Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wiederholt debattiert der Landtag zum Thema Müll in unserem Bundesland. Diesmal greift DIE LINKE einige Impulse auf, die aus der gemeinsamen Anhörung des Umweltausschusses und des Wirtschaftsausschusses herrühren, und schlägt mit einem Gesetzentwurf ganz pragmatisches Handeln vor.
Aber, meine Damen und Herren, das eigentliche Problem ist, dass Müll viel zu lange als Geschäftsmodell für Sachsen-Anhalt gesehen wurde und teilweise noch gesehen wird. Dabei geht es nicht um den Müll, der bei uns anfällt. Es ist klar, dass wir diesen vernünftig und fachgerecht entsorgen müssen. Aber insbesondere unter der CDU-Führung mutierte unser Bundesland zum Müllimportland mit fatalen Skandalen wie denen von Vehlitz und Möckern. Das regt die Menschen vor Ort zu Recht auf.
Und die CDU macht weiter. Nach der Anhörung haben die Kollegen Thomas und Schumann eine Pressemitteilung herausgegeben, die eins zu eins die Position der Bau- und Entsorgungsbranche wiedergegeben hat und mehr Deponien im Land fordert. Vielleicht hat man dabei schon auf die erste schöne Spende gehofft; man weiß es nicht.
Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit einer Branche zu tun, die gut Geld verdient, den Menschen vor Ort jedoch eine Deponie nach der nächsten zumutet. Reinstedt, Großörner, Jüdenberg, Roitzsch - das sind nur einige Beispiele, wo neue Müllhalden entstehen sollen. Die Menschen wehren sich dagegen; denn sie möchten nicht den Müll aus ganz Europa vor die Tür geworfen bekommen und dabei Staub, Gestank und Umweltbelastungen hinnehmen müssen.
Meine Damen und Herren! Auch die Kapazitäten der Müllverbrennungsanlagen sind weit über den Landesbedarf hinaus dimensioniert. So wird sogar Müll aus England nach Rothensee verbracht,
und natürlich verbleiben Stäube, Aschen und Schlacken dann bei uns und kommen hier auf die Deponien oder unter Tage, wie in Teutschenthal. Der Müll nimmt dabei eine ganz besondere Wandlung. So wird Müll, der beispielsweise auch in Zementwerken verbrannt wird, von jetzt auf gleich zu einem Ersatzbrennstoff. Hochgiftige Filterstäube werden im Versatzbergwerk Teutschenthal zu einem Ersatzbaustoff. Ja, die Kreislaufwirtschaft kennt ganz faszinierende Begrifflichkeiten. So ein Ersatzbaustoff ist auch deshalb interessant, weil man nicht für seinen Erhalt bezahlt, sondern dafür, dass ihn jemand nimmt. Das wünschte ich mir auch einmal beim nächsten Besuch im Baumarkt.
Meine Damen und Herren! Egal wie man die Geschichte des Mülls erzählt, ob man sagt, dass er eingebaut wird oder deponiert wird, am Ende verbleibt er an Ort und Stelle, und zwar in Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! DIE LINKE setzt darauf, dass Müll gar nicht erst entsteht. Neben der Tatsache, dass es viel größere Restriktionen gegen die Müllentstehung auf der Bundesebene geben müsste - denken wir einmal an den ganzen Verpackungsmüll -, möchten wir das Recycling deutlich fördern.
Hierfür braucht es Anstrengungen auf der makroökonomischen Ebene, aber auch Initiativen der öffentlichen Bauträger und viele Initiativen vor Ort. Schon jetzt ist es bezeichnend, dass der Preis für Altpapier stark gesunken ist, gleichzeitig aber
ganze Wälder in Form von Zellulose über den Ozean geschippert werden. Hier setzt die Marktlogik den völlig falschen Anreiz.
Meine Damen und Herren! Ähnlich verhält es sich beim Recycling von Baustoffen. Hierzu hat die Anhörung ganz klar gezeigt, dass es ein Anreizsystem braucht, um die Nachfrage zu stimulieren. DIE LINKE geht dabei jedoch nicht den Weg über das Vergabegesetz, sondern nimmt mit dem Entwurf des Abfallgesetzes die Behörden, Körperschaften und Betriebe des Landes und der Kommunen in die Pflicht, bei Bauvorhaben den Einsatz von Recyclingmaterialien zu forcieren.
