Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

dass von den 6 000 im September zu uns gekommenen Flüchtlingen die meisten aus Syrien stammen.

(Zuruf von Frau Brakebusch, CDU)

- Was regen Sie sich auf?

(Frau Brakebusch, CDU: Ich rege mich nicht auf! Sie regen sich auf!)

- Ich erzähle doch nur, was Sie im Land erzählen.

(Beifall bei der LINKEN)

6 000 Flüchtlinge sind im September zu uns gekommen, der überwiegende Teil davon aus Syrien.

(Zuruf von Frau Brakebusch, CDU)

- Wollen Sie etwas sagen oder fragen? Dann tun Sie es!

(Herr Rotter, CDU: Sie sollen zum Thema kommen! - Frau Bull, DIE LINKE: Wozu ma- chen wir einen Nachtragshaushalt! - Zuruf von Frau Brakebusch, CDU)

- Sie haben offensichtlich in den letzten drei Monaten geschlafen, Herr Rotter. Das Thema für den Nachtragshaushalt lautet: Wie gehen wir mit den Flüchtlingen in diesem Land um? - Sie hören es nicht gern, aber ich werde Ihnen dazu jetzt ein paar Dinge sagen.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Warum räume ich dem in der Haushaltsrede so viel Raum ein? - Nun, meine Damen und Herren, in den vergangenen Haushaltsdebatten ging es sehr oft darum, dass die Zahl der Einwohner Sachsen-Anhalts schrumpft, unsere Perspektiven weniger würden und im Ressourcenabbau bestünden.

Nun haben wir die Situation, dass zu uns Menschen kommen, die bei uns Zuflucht und neue Perspektiven suchen, die hier leben, arbeiten und Steuern zahlen wollen. Das ist doch mal eine andere Perspektive als die Untergangsszenarien der vergangenen Jahre.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dieser Haushalt enthält zahlreiche gute Ansätze und zeigt, dass wir das erreichen können, wenn wir der Überforderungsdiskussion ein klares „Wir schaffen das!“ entgegensetzen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie finden im Haushalt Positionen zur frühkindlichen Bildung, zur Engagementförderung für Willkommenskultur, zu Familien- und Bildungspaten, zur Integration von jugendlichen Flüchtlingen in Ausbildung, zu Kompetenzfeststellung und Arbeitsmarktberatung, zu Beschulung, Erwachsenenbildung und Hochschulzugängen für Flüchtlinge.

Ob dies ausreichend ist oder nicht - meine Fraktion anerkennt diese Bemühungen und hat sie in den Haushaltsberatungen in allen Ausschüssen konstruktiv begleitet.

(Zuruf von der CDU: Eigenlob stinkt!)

Ja, Integration kostet Geld - es ist gut angelegtes Geld!

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wichtig ist, die Kommunen mit ihrer Aufgabe nicht alleinzulassen. Wichtig ist, sie mit den erforderlichen Mitteln auszustatten.

Im Nachtragshaushalt ist eine Pauschale von 8 600 € je Flüchtling und Jahr veranschlagt. Trotz intensiver Bemühungen in den Haushaltsberatungen ist es uns nicht gelungen herauszubekommen, wie sich diese Pauschale zusammensetzt.

Die Behauptung, die Pauschale sei einvernehmlich mit den Kommunalen Spitzenverbänden ausgehandelt worden, wurde von diesen prompt zurückgewiesen. 9 237,60 € sei die auf dem Asylgipfel besprochene Summe.

Das nächste vom Innenministerium vorgetragene Argument lautete: Die Kosten in den einzelnen Landkreisen seien sehr unterschiedlich; die Streuungsbreite gehe von 7 000 € bis 11 000 €.

Der Bitte, diese Aussage zu belegen, kam das Innenministerium nicht nach. Die im Ausschuss vorgetragene Behauptung scheint ähnlich valide zu sein wie das behauptete Einvernehmen mit den Kommunen.

