Protokoll der Sitzung vom 10.09.2020

(Zurufe)

und zwar aufgrund von Ansprüchen, die die Kirchen aufgrund von Enteignungen gegenüber dem Staat laut Vertrag hat.

(Zuruf)

- Ich weiß, Herr Tillschneider, Sie sehen das alles anders. Aber das ist die Vertragsgrundlage. Die habe ich mir nicht ausgedacht; zu der Zeit war ich noch nicht geboren.

(Zuruf)

Auf dieser Grundlage lautet der aktuelle Vorschlag, der im Bundestag gerade vorliegt, diese Summe, die zum Beispiel das Land Sachsen-Anhalt jährlich zahlt, mal 18,6 zu nehmen. Damit komme ich auf einen Betrag von 703 Millionen €.

Wenn man das zugrunde legt, was zum Beispiel die EKD vorschlägt, dann wäre man bei einem Jahresbeitrag mal 25, und das würde für Sachsen-Anhalt eine finanzielle Belastung von 950 Millionen € bedeuten.

Mit anderen Worten: Ihr Argument, welcher Wert dahintersteht, ist gar nicht der Punkt der Berechnung.

(Zuruf)

- Nein, ist es nicht.

(Zurufe)

- Aber nur weil Ihnen der Vertrag nicht passt, ist er doch nicht automatisch ungültig. Wenn das so wäre, gäbe es verschiedene Menschen, die sagen würden: Ich bin mit meinem Mietvertrag nicht einverstanden, ich zahle keine Miete mehr. Das funktioniert aber nicht.

(Zurufe)

Frau Dr. Pähle, jetzt hat sich Herr Lange zu Wort gemeldet.

Frau Dr. Pähle, Sie haben noch einmal dargestellt, wie lohnenswert genau diese Diskussion ist.

Deswegen meine Frage: Wann wird die Koalition dieses Thema im Ausschuss auf die Tagesordnung setzen und diese Diskussion tatsächlich auch fachlich ordentlich führen? Oder möchten Sie das der Diskontinuität anheimfallen lassen?

Frau Dr. Pähle, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Lange, Sie wissen, dass ich nicht ordentliches Mitglied in diesem Ausschuss bin. Ich werde mich mit meinen beiden Fraktionsmitgliedern, die im Ausschuss tätig sind, mit Frau KolbJanssen und Herrn Dr. Grube, abstimmen. Ich bin sicher, dass wir einen Termin finden können. So es denn mein Terminkalender hergibt, komme ich dann auch sehr gern dazu.

(Zustimmung)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Frau Dr. Pähle für den Redebeitrag. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abg. Herr Striegel das Wort. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Debatte irgendetwas gebracht hat, dann doch zumindest die Erkenntnis, dass sich jedenfalls in diesem Zusammenhang eine Debatte wirklich nur mit den demokratischen Fraktionen dieses Hauses lohnt.

(Zurufe)

Denn die AfD ist ganz offensichtlich in ihrer kirchenfeindlichen Art nicht daran interessiert, wirklich Argumente auszutauschen oder rechtsstaatliche Prinzipien anzuerkennen, zum Beispiel dass Verträge eingehalten gehören.

(Zurufe)

Ich will an dieser Stelle deutlich sagen, dass bei den Fragen, wie diese Staatskirchenleistungen zu betrachten sind und wie sie abgelöst werden können, kein so großer Dissens mehr besteht. Der Dissens bewegt sich inzwischen ausschließlich im Bereich der Frage, wer an dieser Stelle zuerst handeln muss. Ich bin fest davon überzeugt - davon geht ganz offensichtlich auch der Gesetzentwurf von der LINKEN, der GRÜNEN und der FDP im Bundestag aus -, dass es der Bund ist, der an dieser Stelle tätig werden muss.

Das macht im Übrigen auch deshalb Sinn, weil wir in Sachsen-Anhalt sowohl mit Blick auf die evangelische Kirche als auch mit Blick auf die katholische Kirche die besondere Situation haben, dass, so glaube ich, beide Seiten kein strategisches

Interesse daran haben, nun zum Vorreiter einer Entwicklung zu werden. Das hat etwas mit innerkirchlichen Finanzströmen zu tun. Das muss ich doch auch einmal anerkennen.

Herr Gallert, Sie bringen beide christlichen Kirchen in eine Überforderungssituation, wenn Sie dem Bischof von Magdeburg und dem Bischof der Evangelischen Kirche, der EKM, sagen: Ihr müsstet die Ersten deutschlandweit sein. Wir brauchen an dieser Stelle eine Bundeslösung, die uns den Rahmen vorgibt. In einem nächsten Schritt können wir dann sinnvollerweise in Sachsen-Anhalt miteinander darüber sprechen. Wir werden das dann hier auch gelöst bekommen.

Insofern besteht die Aufgabe doch ehrlicherweise nicht so sehr darin, dass wir Debatten im Ausschuss führen, sondern darin, dass insbesondere die Kollegen von der CDU und der SPD in einen Dialog mit ihren Bundestagsabgeordneten eintreten - denn dort liegt der entsprechende Gesetzentwurf; dafür hätte es ehrlicherweise schon ein bisschen Zeit und Möglichkeit gegeben -, um an dieser Stelle tätig zu werden. Wenn Sie das in dieser Legislaturperiode im Bundestag nicht mehr schaffen, dann schlage ich vor, dass Sie sich, egal wie die Koalition nach der nächsten Bundestagswahl aussieht,

(Zuruf)

diese Angelegenheit zur Aufgabe machen, sodass wir tatsächlich eine Bundeslösung finden, in deren Rahmen wir uns dann in Sachsen-Anhalt bewegen können. Ich glaube, dann kommen wir weiter. - Vielen herzlichen Dank.

