Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

Höchst problematisch ist außerdem, dass der Pandemiestab im Gesundheitsministerium in seinen Lageberichten seit Ende Mai überhaupt keine konkreten Zahlen zur Auslastung der Testkapazitäten mehr nennt. Im Klartext: Nachdem die er

weiterte Teststrategie begonnen hat, stellt das Ministerium die tägliche Berichterstattung über das Testgeschehen ein. Erst auf Nachfragen meiner Fraktion wird klar, dass das Ministerium aber mehr weiß, als es in den Berichten schreibt. Das ist nicht nur erklärungs-, sondern unseres Erachtens auch änderungsbedürftig.

(Zustimmung)

Denn es geht hier nicht um uns. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die Eltern, die potenziell gefährdeten Berufsgruppen und ihre Verbände haben ein Recht darauf, sich ein Bild darüber zu machen, wie die Teststrategie des Landes nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis umgesetzt wird. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Gebhardt für die Einbringung des Antrages. - In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Grimm-Benne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich beziehe mich jetzt, weil ich auch nur drei Minuten Redezeit zur Verfügung habe, lediglich rein auf die Finanzierung der Coronatests und der erweiterten Teststrategie.

Sie haben dankenswerterweise gesagt, dass wir sehr kurzfristig umfangreich Stellung genommen haben. Meines Erachtens haben wir uns auch zu den Einschulungsuntersuchungen und zu der Frage geäußert, warum diese erst jetzt wieder täglich anlaufen. Denn diese waren in der Zeit des Coronavirus ausgesetzt worden und beginnen jetzt erst wieder. Deswegen ist das nicht erklärungsbedürftig. Ich hoffe, dass die Antworten ausreichend waren, sonst muss man das gegebenenfalls im Sozialausschuss ausführlicher darstellen. Mir wäre es ganz lieb, wenn die Leiterin der Fachabteilung - Frau Dr. W. ist selbst Medizinerin - das selbst darstellen könnte. Denn die erweiterte Teststrategie ist keine politische Ausrichtung, sondern eine inhaltliche und fachliche Strategie.

Nun zu den von Ihnen gestellten Fragen zur Finanzierung. Auch wir sagen, dass bei systemabhängiger Testung im Rahmen einer Krankenhaus- oder ambulanten Krankenbehandlung die Finanzierungsverantwortung der GKV auf jeden Fall für die GKV-Versicherten klar gegeben ist. Ich denke, das ist auch durch das deutlich geworden, was der Bund jetzt verhandelt hat.

Jetzt geht es natürlich um die Frage, wie man Testungen zur Verhütung und Bekämpfung des Coronavirus und zum Schutz besonders gefährdeter Personengruppen gestaltet. Denn mittlerweile empfiehlt auch das Robert-Koch-Institut, dass bestimmte Personengruppen auch dann getestet werden sollten, wenn sie keine Symptome aufweisen. In der Tat ist die Kostenübernahme für diese vorsorglichen Coronatests bislang unklar. Das gilt auch für den Verordnungsentwurf bzw. für das, was uns vorgelegt worden ist.

Abhilfe soll die sogenannte Verordnung zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bringen, die noch im Juni 2020 veröffentlicht werden soll. Diese Testverordnung regelt - das haben Sie bereits dargestellt -, dass die gesetzlichen Krankenkassen in klar definierten Fällen auch die Tests für Personen bezahlen müssen, die keine Symptome aufweisen. Kosten für die Laborleistung der Testungen, die vom öffentlichen Gesundheitsdienst angeordnet und durchgeführt werden, müssen somit über die GKV bzw. über die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden.

In Ihrem Antrag wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Verordnung Schwächen hat. Tatsächlich bezahlen somit nur die gesetzlich Krankenversicherten. Aber hinsichtlich der im Antrag genannten Beschränkung der Tests auf maximal zwei Wochen weise ich darauf hin, dass alle zwei Wochen getestet werden kann und dass das im Rahmen eines Screenings durchaus ausreichend ist. Sollten positive Befunde auftreten, greift ein anderes System.

Bedauerlich finde ich aber, dass nach dem bekannten letzten Stand nur die Laborleistungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden. Die übrigen Kosten, etwa für Personal, Organisation, die Durchführung der Tests, Testkits und Logistik, müssen von den Kommunen bzw. von den Ländern getragen werden. Darauf sind Sie bisher noch gar nicht eingegangen. Es ist nicht nur so, dass die GKV die Laborkosten in Höhe von 50 € finanzieren soll. Vielmehr müssen wir den öffentlichen Gesundheitsdienst und das Landesamt für Verbraucherschutz, die die Screenings und andere Maßnahmen durchführen müssen, auf der Grundlage der Landeshaushalte ertüchtigen. Deswegen sagen wir, dass die Kosten für Privatversicherte im Augenblick auch die GKV tragen müsste, was auch noch nicht eindeutig geklärt ist.

