Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Wir brauchen ein bundesweit einheitliches Netznutzungsentgelt, wenn der gegenwärtige und der zukünftige Netzausbau gerecht ablaufen soll. Unsere Landtagsfraktion hatte dazu bereits im März 2014 eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben. Der von den Gutachtern vorgeschlagene Lösungsweg ist einfach und schnell umzusetzen: Die bestehende Anreizregulierung soll bestehen bleiben, und aus den regional unterschiedlichen Netzkosten für jede Netzebene soll ein Mittelwert gebildet werden, der dann beim Stromkunden für deutschlandweit einheitliche Netzentgelte auf der Stromrechnung sorgt. Damit würden die Netznutzungsentgelte in Sachsen-Anhalt um 0,82 Cent pro Kilowattstunde reduziert werden können.

Noch einmal: Diese vom Gutachter berechneten 0,82 Cent gelten für alle Netzebenen. Deshalb ist es uns völlig unklar, wie Sie eine signifikante Absenkung der Netznutzungsentgelte hinbekommen wollen, wenn Sie das nur für die Übertragungsnetzebene in Betracht ziehen. Das war schon oft Gegenstand im Ausschuss. Ich habe im Ausschuss immer wieder danach gefragt, habe aber nie eine Zahl genannt bekommen. Deshalb müssen hier noch einmal die Fakten auf den Tisch, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Ich empfehle, dass wir im Ausschuss darüber sprechen.

Ich möchte noch schnell etwas zur KWK sagen. KWK speist zwar gleichmäßig ein, aber es ist fachlich nicht nachvollziehbar, warum davon ausgegangen werden soll, dass dann immer auch die angebotene Menge gleichmäßig abgenommen wird. Es wird auch bei der KWK zu Engpässen kommen oder ein Zuviel geben, sodass auch hier das vorgelagerte Netz zum Einsatz kommen muss.

Das ist unsere Botschaft: kein starres System fortführen, sondern ein variables System entwickeln; Smart-Market-Preissignale etablieren, damit Angebot und Nachfrage von Strom dann besser zueinander gebracht werden können; keine punktuellen Einzelmaßnahmen machen, die jetzt eine gewisse Ungerechtigkeit beseitigen. Wir brauchen eine integrierte Lösung, die auch ein Nachfragemana

gement über Preissignale befördert. Aus diesem Grund empfehle ich, dass wir uns im Ausschuss darüber unterhalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollegin Frederking. Ist das als Antrag auf Überweisung in die Ausschüsse zu verstehen?

Ja.

Gut, danke. - Dann können wir die Debatte abschließen und in das Abstimmungsverfahren eintreten. Es wurde beantragt, den Antrag in der Drs. 6/4453 an die Ausschüsse zu überweisen. Dies betrifft den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft sowie den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr. Wer der Überweisung des Antrages an die genannten Ausschüsse zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion DIE LINKE. Damit wurde eine Überweisung abgelehnt.

Wer dem Antrag direkt zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion DIE LINKE enthält sich der Stimme. Damit hat der Antrag eine große Mehrheit gefunden. Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Beratung

Welthandel fair statt à la CETA und TTIP

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4445

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Czeke. Bitte, Sie haben Wort.

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Samstag haben rund 250 000 Menschen in Berlin unter dem Motto „TTIP und CETA stoppen! - Für einen gerechten Welthandel!“ demonstriert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Einer von jenen steht hier und heute vor Ihnen.

(Oh! bei der SPD)

Einer der Redner sagte: Es geht nicht nur um ein Stück vom Kuchen, nein, es geht um die ganze Bäckerei. - Das umschreibt es zumindest sehr symbolisch.

Eingeladen hatten zu dieser größten Demonstration der letzten Jahre zahlreiche Verbände, unter anderem aus dem Bereich des Umwelt- und des Verbraucherschutzes sowie Gewerkschaften und Kirchen. Sie alle wollten protestieren gegen zwei seit Jahren im Geheimen verhandelte Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, kurz CETA und TTIP genannt.

