Pflegekräfte, Erzieherinnen, Bus- und Straßenbahnfahrer oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen stehen seit dem Beginn der Pandemie wie andere Berufsgruppen mit ihrer systemrelevanten Arbeit im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Sie sind es, die unser privates und gesellschaftliches Leben in dieser Ausnahmesituation am Laufen gehalten haben und es weiter am Laufen halten. Sie sind oft weit über das normale Maß hinaus belastet.
Die öffentliche Anerkennung für die Kolleginnen und Kollegen an der vordersten Coronafront war wichtig. Sie haben sie wirklich mehr als verdient.
Aber die Beschäftigten erwarten auch, dass sie diese Wertschätzung nicht nur verbal, sondern auch in ihrem Portemonnaie verdienen. Jetzt, wo der Wert ihrer Arbeit so spürbar geworden ist wie nie zuvor, dachten die Kolleginnen und Kollegen doch völlig zu Recht: Wann, wenn nicht jetzt?
Doch wenn es ans Bezahlen geht, drehen sich wieder alle weg. So erleben es derzeit die Beschäftigten in Städten und Gemeinden in der aktuellen Tarifrunde. Denn die beklatschten systemrelevanten Arbeiten werden auch von Tausenden Beschäftigten in kommunalen Unternehmen und natürlich auch in den kommunalen Verwaltungen erbracht, dort vor allem in den Gesundheitsämtern, wie wir täglich verfolgen können, aber natürlich auch in vielen anderen wichtigen Verwaltungsbereichen.
Und ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Arbeitskampf kommt zur Unzeit, und er ist für alle eine zusätzliche Belastung. Doch es sind nicht die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften, denen hier Verantwortungslosigkeit, Unsensibilität oder Maßlosigkeit vorzuwerfen wäre. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist selbstverständlich klar, dass die anhaltende Infektionslage kein gutes Umfeld für Streiks im öffentlichen Dienst bietet. Sie kennen natürlich die angespannte Situation vor Ort nur zu gut. Deshalb finden die Auseinandersetzungen bisher auch - ich sage es einmal so - mit gebremstem Schaum statt; denn wir haben im öffentlichen Dienst schon ganz andere Kämpfe erlebt.
Es war von Beginn an der Wille der Gewerkschaftsseite, nach dem Start der Verhandlungen bereits Mitte Juni, diese noch im Sommer zu be
enden und einen schlichten Übergangstarifvertrag abzuschließen. Ohne die Entgelttabellen zu kündigen, hatten die Gewerkschaften den kommunalen Arbeitgebern vorgeschlagen, sich für die Laufzeit von einem halben Jahr auf eine Einmalzahlung für alle Beschäftigten zu einigen. Auf diesen vernünftigen Vorschlag sind die kommunalen Arbeitgeber aber nicht eingegangen. Sie wollen eine Nullrunde durchsetzen, und das mit aller Macht und ohne Rücksicht auf die Stimmungslage in der Belegschaft.
Natürlich begründen sie ihre Blockade dabei mit den befürchteten pandemiebedingten Einschnitten in die kommunalen Haushalte. Doch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet doch nichts anderes, als dass gerade die Helden der Krise jetzt für die Kosten der Krise bezahlen sollen. Das ist das Gegenteil von Wertschätzung. Das sind Ignoranz und Missachtung.
Es ist deshalb auch unsachlich und unfair, wenn sich die öffentliche Meinung gegen die kommunalen Beschäftigten und die Ver.di-Funktionäre wendet, nur weil sie ihre Rechte wahrnehmen und ihr legitimes, aber auch einziges Druckmittel einsetzen. Den Arbeitskampf in Coronazeiten haben nicht die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften zu verantworten, sondern die kommunalen Arbeitgeber.
Nachdem wir alle im Frühjahr hier im Plenum unsere „Danke“-Schilder in die Kameras gehalten haben, sollten wir jetzt auch eine Botschaft der Solidarität mit den kommunalen Beschäftigten aus dem Parlament nach außen tragen. Das sind wir den Beschäftigten schuldig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir sind ihnen aber auch noch mehr schuldig, nämlich endlich konkret mit der Debatte darüber zu beginnen, wer für die finanziellen Folgen der Coronahilfsmaßnahmen und für die erwarteten Einnahmeausfälle eintreten muss. Denn natürlich fällt es den kommunalen Arbeitgebern nicht leicht, ein vernünftiges und angemessenes Tarifangebot auf den Verhandlungstisch zu legen, wenn sie damit rechnen müssen, dass ihnen eine neue Verschuldungs- und Konsolidierungswelle ins Haus steht.
