtens dazu mahnt, diesbezüglich zügig tätig zu werden. Deswegen möchte ich dafür werben, unseren Gesetzentwurf in den Ausschuss zu überweisen und dort zügig zu beraten, damit wir dann ein verfassungskonformes Schulgesetz haben. Damit können wir die Qualität von Schule voranbringen, die lokale Kompetenz stärken und erreichen, dass sich das Kultusministerium auf seine originären Aufgaben konzentrieren kann, nämlich genug Lehrer und Lehrerinnen zur Verfügung zu stellen, die qualitative Begleitung von Schulentwicklung zu leisten und das Ergebnis von schulischer Bildung, also das, was die Kinder lernen, zu kontrollieren.

Wenn wir das alles hinbekommen, dann werden wir, denke ich, einen großen Schritt für unser Land weiterkommen. Deswegen meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns dies in den letzten Monaten dieser Legislaturperiode gemeinsam auf den Weg bringen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Dalbert. - Für die Landesregierung spricht Herr Kultusminister.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zeitpunkt, zu dem die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich aufmacht, eine Änderung des Schulgesetzes in den Landtag einzubringen, legt wirklich nahe, dass es hierbei weniger um eine gründlich diskutierte Gesetzesnovelle in dieser Wahlperiode geht, sondern vielmehr darum, das Wahlprogramm der GRÜNEN für die kommenden Monate im Plenum vorzustellen.

(Oh! bei den GRÜNEN - Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Darin fühle ich mich durch die Vorstellung und die Einbringung eben noch einmal bestärkt. Ich rufe

nur in Erinnerung, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sich auf einen sächsischen Fall, der mit unserer Situation nicht vergleichbar ist, vom November 2014 bezieht.

Ob es nun eine gute Idee ist, Elemente vom Wahlprogramm über diesen Weg im Landtag zu kommunizieren, mag jeder und jede hier im Hohen Haus selber beurteilen. Wenn wir die Frage des Zeitpunkts außen vor lassen und uns den Inhalten zuwenden, dann kann ich noch weniger verstehen, warum man mit diesem Vorschlag jetzt an die Öffentlichkeit geht. Das Urteil unserer schulfachlichen Referenten lautet: unausgegoren, schlecht informiert und wenig durchdacht.

Ich erspare Ihnen deswegen jetzt eine fachliche Bewertung der Vorschläge und Überlegungen im Einzelnen. Falls der Landtag heute für eine Überweisung des Gesetzentwurfs der GRÜNEN in den Bildungsausschuss votiert, holen wir das dort gern nach. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als erster Debattenredner spricht der Kollege Güssau für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns auf der Zielgeraden der aktuellen Legislaturperiode und einige Parteien bereiten sich schon auf den bevorstehenden Wahlkampf vor.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Herbst, GRÜNE: Wollen Sie jetzt ein halbes Jahr lang nicht arbeiten? - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Just heute beglückt uns die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit einem Gesetzentwurf, mit dem sie das Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt kurz vor den Wahlen gern in ihrem Sinne novellieren möchte.

Es wäre die zweite Novellierung des Schulgesetzes in dieser Legislaturperiode und die 14. Novelle seit 1990 insgesamt. Von den zusätzlichen Änderungen des Schulgesetzes, die als Artikelgesetz dahergekommen sind, will ich gar nicht erst reden.

Wir wollen die Öffentlichkeit, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und auch die Eltern nicht mit zwei Novellen des Schulgesetzes in dieser Legislaturperiode verunsichern und überfordern.

(Zustimmung bei der CDU - Frau von An- gern, DIE LINKE: Das ist Ihr qualitativer An- spruch? - Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Zum Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfes. Sie heben unter anderem auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr ab. Frau Professor Dalbert hat es gerade vorgetragen und hat gesagt, dies sei der Anlass für die Einbringung dieses Gesetzentwurfes.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Einvernehmensregelung von Schulträger und Schulaufsicht im Rahmen der Schulentwicklungsplanung vor dem Hintergrund der sächsischen Gesetzeslage zum Gegenstand gemacht. Wir, die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen haben uns diesen Beschluss damals sehr genau angesehen und sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass wir in dieser Legislaturperiode keine weitere Novelle des Schulgesetzes auf den Weg bringen wollen.

