Protokoll der Sitzung vom 18.09.2015

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Danke schön, Herr Minister. - Wir fahren in der Aussprache fort. Es spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Rotter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen eines ganz deutlich sagen: Auch ich halte den ersten Teil der Überschrift Ihres Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, für ziemlich überzogen; denn Sie reden dort von der Beendigung von würdeloser Arbeit.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich hingegen sage: Arbeit hat Würde.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf: Nicht in jedem Fall! - Zuruf von Herrn Höhn, DIE LIN- KE)

- Lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Höhn. Wenn Sie jedoch die Eindämmung und Abschaffung von Arbeitsverhältnissen unter unwürdigen Bedingungen meinten, dann kann ich Ihnen zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme dem Minister ausdrücklich zu, wenn er feststellt, dass die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Antrag zur Begrenzung der Befristung von Arbeitsverträgen ein durchaus wichtiges und aktuelles Thema aufgegriffen hat.

Lassen Sie mich im Folgenden die einzelnen Punkte des vorliegenden Antrages etwas näher betrachten. Da dies in der Kürze der Zeit nur bruchstückhaft geschehen kann, ist es umso logischer, dass unsere Fraktion eine Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Arbeit und Soziales beantragen wird.

(Zuruf von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Unter Abschnitt I Punkt 1 Ihres Antrages beschäftigen Sie sich mit dem Anteil der atypischen Beschäftigung in Sachsen-Anhalt. Sie beziehen an dieser Stelle die Aspekte Teilzeitbeschäftigung, Befristung oder Leiharbeit ein, wobei zu hinterfragen wäre, ob man bei jedem dieser Teilaspekte noch von atypischer Beschäftigung sprechen kann.

Wenn ich das sage, dann ist mir wohl bewusst, dass ich mich in einem gewissen Widerspruch zur offiziellen Definition von atypischer bzw. typischer Arbeit befinde. Da ich mich jedoch des Eindrucks

nicht erwehren kann, dass die antragstellende Fraktion - an dieser Stelle sei noch einmal auf die Überschrift verwiesen - teilweise atypische mit prekärer Arbeit gleichsetzt, sei mir dies an dieser Stelle vielleicht verziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich dies kurz erläutern. Wie viele andere Bereiche des täglichen Lebens, so unterliegt auch die Arbeitswelt einem ständigen Wandel, gerade in letzter Zeit. Dem Aspekt der Digitalisierung der Arbeitswelt geschuldet, sind gravierende Veränderungen im Bereich der Arbeit zu verzeichnen. Die Digitalisierung und die Globalisierung der Arbeitswelt stellen uns vermehrt vor Herausforderungen, denen wir mit Flexibilisierung und innovativer Gestaltung des Arbeitsalltages begegnen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die von Ihnen unter Abschnitt I Punkt 2 Ihres Antrages getroffene Feststellung, befristete Arbeitsverträge bedeuteten für die Beschäftigten, dass sie ihre Zukunft nicht planen könnten und nur eine unsichere Einkommens- und Berufsperspektive hätten, kann man aus meiner Sicht so pauschal nicht treffen. Auch an dieser Stelle lohnt sich eine differenziertere Betrachtung der Sachlage durchaus.

(Zuruf von Frau Lüddemann, GRÜNE)

- Ich habe gerade davon gesprochen, dass es sich durchaus lohnt, diese Sachlage differenzierter zu betrachten. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren, sondern man muss manchmal Einzelfallbetrachtungen in Erwägung ziehen.

Ich sage dies, weil der Minister in seinem Beitrag durch Fakten und Zahlen belegt hat und auch den Beweis angetreten hat, dass gerade im Bereich der Befristung von Arbeitsverhältnissen hier in Sachsen-Anhalt im Moment kein wirklicher Grund für übertriebenen Aktionismus besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter Abschnitt II Ihres Antrages fordern Sie die Landesregierung auf, sich im Bundesrat oder an anderer geeigneter Stelle dafür einzusetzen, dass Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vorgenommen werden.