Im Vorfeld hatte die europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ innerhalb eines Jahres mehr als drei Millionen Unterschriften gegen das transatlantische Deregulierungsprojekt gesammelt. Dieses demokratische Aufbegehren können die Verhandlungspartner kaum ignorieren - aus demokratietheoretischer Sicht sollten sie dies auch nicht tun.

Die Partei DIE LINKE teilt und unterstützt die Argumente der Kritikerinnen von TTIP und CETA. Unseren vorliegenden Antrag könnte man unter dem vor einigen Jahren oft verwendeten Motto „Think global, act local“ - denke global, handle lokal - zusammenfassen.

Heute heißt es wohl eher: globales Lernen. Damit ist gemeint, jüngere und ältere Menschen für die globalisierte Welt zu sensibilisieren, damit sie eigene Werte und Haltungen zur nachhaltigen Entwicklung herausbilden. Dies wurde übrigens im Jahr 2007 von allen Kultusministerinnen und Kultusministern als Orientierungsrahmen für den Lernbereich vereinbart.

Was hat das nun mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA zu tun? - Diese bilateralen Abkommen zwischen den reichsten Wirtschaftsblöcken in Nordamerika und in Europa werden nicht nur auf die lokalen und regionalen Ebenen der EU-Mitgliedsstaaten und Nordamerikas durchschlagen. Es geht um den Wegfall von Zöllen und die Marktöffnung in den Bereichen Ernährung, Kultur, Mobilität, Abfallentsorgung, Bildung und Gesundheitsversorgung. Ich komme noch ausführlich darauf zu sprechen.

Die großen Verlierer dieser transatlantischen Standardsetzung und der Abschottung werden die sogenannten Entwicklungsländer sein, also die armen Länder, hauptsächlich die auf der Südhalbkugel. Die evangelische Kirche hat in ihren Statements am Samstag dazu klar Stellung bezogen.

Zu diesem Urteil kam im Jahr 2013 nicht nur das Ifo-Institut in seiner Studie, sondern das wurde auch beim letzten Treffen der Europaministerinnen und Europaminister im Juni 2015 dezidiert erläu

tert. Frau Professor Dr. Narlikar, Präsidentin des „German Institute of Global and Area Studies“ - kurz: GIGA -, erläuterte die negativen Auswirkungen von TTIP auf die Länder des Südens. Die USA und die EU wirkten mit TTIP und CETA als Standardsetter. Es wird in diesem Sinne auch von „Goldstandards“ gesprochen.

Drittländer hätten, anders als bei multilateralen Ansätzen wie etwa in der WTO, keine Möglichkeit mitzuarbeiten. Es bestehe somit ein System von Exklusion und Dominanz.

Der Welthandel kann Wohlstand und Entwicklung bringen, aber nicht so, wie er bisher organisiert wird. Übrigens war die Bundesrepublik Deutschland auch ohne TTIP und CETA Exportweltmeister.

Der Welthandel ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument. Er muss die Vorteile gerecht verteilen und dafür braucht man Regeln. Es darf keinen Freifahrtsschein zur Plünderung und Ausbeutung des Planeten geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit Jahrzehnten nützt der Welthandel dem Norden und geht leider zulasten des Südens. Die Investitions- und Handelspolitik der Industriestaaten des Nordens ist auf die Gewinne der großen Konzerne ausgerichtet. Sie nehmen Rohstoffe und Land für Wachstum und Konsum in ihrer Sphäre, kurz „Land Grabbing“ genannt, konkurrieren Kleinunternehmen und Kleinbauern vor Ort zugrunde und überschwemmen die dortigen Märkte mit ihren subventionierten Exportgütern.

Beispiele dafür sind das Abholzen des Regenwaldes in Argentinien für den Anbau von Gensoja für die Fleischproduktion in Europa. Die Kleinfischer und die Fischhändlerinnen und Fischhändler vor der westafrikanischen Küste verhungern, weil europäische Fangflotten das Meer dort überfischen. Ghana kann seine Baumwolle nicht gegen die subventionierte US-Baumwolle vermarkten.

