Protokoll der Sitzung vom 16.10.2020

Dazu sage ich noch einmal: Natürlich stimmt es, wir können die LNG-Speicher auch für die Speicherung von Green Power einsetzen. Übrigens können Sie das, Frau Frederking, noch viel besser mit dem 511 000 km langen Röhrensystem hier in Deutschland. Dieses Röhrensystem allein ist ein riesiger Energiespeicher, den wir dafür nutzen können. Deswegen sind wir mit dieser Brückentechnologie eigentlich auch dabei, für uns eine technische Struktur zu erhalten, die uns bei dem Wandel hilft.

Aber - deswegen ist es sozusagen ein zweidimensionales Problem - es geht hierbei nicht nur um Energie, es geht auch um Politik. Was meinen Sie denn, warum die Amerikaner diejenigen sind, die Nord Stream 2 wirklich mit jedem Mittel verhindern wollen? Hat die Trump-Administration Angst um die CO2-Bilanz der Energiegewinnung in Europa? - Das ist denen doch so was von egal.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber das schließt nicht aus, dass es trotzdem ande- ren Zwecken dient! - Olaf Meister, GRÜNE: Nur weil die dagegen sind, muss es ja nicht schlecht sein!)

Sie haben ein einziges Ziel: Sie wollen die billige Alternative zu US-amerikanischem Fracking-Gas ausschalten. Und was macht Finanzminister Scholz? - Er geht zu den Amerikanern und verspricht ihnen, den Aufbau von LNG-Speichern mit Bundesmitteln zu finanzieren, damit die Amerikaner ihren Einspruch zu Nord Stream 2 zurücknehmen. Tun sie das, um darin Wasserstoff aus Katar zu speichern? - Nein.

Der politische Deal ist doch ganz eindeutig: Es geht darum, den amerikanischen Zufluss von LNG nach Europa politisch zu subventionieren, um damit Nord Stream 2 langfristig als Alternative zu erhalten. Ich meine, das ist leider Geopolitik. Das ist die Zweidimensionalität des Problems. Wir können an diesen Tatsachen nicht vorbei. Deswegen muss Nord Stream 2 gebaut werden, genauso wie wir eine CO2-neutrale Energieproduktion in Zukunft brauchen. - Danke.

(Beifall - Robert Farle, AfD: Dann müsst ihr für unseren Antrag stimmen!)

Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. - Wir kommen zu dem nächsten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Hövelmann.

(Zuruf: Ach, Herr Hövelmann! - Volker Ole- nicak, AfD: Er kann jetzt einmal seinen Fi- nanzminister verteidigen!)

Sie erhalten jetzt das Wort von mir. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe manchmal den Eindruck, dass es für manche unanständig ist, sich dafür einzusetzen, in Deutschland Investitionen und Arbeitsplätze zu haben.

(Beifall)

Deshalb will ich deutlich sagen: Für uns ist Nord Stream 2 etwas, das Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland schafft.

(Beifall)

Auch deshalb will ich deutlich machen, es ist wichtig, dass dieses Projekt, das - das ist schon angedeutet und angesprochen worden - zu 97 % fertiggestellt ist und übrigens rechtstaatlich genehmigt worden ist - man darf immer wieder einmal daran erinnern, dass das nicht irgendwie vom Himmel gefallen ist, sondern dass es einen rechtstaatlichen Prozess durchgemacht hat und genehmigt worden ist -, fertiggestellt wird

(Zustimmung)

und dass dieses Projekt am Ende auch für das genutzt wird, für das es gebaut wird.

(Robert Farle, AfD: Dann könnt ihr zustim- men!)

Es darf auch der Eindruck entstehen - jedenfalls entsteht der Eindruck bei mir -, dass mancher, der sich in der Debatte auf die Seite der Gegner von Nord Stream 2 stellt, zumindest in den Verdacht gerät, ein wenig Lobbyarbeit für amerikanische Interessen zu betreiben.

(Beifall - Zuruf: Aha!)

Das finde ich jedenfalls nicht vernünftig. Ich will auch deutlich sagen: Mir ist nicht klar, auf welchem Weg dann verhindert werden soll, dass das im bereits angesprochenen ökologisch unverantwortlichen Wege des Frackings gewonnene amerikanische Gas als Alternative nach Deutschland kommt. Das erschließt sich mir jedenfalls nicht.

Verehrte Frau Ministerin! Ihr Beispiel Katar, das kann man so sehen. Aber ich will Ihnen ganz offen sagen, mir ist ein gutes diplomatisches und wirtschaftliches Verhältnis zu Russland allemal wichtiger als zu Katar.

