Protokoll der Sitzung vom 23.06.2020

Situation des Rettungsdienstes in SachsenAnhalt

Große Anfrage Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/5319

Antwort der Landesregierung - Drs. 7/5562

Unterrichtungen Landtagspräsidentin - Drs.

7/5772, Drs. 7/6047 und Drs. 7/6189

Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur D, also eine 45-MinutenDebatte vereinbart. Die Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten sind: SPD fünf Minuten, AfD acht Minuten, GRÜNE zwei Minuten, CDU zwölf Minuten und DIE LINKE sechs Minuten.

Gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich zuerst der Fragestellerin das Wort. Das ist die Fraktion DIE LINKE. Für diese spricht die Abg. Frau Bahlmann. Frau Bahlmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich möchte meine Ausführungen zur Aussprache über die Große Anfrage zur Situation des Rettungsdienstes in Sachsen-Anhalt mit einem Spruch aus dem Talmud beginnen: Wer einen Menschen rettet, rettet die Welt.

Da es in unserer Großen Anfrage hauptsächlich um all jene Menschen in unserem Land SachsenAnhalt geht, die tagtäglich Leben retten und schützen, möchte ich zuerst ein paar Worte des Dankes an die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Lebensretter richten.

(Beifall)

Ich bedanke mich persönlich und im Namen der Fraktion DIE LINKE für die aufopferungsvolle Arbeit aller Männer und Frauen, welche sich täglich der herausfordernden Aufgabe im Rettungsdienst zum Wohle der Menschen in unserem Land stellen.

Ihre Aufgabe ist keine leichte. Sie erfordert Stärke und Mut, jeden Tag aufs Neue. Sie erfordert Ausdauer und mentale Kraft. Es sind besondere Menschen, die sich für die Aufgabe entscheiden, anderen Menschen in Krisen oder Not beizustehen und zu helfen.

Oftmals haben auch die Helfer selbst Hilfe nötig. Denn es ist umso schwerer zu ertragen, wenn die helfende Hand einfach zu spät kam. Dies kann ich persönlich und natürlich auch im Namen meiner Fraktion nicht genug honorieren und sage ganz klar: Danke für Ihre Leistung! Danke für Ihr Engagement! Danke für den Mut, Lebensretter zu sein!

(Beifall)

Unser Ansinnen dabei, eine Große Anfrage zur Situation des Rettungsdienstes zu stellen, war es, genau die sensiblen Bereiche zu beleuchten, in denen eventuell das Land als Gesetzgeber nachbessern muss. Ich möchte der inhaltlichen Diskussion vorausschicken, dass ich persönlich den Umgang der Landesregierung mit der Beant

wortung der Großen Anfrage als nicht zufriedenstellend bewerte.

Wir haben als Fraktion am 25. November des vergangenen Jahres die heute zur Beratung stehende Große Anfrage eingereicht. Bis die Landkreise als Träger der Rettungsdienste diese zur Bearbeitung vorgelegt bekamen, vergingen mehr als zwei Wochen. Ich frage mich berechtigterweise, warum das so gehandhabt wurde.

Den großen Aufschrei gab es dann, als das Land die Rückantwort noch vor Weihnachten erbat, sodass mancher Leistungserbringer für die Zuarbeit an die Landkreise lediglich eine Woche oder weniger Zeit hatte. Ich gebe heute gern die empörte Kritik aus den Landkreisen und von den Rettungsdiensten, die mich noch vor Weihnachten letzten Jahres von vielen Stellen erreichte, was wir uns denn dabei dächten, solche Fristen zu setzen, an Sie, liebe Landesregierung, weiter.

Ein solches Vorgehen geht gar nicht, und es hätte auch überhaupt nicht sein müssen. Bei den Großen Anfragen kann die Landesregierung durchaus bei der einreichenden Fraktion Fristverlängerung beantragen. Das haben Sie nicht getan. Warum nicht?

(Beifall)

Wir wären dazu jederzeit bereit gewesen, weil es uns eben wichtig war und ist, dass etwas Vernünftiges bei der Beantwortung herauskommt und im Ergebnis eine fundierte Bestandsaufnahme und Dokumentation zu den Rettungsdiensten entsteht. Das war immer unser Ansinnen.

Ich frage mich doch, warum Sie keine Fristverlängerung beantragt haben. Ein solches Vorgehen der Landesregierung zeigt mir ganz deutlich, dass vonseiten der Landesregierung kein Interesse an einer tatsächlichen Bestandsaufnahme der Situation der Rettungsdienste im Land Sachsen-Anhalt besteht.

