Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

Ich denke, die Fahrschulen quälen sich zum Teil wirklich ab, den Leuten das zu vermitteln, was gefordert und auch wichtig ist. Und ja, ich sage auch ganz klar: Wenn die Leute so fahren würden, wie sie es in der Fahrschule beigebracht bekommen, dann gäbe es diese Verstöße nicht, dann bräuchten wir keinen Bußgeldkatalog.

Aber der Mensch ist nun mal, wie er ist; und er ist fehlbar. Richtig gesagt vorhin: Auch das müssen wir in die Überlegungen einbeziehen. Deswegen ist dieses sture undifferenzierte Verhalten, dieses ständige Hochschrauben der Gebühren teilweise bis zum doppelten oder dreifachen Betrag, unangebracht. Es wird nicht helfen. Es spült nur mehr Geld in die Kassen, was wiederum wahrscheinlich sinnlos irgendwo verbrannt wird. Dazu gibt es ein klares Nein. - Danke.

Herr Farle, hatten Sie sich zu einer Frage gemeldet?

(Zurufe)

Wir sind doch Parlamentarier, oder nicht?

Sie hatten sich zu einer Frage gemeldet?

Stimmen Sie mit mir darin überein, Herr Poggenburg, lieber André,

(André Poggenburg, fraktionslos: Das hat er richtig gesagt: lieber André!)

dass auf dieser Seite des Saals, speziell auch bei dem Kollegen aus Magdeburg, überhaupt kein Verständnis dafür vorhanden ist, dass zwischen einer Strafe und dem persönlichen Verhalten, dem Schuldbewusstsein der Situation, in der jemand fährt, eine Verbindung gesehen werden muss und dass eine Geldbuße oder auch eine Strafe erkennbar auf das Verhalten des Betreffenden Einfluss nehmen muss, um mehr Sicherheit zu bringen?

Konkret auf eine Situation angewandt: Wenn ich auf einer Straße, die zum Beispiel in der Stadt liegt, 20 oder 22 km/h zu schnell fahre und dort meilenweit kein Kind bzw. niemand zu sehen ist und ich in dem Moment träume,

(Zurufe)

- Nein! - wenn ich dann um 1 km/h über der zulässigen Geschwindigkeit fahre, sollen Punkte kommen?

(Zurufe)

- Addieren Sie dann einen Punkt dazu. Aber bedenken Sie einmal, was ich hier anspreche. Sie begreifen das ja gar nicht.

(Unruhe)

Herr Farle, richten Sie Ihre Frage an Herrn Poggenburg!

Meine Frage an Herrn Poggenburg ist einfach: Muss ein Bußgeldkatalog bei der Findung des Bußgeldes und bei der Strafe, die am Ende verhängt wird, nicht auch berücksichtigen, dass nicht automatisch irgendwas abläuft, sondern dass das gesamte Geschehen einzubeziehen ist, zumindest dann, wenn es um Führerscheinentzug geht? Wer das ablehnt, der lehnt die Freiheit der Bürger und der Menschen ab, der lehnt die Menschlichkeit ab.

(Zurufe)

- Das sind Sie! Sie sind diejenigen, die unmenschlich denken.

(Zurufe)

Herr Farle! - Herr Poggenburg, ich gebe Ihnen die Möglichkeit, darauf zu antworten.

Das tue ich gern und kann das zum allergrößten Teil unterstreichen, was Herr Farle gerade angeführt hat. Auch Herr Scheurell hatte es vorhin richtig gesagt: Es muss im Grunde auch die Gefahrsituation, die entsteht, berücksichtigt werden, wenn eine Strafe verhängt wird.

Es ist natürlich so, dass immer mehr gefordert wird. Wir haben es gehört: Tempolimit 30 oder 30iger-Zonen in Städten. Natürlich kann das an der richtigen Stelle die richtige Lösung sein.

Aber einem Autofahrer kann es passieren, dass er sich in der Stadt an einer Stelle befindet, an der eine Schule ist, aber es ist Sonntag und es ist

kein Schüler da. Er denkt nicht daran oder hat ein Schild übersehen. Er fährt dort 50 oder 52 km/h weil er der Annahme ist, dass in der Stadt regulär 50 km/h erlaubt sind. Die Fehlerquote - ich sage extra: Fehler - ist natürlich auch wieder höher.