Insofern sind auch wir der Auffassung, dass die Verordnung den öffentlichen Gesundheitsdienst nicht ausreichend entlastet und dass die reine Übernahme der Laborkosten nicht ausreicht. Alle

Landesminister thematisieren das im Augenblick in den Telefonkonferenzen mit dem Bundesministerium für Gesundheit. Wir haben darum gebeten, in der Verordnung bezüglich der Aspekte, die ich gerade beschrieben habe, nachzusteuern. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir die Regelung bislang nicht als sachgerecht empfinden.

So weit zu meinen Ausführungen. Ich habe meine Redezeit schon um eine Minute und 20 Sekunden überschritten. Einen solchen komplexen Bereich in drei Minuten abzuhandeln, ist etwas kompliziert.

Frau Ministerin, Herr Gebhardt hat sich zu Wort gemeldet. - Herr Gebhardt, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich habe mich vorhin namens meiner Fraktion bereits herzlich für die Antworten bedankt. Diese waren natürlich sehr erhellend.

Meine Frage zielt in die Richtung, noch zu erfahren, warum Sie die Berichtsform geändert haben. Warum weichen Sie jetzt von den täglichen Berichten ab? - Gerade Sie haben doch in der letzten Landtagssitzung verkündet, dass es eine neue Teststrategie geben wird.

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Ja!)

Sie haben damit positive Überschriften bewirkt. Das meine ich jetzt nicht negativ. Wir haben die neue Teststrategie ja auch ausdrücklich begrüßt, was ich vorhin in meiner Rede noch einmal gesagt betont habe. Aber wenn dazu jetzt die Berichte und die Informationen dünner werden, ist das etwas, womit man sich nicht zufriedengeben kann. Können Sie uns einmal den Hintergrund dazu erläutern?

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Wir haben eine Konzeption erarbeitet, die aufzeigt, wie wir damit umgehen, wenn die Pandemie, wie schon im Augenblick, weiter abflacht. Wir haben erörtert, wie wir als Land mit einem Ampelsystem, wie es zum Beispiel in Berlin und andernorts angewandt wird, eingreifen können und wann wir bestimmte Strategien während der Pandemie wieder verstärkt verfolgen. Im Augenblick ist es so, dass wir als Land nur dann eingreifen sollen, wenn innerhalb einer Woche mehr als 50 Infektionsfälle je 100 000 Einwohner auftreten. Das ist

viel zu spät. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen einige Punkte vorschalten.

Ich will es deutlich machen: Wir mischen uns jetzt schon bei der Landeshauptstadt Magdeburg ein, weil wir sehen, dass mittlerweile pro Tag möglicherweise wieder fünf Infizierte je 100 000 Einwohner dazukommen; jedenfalls in der Stadt. Deshalb fangen wir bereits jetzt damit an, entsprechende Regelungen zu treffen. Das haben wir in einer Konzeption dargestellt. Deswegen haben wir gesagt, im Augenblick - -

(Zurufe)

- Darüber reden wir noch einmal. Wir müssen die Daten öffentlich machen, ja;

(Zuruf)

darin gebe ich Ihnen recht.

(Zustimmung)

Aber wir haben im Augenblick im Land Daten nur zu knapp 1 800 Infektionen vorliegen. Wir haben sie regionalisiert und bereits aufbereitet. Wenn wir diese Daten noch stärker öffentlich darstellen, dann kann man daraus die Namen und die Adressen der Personen ableiten. Ich habe gesagt, wenn wir diese Angaben noch stärker öffentlich machen, dann ist das, was wir jetzt zum Beispiel in Quedlinburg in einer Kita-Einrichtung erlebt haben, nämlich dass bekannt wird, wo man arbeitet bzw. dass man möglicherweise unter Quarantäne gestellt worden ist oder infiziert gewesen ist, noch schwieriger darzustellen. Wir wollen damit nicht noch einen Anschub dafür leisten, dass Menschen stigmatisiert werden. Deswegen haben wir noch immer in der Abwägung, ob die Daten vollständig öffentlich zu machen sind.

Wir haben in unserem Land natürlich Berichte vorliegen. Diese konnte man auch einsehen. Die kann man so zurückverfolgen, dass man sogar Altenpflegeheime oder bestimmte Familien identifizieren könnte, weil es eben so wenig Daten bzw. Infizierte in unserem Land gibt. Deswegen wägen wir, auch gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten, immer sehr genau ab, was für die Öffentlichkeit wichtig ist, was für sie dargestellt werden muss, wie wir testen müssen und was für den Schutz der Personen wichtig ist. Das will ich hier noch einmal deutlich machen.

