Wer einer Bundes- oder Landesregierung, liebe Kollegen, die sich für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger einsetzt - ich danke ausdrücklich auch der Kollegin Grimm-Benne -, in einer solchen Phase Aktionismus vorwirft, der handelt nach unserer Überzeugung unüberlegt und verantwortungslos.
Mildere Mittel, um das exponentielle Wachstum und weitere Infektionen zu verhindern, sind derzeit nicht vorhanden. Mit den jetzt von den Regierungschefs einstimmig beschlossenen Maßnahmen geht es vor allem darum, die Risikogruppen zu schützen.
Mit diesen Maßnahmen steht Deutschland nicht allein da. Auch gerade der von den geschätzten Kollegen permanent hochgelobte AfD-Vorschlag in Bezug auf Schweden scheint hierbei nämlich nicht das Maß der Dinge zu sein, liebe Kollegen. Sie sollten sich einmal aktuell informieren.
Nach einem Bericht der Zeitung „Münchner Merkur“ gibt es dort seit Beginn der Pandemie 121 000 neue Coronafälle und ca. 6 000 Menschen sind daran gestorben. Im Vergleich dazu: In Deutschland gab es mit Stand vom 28. Oktober dieses Jahres 498 000 Fälle und ca. 10 000 Todesfälle - bei ca. achtmal so viel Einwohnern. Die Durchseuchungsstrategie, meine sehr verehrten Kollegen, hat sich also nicht durchgesetzt.
Auch in Schweden sollen nun - genauso wie hier - die Kontakte mit Personen aus anderen Haushalten sowie im Personennahverkehr, bei Veranstaltungen, in Gaststätten und Sportvereinen vermieden werden. Alle diese Dinge werden genauso gehandhabt wie in Schweden.
Weitere Einschränkungen gibt es ähnlichen Musters in Luxemburg, Österreich, Frankreich und Spanien. Dort ist bereits der Gesundheitsnotstand ausgerufen worden.
Diese Beispiele zeigen, dass Deutschland keineswegs allein handelt - oder so handelt, weil es seine Bürger gängeln will -, sondern wie viele andere Länder in Europa und auch weltweit. Die Entscheidungen basieren dabei ausdrücklich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Maßnahmen, die seit gestern gelten, schränken hart erkämpfte Freiheitsrechte, aber auch Unternehmerrechte ein. Dessen sind wir uns natürlich bewusst. Mit Förderprogrammen, Kurzarbeitergeld und schnellen Maßnahmen wollen wir der Wirtschaft unter die Arme greifen. Hierbei ist es wichtig, dass die Abwicklung tatsächlich, wie versprochen, schnell und unbürokratisch erfolgt.
Ich sage das hier ganz deutlich: Die Geschäftsgrundlage oder der Pakt der 16 Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin fußte genau auf diesem Eckwert, nämlich dass die Abwicklung unbürokratisch und schnell erfolgt. Wir sind auch der Auffassung - deswegen auch die Überprüfung nach 14 Tagen -, dass wir, wenn dies so nicht geschieht, in geeigneter Weise über eigene Zwischenfinanzierungen zumindest nachdenken sollten.
Die wirtschaftlichen Folgen für Mittelstand, Handwerk, Soloselbstständige und Freiberufer sind bekannt. Zahlreiche Branchen, wie die Gesamtheit des Tourismus, werden auch auf absehbare Zeit nicht zur vorherigen Normalität finden können.
Mit Blick auf die von einigen beklagten Einschränkungen der Grundrechte möchte ich ganz klar sagen, dass der Freiheitsbegriff für uns nicht nur auf die Starken und Jungen beschränkt ist. Freiheit ist - in Abwandlung eines Zitats - auch immer die Freiheit der Schwachen und der anderen.
Wer in der derzeitigen Situation bei seinen Entscheidungen das Risiko der Schwachen nicht berücksichtigt hat, der handelt nach unserer Auffassung verantwortungslos.
Wirtschaftliche Fehlentwicklungen oder Fehler im Bildungssystem können korrigiert werden. Was nicht korrigiert werden kann, ist der Tod von Menschen.