Das zeigen auch die Antworten. Bei mehr als 20 % der Antworten war zu lesen: Die Landkreise X, Y und Z teilten mit, dass eine Beantwortung der Frage durch den Träger des Rettungsdienstes nicht möglich sei und seitens des Leistungserbringers aufgrund des engen Zeitfensters keine Beantwortung erfolgt.

Mehr als ein Fünftel der Großen Anfrage konnte aufgrund der unterlassenen Beantragung von Fristverlängerung durch das Land nicht oder nur unzureichend beantwortet werden. Das kritisieren wir scharf.

Es geht um die Eruierung und die Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten in unserem Rettungssystem und nicht um eine Beschäftigungstherapie für die Rettungsdienste. Mit diesem Papier haben Sie das Ziel klar verfehlt. Mehr

als tiefgründiges Unverständnis kann ich Ihnen gegenüber, liebe Landesregierung, dazu nicht zum Ausdruck bringen. Eine solche Arbeitsweise geht gar nicht.

(Beifall)

Jeder kann nun gern die Antworten in der Großen Anfrage bewerten, wir er möchte. Ich für meinen Teil möchte mich inhaltlich auf ein paar Dinge konzentrieren.

Erstens. Es ist festzustellen, dass die Einsatzzahlen der Rettungsdienste in den Jahren 2014 bis 2018 kontinuierlich auf 345 451 Einsätze angewachsen sind. Das ist ein Indiz für eine alternde Bevölkerung, welche die Hilfeleistungssysteme mehr in Anspruch nimmt, und es ist eine Konsequenz aus den sinkenden Hausarztzahlen. Wir müssen in Zukunft auch im Rettungsdienst strukturelle Anpassungen an die alternde und hochbetagte Gesellschaft schaffen und dieser Rechnung tragen.

Positiv zu werten ist dabei, dass der Ausbau des Rettungsdienstes durch eine stetig steigende Anzahl der Rettungswachen erfolgt ist; in den vergangenen zehn Jahren gab es einen Aufwuchs um 63 %. Das ist bei den erhöhten Einsatzzahlen auch unbedingt notwendig, um die Hilfsfristen überhaupt halten zu können, und der Trend wird sich fortsetzen. Dabei sollten wir als Land die Träger des Rettungsdienstes mit einer auskömmlichen Finanzierung kommunaler Aufgaben unbedingt unterstützen. Unsere Forderung dahin gehend besteht auch in Zukunft.

Auch in Frage 61 zielten wir auf die Erfüllung der Hilfsfristen ab. Aus der Antwort ist die Konsequenz abzuleiten, das Netz der Rettungswachen enger zu ziehen. Das Land muss sich künftig bei den Kostenträgern vehementer für die auskömmliche Finanzierung dieses Aufwuchses an Rettungswachen einsetzen.

Zweitens. Bei meiner Abgeordnetentätigkeit begegnet mir oft die Kritik, dass es keine einheitlichen Standards für Rettungswachen in unserem Land gibt. Auch danach haben wir gefragt. Tatsächlich war in der Antwort auf Frage 10 zu lesen: „Es gibt keine landesweiten Standards für die Einrichtung und den Betrieb von Rettungswachen."

Also war die Kritik der Leistungserbringer berechtigt. Die Einführung landesweiter Standards für Rettungswachen würde auch die Ausschreibungspraxis in den Landkreisen rechtssicherer und einfacher gestalten. Daher wäre es unserer Meinung nach erforderlich, diese Standards zu arbeiten und festzuschreiben.

Weiterhin haben wir in Frage 19 danach gefragt, wie die Landesregierung die Ausstattungssituation

der Rettungswachen beurteilt. Zu lesen war, dass die Rettungsdienstträger und Leistungserbringer bemüht sind, für die dort tätigen Rettungsdienstmitarbeiter ein passendes Arbeitsumfeld für die Leistung von qualitativ hochwertiger Arbeit zu schaffen, und dass in Einzelfällen zeitgerecht Nachbesserungen erfolgen.

Dazu muss ich sagen, dass die Anfrage zumindest bewirkt hat, dass erkannte Defizite abgestellt werden. Also war auch diese Kritik vonseiten der Rettungsdienste nicht unbegründet.