Vorgelegt aber haben die Kommunen die bis 30. Juni 2015 angefallenen Kosten. Und ja, sie sind unterschiedlich. Die auf das Jahr hochgerechneten Kosten ergeben eine Streuungsbreite von 9 333 € bis 18 589 €. Kein Landkreis und keine kreisfreie Stadt lag auch nur annährend bei den von Ihnen veranschlagten 8 600 €. Der Haushalt ist diesbezüglich schon Altpapier, bevor er überhaupt verabschiedet wurde. Das belegt auch die Zusage der Landesregierung, die Pauschale im Januar 2016 zu überdenken. Jetzt wäre die Zeit zum Handeln gewesen.

Auch belegt die Aufstellung der Landkreise unsere Kritik an der Art der Pauschalierung. Wir bleiben dabei: Die Gesundheitskosten müssen spitz abgerechnet werden, ebenso die bundeseinheitlichen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Unterkunftskosten müssen, um Fehlanreize zu vermeiden, differenziert nach Unterkunftsart pauschaliert sein. Besondere Sorgen macht mir, dass das novellierte Aufnahmegesetz per Verordnungsermächtigung die Pauschalenermittlung dem Innenministerium zuweist. Zu dessen Rechenkompetenz habe ich bereits ausgeführt.

Auch bezüglich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in Kürze ebenfalls auf das gesamte Bundesgebiet verteilt werden, gibt es noch viele Fragezeichen. Um die vorwiegend Jugendlichen in Vormundschaft und in eine Einrichtung oder eine Pflegefamilie zu geben, ist das notwendige Clearingverfahren wesentlich. Hierzu gibt es kaum Erfahrungen in den Jugendämtern; hierzu besteht aus unserer Sicht Bedarf zur Nachsteuerung.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ohne Perspektive bleiben die Kommunen beim Finanzausgleichsgesetz. Trotz der Rücknahme der Kürzungen beim Ausgleichsstock, trotz des Wahlgeschenks von 50 Millionen € bleibt es eine Kürzung gegenüber dem Jahr 2014. Sie haben in jedem Jahr gekürzt, und in jedem Jahr mehr. Seit 2012 sind die Kommunen das Sparschwein des Finanzministers. Das Ergebnis sind gewachsene Liquiditätskredite und ein nur schwer aufzuholender Investitionsstau. Dazu habe ich in diesem Haus viel gesagt. Ich bin mittlerweile davon überzeugt: Das Einzige, was hier hilft, ist eine neue Regierung.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Handeln, wenn es zu spät ist - das war das Credo dieser Landesregierung, bei den Kommunen ebenso wie beim Personal. 18 auf 1 000, koste es was es wolle - das war die Devise jenes unseligen PEK, das man auch nur in dieser Abkürzung aussprechen sollte; denn ein Personalentwicklungskonzept war es nie. Neueinstellungskorridore sollten zur Steuerung dienen, und zwar zur Steuerung von Defiziten, als Feuerwehr sozusagen.

Wo traten die Schwachstellen auf? - Beim Lehrerpersonal insbesondere. Die Unterrichtsversorgung ist eben nicht gesichert, das sagen mir Lehrer und Eltern. Denen glauben ich und meine Fraktion nun einmal mehr als dem Kultusminister.

Ihnen liegt in der Drs. 6/4459 ein Änderungsantrag meiner Fraktion vor. Dieser soll sicherstellen, dass die für die Unterrichtsversorgung erforderliche Anzahl von 14 300 Lehrern zuzüglich des Mehrbe-

darfs zur Beschulung von Migranten im Haushalt abgesichert werden kann.