Eine seriöse und eingehende Befassung mit den Gegenständen Ihres Gesetzentwurfes ist aus meiner Sicht kurz vor Toresschluss der Legislaturperiode schwer möglich. Einen Schnellschuss bei einer 14. Novelle sollten wir unbedingt vermeiden.

Als Koalition von CDU und SPD sind wir jedoch dafür offen, unter den gleichen koalitionspolitischen Vorzeichen in der neuen Legislaturperiode eventuell über eine weitere Novelle zu beraten.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Wanzek, SPD)

Um die Debatte nicht unnötig in die Länge zu ziehen: Sie, liebe GRÜNE, haben einen gut gemeinten Versuch gestartet, aus einem Wahlkampfprogramm einen Gesetzentwurf zu basteln.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Wir honorieren das, indem wir uns zu diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Wir werden dann alle gemeinsam im Ausschuss für Bildung und Kultur darüber beraten, wenn die Opposition diesen Entwurf in diesen Ausschuss überweist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kündige an dieser Stelle schon einmal an, dass wir als CDU in der neuen Legislaturperiode mit einem eigenen Gesetzentwurf folgen werden, der alle Gesichtspunkte umfassend berücksichtigen wird.

(Oh! bei den GRÜNEN)

Um einige Stichworte zu nennen: Schulverband von Grundschulen, Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft, weitere Verankerung des Abiturs nach Klasse 12, Vereinfachung und Straffung von Schulformen, ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion vor dem Hintergrund der schulischen Wirklichkeit usw.

(Unruhe)

Es wird ein bunter Blumenstrauß. Im Bereich Bildung wird sich etwas nach vorn bewegen. Freuen Sie sich darauf.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Herr Güssau, Sie sind so freudig temperamentvoll zu Ihrem Platz gegangen, allerdings gibt es noch eine Nachfrage. - Frau Frederking, bitte fragen Sie.

Herr Güssau, Sie haben dargestellt, dass Sie den Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt für nicht gut halten, weil die Eltern damit verunsichert werden würden. Gleichzeitig kündigen Sie für die zukünftige Legislaturperiode einen eigenen Gesetzentwurf an. Meine Frage ist: Kündigen Sie damit eine Verunsicherung an, wenn die Eltern die CDU wählen?

(Heiterkeit und Zustimmung bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Sehr geehrte Kollegin Frederking, zum Thema Verunsicherung kann ich Ihnen Folgendes sagen: Ich selbst habe - zu diesem Zeitpunkt waren Sie noch nicht in Sachsen-Anhalt -

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

am eigenen Leibe fast ein Dutzend dieser Schulgesetzänderungen als Lehrer in unserem Schulsystem ertragen müssen.

(Herr Striegel, GRÜNE: Was hätte aus Ih- nen werden können! - Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

- Ich habe Ihren Zwischenruf gehört. Sie haben auch 15 Jahre studiert, um diesen Satz zu bringen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Noch einmal zum Thema Verunsicherung: Ich habe deutlich gemacht, dass wir in einer Legislaturperiode nicht zweimal das Schulgesetz ändern können. Nun stellen Sie sich das einmal in der Praxis vor: Wir ändern das Schulgesetz, im nächsten Jahr sind Wahlen - vielleicht sind Sie dann gar nicht mehr in diesem Parlament. Was sollen wir mit diesem Gesetzentwurf?

(Zustimmung bei der CDU)

Als nächste Debattenrednerin spricht Frau Bull von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift wichtige schulpolitische Fragen auf. Ich setze jetzt nicht die Nörgelei wegen des Zeitpunkts fort; denn ich finde: Erstens können wir nicht ein halbes Jahr vor der Wahl aufhören zu arbeiten

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

und zweitens ist auch die Auseinandersetzung in der Sache wichtig, weil die Wählerinnen und Wähler sehen, wer welche Position hat.

(Herr Borgwardt, CDU: Ah! Also doch Schau- fensterpolitik!)