Die von Ihnen unter Abschnitt II in den Punkten 1 bis 4 vorgeschlagenen Änderungen bedürfen meiner Ansicht nach einer durchaus intensiven fachlichen und differenzierten Betrachtung. Einer solchen Betrachtung sollten wir die von Ihnen gemachten Vorschläge durchaus im Ausschuss unterziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der Vielzahl der von Ihnen in Ihrem Antrag erwähnten Aspekte und der Komplexität des Themas bin ich durchaus davon überzeugt, dass wir einer spannenden Diskussion im Ausschuss entgegensehen,

und darauf freue ich mich auch. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir GRÜNE stehen auch für das Ziel gute Arbeit. Gute Arbeit schließt natürlich eine regelhafte Unbefristung von Arbeitsverträgen ein. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen sich vermehrt von einem Kurzjob zum nächsten hangeln; denn so sind sie quasi permanent in der Probezeit. Das ist ausgeführt worden.

Damit sind, Herr Kollege Rotter, ganz praktische Nachteile im Leben verbunden. Ich habe selbst jahrelang mit befristeten Arbeitsverträgen leben müssen. Damit kann man nicht einmal einen Konsumentenkredit beantragen, geschweige denn andere Lebensplanungen vernünftig vornehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ich kann sehr wohl aus eigenem Erleben und aus einer genauen Beobachtung der Realität sagen, dass das insbesondere junge Menschen sehr belastet. Dies ist ein Handicap für ihre Lebensplanung. Deswegen sagen wir ganz klar: Die sachgrundlose Befristung gehört abgeschafft. Ihre Einführung im Jahr 1985 unter Kohl war ein Fehler, der korrigiert werden muss. Das ist lange überfällig. Wir haben dies nicht ohne Grund schon in unserem letzten Bundestagswahlprogramm aufgeführt.

Die andauernde Deregulierung in der Bundesrepublik Deutschland, die damit verbundene Prekarisierung von Arbeit darf nicht die arbeitsmarktpolitische Antwort auf hohe Arbeitslosenquoten sein. Zumal dies in der Realität jetzt auch nicht mehr der Fall ist.

Die sachgrundlose Befristung war damals eine falsche Antwort und ist heute umso falscher. Denn dass die Aushöhlung des Kündigungsschutzes durch die sachgrundlose Befristung wirklich zu mehr Beschäftigung führt, darf ganz stark bezweifelt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Unter den heutigen Arbeitsmarktbedingungen ist es völlig obsolet und unsinnig. Ich halte eine entsprechende Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auf der Bundesebene für sinnvoll, aber für kurz- oder mittelfristig vermutlich nicht umsetzbar. Ein entsprechender Gesetzentwurf der

Fraktion DIE LINKE im Bundestag ist erst im Frühjahr des letzten Jahres abgelehnt worden. Es liegt also ganz klar auch dabei an den herrschenden Mehrheiten. Wir müssen auf die nächste Wahl warten.

Nichtsdestotrotz ist es richtig und wichtig, die Forderung immer wieder zu erheben und das zu tun, was wir hier im Land tun können, und unsere Forderung gegenüber der Bundesebene auszusprechen.

Großer Diskussionsbedarf besteht aus unserer Sicht zum Antrag nicht. Deswegen lassen Sie mich mir noch kurz eine kleine kritische Anmerkung machen. Im Antrag ist davon die Rede, dass auch der Fachkräftemangel sichere Arbeitsperspektiven nötig macht. Es wird auch auf die hohe Quote an Kündigungen durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verwiesen. Ich denke, Fachkräfte sind nicht die Hauptbetroffenen von befristeten Verträgen. Nach meiner Beobachtung greift hier inzwischen das Eigeninteresse der Unternehmen, diese Fachkräfte dauerhaft an sich zu binden.