Liebe Abgeordnete der Koalition, nicht nur im Wahlkreis über die mangelhafte Unterrichtsversorgung schimpfen, sondern etwas dagegen tun, zum Beispiel unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Schwachstelle, die bei der Personalbemessung seit Jahren zu verzeichnen ist, sind die Polizisten. Alle reden davon, dass dem entgegengewirkt werden muss. Nun gut, die Landesregierung schlug vor, von 2016 bis 2019 die Zahl der Anwärter um jeweils 50 zu erhöhen. Dieser Vorschlag löst das Problem aber keineswegs. Wie der Finanzminister am 10. Juni 2015 mitteilte, sichern diese Einstellungen einen Personalbestand von 5 800 Polizisten im Jahr 2020 und von 5 500 Polizisten im Jahr 2025. Sie betreiben also selbst mit 250 Anwärtern Personalabbau und entfernen sich damit von dem Ziel, mehr als 6 000 Polizisten in Sachsen-Anhalt im aktiven Dienst zu haben. Die von der CDU geforderten 7 000 Polizisten sind angesichts dieser Anwärterzahl lediglich ein potemkinsches Dorf.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber mit unserem Ihnen in der Drs. 6/4467 vorliegenden Änderungsantrag geben wir Ihnen, liebe CDU, die Chance, etwas für die Polizei zu tun. Nach unseren Berechnungen können wir mit diesen 100 Anwärtern mehr zumindest die Anzahl von 6 000 Polizisten im Land halten. Also stimmen Sie zu!

(Zustimmung bei der LINKEN)

50 Polizisten mehr soll Sachsen-Anhalt bis zum nächsten Jahr bekommen. Eine Abschiebeeinheit ist zugegeben nicht die oberste Priorität meiner Fraktion. Aber der Ansatz hat Witz, da die Landesregierung diese Polizisten gern aus anderen Bundesländern abwerben will und dabei die gängige Praxis, dass über Landesgrenzen wechselnde Beamte einen Tauschpartner brauchen, ignoriert. Und für den Fall aller Fälle rechnen Sie auch mit Beamten, die aus dem Ruhestand oder der Altersteilzeit zurückkehren, und das, obwohl Sie alles tun, den Polizeiberuf in Sachsen-Anhalt nicht gerade attraktiv erscheinen zu lassen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unserem Vorschlag zur Angleichung der die Vergütung der Beschäftigten mit dem Einstieg in die schrittweise Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes von zunächst 500 € konnten Sie sich im September nicht anschließen. Das hätte 15 Millionen € gekostet, wäre aber ein wichtiges Signal der Wertschätzung an das Landespersonal gewesen. Das Geld dafür wäre vorhanden gewesen.

Trotz der zahlreichen Personalaufwüchse im Nachtragshaushalt sinken die Personalverstärkungsmittel im Einzelplan 13. Allein durch vorgezogene Altersabgänge - ohne die Rente mit 63 eingerechnet - sparen Sie Mittel in Höhe von 10,6 Millionen € im Jahr 2015 und von 21,3 Millionen € im Jahr 2016 ein. Die Rente mit 63 bringt Einsparungen in Höhe von 8 Millionen € im Jahr 2015 und von 15 Millionen € im Jahr 2016. Auf die sonstige Fluktuation entfallen Einsparungen von 9,2 Millionen € im Jahr 2015 und von 14,9 Millionen € im Jahr 2016. Gerade bei diesen Zahlen sind die Erwartungen des Finanzministers stets übertroffen worden.

Sie können diese Abgänge kaum steuern. Man sich zu Recht: Wer macht dann eigentlich die Arbeit im Land?

Vor diesem Hintergrund - es fällt mir als LINKEM nicht leicht, das zu sagen -, ist es besonders schwierig, dass die Koalition die Beratung über die Altersanpassung der Beamten abgebrochen hat. Auch das hat Auswirkungen auf die Personalplanung. Auch das wird zu zusätzlicher Arbeitsverdichtung führen. Man fragt sich: Warum konnte Koalition nicht regeln, was nahezu alle Landesregierungen in Deutschland regeln konnten? Scheiterte es wirklich nur daran, dass Sie keine Sonderregelungen für die Beamten von Feuerwehr und Polizei finden konnten, die Wechselschichtdienst leisten? Da waren sogar die Berufsverbände weiter. Mit dieser Nichtentscheidung werden Sie die künftigen Personalprobleme weiter verschärfen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Eine weitere Baustelle - im wahrsten Sinne des Wortes - ist die Finanzierung des Reformationsjubiläums. 75 Millionen € sollte es kosten. Bauwerke sollten saniert werden und ein attraktives Rahmenprogramm sollte gestaltet werden. 75 Millionen € kostet es aber nicht. Es wird weniger für mehr Geld gebaut und die Projekte werden zusammengestrichen.