Protokoll der Sitzung vom 10.09.2020

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir beschäftigen uns heute erneut mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Land Sachsen-Anhalt - diesmal mit dem besonderen Aspekt der Volksinitiative, deren Vertreterin heute hier im Landtag geredet und mit sehr eindrücklichen Worten den Hintergrund und die Motivation dieser Volksinitiative geschildert hat.

An dieser Stelle sei mir ein kleiner Hinweis erlaubt: Das Durchschnittseinkommen in SachsenAnhalt beträgt bei Vollzeitbeschäftigten 35 000 €. Wenn man mit Zahlen arbeitet, dann sollten diese vorsichtshalber tatsächlich überprüft werden.

(Zustimmung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte es mir jetzt sehr einfach machen und sagen: Was lange währt, wird endlich gut.

(Zuruf: Oh!)

Das wäre zwar ziemlich präzise das, was wir als Koalition erreicht haben,

(Zuruf)

vielleicht wäre es aber doch etwas zu zugespitzt.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Koalition haben uns diesen Vorgang nicht einfach gemacht - gerade weil uns aus der Bevölkerung durchaus unterschiedliche Signale erreicht haben. Auf der einen Seite gab es viele Bürger, die pro Abschaffung waren. Sie hatten teilweise große Sorgen, ob sie die finanziellen Lasten tragen könnten, die sich aus einer entsprechenden Beitragserhebung ergeben könnten. Auf der anderen Seite gab es durchaus zahlreiche Zuschriften, die besagten, dass die Erstellung entsprechender Bescheide gerecht wäre. Zugegebenermaßen gehören der zweiten Kategorie eher diejenigen Bürger an, die bereits bezahlt haben.

Auch innerhalb der kommunalen Familie gab es durchaus unterschiedliche Signale - von „Schafft sie endlich ab!“ bis „Bitte behaltet sie bei, um unsere kommunalen Kassen nicht weiter auszudünnen.“ Selbst in den Reihen der CDU-Fraktion gab es hierzu unterschiedliche Akzente.

All die unterschiedlichen Argumente und Interessen mussten abgewogen werden, um eine gute Lösung zu finden. An dieser Stelle möchte ich

meinen Koalitionspartnern ausdrücklich danken. Sie haben genauso wie meine Fraktion Kompromisse geschlossen. Diese waren manchmal schmerzhaft. Wir haben so manche Stunden mit Debatten verbracht. Aber ich denke, am Ende hat es sich gelohnt.

(Beifall)

Eines möchte ich zum Schutz der Kommunen sagen und dabei auf meinen Vorredner eingehen: Den Kommunen Abzocke zu unterstellen, ist eine Frechheit gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung.

(Zustimmung)

Zur Wahrheit gehört aber auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge nicht im Koalitionsvertrag vereinbart war und damit insbesondere hinsichtlich der Gegenfinanzierung doch entsprechender Diskussionsbedarf bestand. Für uns als CDUFraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt war es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger entlastet und nicht durch zusätzliche Steuererhöhungen belastet werden. Deswegen waren die entsprechenden Vorschläge zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer bei uns in der Fraktion und in der Koalition nicht mehrheitsfähig. Wir haben uns geeinigt. Damit sind sie nicht Teil des Gesetzentwurfes. Eine Erhöhung wäre nämlich ein absolut falsches Signal in Richtung derjenigen gewesen, die sich den Traum vom eigenen Haus erfüllen möchten oder die Erweiterung ihres Unternehmens planen und dafür Grundstücke erwerben möchten.

Ein anderer wichtiger Punkt für uns als Fraktion war die Entlastung der Kommunen. Diese tritt zwar nicht sofort ein, aber später doch merklich. Entsprechende Bescheide müssen nicht mehr erstellt werden, und die Kosten, die beim Beschreiten des Rechtsweges durch die Bürger entstehen würden, fallen ebenfalls weg.

Bemerkenswert ist die Tatsache - es klang schon an; die Vertreterin der Volksinitiative hat darauf hingewiesen -, dass der Aufwand zur Erstellung der Beitragsbescheide bei den Kommunen in diesem Land sehr unterschiedlich ist: von wenigen Prozent bis hin zu dem Aufwand einer Stadt im Süden unseres Bundeslandes, deren Aussage war, dass sie fast mehr dafür ausgibt, diese Bescheide zu erstellen, als sie daraus einnimmt. Darüber, wie das zustande kommt, kann man sicherlich lange diskutieren.

Auch anderes hat mich verwundert, zum Beispiel - Herr Erben sprach es an - dass nicht wenige Kommunen nur eine eingeschränkte Übersicht über ihren Straßenbestand haben - trotz gesetzlicher Verpflichtung dazu. Aber vielleicht ist der Gesetzentwurf eine Motivation, diesbezüglich nachzusteuern und ein entsprechendes Verzeichnis anzulegen.

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch zu dem Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfes, der schon umfänglich eingebracht worden ist; deswegen hierzu nur wenige Aussagen. Die Abschaffung der einmaligen und wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2020 bedeutet natürlich auch im Umkehrschluss, dass diejenigen, die vorher einen Bescheid erhalten haben, bezahlen müssen. Aber es ist nun einmal so, dass es bei einer Stichtagsregelung immer Ungerechtigkeiten geben wird. Bei Vorschlägen, wir könnten den Stichtag noch weiter und noch weiter zurücklegen, möchte ich auch Vorschläge für eine Gegenfinanzierung hören. Mein Vorredner hat diese natürlich wieder einmal vermissen lassen.