Natürlich verweisen die Kommunen zu Recht auf ihre klammen Kassen. Die Kommunen können keine Ausgaben mehr kürzen und kein Personal mehr abbauen, um Tarifsteigerungen zu kompensieren. Das alles ist längst überreizt und viele Kommunen schlittern so mit dem Haushalt 2021 wieder tiefer in die Verschuldung. Dennoch: Die kommunalen Beschäftigten müssen ordentlich bezahlt werden, gerade jetzt in der Krise.
Dafür muss die Finanzausstattung der Kommunen deutlich verbessert werden. Man kann die berechtigten Forderungen der Beschäftigten nicht gegen die Finanznot der Kommunen ausspielen. Das ist viele Jahre lang genau so gelaufen. Damit muss Schluss sein.
Und ja, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, Sie haben das Volumen des FAG für die Dauer der Legislaturperiode festgeschrieben und gegenüber dem kommunalen Kahlschlag in der fünften und sechsten Wahlperiode gab es ein kurzes Aufatmen in den Städten und Gemeinden.
Aber das Volumen war von Anfang an um bis zu 500 Millionen € zu niedrig und vor allem es stagniert und wird nicht einmal entsprechend der Inflation und der Tarifentwicklung angehoben. So war es nach dem Doppelhaushalt 2017/2018 mit dem Aufatmen vorbei. Seitdem war absehbar, dass immer mehr Kommunen ihre Handlungsfähigkeit wieder verlieren werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausgang dieses Arbeitskampfes hat über diese Tarifrunde hinaus Signalwirkung. Es ist die Nagelprobe dafür, wem die Kosten der Krise auferlegt werden. Wir haben schon mit der Einbringung des Coronanachtragshaushaltes und auch später immer wieder darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt kommen wird, an dem die Rechnung aufgemacht wird.
Jetzt nehmen diese Auseinandersetzungen ganz konkrete Züge an. Unser demokratisches Gemeinwesen wird tiefgreifenden und nachhaltigen Schaden nehmen, wenn nicht jetzt endlich umgesteuert wird. Für die Kosten der Krise dürfen nicht wieder die abhängig Beschäftigten und auch nicht die kommunalen Haushalte bluten.
Wenn sich die kommunalen Arbeitgeber jetzt durchsetzen, ist bei anhaltenden Finanzproblemen der Kommunen mit weiteren Nullrunden zu rechnen und die Tarifrunden für die Kommunen zeichnen immer auch die Tarifrunden für die Länder vor. Eine oder mehrere Nullrunden für die kommunalen Beschäftigten bedeuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine oder mehrere Nullrunden für die Landesbeschäftigten, für Polizisten, für Lehrkräfte und für die übrige Landesverwaltung.
Auch wenn wir als Landesparlament nicht Tarifpartner sind, so sind wir in dieser Tarifrunde doch mindestens mittelbar beteiligt als Finanzier der
Wir sollten also in mehrfacher Hinsicht an einem schnellen und guten Ende dieser Tarifrunde interessiert sein; denn es bleibt weiter richtig:
Das verführt natürlich zum Schmunzeln, wenn Sie das gleich als ersten Satz nehmen und als letzten und dann auch geklatscht wird. Aber das ist nun einmal so. Das sollte man trotzdem als Anerkennung nehmen. - Für die Landesregierung spricht an dieser Stelle Minister Herr Stahlknecht. Sie dürfen jetzt das Wort ergreifen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie hat uns alle gemeinsam in diesem Jahr - wir hatten das gestern an anderer Stelle, als es um die Tätigkeit von kommunalen Ehrenamtlichen ging - vor sehr große Herausforderungen gestellt.
Nur durch eine Vielzahl von aufeinander abgestimmten Maßnahmen ist es uns bisher gelungen, eine großflächige Ausbreitung des neuartigen Virus in Sachsen-Anhalt zu verhindern. Jeder in unserem Land war oder ist von den Auswirkungen dieser Pandemie in irgendeiner Weise betroffenen. Menschen haben sich infiziert oder sind erkrankt; andere gehören zur Risikogruppe.
