Ja, es gibt Probleme bei der Haltung von Puten. Davor wollen wir die Augen nicht verschließen. So werden Verhaltensweisen wie Federpicken und Kannibalismus seit einigen Jahren erforscht. Eine Patentlösung gibt es bisher allerdings nicht, leider.
Ein weiteres Problem identifizieren wir im Schwerpunkt der Züchtung auf Leistung. Es wird immer mehr Brustfleisch gezüchtet. Dadurch haben sich bei den Puten bestimmte Krankheiten herausgebildet. Auch darauf ging Frau Frederking schon ein. Ich möchte noch etwas anderes dazu beitragen. Zum Beispiel sind auch plötzlicher Herztod oder Muskelerkrankungen der Brust solche Zeichen. Deshalb müssen wir solche Züchtungsziele auch überdenken.
Am Friedrich-Loeffler-Institut wurden zwischen 2013 und 2015 verschiedene Untersuchungen zur Beeinflussung der Neigung von Federpicken und Kannibalismus durchgeführt. Der Einfluss von tierischem Eiweiß im Futter, Besatzdichte, Beschäftigungsmaterialien und Lichtqualität wurden dabei untersucht. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Auftreten von Verhaltensstörungen durch eine Verbesserung der Haltungsbedingungen bis hin zur Lichtqualität zu einem gewissen Grad gemindert, aber nicht gänzlich vermieden werden kann. Für eine endgültige Schlussfolgerung, die für eine Definition von Haltungsstandards wichtig wäre, ist es aber noch zu früh.
Das Bundesministerium hat sich bereits in der Vergangenheit an die Europäische Kommission gewandt und die Festlegung EU-weit geltender spezifischer Anforderungen an die Haltung von Mastputen gefordert. Ein deutscher Alleingang darf nicht dazu führen, dass unsere Betriebe schließen und wir dann Puten aus Betrieben mit geringeren Standards nach Deutschland importieren.
Genau. - Neu im Vergleich zu vorherigen Selbstverpflichtungen des Verbandes der Deutschen Putenerzeuger ist ein Gesundheitskontrollprogramm. Ziel ist es, dass der einzelne Putenmastbetrieb anhand der Erhebung einheitlicher Tiergesundheitsindikatoren sowohl eine Selbsteinschätzung im Vergleich zum vorausgegangenen Mastdurchgang als auch zum Vergleich zum Schlachthofdurchschnitt und zu anderen Betrieben im Sinne von „Lernen von den Besten“ durchführen kann.
Frau Frederking, ich sehe nichts Schlechtes bei diesem rein privatrechtlichen Verhältnis, wenn es um das Tierwohl und die Tiergesundheit geht. Ich möchte Herrn Professor Kunzmann zitieren, der
„Was rechtlich erzwungen wird, stellt eine Mindestnorm dar. Die Erfahrung aber lehrt, dass solche Mindestnormen, wenn sie erst einmal etabliert sind, ganz leicht zur Standardnorm werden.“
Daher ist es doch vernünftig, wenn sich die Tierzüchter auch selbst einigen. Dies soll in einen betriebsindividuellen Gesundheitsplan münden, der mit dem betreuenden Amtstierarzt erarbeitet und kontinuierlich fortgeschrieben wird. Die Pilotphase lief bis Dezember 2011 und soll im Folgeprozess dazu dienen, Tierschutz und Tierwohl anzupassen. Hier ist man noch im Prozess des Auswertens.
Schließlich soll im kommenden Jahr ein Netzwerk von den Demonstrationsbetrieben zur Verbesserung tierschutzrelevanter Haltungsbedingungen in der Aufzucht nicht schnabelgekürzter Puten eingerichtet werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf Genetik, Geschlecht, Fütterung, Klimafaktoren, Licht und Haltungsumwelt.
Dies alles haben wir in unserem Alternativantrag berücksichtigt und bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Danke sehr, Kollegin Take. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch einmal Frau Frederking das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen nicht bis 2018 warten. Wir meinen, es ist längst überfällig, die Haltung von Puten mit tiergerechten Mindeststandards klar zu regeln, wie es bereits bei anderen Nutztieren der Fall ist.
Das fordern auch CDU und SPD in ihrem Antrag. Daher sollten diese beiden Fraktionen die Durchsetzung des Antrages von Nordrhein-Westfalen vorantreiben, der gerade die geforderten wissenschaftlich und fachlich fundierten Festlegungen von spezifischen Mindestanforderungen an die Putenhaltung enthält.
Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen zu behaupten, das sei nicht fachlich fundiert. NordrheinWestfalen hat Studien gemacht. Es sind Pilotprojekte gelaufen. Das wurde nicht im luftleeren Raum gemacht.
Weiterhin schreiben Sie in Ihrem Antrag, das soll auf den Eckwerten fußen. Das ist auch geschehen. Herr Krause hat das dargelegt. Also: CDU und
Ein Kernpunkt der von Nordrhein-Westfalen vorgeschlagenen Änderungen bzw. Ergänzungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist vor allen Dingen mehr Platz für die Tiere in den Ställen.
Frau Take, die Tiere haben heute zu wenig Platz. Auch diese 10 % sind bereits ein Kompromiss. Das, was an Verbesserungen vorgeschlagen wurde, kann nicht das gesamte System auf den Kopf stellen. Aber es wird zu mehr Tierwohl beitragen. Es ist wichtig, dass wir heute nicht die Hände in den Schoß legen und warten, sondern jetzt schon etwas tun.