(Beifall)

Ich will Ihnen auch Folgendes deutlich sagen. Die meisten in diesem Raum wissen, ich komme aus Zerbst. Zerbst ist die Heimatstadt von Katharina der Großen, also der ehemaligen russischen Zarin. Das ist schon lange her, mögen manche sagen.

(Zuruf: Das stimmt!)

- Das stimmt. Das kann ich nicht einmal leugnen. - Ich will aber deutlich machen, dass es immer dann, wenn Deutschland ein gutes diplomatisches und wirtschaftliches Verhältnis zu Russland hatte, auch dem Kontinent insgesamt besser ging.

(Zustimmung)

Das sollten wir jedenfalls bei unseren Diskussionen und bei dem, was wir sagen, nicht ganz aus den Augen verlieren.

Ich will auch deutlich machen: Seit einigen Jahren gibt es in Zerbst das Katharina-Forum, ein deutsch-russisches Wirtschaftsforum mit Vertretern der russischen Wirtschaft und Vertretern der deutschen Wirtschaft, übrigens mit Unterstützung unseres Wirtschaftsministeriums - vielen Dank, lieber Herr Minister Willingmann -, bei dem wirklich sehr erfolgreich auf unterster Ebene, auf wirtschaftlicher, auf kommunaler, auf landespolitischer Ebene, ein diplomatischer und wirtschaftlicher Faden geknüpft und aufrechterhalten wird. Ich glaube, das ist in Zeiten wie diesen nicht unwichtig.

Ich unterstütze den Antrag meines CDU-Kollegen auf Überweisung in den Ausschuss. Lassen Sie uns in dieser Art und Weise darüber diskutieren. - Vielen herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Hövelmann. Auch hierzu gibt es keine Wortmeldungen. - Wir kommen zu der Abg. Frau Frederking. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Sie dürfen jetzt an das Pult treten und bekommen auch gleich das Wort von mir. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! „Du fühlst keinen Schmerz, aber du weißt, du stirbst“, das hat Alexej Nawalny über die Wirkung seiner Vergiftung gesagt.

(Zuruf: Das ist doch gar nicht bewiesen, Mensch! - Unruhe)

Er hat die Vergiftung überlebt, genauso wie Sergej Skripal. Andere Oppositionelle und Journalistinnen und Journalisten haben in Russland nicht überlebt.

(Unruhe)

Anna Politkowskaja wurde durch Reportagen und Bücher über den Krieg in Tschetschenien sowie über Korruption im russischen Verteidigungsministerium bekannt. Sie wurde in Moskau erschossen.

Boris Nemzow war russischer Politiker

(Zuruf: Was soll denn das?)

und protestierte prominent gegen die Präsidentenwahlen. Auch er wurde in Moskau erschossen.

Jeder Mensch hat nur ein Leben. Die Genannten standen in Opposition zur russischen Regierung von Wladimir Putin und wurden getötet. Die Liste dieser Menschen ist weit länger. Aktivitäten für Pressefreiheit, Menschen- und Bürgerrechte, Aufklärung von Korruption und Vetternwirtschaft, aber auch Engagement für Umweltschutz sind im heutigen Russland lebensgefährlich.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Die Morde und Mordanschläge sind zu verurteilen. Verurteilt hat auch Bundeskanzlerin Merkel die jüngste Vergiftung von Nawalny. - Herr Borgwardt, die Spannungen im Verhältnis zu Russland steigen und wirken sich auch auf die kurz vor der Fertigstellung befindliche Erdgaspipeline Nord Stream 2 aus.

(Zustimmung)

Namens meiner Fraktion kann ich sagen, dass es für den Autokraten Putin keinen geopolitischen Freundschaftsdienst geben darf. Wirtschaftliche Abhängigkeiten in den Kreml zu schaffen, ist eine denkbar schlechte Idee. Das finden übrigens auch Estland, Lettland, Litauen und Polen, ganz zu schweigen von der Ukraine und der Zivilgesellschaft in Belarus,

(Unruhe - Zuruf)

denen Putin unter Umgehung der alten Leitungssysteme Erdgas versagen konnte.

(Unruhe)

Sehr geehrte Frau Frederking, einen kleinen Moment! - Es fällt mir sehr schwer, dem Verlauf hier noch folgen zu können. Es mag sein, dass Sie das Thema an der einen oder anderen Stelle nicht interessiert. Ich bitte Sie aber trotzdem, den Geräuschpegel herunterzufahren. Denn wir möchten von der Rede gern noch etwas mitbekommen.

Die Zeit wird Ihnen nicht abgezogen, ich gebe sie obendrauf, Frau Frederking. Bitte.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich von Nord Stream 2 distanziert

(Zustimmung)