Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

An dieser Stelle möchte sich meine Fraktion erneut und auf das Herzlichste bei allen Pflegekräften in den stationären Einrichtungen und bei den Pflegediensten, aber auch bei allen pflegenden Angehörigen für ihren unermüdlichen Einsatz bis zum heutigen Tag bedanken.

(Beifall)

Wir wünschen ihnen allen weiterhin viel Gesundheit, Kraft und auch den erforderlichen Optimismus, diese und zukünftige Anforderungen zu meistern.

Ja, die alten und älteren Menschen bilden eine Risikogruppe. Die getroffenen Maßnahmen sollten

sie ganz besonders schützen. Genau dies macht alles Agieren besonders kompliziert.

Deutlich wurde auch, dass sich nicht alle gleichermaßen an die Auflagen gehalten haben. Die Folgen dieses Nichteinhaltens werden ausgeblendet und führen wieder zu drastischen Maßnahmen, unter denen auch diejenigen leiden, die sich daran gehalten haben.

Darüber hinaus ist es unter anderem nicht erklärbar, dass die Bewohnerinnen und Bewohner so eingeschränkt leben, dass Pflegepersonal nach jedem Dienst das Haus verlässt, mit zig anderen Menschen in Kontakt gerät und am nächsten Tag ohne Test wieder an die Arbeit geht. Auch deshalb jetzt unser Antrag.

Schätzungsweise leben bundesweit 885 000

Menschen in insgesamt 11 488 Alten- und Pflegeheimen. Schon diese Zahl macht deutlich, dass es sich hier nicht um einen kleinen Kreis Betroffener dreht. Dennoch macht sich das Gefühl breit, dass diese Gruppe von Menschen bei den vielen Überlegungen der Rückkehr zur Normalität keinerlei Beachtung findet. Das ärgert uns gewaltig.

Wir halten es für selbstverständlich, dass es dann, wenn die Gesellschaft beginnt, mit kleinen, vorsichtigen oder aber auch mit größeren Schritten in den gewohnten Alltag zurückzufinden, auch Maßnahmen geben muss, die in den Alten- und Pflegeeinrichtungen gleichermaßen zu Lockerungen und Vereinfachungen der bestehenden Prozesse führen.

Es war nicht überhörbar, dass sich die Träger von Einrichtungen und alle Pflegedienstleitungen hier ganz deutlich bundeseinheitliche Standards gewünscht hätten. Die Ankündigung der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen

und -chefs der Länder Anfang Mai haben da auch anderes vermuten lassen. Gegenwärtig führen die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Maßnahmenpakete mehr zu Verunsicherung denn zu mehr Sicherheit. Dies bringt Träger sowie Einrichtungsleiterinnen und Einrichtungsleiter in

Zwangslagen und führt nicht immer zu klugen und mutigen Entscheidungen.

Auch nach unserer Sechsten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt vom 26. Mai 2020 sind die Besuchsmöglichkeiten für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Patientinnen und Patienten auf eine Person am Tag für eine Stunde eingeschränkt. Entscheidungen soll jeder Träger, jede Einrichtung entsprechend der konkreten Infektionslage vor Ort treffen. Darüber hinaus sind auch hier Maßnahmenpakete für die erforderliche Hygiene notwendig, die personelle und materielle Ressourcen erfordern und die Einrichtungen an deutliche Grenzen stoßen lassen.

Ich will an dieser Stelle einmal unsere Gesundheitsministerin als eine der wenigen, wenn nicht sogar als einzige Gesundheitsministerin in der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich lobend erwähnen, die öffentlich beklagt hat, dass die Risikogruppe Senioren zu oft vergessen wird und dass sie trotz Pflegebedürftigkeit auch das Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit hat.

(Beifall)

Es soll Einrichtungen und Träger geben, die aus Angst vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen im Falle eines möglichen Infektionsgeschehens den Ausgang der Bewohnerinnen und Bewohner auf den eigenen Außenbereich beschränkt bzw. in Gänze unterbunden und bei Zuwiderhandlungen mit der Fortsetzung von Quarantänemaßnahmen gedroht haben. Ich will gleich sagen: Dies ist sicherlich eine drastische Ausnahme, aber bei den bestehenden Ängsten und Unsicherheiten tatsächlich existent. Dies ist mitnichten unsere Erfindung, sondern eine Feststellung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.

Dies bringt uns zu unserer ersten Forderung in dem Antrag. Von der Politik werden klare, eindeutige Vorgaben erwartet, auch und besonders, wenn man bedenkt, dass im jüngsten Konjunkturpaket der Bundesregierung die Pflegekräfte, deren schlechte Bezahlung ein wesentlicher Grund für die schlechte Personalausstattung in vielen Heimen ist, überhaupt nichts abbekommen. Auch das ist ein Skandal.

