Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wenn Sie hier vorn jemanden haben, der eine Frage gestellt bekommt, dann müssen Sie ihm auch die Gelegenheit geben, zu antworten. Sie können die Antwort nicht kritisieren, weil sie Ihnen nicht gefällt. - Wir haben eine weitere Wortmeldung. Herr Abg. Loth, bitte.

Nachdem sich Frau Frederking jetzt - schallt das, hört man mich? - um die Antwort herum gewunden hat, möchte ich Folgendes festhalten: Frau Frederking, Sie haben mit Nein gestimmt zu den AfD-Anträgen, Sie haben mit Ja gestimmt zu den Koalitionsanträgen, die immer nur Alternativanträge und nicht weitreichend genug waren.

(Zurufe)

Aber ich möchte Ihnen noch eine Frage stellen. Seit 2016, Frau Frederking, haben Sie selbst gewusst, was in der Grube ist. Sie haben eine Kleine Anfrage gestellt, die am 11. Februar 2016 veröffentlicht wurde. Seitdem wissen Sie auch, was qualitativ darin ist.

Sie wissen auch, dass die Grube seit dem Jahr 2000 undicht ist. Das haben Sie vorhin selbst gesagt. Sie haben am 22. April 2017 den Antrag der AfD zum ersten Mal abgelehnt. Somit haben Sie jetzt drei Jahre weiter zugelassen, dass Giftwas

ser von der Grube in das Grundwasser gelangt ist und die Leute weiter vergiftet. Das ist erst einmal eine Feststellung, die ich hier treffe.

Sodann möchte ich Sie zur - wie haben Sie gesagt? - Neubewertung von Schließungen fragen. Dazu haben Sie jetzt eine priorisierte Art der Schließung, die Auskofferung und die Abdeckung, genannt. Sie wissen aber ganz genau, dass seitens des Altlastenfonds gesagt wurde, die gucken wohl nach dem Geld.

Meine Frage ist: Wie wollen Sie sich dafür einsetzen, dass jetzt Ihre Variante durchgesetzt wird und nicht die zweite, dritte, vierte oder sogar fünfte oder sechste, die es vielleicht auch noch geben wird?

Frau Frederking, bitte.

Herr Loth, wir wollen uns nicht einsetzen, sondern wir setzen uns ein, nämlich genau mit diesem Antrag.

(Beifall)

Dieser Antrag hat die ganz klare Zielbestimmung Auskofferung und Verbringung des Deponats in Deponien an anderen Standorten. Das ist genau das, was viele seit Langem gefordert haben, was die Menschen vor Ort wollen. Und dieser Variante wird jetzt nachgegangen.

Ich stelle hier fest, dass die Untersuchungsergebnisse, die in den vergangenen zwei Jahren erzielt worden sind, keine Zeitverschwendung waren in dem Sinne, dass dies nutzlos gewesen wäre. Vielmehr wiederhole ich das, was ich ganz konkret auf die Frage von Herrn Lieschke geantwortet habe: Diese Untersuchungsergebnisse sind jetzt die Grundlage, weil wir ganz genau wissen, dass nicht nur Qualität, sondern auch Quantität ausschlaggebend sind.

Ich wiederhole mich noch einmal: Wir wissen auch, wo welche Schadstoffe in welcher Konzentration sind. Diese Vorarbeiten sind wichtig und Grundlage, um diesen genehmigungsfähigen Plan zu machen, der als Ziel die Auskofferung und Verbringung des Deponats hat.

Vielen Dank. - Herr Loth, Sie haben noch eine kurze Nachfrage. Bitte.

Frau Frederking, aus Ihrer Arbeit wissen Sie sicherlich auch oder können vielleicht abschätzen, wie lange es denn dauert, bis dieser Plan erstellt

ist und wann der erste Bagger dort anrollt, um die Grube auszukoffern. - Dies nur einmal so pauschal.

Frau Frederking.

Ich gehe davon aus, dass das unverzüglich erfolgt, wenn der Plan vorliegt.

(Heiterkeit und Zurufe)

Nach meiner Einschätzung wird das in wenigen Jahren der Fall sein. Weil bereits sehr viele Vorarbeiten gemacht wurden, denke ich daran, dass das sogar nur noch Monate dauern wird.

Vielen Dank, Frau Frederking. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Jetzt kommen wir zum nächsten Einbringer. Den Antrag unter b) wird jetzt Herr Abg. Höppner von der Fraktion DIE LINKE einbringen. - Sie müssen aber noch einen kleinen Moment warten. - So, Herr Abg. Höppner, Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was ist das doch für eine ziemlich einschlagende Feststellung! Es wurde schon gesagt, nun steht wohl endgültig fest: Die Giftschlammgrube Brüchau ist undicht und Giftstoffe gelangen schon seit Jahrzehnten in das Grundwasser bzw. in die Umwelt.

Seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, behandeln wir dieses Thema. Und seit Jahrzehnten hat man die Gefährlichkeit der Grube einfach ignoriert bzw. abgewiegelt.

(Beifall)

Und ja - ich sage es an der Stelle auch noch einmal ganz deutlich -, man hat auf Zeit gespielt.