Wenn es also nur um diese hoch qualifizierten Fachkräfte gehen würde, dann müssten wir die Diskussion so nicht führen. Aber ich glaube, dass es zwingend notwendig ist, dass wir uns um alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kümmern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die im Antrag herangezogen Zahlen des IAB zeigen, dass in den sogenannten Mint-Berufen Befristungen keine Rolle spielen. Der Ordnungs- und Sicherheitsbereich weist hingegen hohe Befristungsquoten auf. Das ist eine Branche, in der eher weniger auf Fachkräfte zurückgegriffen wird.

Eine Problematik beleuchtet der Antrag gar nicht. Aber mir sei es als gleichstellungspolitische Sprecherin meiner Fraktion und weil mir das sehr am Herzen liegt, gestattet, darauf noch einige Worte zu verwenden. In den Sozial- und Gesundheitsberufen ist die Befristungsquote besonders hoch. Eine Folge davon besteht darin, dass Frauen überproportional von befristeten Arbeitsverträgen betroffen sind. Die Thematik hat also auch eine deutliche Geschlechterrelevanz. Es ist nicht direkt Diskriminierung, aber anscheinend - so ist es festzustellen - wird gerade in den Berufen sehr gern und sehr stark befristet, die überproportional von Frauen ausgeübt werden.

Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt und der Raum, um das weiter zu vertiefen. Doch neben vermeintlich harten betriebswirtschaftlichen Gründen spielen sicherlich immer noch kulturelle Wertvorstellungen, die lauten, die Frau verdient ohnehin nur nebenbei und da ist das nicht so schlimm, eine Rolle.

Das schon vielfach zitierte IAB stellt die Vermutung in den Raum, dass Frauen gegebenenfalls eher zu Konzessionen gegenüber dem Arbeitgeber bereit

sind. Da passt es in das Gesamtbild, dass irgendwie doch eher die Frauen betroffen sind, dass sie häufiger in Teilzeit arbeiten, niedrigere Löhne bekommen, Minijobs annehmen oder eben auch von der Befristung von Arbeitsverträgen betroffen sind.

Drohende Altersarmut wäre eine weitere Folge, über die im Gesamtkontext zu diskutieren wäre. Auch dafür ist die heutige Debatte nicht der richtige Raum. Entscheidend ist, dass die Befristung zurückgedrängt werden muss. Der Antrag der LINKEN fordert das dafür Mögliche auf Landesebene und erfährt deswegen unsere Zustimmung. - Vielen Dank

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollegin Lüddemann. Es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Gallert. Möchten Sie diese beantworten? - Ja, bitte schön.

Wenn ich es kann.

Ich wollte zu dieser Thematik befristete Arbeitsverhältnisse versus Fachkräfte noch etwas sagen. Ja, es ist so. Es gibt einen besonders hohen Anteil von befristeten Arbeitsverhältnissen in Bereichen, wo der Qualifizierungszugang relativ leicht zu kriegen ist. Das Wachgewerbe ist typisch dafür. Allerdings gibt es Befristungen auch massiv im Einzelhandel.

Das ist nicht abschließend, ja.

Aber das Problem besteht darin, das wir uns wiederum auch nicht der Illusion hingeben dürfen, dass höher qualifizierte Beschäftigungen von diesem Phänomen nicht betroffen sind. Sie haben gerade selbst ein Beispiel genannt.

Der soziale Bereich ist stark davon betroffen, dass wir einen hohen Anteil von oftmals nicht sachgerechten Befristungen für hoch qualifizierte Menschen haben. Wir haben den ganzen Hochschulbereich, in dem wir einen extrem hohen Anteil an hoch qualifizierten Leuten, also Fachkräften, mit Befristung haben. Und wir haben im gesamten Weiterbildungsbereich hoch qualifizierte Leute, die trotzdem nur eine Befristung haben.

Ich sage das nur deshalb, weil wir immer auch die Argumentation hören, gerade von Handelskammern oder Arbeitgeberverbänden, die gut qualifizierten Leute haben mit dem Problem nichts zu tun, weil die so wertvoll sind, dass sie sowieso