Drittens. In Frage 64 haben wir nach der Beurteilung der Qualität und nach der Anwendung der Standardarbeitsanweisungen und Behandlungspfade Rettungsdienst gefragt, da auch hierbei immer wieder die Forderung nach Rechtssicherheit für die Mitarbeiter im Rettungsdienst aufgemacht wird und diese trotz Bemühungen unsererseits keine Anwendung fanden.

Ich war erstaunt darüber, dass die Landesregierung diese Standardarbeitsanweisungen und Behandlungspfade positiv beurteilt und die länderübergreifende Anwendung als sinnvoll erachtet. Beeindruckt hat mich die folgende Passage - Zitat -:

„Die SAA wurden von Experten im Rettungsdienst gewünscht und im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst erarbeitet. Sie sollen für die Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen im Einsatz bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen aufgrund der Standardisierung zu mehr Sicherheit führen. Sie werden inzwischen überwiegend in den Rettungsdienstbereichen angewandt.“

Wenn diese Beurteilung durch die Landesregierung so erfolgt, dann erschließt sich für mich nicht, warum sich die Landesregierung einer Rechtsverbindlichkeit der Anwendung mit der Verankerung im Rettungsdienstgesetz verschlossen hat. Wir hatten die Forderung ganz klar aufgemacht, um für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rechtssicherheit zu schaffen. Aber leider wurde unsere Forderung einfach mit einem Federstrich weggewischt.

(Beifall)

Das jetzt hier zu lesen, zeugt für mich nicht von einem integren Verhalten der Landesregierung. Übrigens ist eine Erlassregelung unserer Meinung nach nicht ausreichend.

In Frage 66 stellten wir nochmals darauf ab, was denn aus der Sicht der Landesregierung notwendig wäre, um eine rechtliche Regelung für die Tätigkeit mit Arztvorbehalt für die Mitarbeiter zu schaffen. Die Landesregierung verwies darauf,

dass eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich wäre, die derzeit zwar besprochen werde, über die bislang aber nicht abschließend entschieden worden sei.

Daher fordern wir an dieser Stelle die Landesregierung dazu auf, aktiv zu werden und die Forderung nach einem schnellen Abschluss der Beratungen auf Bundesebene zu erheben. Weiterhin müsste die Landesregierung in ihrer beratenden Funktion auf die Landkreise hinwirken, dass die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst die Standardarbeitsanweisungen zur Nutzung freigeben. Ein bestes Beispiel dafür, dass dies auch geht, ist die Stadt Halle.

Viertens möchte ich fragen, warum keine Unterstützung der Träger des Rettungsdienstes in territorialer Nähe zu gefährlichen Anlagen, zum Beispiel Chemieanlagen und Autobahnen, stattfindet. Als Antwort auf die Frage 74 bekamen wir - ich kann dazu nur sagen, dass es nicht sein kann - die Aussage, dass die Rettungsdienstleistenden, egal ob es sich um die Rettungsdienste direkt oder auch um die Feuerwehren in unserem Land handelt, den erhöhten Aufwand für die Vorhaltung von Schutzausrüstungen, wofür die Kostenträger keine Kostenübernahme vorsehen, allein tragen müssen.

Das ist in manchen Gegenden zum Beispiel Bitterfeld, Leuna, Schkopau, Zeitz und vielen anderen Gebieten im Chemiedreieck Mitteldeutschlands für die Hilfsdienste kostentechnisch einfach nicht mehr abzubilden. Dafür fordern wir ganz klar Unterstützung vom Land.

Weil ich jetzt das Thema Schutzausrüstung angesprochen habe: Es war, als wir die Große Anfrage gestellt haben, als Thema zwar noch nicht absehbar, aber aus heutiger Sicht und mit Blick auf die noch laufende Pandemie und die Rettungsdienste kann man sagen: Bei der Unterstützung der systemrelevanten Berufe zu Beginn der Pandemie, zu denen ich eindeutig auch die Rettungsdienste zähle, hat sich die Landesregierung nicht mit Ruhm geklettert.

Es kann einfach nicht sein, dass in so schwierigen Situationen die Träger der Rettungsdienste bei der Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung so im Regen stehen gelassen und immer wieder aufs Neue vertröstet werden.

Mittlerweile ist mir klargeworden, warum es zu Beginn der Pandemie solche Engpässe bei der persönlichen Schutzausrüstung gegeben hat. Die Krankenkassen finanzieren nämlich die Vorhaltung von Schutzausrüstung nicht, lediglich der Verbrauch wird vergütet. Das kann ja wohl nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Dann ist es doch kein Wunder, dass es zu Engpässen kommt, wenn Beschaffungswege im Pan-