Herr Striegel, Herr Dr. Tillschneider hat sich zu Wort gemeldet. - Bitte, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Striegel, Ihre anfängliche Einlassung, dass man mit der AfD darüber nicht diskutieren könne, ist nicht nur eine Frechheit, sondern es ist auch eine große Dummheit. Denn es gibt in der Juristerei zwei Auffassungen zu diesem Thema und beide sind gut begründet. Es gibt die eine Auffassung, dass man gegen eine erneute Entschädigung ablösen muss, und es gibt die andere Auffassung, dass man die Zahlung entschädigungslos einstellen kann.

Ich und die AfD vertreten die zweite Auffassung. Wir haben dazu auch einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht.

Alle anderen Parteien vertreten die erste Meinung. Aber beide Meinungen werden von honorigen Juristen vertreten. Für beide gibt es Argumente.

Jetzt will ich Sie einmal etwas fragen. Wie gesagt, mir leuchtet die zweite Auffassung ein, nämlich dass man die Zahlungen entschädigungslos einstellt; denn es liegt lange zurück. Platt gesagt, wir haben schon ziemlich viel gezahlt, und alle Verträge, die nach 1919 neu geschlossen wurden, verstoßen gegen das Ablösegebot; denn Ablöse heißt: Hört auf damit, zahlt eine einmalige Entschädigung, macht aber nichts Neues. - So. Auf dieser Grundlage kann man den gordischen Knoten zerschlagen und die Zahlungen ohne Gegenleistung einstellen. Wie aber begründen Sie jetzt, dass Sie den Kirchen - es wird ja über fantastische Kapitalstöcke geredet, das 18-Fache, das 20-Fache, das 25-Fache; wer bietet mehr? - eine ewige Rente zusichern? Das würde mich kurz und bündig interessieren.

(Zuruf)

Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Es geht nicht um ewige Renten,

(Zuruf: Doch!)

sondern es geht um vertragliche Verpflichtungen,

(Zuruf: Nein!)

und die sind zu erfüllen. Bloß weil die DDR diese Zahlungen 40 Jahre lang rechtswidrig verweigert hat, kann doch nicht aus dem Unrecht Recht erwachsen. Es ist klar, mit dem Jahr 1990 musste dieses Unrecht, das im Übrigen durch Akteure verursacht wurde, aufgehoben werden.

Was die Frage angeht, dass etwas lange zurückliegt: Die Unterzeichnung meines Mietvertrages liegt auch schon etwas länger zurück. Aber ich glaube, mein Vermieter fände es nicht fein, wenn ich die Zahlungen mit dieser Begründung einstellen würde. - Vielen herzlichen Dank.

(Zuruf)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Striegel für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal der Herr Gallert das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Endeffekt sind wir in der Argumentation nicht sehr viel weiter als vor einem Jahr. Ich wollte nur deutlich machen: Denken Sie nicht, dass Sie diese Diskussion loswerden; vielmehr bleibt sie der Gesellschaft erhalten. Wenn man ein Problem nicht anpackt, dann wird es in der politischen Debatte zu

einem immer schwieriger zu lösenden Problem. Meine Intention ist ausdrücklich, dass wir uns diesem Problem stellen und es lösen.

Jetzt noch einmal zu der Frage, was Bund und Land angeht. Es gibt einen Staatsvertrag mit der protestantischen Kirche, der von Ministerpräsident Münch unterschrieben worden ist. Dann gibt es einen Staatsvertrag mit der katholischen Kirche, der von Ministerpräsident Höppner unterzeichnet worden ist. Das Land Sachsen-Anhalt als juristische Person hat diese Staatsverträge geschlossen. Wir können, wenn sich die Leute einig werden, ein Modell für uns entwickeln, wie wir diese Leistung ablösen. Wenn der Bund erst einmal das beschlösse, was zum Beispiel in dem Gesetzentwurf der drei Fraktionen steht, dann gäbe es faktisch keinen Spielraum mehr; denn der definiert ganz klar - das kann man sich durchlesen; das ist eine halbe Seite - die Zahlungsmodalitäten usw. usf.

Das, was wir wollen, ist aber etwas anderes. Ich sage noch einmal, das von mir favorisierte Modell wäre das nicht, Frau Pähle. Das von mir favorisierte Modell ist ein anderes, nämlich dass wir uns darüber unterhalten, wie wir das kulturhistorische Erbe in Sachsen-Anhalt, das zu einem ganz großen Anteil aus Sakralbauten besteht, sichern, wie wir zum Beispiel die Baulastverteilung so hinbekommen, dass wir in der Lage sind, das Problem bezüglich dieses kulturhistorischen Erbes, das genauso mein Erbe ist, obwohl ich nie Kirchenmitglied war, zu lösen. Das wäre übrigens, wenn wir uns ausschließlich auf die Bundesebene ausrichten, dann zumindest faktisch nicht mehr möglich.

Ich will Ihnen auch ganz klar sagen: Prof. Germann hat das Modell, das ich hier vorgestellt habe, entwickelt. Ich wusste nur nicht, dass er das, was ich hier vorgestellt habe, schon entwickelt hatte. Zugegeben, okay.