Wir haben hinsichtlich der Teststrategie bisher sehr, sehr transparent agiert. Wir können im Augenblick gar nicht mehr testen. Wir gehen davon aus - das war heute Morgen schon Thema in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten -, dass unsere Bevölkerung noch nicht in großem Maße durchseucht ist, weil wir nur sehr, sehr wenig Infizierte gehabt haben. Das konnte man zum Beispiel bei der Testung, bei dem Screening

sehen, das wir bei dem Fleischbetrieb in Weißenfels durchgeführt haben. Dort haben wir ganz andere Daten erwartet, als sie letztlich vorgelegt wurden. Wir haben Altenpflegeheime in der Nähe zum Landkreis Greiz getestet, da wir Sorge hatten, dass aus Thüringen etwas zu uns herübergelangt. Diese Tests waren völlig negativ.

Deswegen sagen wir: Wir beginnen jetzt eine Teststrategie im Land, die auf längere Zeit angelegt ist. Wir nutzen dafür die U-Untersuchung und die Einschulungsuntersuchung. Mittlerweile gibt es Kitas und Einrichtungen, die sich schon immer an der Untersuchung der Atemwegserkrankungen beteiligt haben. Dort setzen wir jetzt zusätzliche Tests an. Das Landesamt für Verbraucherschutz - das ist in einer der Antworten auf Ihre Fragen aufgeführt worden - hat jetzt wieder angefangen, täglich oder wöchentlich solche Testungen durchzuführen.

Wir wissen bereits, dass unser Testverfahren gut klappt. Dadurch konnte erkannt werden, dass in den Kitas im Augenblick schon wieder der sogenannte Sommerschnupfen umgeht. Fragen Sie mich aber jetzt nicht, um welche Virusgruppe es sich dabei handelt. Wir haben dadurch also schon wieder weitere Erfahrungen sammeln können.

Geben Sie mir die Möglichkeit, diese Punkte vielleicht noch ausführlicher im Ausschuss darzustellen. Es sind nur punktuelle Tests, es ist keine Massentestung. Wir haben zusammen mit dem Landesamt für Verbraucherschutz bestimmte Gruppen ermittelt - wir wollen das auch bei den Altenpflegeheim machen -, bei denen wir statistisch sagen können: Das ist eine Gruppe aus der Bevölkerung, die zufällig ausgewählt wurde. Sie kennen die Konzeption. Das wollen wir zukünftig etablieren.

Herr Raue hat sich zu Wort gemeldet. - Herr Raue, Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, meine Frage geht im Prinzip genau in die Richtung der Frage, die ich das letzte Mal bereits an Sie gerichtet habe. Es geht um die repräsentativen Antikörpertests.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Dann müssen Sie das jetzt nicht noch mal machen!)

- Halten Sie doch die Klappe!

(Zurufe)

- Nein, gar nicht. - Es geht mir um repräsentative Antikörpertests in Sachsen-Anhalt, beispielsweise von einer Gruppe, die meinetwegen zufällig ausgewählt wurde, die aus 5 000 Menschen besteht,

die bisher nicht als infiziert registriert sind und die nicht unbedingt zu irgendwelchen Risikogruppen gehören, also willkürlich ausgewählte Menschen, also so, wie man repräsentative Studien eben durchführt.

Damit könnte dieser Durchseuchungsgrad wirklich ermittelt werden. Wenn man nur in bestimmte Regionen bzw. spezielle Einrichtungen geht, dann ist das wenig repräsentativ.

Wann kommen wir zu solchen Tests? - Wir müssen doch hochrechnen können, wie gefährlich diese Krankheit ist und wie stark die Leute gesundheitlich bezogen auf ihren Infektionsgrad betroffen sind.

Wenn wir nicht zu solchen Erhebungen kommen, dann spekulieren wir noch in einem Jahr. Wir brauchen darüber schnellstmöglich eine Erkenntnis, damit wir wissen, welche Maßnahmen aktuell noch vertretbar sind und welche Maßnahmen wir vielleicht sogar verstärken müssen. Wir brauchen solche Daten, Frau Ministerin. Wann kommt dieser Antikörpertest, der für Sachsen-Anhalt repräsentativ ist?

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Wenn Sie das Protokoll über die letzte Landtagssitzung zu dem gleichen Fragenkatalog lesen, dann muss ich mich nicht noch einmal wiederholen. Ich habe ausführlich zu den Antikörpertests Stellung genommen und Ihre Fragen beantwortet.

Herr Raue, eine kleine Nachfrage.