Wir wollen eine allgemein verbindliche Anordnung für alle Alten- und Pflegeeinrichtungen über das Verlassen und die Rückkehr in die Einrichtung und über die erforderlichen Hygienemaßnahmen für diesen Fall. Ziel müssen Glaubwürdigkeit und Machbarkeit der Maßnahmen sein, um so zu mehr Verständnis bei den zu Pflegenden, ihren Angehörigen und dem Personal zu gelangen.

Ebenso klare und verständliche Regelungen müssen die Gestaltung der persönlichen Kontakte der Bewohnerinnen und Bewohner zur Familie und zu Freunden beinhalten. Wir sind uns sicherlich darin einig, dass für viele alte und ältere Menschen der regelmäßige Kontakt zu Familie, Freunden oder anderen Bezugspunkten auch einen therapeutischen Hintergrund besitzt. Angehörige sind Bestandteil des Pflegesettings. Sie helfen und unterstützen bei der Nahrungs- und Getränkeaufnahme und bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme. Sie lesen vor und gehen mit ihren Angehörigen spazieren. Sie helfen, Erinnerungen und das Interesse am aktuellen Geschehen wachzuhalten. Sie helfen mit ihrem Tun, auch die gegenwärtige Situation zu erklären, und können damit das Verständnis für die zu bewältigenden Maßnahmen erhöhen. Damit entlasten sie wiederum die Pflegekräfte deutlich.

Darüber hinaus gelingt es auch mit ihrer Hilfe, die Herausforderungen an die aktuelle gesundheitliche Prävention und die Gesundheitsfürsorge für die nähere und weitere Zukunft gemeinsam mit ihren zu Pflegenden zu ermitteln und zu gestalten. Das reicht von der Bewegungstherapie bis zum Zahnarztbesuch.

Unsere Aufgabe als Politik ist weiterhin, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Träger der Einrichtungen und die Pflegedienstleitungen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den stationären Einrichtungen selbst, aber auch bei den Pflegediensten mit der erforderlichen Schutzkleidung ausstatten.

Ein bisher zu wenig beachteter Aspekt ist die dringend notwendige Testung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen und bei den Pflegediensten. Hier stehen wir offenbar noch ganz am Anfang.

Auch wir können kein Personal backen. Dennoch müssen wir gemeinsam mit allen Akteuren nach Möglichkeiten der personellen Unterstützung, besonders für den stationären Bereich, suchen. Auch das ist unserer Meinung nach noch ein Bereich mit ganz viel Luft nach oben.

Nicht zuletzt erwarten wir unter anderem vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes die Erarbeitung einer Handlungsempfehlung für die Akteure im häuslichen Kranken- und Altenpflegebereich. Neben der notwendigen hygienischen Standardausstattung mit Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung und deren zusätzlicher Finanzierung müssen auch Fragen der Notbetreuung für Pflegende geklärt werden, um die pflegerische Versorgung auch bei einem Ausfall der Pflegepersonen sicherzustellen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen fordert überdies ein frei verfügbares Budget für pflegende Angehörige, um flexibel Unterstützung organisieren zu können.

Für besonders wichtig erachten wir ein Beratungs- und Betreuungsangebot für pflegende Angehörige, das entsprechend der aktuellen Lage an sieben Tagen in der Woche erreichbar ist.

Nun noch ganz kurz zu dem Alternativantrag, werte Koalitionsfraktionen. Ich habe manchmal den Eindruck, Sie besitzen einen Dauerbezugsschein für Weichspüler. Das Problem ist zwar erkannt. Sie gucken, was Sie bisher getan haben, loben sich dafür und machen so weiter. Das wird auf Dauer und ganz speziell hier nicht helfen.

(Beifall)

Selbstverständlich ist der Katalog der Möglichkeiten nach oben offen.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall)

Offensichtlich gibt es eine Frage, Frau Zoschke, von Herrn Steppuhn. Etwas anderes geht jetzt gar nicht. Also muss es schon eine Frage sein.

Ich wollte an dieser Stelle nur sagen, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, die Debatte zu diesem wichtigen Thema zunächst im Ausschuss zu führen, sodass der Änderungsantrag heute noch gar nicht zur Debatte steht. Deshalb beantrage ich jetzt die Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration.

Okay. Das ist nun noch einmal ein anderes Verfahren.

