Die Berufsgenossenschaften streiken nicht häufiger als die DGB-Gewerkschaften. Sie wurden aber stärker wahrgenommen. Nach den Aussagen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes der Hans-Böckler-Stiftung, WSI, gab es im Zeitraum zwischen 2005 und 2013 214 Tarifkonflikte; die meisten davon im Dienstleistungsbereich.
Doch in der öffentlichen Wahrnehmung standen nur die Arbeitskämpfen bei der Deutschen Bahn und bei der Lufthansa im Fokus. Sie wurden auch von einem großen Medienrummel begleitet. So entstand der Eindruck, dass nur die Lokführer und die Piloten streiken würden. Die Initiative aus Bayern gibt sich dieser verzerrten Wahrnehmung hin und beruht nun auf dem Eindruck der Arbeitskämpfe der letzten beiden Jahre bei der Bahn, der Post und im Kita-Bereich.
Aber das tatsächliche Streikgeschehen erfordert eine genaue und differenzierte Betrachtung. Nur so werden keine falschen Schlüsse gezogen. Weitgehende Eingriffe in die Koalitionsfreiheit und in das Streikrecht, wie die Bundesregierung oder Bayern sie nun planen, rechtfertigen die Streiks in Deutschland jedenfalls noch lange nicht.
Der Entwurf aus Bayern dient einzig und allein dazu, der Arbeitgeberseite mehr Möglichkeiten einzuräumen, um Streiks zu verhindern. Die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften ziehen damit den Kürzeren. Dies können wir nicht hinnehmen und fordern die Landesregierung auf, im Sinne der Arbeitnehmer und der Beibehaltung der Tarifautonomie sowie der Koalitionsfreiheit zu handeln. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollegin Latta. - Für die SPD spricht jetzt der Kollege Steppuhn. Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich der Aufforderung des Kollegen Rotter nachkommen, der uns aufgefordert hat, als Sozialdemokraten vor den
Ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Rotter - das gilt sowohl für die Flüchtlingspolitik als auch für das Streikrecht -: Wir als Sozialdemokraten haben da sehr klare Positionen. Wir wollen ein starkes Streikrecht und eine starke Tarifautonomie in Deutschland.
- Das werden wir gleich in der weiteren Debatte vielleicht noch erfahren. Der Kollege Rotter hat nicht allzu viel zum Inhalt gesagt.
Lassen Sie mich vielleicht am Anfang noch einmal sagen, ich habe geglaubt, dass die Debatte mit dem neuen Tarifeinheitsgesetz beendet wäre. Das Tarifeinheitsgesetz ist erst kürzlich beschlossen worden. Jetzt kann man natürlich sagen, dass dieser Antrag von der CSU aus Bayern schon veraltet ist. Aber er liegt in den Ausschüssen des Bundesrats noch vor, sodass man ihn nicht als erledigt ansehen kann.
Ich halte es auch für völlig korrekt, wenn Minister Bischoff im Ausschuss des Bundesrates deutlich macht, welche Position sein Fachressort hat, dass es nämlich keine Änderung und damit keine Verschlechterung beim Streikrecht und somit auch keine Verschlechterung im Bereich der Tarifautonomie geben soll. Somit ist auch die Frage des Kollegen Scharf, denke ich, ganz klar beantwortet worden.
Als ich mich mit diesem Antrag der CSU aus Bayern beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, was sich dahinter verbirgt. Die erste Erkenntnis, die mir gekommen ist, war Folgende: Ich bin froh, dass Deutschland nicht Bayern ist; denn wenn die bayerische Position Position in ganz Deutschland werden würde, dann hätten wir wahrscheinlich zukünftig kein Streikrecht mehr in der Form, wie wir es jetzt kennen.
Ich will diese Punkte noch einmal nennen, die zum Teil auch schon genannt worden sind, die ich schon für elementar halte, auch für ein starkes Streikrecht. Im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, also bei der Bahn, im Luftverkehr, in den Krankenhäusern und im übrigen Gesundheitswesen, sollen Streiks erst erlaubt werden, wenn sich Gewerkschaften und Unternehmen auf einen Schlichtungsversuch unter Moderation eines
Schlichters geeinigt haben. Wenn ein Schlichtungsversuch länger dauert, dann muss die Gewerkschaft einen möglichen Streik vier Tage im Voraus ankündigen, damit die Bevölkerung sich darauf einstellen kann. Wenn es dann tatsächlich
zum Streik kommt, dann müssen die Gewerkschaften garantieren, dass zumindest eine Grundversorgung gewährleistet ist.
Lieber Kollege Rotter und meine Damen und Herren von der CDU, wenn das so durchkommen würde, dann dürfte selbst die Zahnarzthelferin in der Zahnarztpraxis nicht mehr streiken, weil sie zum Gesundheitswesen gehört.
Man würde große Gruppen vom Streikrecht ausklammern. Ich glaube, das kann nicht sein. Zum Notdienst ist auch schon Einiges gesagt worden.
Lassen Sie mich noch eines sagen, weil das vorhin bei Ihnen eine Rolle gespielt hat. Sie haben gesagt, dass Sie nicht verstehen, warum die SPD diesen Antrag nicht ablehnt.