Für Maßnahmen, für die noch keine Straßenausbaubeiträge erhoben worden sind, die aber vor dem 31. Dezember 2019 abgeschlossen wurden, wird die genannte Kannlösung eingeführt; sie ist zeitlich befristet. Das heißt, im Rahmen der Festsetzungsverjährungsfrist, die vier Jahre beträgt, kann die Gemeinde entscheiden, ob sie die Beiträge erhebt oder nicht. Mit der Änderung der Kommunalverfassung durch die Einführung einer Ausnahmeregelung bei den Einnahmegrundsätzen wird sichergestellt, dass auch die Kommunalaufsicht nicht auf der Erhebung der Straßenausbaubeiträge bestehen kann.

Ab dem Jahr 2022 werden die Kommunen pauschal einen Mehrbelastungsausgleich für die entgangenen Straßenausbaubeiträge erhalten. Zuvor findet eine Spitzabrechnung statt. Der dazu veranschlagte Betrag beträgt 15 Millionen € jährlich. Dieser Betrag ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern basiert auf den durchschnittlichen Einnahmen der Kommunen aus den Straßenausbaubeiträgen in den vergangenen Jahren plus Sicherheitszuschlag. Für die Pauschalen wird es ein eigenständiges Leistungsgesetz geben.

Im Gesetzentwurf findet sich ein Vorschlag zu der Verteilung der Pauschalen. Ich sage für meine Fraktion aber ganz deutlich: Wir halten das nicht für der Weisheit letzten Schluss. Im Rahmen der anstehenden Beratungen und Anhörungen erwarten wir zum Beispiel von den kommunalen Spitzenverbänden Anregungen und Vorschläge, wie die Verteilung der Mittel erfolgen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen. Durch eine sach- und zielorientierte Beratung wird es möglich sein, im Landtag noch in diesem Jahr abschließend über den Gesetzentwurf zu beraten und das Gesetz zu beschließen. Damit würden wir nicht nur dem grundsätzlichen Anliegen der Volksinitiative gerecht werden, sondern auch eine öffentliche Debatte beenden, die uns schon seit einiger Zeit be

gleitet. Wir würden aber vor allem auch Planungssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Kommunen schaffen. Nach dieser Sicherheit gibt es einen großen Bedarf. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Abg. Krull. Es gibt drei Meldungen für eine Frage: von dem Abg. Herrn Gallert, dem Abg. Herrn Büttner und der Abg. Frau Eisenreich. - Herr Gallert, Sie haben als Erster die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen, bitte.

Als Fragesteller frage ich: Herr Krull, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die von Ihnen so deutlich kritisierte Bemerkung der Vertreterin der Volksinitiative, dass das durchschnittliche Einkommen in Sachsen-Anhalt zwischen 20 000 € und 25 000 € beträgt, einfach darauf bezieht, wie hoch das durchschnittliche Nettoeinkommen der Bevölkerung pro Kopf in Sachsen-Anhalt ist, und dass man dieses natürlich nicht mit dem Bruttoverdienst eines sozialversicherungspflichtigen

Vollzeitbeschäftigten gleichsetzen kann? Denn von diesen Kostenerhebungen sind natürlich auch massenhaft Menschen betroffen, die zum Beispiel nur eine Rente erhalten. Man darf sich also nicht nur auf eine Personengruppe konzentrieren, die sozusagen an der Spitze der Einkommenspyramide steht, sondern muss den Durchschnitt betrachten.

Insofern sage ich ganz deutlich: Ich fand Ihre Kritik an jemandem, der sich nicht wehren kann, und die Hinzuziehung eines falschen Zahlenvergleichs nicht gerade fair. - Danke.

(Beifall)

Herr Abg. Krull, Sie haben jetzt die Möglichkeit zu antworten.

Wenn meine Äußerung so rübergekommen ist, möchte ich mich ausdrücklich dafür entschuldigen. Es ging mir nur darum, deutlich zu machen, dass das Bruttoeinkommen von Vollzeitbeschäftigten in Sachsen-Anhalt deutlich höher ist als 20 000 € oder 22 000 €.

(Zurufe)

Vielleicht war das an der Stelle missverständlich formuliert, aber es war sozusagen eine Betonung, dass das Durchschnittseinkommen deutlich höher ist, als es hier formuliert worden ist.

(Zuruf)

Wenn es so rüberkam, dass es eine zu scharfe Kritik war, dann bitte ich das zu entschuldigen.

(Zurufe)

Es war ein freundlich gemeinter Hinweis.

(Zurufe)

Es gibt weitere Wortmeldungen. - Der Abg. Herr Büttner hat jetzt die Möglichkeit, seine Frage zu stellen. Bitte, Herr Büttner.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Krull, Sie gehören diesem Parlament nun auch schon länger an. Sie haben in Ihrer Rede gerade ausgeführt, dass ich einen Finanzierungsvorschlag vermissen lassen habe. Da Sie dem Parlament schon länger angehören, müsste Ihnen eigentlich bekannt sein, dass meine Fraktion zu jeder Haushaltsberatung einen alternativen Haushaltsplanentwurf eingebracht hat, in dem die Straßenausbaubeiträge immer Berücksichtigung gefunden haben.

(Zurufe - Unruhe)

Dazu kommt: Wir unterbreiten natürlich Vorschläge.

(Anhaltende Unruhe)

Einen kleinen Moment, Herr Büttner. - Meine sehr geehrten Damen und Herren - -

(Matthias Büttner, AfD: Das ist eine Unsitte in diesem Parlament!)

- Einen kleinen Moment, Herr Büttner. Das steht Ihnen jetzt nicht zu; das ist meine Aufgabe.

(Zurufe)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich jemand für eine Frage zu Wort meldet, dann müssen Sie demjenigen zumindest auch die Möglichkeit geben, seine Frage zu stellen.

(Zuruf)