Mehr Platz ist das eine. Aber es gibt auch viele wichtige andere Vorschriften, zum Beispiel das Ausleben der arteigenen Bedürfnisse durch abwechslungsreiche Bewegung, dass die Tiere ihrer Körperpflege nachkommen sowie Ruhe und Sozialverhalten ausleben können. Das alles gehört dazu.
CDU und SPD sprechen in der Begründung zu ihrem Antrag die Wirtschaftlichkeit an. Mit den von Nordrhein-Westfalen vorgeschlagenen Maßnahmen wird ein Mehraufwand von 10 % prognostiziert. 10 % Mehraufwand, dem vielfältige Vorteile gegenüberstehen: weniger Arzneimittel, weniger Tierverluste, gesündere Tiere, die auch besser Futter ansetzen. Negative wirtschaftliche Entwicklungen der deutschen Putenmastbetriebe sind nicht zu erwarten.
Frau Take, Sie sagen, es ist zu befürchten, dass dann das Fleisch aus anderen Ländern importiert wird. Hierzu sage ich zum wiederholten Male: Deshalb brauchen wir eine Kennzeichnung zu den Haltungsbedingungen. Dann können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst entscheiden.
Sachsen-Anhalt sollte sich wirklich NordrheinWestfalen anschließen und Verbesserungen für die Puten auf den Weg bringen.
Eine freiwillige Selbstverpflichtung - das wurde hier von allen Fraktionen gesagt - ist keine tragbare Lösung mehr.
Wir müssen Tierrechte ernst nehmen. Die Vorschläge von Nordrhein-Westfalen stellen wesentliche graduelle Verbesserungen für die Puten dar. Das hat nichts mit Aktionismus zu tun. Tiere weiter leiden zu lassen, wäre zynisch. Wenn man heute etwas ändert, heißt das noch lange nicht, dass man in Zukunft nicht noch mehr Verbesserungen auf den Weg bringen kann.
Frau Take, ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie den Fakt mit dem Schnabelkürzen und dem Kannibalismus noch einmal angesprochen haben. Selbstverständlich müssen wir auch auf einen Ausstieg aus dem Schnabelkürzen hinwirken. Nordrhein-Westfalen testet zurzeit, inwieweit die jetzigen Haltungsvorschläge geeignet sind, um Kannibalismus und Federpicken zu verhindern.
Lassen Sie uns bessere, verbindlichere Regelungen für mehr Tiergerechtigkeit auf den Weg bringen, damit es den Tieren besser geht, damit sich die Tiere wohler fühlen, damit sie gesünder und fitter sind. - Vielen Dank.
Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Daher stimmen wir jetzt über den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Ursprungsantrag in der Drs. 6/4413, ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.
Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag in der Drs. 6/4477 ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 18.
Für einen zukunftsfähigen Strafvollzug in Sachsen-Anhalt auf der Grundlage eines modernen Strafvollzugsgesetzes mit dem Ziel der Resozialisierung von Straftätern
Die erste Beratung fand in der 9. Sitzung des Landtages am 9. September 2011 statt. Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau von Angern. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde in der 9. Sitzung des Landtages am 9. September 2011 zur Beratung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen.
Mit dem Antrag war beabsichtigt, Grundsätze und Eckpunkte für einen - wie der Titel bereits lautet - zukunftsfähigen Strafvollzug in Sachsen-Anhalt aufzuzeigen. Dazu sollte die Landesregierung den Landtag bereits frühzeitig bei der Analyse des IstStandes und der Festlegung der Ziele der Reform beteiligen. Außerdem sollen die Justizvollzugsstrukturreform sowie das neu zu schaffende Justizvollzugsgesetzbuch gemeinschaftlich erarbeitet werden.
Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung befasste sich erstmals in der 7. Sitzung am 28. Oktober 2011 mit dem Antrag und stellte ein Expertengespräch in Aussicht. Das Ministerium für Justiz und Gleichstellung erklärte zu dieser ersten Befassung, dass es keinen konkreten Zeitpunkt für die Einbringung eines Entwurfes für ein Justizvollzugsgesetzbuch gebe. Aufgrund der zeitlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes genieße zunächst die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben im Bereich der Sicherungsverwahrung Priorität.
In der 10. Sitzung am 13. Januar 2012 wurden dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung die wesentlichen Ergebnisse und Empfehlungen der Projektgruppe „Justizreform SachsenAnhalt“ präsentiert und nicht zuletzt fünf Varianten für die geplante Justizvollzugsstrukturreform vorgestellt.
Der Ausschuss kam überein, diese Information zunächst verarbeiten zu wollen und sich erneut bei einer auswärtigen Sitzung in der Justizvollzugsanstalt Halle mit diesem Antrag zu befassen. Dem folgend befasste sich der Ausschuss in der 12. Sitzung am 3. Februar 2012 in der Nebenstelle der Justizvollzugsanstalt Halle erneut mit dieser Problematik und nutzte die Gelegenheit, sich ein Bild von der Anstalt zu machen.
Bei dieser Beratung wurden ausführlich die vom Bundesverfassungsgericht und vom Oberlandesgericht Naumburg geforderten Standards für die Sicherungsverwahrung sowie die sich daraus ergebenden Fragen bezüglich des Standortes und des notwendigen Personals diskutiert.
Bei einer weiteren Beratung in der 13. Sitzung am 19. März 2012 stellte das Justizministerium den aktuellen Sachstand dar. Daran schloss sich eine grundlegende Debatte insbesondere zur Größe