Für Eltern und Kinder war die Schließung von Kindergärten und Schulen eine Herausforderung. Angehörige konnten kranke oder pflegebedürftige Verwandte nicht besuchen. Eine Vielzahl von Beschäftigten hat erstmals im Homeoffice gearbeitet. Bis jetzt findet gesellschaftliches und kulturelles Leben nur unter großen Einschränkungen statt. In der Wirtschaft und der Verwaltung des Landes erfolgt die tägliche Arbeit unter nicht immer leichten Rahmenbedingungen.
Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben überwiegend mit viel Verständnis und Einsicht auf diese schwierige Situation reagiert, die Regeln eingehalten und so sehr achtsam und bewusst Verantwortung für den Schutz aller über
nommen. Dafür bedanke ich mich nochmals ausdrücklich und versichere ihnen, dass sie mit dieser enormen Leistung, die im Kleinen und im Alltag beginnt, einen großen Anteil an der Bewältigung der Lage haben.
Ein besonderer Dank gilt nun all denen, die mit ihrer täglichen Arbeit Strukturen, Organisation, Versorgung und Dienstleistungen so weit wie möglich aufrechterhalten. Das betrifft die Beschäftigten in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst.
Die Feststellung, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes mit ihrem Einsatz in der Pflege, in den Krankenhäusern, in den Kitas, in den Gesundheitsämtern, im Nahverkehr, in der Müllentsorgung, in der Energie- und Wasserversorgung und in vielen anderen Bereichen der kommunalen Verwaltung dafür gesorgt haben, dass zentrale Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens weiter funktioniert haben, wird, denke ich, von allen Anwesenden uneingeschränkt geteilt.
Sie alle haben in einer davor nie dagewesene Lage im gesamten Land, aber insbesondere in den Kommunen das Wort „Daseinsvorsorge“ wörtlich genommen. Alle waren - jeder an seinem Platz und mit seinem besonderen Können und Wissen - für die anderen da. Die Landesregierung dankt an dieser Stelle den Bediensteten ausdrücklich für ihre Leistung und ihr großes und ausdauerndes Engagement.
Es ist völlig nachvollziehbar und auch legitim, dass Bedienstete für ihre geleistete Arbeit neben gesellschaftlicher Wertschätzung und Anerkennung - das berühmte Klatschen, das eben angesprochen wurde - auch eine angemessene Entlohnung erwarten und einfordern. Genau dafür sind die Tarifparteien zuständig, dazu entsprechende vertragliche Regelungen zu treffen und diese nach Ablauf der gemeinsam vereinbarten Laufzeit neu zu verhandeln.
Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern Tarifvertragsparteien. Für den kommunalen Bereich sind daher die einzelnen Kommunen als Arbeitgeber und als Vereinigung von Arbeitgebern der kommunale Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt bzw. die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände als Spitzenverband der kommunalen Arbeitgeberverbände in Deutschland für den Abschluss der Tarifverträge zuständig.
Dem Innenministerium als oberster Kommunalaufsicht stehen hierbei keine Befugnisse zu. Eine Einflussnahme würde vielmehr einen unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie darstellen.
autonomie in besonderer Weise die eigenständigen Regelungen der Arbeitsbedingungen durch die Vereinbarungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Ihre Rechte und ihre daraus erwachsenen Pflichten genießen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Dieses Prozedere hat sich über viele Jahrzehnte in unserer Demokratie bewährt.
Da wir diese Tarifautonomie haben, wir als Ministerium darauf keinen Einfluss nehmen dürfen, nicht können und auch nicht wollen, warten wir jetzt die Tarifverhandlungen ab und warten auf weise Entscheidungen der jeweiligen Tarifvertragsparteien. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Somit treten wir in die Debatte ein. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Steppuhn. Sie dürfen jetzt an das Pult und erhalten das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aus meiner Sicht, Herr Kollege Lippmann, passt der Titel der Aktuellen Debatte nicht ganz zum Inhalt des Textes. Ich glaube auch, so mancher Beschäftigter im öffentlichen Dienst, der gerade mit Streiks für höhere Einkommen kämpft, dürfte es nicht so ganz verstehen, was mit dieser nicht wirklich plakativen Überschrift denn eigentlich gemeint ist. Dies soll uns aber nicht daran hindern, diese Debatte zu führen.