Eine ganze Reihe bzw. eine Vielzahl von Anträgen, Anfragen, Selbstbefassungen gab und gibt es dazu. Ich weiß, dass einige unter Ihnen, meine Damen und Herren hier im Landtag, sicherlich das Thema Brüchau schon lange nicht mehr hören können.

Doch der Beweis der Richtigkeit der andauernden Penetranz, insbesondere der Bürgerinnen und Bürger in der Westaltmark, der Bürgerinitiative Saubere Umwelt & Energie Altmark, der anliegenden Kommunen und auch einzelner altmärkischer Landtagsabgeordneter führte nun endlich zu dem hier vorliegenden Ergebnis und beweist: Die Giftgrube ist undicht, gefährlich und muss letztendlich komplett entsorgt werden.

(Beifall)

Seit 2018 - übrigens 28 Jahre bzw. jetzt 30 Jahre nach der Einheit - wurden nun endlich die umfangreichen Untersuchungen an der Giftmüllgrube Brüchau durchgeführt. So wurden entsprechend einem 2017 durch das LAGB zugelassenen Sonderbetriebsplan bis Jahresende 2019 geophysikalische Messungen und geologische Erkundungen vorgenommen.

Das Messstellennetz für die Grundwasserbeprobung wurde erweitert und auch der Deponieinhalt wurde wesentlich intensiver begutachtet. Die Gutachter beziffern nun das Gesamtvolumen des giftigen Cocktails auf 100 000 m3 mit unterschiedlicher Verteilung, Tiefe und Breite auf dem Gelände.

Wichtig ist auch die Feststellung, dass es nicht nur, wie immer gesagt wurde, Anomalien im Deponiegrund gibt, sondern das Ergebnis klar und deutlich lautet - ich zitiere aus dem Abschlussbericht -:

„Der das Deponat unterlagernde Geschiebemergel ist mindestens an einer Stelle komplett entnommen bzw. bereichsweise nur noch sehr gering mächtig (< 0,3 m) vorhanden.“

Auch diese Aussagen im Bericht lassen mehr als aufhorchen. Das Sickerwasser weist bei der aktuellen Untersuchung elf- bis 93-fache Überschreitungen des GFS für die Parameter Chlorid, Sulfat, Cyanide, Arsen, Barium, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink, Phenolindex sowie PAK einschließlich Naphthalin auf.

Bereits bei Untersuchungen 2005 waren Schwermetalle sowie MKW, LCKW und BTEX im Sickerwasser auffällig. Die ermittelte Sickerwasserfracht aus der Altablagerung beträgt für Chlorid rechnerisch 6,6 bis 9,9 t pro Jahr.

Und der Bericht fasst weiter klar zusammen - ich zitiere wieder -:

„Zusammenfassend kann für das Schutzgut Grundwasser festgestellt werden, dass 1. eine Grundwasserverunreinigung mit

Chlorid im Sinne des Bodenschutzgesetzes vorliegt,

2. aufgrund des Schadstoffpotenzials im

Boden - also Altablagerung - über den Wirkungspfad Boden und Grundwasser eine weitere Gefährdung zu besorgen ist und

3. aufgrund der bereits vorhandenen Be

lastungen mit Chlorid über den Wirkungspfad Grundwasser (belastet) - Grundwasser (unbelastet) eine weitere Ausbreitung erfolgen kann.“

Meine Damen und Herren! Es gab wirklich genügend frühe Warnungen, Hinweise und Unterlagen

sowie Gutachten, die die Undichtigkeit und Gefährlichkeit der Giftmüllgrube darlegten.

An der Stelle kritisiere ich noch einmal wirklich deutlich, dass frühere Warnungen und Gefahren und Hinweise jahrzehntelang ignoriert wurden.

(Beifall)

Warum wurden erst jetzt diese Untersuchungen in dieser Qualität und in diesem Umfang durchgeführt? Warum nicht schon 1990 oder 1991 oder 1995, spätestens aber 2012? Meine Damen und Herren, ich glaube, man wollte man das Ergebnis so nicht haben und sehen.

Man muss mittlerweile davon ausgehen, dass sich hier über die Jahre eine Art Verwaltungsmentalität herausgebildet hat und Behörden sowie auch die zuständigen Ministerien meist erst dann reagierten, wenn Bürgerinnen und Bürger, Umweltverbände und Bürgerinitiativen problematische Ereignisse so an das Licht der Öffentlichkeit gebracht haben, dass der Skandal nicht mehr ignoriert werden konnte.

Schuld müssen übrigens nicht einzelne Mitarbeiter sein, Schuld bzw. Verantwortung tragen und trugen vor allen Dingen in der Vergangenheit hauptsächlich die jeweiligen Ministerien, die hier als direkte Vorgesetzte die politische Ausrichtung bestimmen.

Die Sache hat aus meiner Sicht also System, indem es immer noch heißt: Wirtschaft vor allem und zuerst, danach erst Umweltschutz bzw. Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Dieses System, meine Damen und Herren, muss endlich fallen.

(Beifall)