Diese Art Welthandel verursacht soziale und ökologische Probleme, Armut, Hunger, Flucht und Konflikte.

(Beifall bei der LINKEN)

CETA und und TTIP sind Ausdruck dieses Freihandelsparadigmas - mehr noch: Sie verhindern das Entstehen regionaler und lokaler nachhaltiger Entwicklung und Wirtschaftskreisläufe, sowohl in der sogenannten Peripherie als auch in der EU, in Kanada und den USA.

Der Freihandel ist seit dem Jahr 1947 eine mächtige Ideologie, hervorgebracht von den USA, nachdem sie ihre Wirtschaft durch Protektionismus für den Welthandel fit gemacht hatten. Ich sage nur: Wir haben im Rechtswesen das Prinzip „Schutz des Schwächeren vor dem Stärkeren“. Auch das

wäre im Jahr 1990 eine Idee für den Osten Deutschlands gewesen. Dieses kann Protektionismus rechtfertigen, solange bis der Süden fit für den Welthandel ist.

Ich komme zum Thema Chancengleichheit. Real sinken die Anteile des Südens am Welthandel. Der Freihandel ist der Protektionismus der Reichen, sagt der Wiener Universitätsprofessor Christian Felber - kein Linker.

(Herr Leimbach, CDU: Ach!)

Der Freihandel hat weder globales Wachstum gebracht noch den Hunger besiegt. In dieser reichen Welt hungern eine Milliarde Menschen. Es ist klar, dass sie sich auf den Weg in den Norden machen, um zu überleben. Zur Ursachenbekämpfung bedarf es einer entwicklungsfördernden und solidarischen Handelspolitik und Entwicklungszusammenarbeit.

Wie es hierbei um den politischen Willen der Landesregierung steht, zeigt nicht nur das traurige Gezerre um das Promotorinnenprogramm. Der eine oder die andere erinnert sich daran.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Opposition im Hause, bestehend aus der LINKEN und den GRÜNEN, versucht seit Jahren, diese Bildungsarbeit durch eine finanzielle Sicherung und Stärkung zu erhalten, was aber das eine oder andere Mal in Haushaltsverhandlungen von der Koalition abgelehnt wurde.

Schaut man sich die Eine-Welt-Politik der Landesregierung an, dann sieht man, dass sie stark am Eigeninteresse orientiert ist. Angesiedelt ist sie im Wirtschaftsministerium, inhaltlich fördert sie zu 95 % Stipendien für Studentinnen und Studenten aus Entwicklungsländern. Entwicklungsrelevante Projekte und Bildungsarbeit wurden kontinuierlich ausgedünnt - trotz der Bekenntnisse in den entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes; diese stammen immerhin aus dem Jahr 2000.

Die Entwicklungszusammenarbeit hat einen Anteil am Gesamthaushalt von etwa 0,003 %. Pro Einwohnerin/pro Einwohner werden also knapp 10 Cent jährlich dafür ausgegeben - ohne die Studienplatzförderung. Damit liegt Sachsen-Anhalt im Länderranking wie so oft - das ist schade - ganz hinten. Internationale Kontakte und Partnerschaften pflegt die Landesregierung hauptsächlich mit Frankreich und Polen, arme und ärmste Entwicklungsländer gehören nicht dazu.

Mit den USA und der EU schaffen die weltweit größten Pro-Kopf-Produzenten von CO2 und größten Rohstoffverbraucherinnen den größten deregulierten Handelsraum, ohne Verantwortung und Ausgleich für den verursachten Klimawandel, für Flucht, Hunger und Armut zu übernehmen. Experten rechnen in den nächsten 25 Jahren mit

200 Millionen Klimamigrantinnen. Gemessen am CO2-Ausstoß pro Kopf müsste allein die Bundesrepublik Deutschland sechs Millionen dieser

Flüchtlinge aufnehmen.

(Herr Borgwardt, CDU: Zu den anderen auch noch!)