(Zurufe)

Das sind die Angelegenheiten, bei denen man auch mal überlegen muss. Wenn man eine Verschärfung der Regularien fordert und gleichzeitig eine Verschärfung der Sanktionen fordert, das bringt einfach nichts.

(Zuruf)

Das bringt nichts anderes als Unmut in der Bevölkerung und kein Verständnis für die Situation.

(Zuruf: Jetzt ist Schluss!)

- Nein, ein Punkt noch! - Herr Farle hat mich gefragt, ob ich ihm recht gebe, dass hier drüben jegliches Verständnis fehlt. - Das will ich mal so nicht sagen; denn ich habe, als ich meine Ausführungen vorhin begonnen habe, zumindest bei Herrn Dr. Grube vielleicht ein kleines Nachdenken erkennen können. Ich weiß nicht, vielleicht habe ich mich getäuscht.

Ich würde mich aber freuen, wenn man wenigstens die Argumente aufnimmt und darüber nachdenkt. Das wäre der erste Schritt und würde jetzt beweisen, dass es hier drüben vielleicht doch noch nicht hoffnungslos verloren ist, was ich mir im Sinne der Sache wünschen würde. - Danke.

Herr Poggenburg, ich sehe, es gibt keine weiteren Fragen. Dann danke ich Ihnen für den Redebeitrag. - Für die AfD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Büttner. - Herr Büttner, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte hat gezeigt, was in diesem Land und was auch bei der Bundesregierung falsch läuft. Es debattieren Menschen über Dinge, von denen sie selbst eigentlich keine Ahnung haben.

(Zurufe)

Das fängt bei Verkehrsminister Scheuer an, der keinen Meter in diesem Land selbst fährt, sondern sich mit einem Chauffeur herumkutschen lässt. Sie alle haben eine BahnCard 100 in der Tasche.

Herr Dr. Grube, Sie müssen nicht übers Land fahren, wenn Sie zu Ihrem Arbeitsplatz in Magdeburg wollen, Sie müssen nicht pendeln. Deshalb können Sie gar nicht nachvollziehen, wie es den Pendlern in unserem Land geht.

(Zustimmung - Zuruf: Jawohl!)

Wenn ich selbst kaum fahre, dann habe ich natürlich diese Probleme nicht. Wenn ich nur 1 000 km im Jahr fahre, dann habe ich nicht dieselbe Laufleistung wie ein Pendler, der 30 000, 40 000 oder 50 000 km im Jahr fährt.

(Zurufe)

Der hat dann auch ein dreißig-, vierzig- oder fünfzigfaches Risiko, geblitzt zu werden oder auch seinen Führerschein zu verlieren. Das ist für viele Menschen existenzbedrohend.

(Zurufe)

Denn ein Monat Führerscheinverbot kann schon dazu führen, dass man seine Arbeitsstelle nicht mehr erreicht; denn wir wohnen hier in SachsenAnhalt. Das bedeutet also, wir wohnen in einem Bundesland, wo der ÖPNV schlecht ausgebaut ist, wo es keine Radwege gibt, wo man nicht nur aus dem hinterletzten Ort, sondern schon aus Ortsteilen nicht mehr ohne Probleme in die Kernstadt kommt. Man kriegt hier in diesem Bundesland am Wochenende nicht mal mehr ein Taxi.

(Beifall)

Dann stellen Sie sich hin und finden das super, dass hier alles noch mehr belangt wird. Ab einer Überschreitung um 16 km/h ein Punkt: Der ideologische Feldzug gegen den Autofahrer beginnt nicht erst mit diesem Bußgeldkatalog, der hat schon vor Langem begonnen.

Das müsste jedem bewusst geworden sein, als die Regelung eingeführt worden ist, dass man ab acht Punkten seinen Führerschein verliert. Darum ist es umso schlimmer, dass man diese Entwicklung mit dem neuen Bußgeldkatalog noch zuspitzt, indem man sagt: Ab einer Überschreitung um 16 km/h innerorts bekommt man schon einen Punkt.

Jetzt erzähle ich Ihnen mal, wie die Realität in diesem Bundesland aussieht. Davon kann ich nämlich selbst sehr gut berichten

(Zurufe)

aus unzähligen Beispielen, wo ich selbst geblitzt worden bin.

(Zurufe - Heiterkeit)

- Moment mal!