Ich wollte Ihnen nur sagen: Ein Änderungsantrag kann schon deswegen nicht zur Debatte stehen, weil keiner vorgelegt worden ist. Es ist ein Alternativantrag vorgelegt worden. Aber wir wollen heute nicht kleinlich sein.

Demzufolge findet - anders als es ursprünglich im Ältestenrat vereinbart worden ist - zu dem Tagesordnungspunkt keine Debatte statt. Ich frage aber trotzdem: Gibt es jemanden, der jetzt dazu reden will? - Nein, das ist nicht so.

Insofern können wir gleich zu dem Begehren auf Überweisung in den Ausschuss kommen. Das betrifft sowohl den Ursprungsantrag als auch den Alternativantrag. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, sollen die Anträge in den Sozialausschuss überwiesen werden. - Offensichtlich ist das richtig. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das ist nach einigem Zögern offensichtlich das gesamte Haus. Ich frage trotzdem auch nach Gegenstimmen. - Sehe ich nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? - Sehe ich auch nicht. Demzufolge ist die Überweisung des Antrages und des Alternativantrages in den Sozialausschuss einstimmig beschlossen worden.

Wir werden für die letzten beiden Tagesordnungspunkte hier vorn noch einen Wechsel vornehmen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 19

Erste Beratung

Eltern und Einrichtungen im eingeschränkten Kita-Regelbetrieb entlasten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6120

Wie ich jetzt erfahren habe, ist bei dem Tagesordnungspunkt 18 ebenso verfahren worden, wie wir auch jetzt verfahren wollen. Wir werden die Einbringung des Antrages durch die Fraktion DIE LINKE hören. Dazu wird Frau Hohmann sprechen. Eine Debatte wird es nicht geben. Es wird nur über die Überweisung des Antrages in einen Ausschuss abgestimmt. - Frau Hohmann, damit haben Sie das Wort.

Recht vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem 2. Juni 2020 gilt der eingeschränkte Regelbetrieb in den Kindertageseinrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt. Diesen Umstand begrüßen wir als Fraktion sehr. Denn nach vielen Wochen der Schließung und der Notbetreuung können Kinder jetzt wieder in ihre Einrichtungen gehen, wieder mit ihren Freunden spielen und endlich wieder bei ihren Erzieherinnen sein. Eltern können wieder weitestgehend ihrer Arbeit nachgehen und Erzieherinnen haben endlich wieder ihre Kinder im Haus. Man könnte meinen, dass nun alles gut ist und alle Beteiligten glücklich über den Zustand sind. Das, meine Damen und Herren, ist leider nicht der Fall.

Sehr geehrte Damen und Herren! Schauen wir uns einmal an, was die eingeschränkte Regelbetreuung bedeutet, auf die sich der gemeinsame Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz und der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 28. April 2020 bezieht. In der dritten Phase, dem eingeschränkten Regelbetrieb, geht es unter anderem um Folgendes - ich zitiere -:

„Bei weiterer Entspannung der infektionshygienischen Lage wird der Rechtsanspruch auf Betreuung gemäß § 24 SGB VIII nicht länger durch das Infektionsschutzgesetz eingeschränkt. In diesem Fall haben somit alle Eltern einen Anspruch auf die Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertageseinrichtung bzw. einer Kindertagespflege.“

Daraus ergeben sich für mich zwei Fragen. Erstens. Wie gehen wir in Sachsen-Anhalt nun mit dem Rechtsanspruch aus dem KiFöG um? Zweitens. Warum beruft sich die Landesregierung in ihrem Erlass vom 26. Mai 2020 auf das Infektionsschutzgesetz, wo doch die Jugend- und Familienministerkonferenz Folgendes festlegte - ich zitiere erneut -:

„Die Einschränkungen in der Kindertagesbetreuung erfolgen in den ersten beiden Phasen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes. Erst ab der dritten Phase wird der Rechtsanspruch auf Betreuung gemäß § 24 SGB VIII nicht länger durch das Infektionsschutzgesetz eingeschränkt.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Welche Folgen hat der eingeschränkte Regelbetrieb nun vor Ort? Die meisten von Ihnen waren sicherlich schon in der einen oder anderen Kita und haben sich umgehört, wie es dort läuft. Aufgrund der getroffenen Maßnahmen, auch gemäß dem Hygieneplan, sind in den Einrichtungen stringente Vorgaben zu erfüllen. So halten sich alle Kinder wieder in ihren jeweiligen Gruppen auf, nutzen ihnen fest zugeordnete Gruppen- und Schlafräume und werden von ihnen bekannten pädagogischen Fach- und Hilfskräften betreut.