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende ist an anderer Stelle schon einmal zitiert worden. Ich möchte ihn einmal in unserem Sinne zitieren. Er hat in der vergangenen Woche in der Debatte im Bundestag deutlich gemacht, dass Entscheidungen zur Anzahl der Personen in einem Geschäft, liebe Kollegen, oder zur Größe der zu öffnenden Geschäftsflächen keine Entscheidungen der Parlamente, sondern Entscheidungen der Exekutive sind. Da
hinter stehe ich ausdrücklich. Man muss den Generalwert festlegen. Das tun wir. Danach müssen die Entscheidungen in der Exekutive schnell und effizient getroffen werden. Ansonsten stelle ich mir vor, wie das im anderen Fall wirkt. Aber dazu bekommen wir vielleicht noch Vorschläge. Heute habe ich keine gehört.
In einem solchen Ausnahmefall wie in einer Pandemie muss schnell gehandelt werden. Für dieses schnelle Handeln hat die Landesregierung das Vertrauen der CDU-Fraktion. Es geht nicht um persönliche oder ideologische Befindlichkeiten, sondern um die Bekämpfung der Pandemie.
Es ist das gute Recht der Opposition - das sage ich hier ausdrücklich -, die Maßnahmen und Entscheidungen der Regierung zu kritisieren und zu hinterfragen. Aber das Handeln der Bundes- und der Landesregierung als Aktionismus zu bezeichnen, nur weil sie Vorkehrungen treffen, von denen man überzeugt ist, dass sie Menschenleben in unserem Land retten, grenzt an eine Frechheit.
Wir stellen der Landesregierung aber keinen Blankoscheck aus. Das bedeutet, dass diese Maßnahmen überprüft und - ich wiederhole das jetzt in meiner Rede zum dritten Mal - nach unserem Vorschlag nach 14 Tagen evaluiert werden sollten, wenn wir deutlich unter einem Wert von 30 Infizierten pro 100 000 Einwohnern liegen.
Meine Damen und Herren! Ich werde jetzt zum Ende kommen müssen. Im Mai habe ich bereits gesagt, dass Prävention oft nicht die verdienten Lobeshymnen erhält, weil der Mensch nicht sieht, was wir verhindert oder was die Maßnahmen verhindert haben. Deshalb wird der jetzt eingeschlagene Weg von uns ausdrücklich mitgetragen.
Die Pandemie hat bisher gezeigt, dass die Menschen in Krisenzeiten füreinander einstehen. Sie hat gezeigt, dass die Bundes- und die Landesregierung und auch wir als Parlament in wichtigen Zeiten schnelle Entscheidungen treffen können. Nur hat sich die Situation nach dem Sommer leider deutlich verschlimmert. Wie wir jetzt mit der Pandemie umgehen, entscheidet über die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger, aber auch über unsere Wirtschaft.
In den kommenden Wochen und Monaten müssen wir wieder um das Verständnis unserer Bürgerinnen und Bürger werben. Jeder Mensch ist dazu aufgerufen, aktiv mitzuwirken, um den Virus in den Griff zu bekommen. - Ich danke herzlich und bleiben Sie gesund.
Herr Borgwardt, es gibt insgesamt drei Fragesteller. Die erste Frage kommt von Eva von Angern. Wollen sie diese beantworten, Herr Borgwardt? - Er will sie beantworten, deshalb darf sie gestellt werden, Frau von Angern. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Borgwardt, eines gleich vorweg: Ich schätze Sie auch. Ich schätze auch unsere Zusammenarbeit. Ich bin umso betrübter, dass Sie die Reden der Oppositionsfraktionen gleichgesetzt haben und kann mir nur vorstellen, dass Sie möglicherweise nicht gehört haben, dass wir als DIE LINKE den Grundsatz der Landesregierung und auch die letzte Eindämmungsverordnung sehr wohl unterstützen und lediglich zur Diskussion stellen, dass das Parlament und auch die Öffentlichkeit besser beteiligt werden, und einzelne Positionen auch tatsächlich noch einmal hinterfragen.
Sie haben Kritik am Ministerpräsidenten von Thüringen geäußert. Das mag ich natürlich nicht so stehen lassen. Ich frage Sie daher, ob Sie die Protokollnotiz unter Nr. 5 zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz kennen. Bodo Ramelow ließ ausdrücklich festschreiben, dass sämtliche Maßnahmen, die dort beschlossen worden sind, nicht als Präjudiz für das Parlament von Thüringen gelten.