Der Gesetzestext ist dabei kein Hexenwerk, sondern entspricht der Thüringer Regelung. Recycling von Baumaterial kann auch ganz privat betrieben werden, wenn aufgeklärt wird und ein Angebot geschaffen wird. Das meine ich mit Initiativen vor Ort. So gibt es mancherorts schon Bauteilebörsen und es gibt ein Bauteilenetzwerk in Deutschland. Dabei richtet sich der Blick ganz besonders auf die private Kundschaft. Hierzu kann ich mir auch eine gezielte Unterstützung der Landesregierung vorstellen.
Meine Damen und Herren! Das Umweltbundesamt verfolgt noch eine weitere Strategie, der sich unsere Landesregierung dringend anschließen sollte: das Urban Mining. Kurz könnte man sagen: die Stadt als Rohstofflager. Das Ganze wird jedoch weiter gefasst und nimmt die ganze Technosphäre als anthropogenes Lager in den Blick. Ich zitiere von der Website des Umweltbundesamtes:
„Der Unterschied des Urban Minings zur Abfallwirtschaft besteht in den Betrachtungsgrenzen beider Ansätze. Während die Abfallwirtschaft sich mit dem Abfallaufkommen an sich beschäftigt, dessen Menge, Zusammensetzung und einer bestmöglichen Rückführung der Materialien in den Stoffkreislauf, bezieht das Urban Mining den Gesamtbestand an langlebigen Gütern mit ein, um möglichst früh künftige Stoffströme prognostizieren zu können und bestmögliche Verwertungswege abzuleiten, noch bevor die Materialien als Abfall anfallen. Je besser dabei das qualitative und quantitative Wissen um die gebundenen Materialien ist und die Zeiträume, wann diese wieder aus dem Bestand freigesetzt werden, umso besser können sich die beteiligten Akteure auf [sich] neu entwickelnde Abfallströme und deren Verwertung einstellen.“
Abfallwirtschaft immer wieder auf und wurden insbesondere von Frau Dalbert vorgetragen. Der eine ist schnell erzählt: Alle Genehmigungsverfahren für Deponien, egal welcher Deponieklasse, sollen durch die obere Abfallbehörde geführt werden. Derzeit sind für DK 0 und DK 1 die Kreise und kreisfreien Städte zuständig, zukünftig soll es das Landesverwaltungsamt sein, so will es unser Gesetzentwurf. Denn dort entsteht der Abfallwirtschaftsplan und dort liegt die größte Kompetenz. Dass dies noch nicht passiert ist, weil man sich in der Koalition um ein paar Stellen streitet, spricht Bände über diese Landesregierung.
Meine Damen und Herren! Der zweite Diskussionsstrang ist der Genehmigungsvorbehalt für Müllimporte aus anderen Bundesländern. DIE LINKE greift diesen Impuls aus der Anhörung auf und hat ihn in Gesetzesform gegossen. Hier soll zumindest ein Stück weit etwas gegen Müllimporte unternommen werden. Wir würden uns hier sehr viel mehr wünschen, aber wir haben das aufgegriffen, was uns in allen Beratungen als rechtlich möglich dargestellt wurde, obwohl es unbefriedigend kurz greift.
Leider wird Müll in der EU als frei handelbares Gut angesehen, sodass die unfassbare Situation entsteht, dass man zwar Müll aus anderen Bundesländern regulieren kann, aus anderen Ländern der EU jedoch kaum. An dieser Stelle ist zukünftig noch ein dickes Brett zu bohren; denn ich möchte nicht, dass Asbest aus Neapel den Menschen in Roitzsch vor die Füße gekippt wird.
Meine Damen und Herren! Das Thema Müll wird uns weiterhin beschäftigen. Lassen Sie uns aber jetzt das Mögliche tun. Ich bitte um Überweisung in den Umweltausschuss zur federführenden Beratung und in den Innenausschuss zur Mitberatung. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen an Herrn Lange, deshalb können wir in die Dreiminutendebatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht die Umweltministerin Frau Dalbert. Sie haben das Wort.
Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich daran erinnern, dass wir uns im Landtag darin einig waren, das Land Sachsen-Anhalt nur mit den Deponien zu belasten, die unbedingt notwendig sind. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Abfallimpor
te im Rahmen des geltenden Rechts zu reduzieren. Der Landtag hat einen Beschluss gefasst mit dem Titel „Abfallimporte reduzieren - Kreislauf- und Ressourcenwirtschaft stärken!“ Von der Sache her sind wir uns also einig.