Lieber Kollege Rotter, ich kann Ihnen ganz einfach sagen, warum wir diesen Antrag überweisen - das wissen Sie besser als ich -: weil wir als Sozialdemokraten in inhaltlicher Hinsicht diesen Antrag annehmen könnten. Wenn Sie hinsichtlich dessen, was in diesem Antrag steht, der gleichen Meinung sind, nämlich dass wir das Streikrecht nicht weiter verschlechtern und dass wir die Tarifautonomie wahren wollen, dann hätten wir uns schnell darauf verständigen können. Der Antrag landet im Ausschuss, weil wir uns nicht darauf verständigen konnten.
Mir ist auch nicht verborgen geblieben - ich habe es nachgelesen -, dass auch in der CDU in Sachsen-Anhalt hinsichtlich des Themas Streikrecht und Tarifautonomie, also in Bezug auf Veränderungen oder Verschlechterungen, durchaus auch andere Positionen vorhanden sind, wobei ich Ihnen, Herr Rotter, ausdrücklich zubillige, dass Sie keine Veränderungen oder Verschlechterungen beim Streikrecht und bei der Tarifautonomie wollen.
Deshalb lautet die Schlussfolgerung aus dieser Debatte, dass wir uns im Ausschuss für Arbeit und Soziales weiter darüber unterhalten. Deshalb stelle ich den Antrag auf Überweisung. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Steppuhn. - Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE noch einmal der Kollege Dr. Thiel. Bitte schön, Herr Kollege.
in den letzten fünf Minuten noch zu reagieren. Ich bin schon erstaunt darüber, was hier so für Pirouetten zu ganz harmlosen Sätzen gedreht werden, weil der Antrag eigentlich relativ eindeutig ist. Er besagt eigentlich nichts anderes als das - jetzt greife ich einmal die Worte von Frau Ministerin Kolb auf -: Was die sozialdemokratischen Minister in der Landesregierung meinen, soll sozusagen auch Konsens im Hause sein. Das heißt, der Landtag fordert die Regierung auf, das einfach zu übernehmen und gegen diesen Antrag zu stimmen. So simpel ist das ja.
Aber offenbar war die Frage von Herrn Scharf durchaus berechtigt, da einmal nachzufragen, ob denn die Meinung der sozialdemokratischen Minister auch die Meinung der Landesregierung ist.
- Ja, weil die Aussage von Frau Kolb lautete, falls das Thema noch einmal aufgerufen wird, wird im Kabinett entschieden. - Sehen Sie. Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. Deswegen ist er auch nach wie vor aktuell, lieber Kollege Rotter.
Deswegen sollten Sie nicht nur der SPD den Mut zubilligen, Anträge von uns abzulehnen, sondern Sie sollten selbst den Mut haben, auch einmal Anträgen von uns zuzustimmen. Das wäre einmal ein neues Zeichen.
Wir kennen alle die Diskussionen, die geführt werden, wenn Anträge in den Ausschuss überwiesen werden. Jeder von uns weiß, wie viele Ausschusssitzungen wir noch haben. Dann können wir froher Hoffnung sein, dass im Januar vielleicht dazu noch eine Debatte erfolgt. Ober wir finden uns damit ab, dass der Antrag dann der Diskontinuität anheim fällt. So schön habe ich diesen englischen Begriff Rest in Peace auch noch nicht gehört. Also: Die Reste des Antrages mögen in Frieden im Ausschuss ruhen.
Das Dilemma besteht darin, dass es offenbar eine breite Ablehnungsfront gibt. Aber es wird in seltsamer Nibelungentreue zur CSU einfach daran festgehalten, zu sagen, wir lassen ihnen die Illusion, sie hätten noch etwas auf bundespolitischer Ebene zu sagen, obwohl man doch gemerkt hat, dass die CSU, wenn sie bundespolitisch bedeut
same Themen wie beispielsweise das Thema Maut oder das Thema Herdprämie besetzt, klaglos gescheitert ist.
Deshalb sollte man irgendwann einmal die Nibelungentreue aufgeben und für klare Entscheidungen sorgen. Denn - da bin ich voll bei dem, was Frau Ministerin Kolb gesagt hat - das, was hier als Angriff gestartet wurde, ist tatsächlich ein Angriff auf das Streikrecht, auf verfassungsrechtliche Grundlagen. Das muss man ernst nehmen, auch in München in der Staatskanzlei.
Deshalb sind die Kritiken angebracht. Kollege Steppuhn hat sich dazu klar artikuliert. Kollegin Latta hat dankenswerterweise überhaupt auf das Thema „Streikbewegung in Deutschland“ aufmerksam gemacht, darauf, dass wir nicht zu den Ländern gehören, die an den Rand der Existenz getrieben werden, wenn gestreikt wird. Es kommt darauf an, dieses Recht der Gewerkschaften zu bewahren.
Deshalb wäre es gut gewesen, Sie hätten hier ein klares Signal gegeben, der Landesregierung diesen Auftrag zu erteilen. Das wäre besser gewesen, als noch einmal im Ausschuss über diese Dinge zu sprechen. Deshalb ist es für uns schwierig zu sagen, wir stimmen der Überweisung zu. Wir sind dafür, über unseren Antrag abzustimmen und eine Überweisung abzulehnen. Das ist eine klare Position. Das ist ein klares Signal, und das ist das, was wir in der gegenwärtigen Situation brauchen, um dem Freistaat Bayern einmal seine Grenzen zu zeigen. - Vielen Dank.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Es gab einen klaren Antrag zur Überweisung in den Ausschuss für Soziales. Weitere Ausschüsse wurden nicht genannt. Wir stimmen über diese Überweisung ab. Wer stimmt der Überweisung zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag überwiesen worden.