Eine weitere Frage. Teilen Sie meine Auffassung, dass wir nunmehr in einer Situation sind, in der wir alles dafür tun müssen, dass die Maßnahmen, die durch die Eindämmungsverordnung festgeschrieben werden, eine sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung erhalten, und dass dies durch eine Beteiligung des Parlaments und eine dadurch transparente und breitere Diskussion ermöglicht werden sollte?
Abschließend noch eine Frage, weil Sie dazu, glaube ich, nichts gesagt haben. Können Sie sich unserer Idee der Gründung eines Pandemierates annähern?
Ich dachte, dass ich es eigentlich ziemlich deutlich gesagt habe. Ich habe mitnichten beide Oppositionsparteien gleichgesetzt. Das kann man gern nachlesen. Ich bin auf Argumente eingegangen, die die Kollegen der beiden Oppositionsparteien eigenständig hier vorgetragen haben. Das habe ich in der gewohnten Kürze gemacht.
Noch einmal dazu: Natürlich kenne ich die Protokollnotiz, weil sie in dem Beschluss unten klein gedruckt steht.
- Das ist mir völlig klar. Das hat aber grundsätzlich nichts damit zu tun - das wissen auch Sie, sehr geehrte Frau von Angern -, dass das Prinzip trotzdem auch in Thüringen gilt. Es gibt eine Koalition, die die Regierung stützt, und es gibt eine Opposition, die nun einmal die Opposition ist. An dem Grundsatz der Entscheidung und den einzelnen Festlegungen hat sich bis heute nichts geändert. Jedenfalls weiß ich davon nichts. Ich habe nur versucht, deutlich zu machen, dass wir in Sachsen-Anhalt nicht einen eigenen oder verteufelten Weg gehen, sondern dass das die ganz normale Lage in einer parlamentarischen Demokratie ist. Man kann es gewinnen, indem man mehr Prozente bekommt und die Regierung stellt. Das habe ich gesagt.
Gleichwohl sage ich hier auch: Es ist richtig, dass wir über solche Dinge reden müssen. Wir müssen auch über weitere Dinge reden, wenn die Geschichte länger dauert. In der Frage habe ich keine Glaskugel. Wir haben hier im Parlament - übrigens auch aus dem Grund - alle mitberaten und es ist mehrheitlich beschlossen worden. Einige hatten andere Vorstellungen bezüglich der Höhe des Nachtragshaushaltes. Der Nachtragshaushalt hat wesentliche Bestandteile, die wir jetzt in der Pandemie einsetzen. Das ist eine ganz klare parlamentarische Mitbefassung. Das wissen Sie auch.
Fakt ist eines. Selbst bei der Frage mit den 500 Millionen € nähern wir uns der Endlichkeit. Deswegen war die Debatte auch von uns gewünscht. Deswegen - ich wiederhole mich jetzt - haben wir auch den Ministerpräsidenten gebeten, das in dieser Form zu machen. Denn das Budgetrecht ist ein originäres Recht des Parlaments und kommt zum Tragen, wenn diese 500 Millionen € aufgebraucht sind. Das wird offensichtlich irgendwann erkennbar sein, wenn es so weitergeht. - Das waren, glaube ich, alle Fragen
- Ach so. Wir haben das in der Koalition natürlich schon einmal besprochen. Wir haben auch Vorschläge. Aber ich will das jetzt nicht hier ausbreiten. Dazu gibt es auch andere gute Vorschläge. Manche wollen dafür die 75 % noch weiter aufmunitionieren. Solche Vorschläge gibt es auch von einer Koalitionsfraktion. Das kann auch alles
sein. Wir machen das überlegt. Ich glaube, wir reden vernünftig darüber. Deswegen würde ich dazu jetzt keine endgültige Aussage treffen wollen. Das müssen wir in der Koalition gemeinsam machen. Denn laut unserem Koalitionsvertrag gilt, dass wir bestimmte Dinge hier nur gemeinsam einbringen.
Jetzt kommen wir zur nächsten Frage. Diese kommt von Herrn Gebhardt. - Möchten Sie auch diese beantworten?