Ich möchte meine Redezeit von drei Minuten nutzen, um konkret zu dem Abfallgesetz zu sprechen. Dabei haben wir, wie ich schon mehrfach ausführte, nur sehr geringe Gestaltungsmöglichkeiten, weil das Abfallrecht sehr stark durch Bundes- und EU-Recht bestimmt ist. Der Abg. Lange hat das in seiner Einbringung ebenfalls ausgeführt. Deshalb lautet die Frage: Was können wir tun?
Ich denke, wir können zwei ganz konkrete Dinge tun. Zum Ersten müssen wir schauen, dass die Abfälle, die auf unseren Deponien gelagert werden, reduziert werden. Das entspricht auch der Abfallhierarchie, Verwertung geht vor Beseitigung. Jede Tonne Abfall, die nicht auf der Deponie landet, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das heißt, wir müssen den Anteil an Rezyklaten erhöhen, zum Beispiel durch die Verwendung unbelasteten Materials im Straßenbau und für ähnliche Einsatzzwecke. Sie wissen, dass wir dabei zusammen mit der Wirtschaft sehr viel auf den Weg gebracht haben und modular weiterentwickeln, um eine Qualitätssicherung bei diesen Rezyklaten vorzunehmen.
Was aber fehlt, ist der breite Einsatz. Eine Möglichkeit wäre es, eine Regelung in das Landesabfallgesetz aufzunehmen, die umweltfreundliche Produkte bevorzugt, dies also formal als einen Bestandteil aufzunehmen, den die Vergabekammer prüfen kann. Das wäre ein Beitrag zur Förderung der Akzeptanz von Recyclingmaterial. Dies würde Nachfrage auf dem Markt generieren und die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand unterstreichen.
Das Zweite, was man tun kann, ist, mit den Deponiekapazitäten, die wir haben, sorgsam umzugehen. Der Abfallwirtschaftsplan 2017, der dritte in Folge, besagt, es gibt keinen Bedarf an neuen Deponien der Klassen 0 und 1. Sie wissen, wir haben im letzten Jahr überprüft, wie es damit aussieht. Um eine Zahl aus der Evaluation zu nennen: Im Jahr 2019 wurden 1,3 Millionen t Abfälle auf Deponien abgelagert. Dem steht ein Restvolumen von 22,8 Millionen t gegenüber. Wir haben also keinen Deponiemangel - das ist nicht mein Ansatz -, aber wir sollten mit unseren Deponiekapazitäten sorgsam umgehen, damit sie lange halten.
Damit komme ich zu der Frage der Importe aus anderen Bundesländern. Dies betrifft vor allem die Deponien der Klassen 1 und 2. Die Mengen
schwanken über die Jahre, aber wenn man es einmal insgesamt über mehrere Jahre hinweg betrachtet, so liegt der Anteil der abgelagerten Abfälle auf den Deponien der Klassen 1 und 2, die aus anderen Bundesländern kommen, zwischen 20 % und 25 %. Insofern ist das, denke ich, ein weiterer Ansatzpunkt, diese Abfälle genehmigungspflichtig zu machen. Sie müssen dann also beim Landesverwaltungsamt gemeldet werden, und das Landesverwaltungsamt schaut dann, wie es sich zu den Ablagerungskapazitäten in Sachsen-Anhalt verhält, insbesondere auch unter Berücksichtigung näher gelegener geeigneter Deponien. Denn das EU-Recht sieht die lokale Nähe ebenfalls als notwendig an.
Das wäre ein weiterer Punkt, den man umsetzen könnte. Wir würden uns viel mehr wünschen, aber das ist das, was wir im Augenblick rechtlich im Abfallgesetz tun könnten. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. Deshalb freue ich mich auf spannende Debatten im Ausschuss. - Herzlichen Dank.
Danke. Ich sehe auch hierzu keine Fragen an die Ministerin. - Somit können wir in der Dreiminutendebatte fortfahren. Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Gürth. Herr Gürth, Sie haben das Wort.
Danke schön. - Herr Präsident! Mehr meine sehr geehrten Damen und Herren! In drei Minuten kann man leider wenig zu diesem wirklich wichtigen und komplexen Thema sagen. Nur eine Vorbemerkung: Ich persönlich bin froh, dass man nicht mehr, wie zu meinen Kinderzeiten in der real existierenden sozialistischen DDR, den Müll einfach in jedes Tagebaurestloch kippt, ohne einen einzigen Bürger zu beteiligen.
Zu dem Gesetzentwurf selbst. Der Gesetzentwurf möchte drei Dinge regeln: einen höheren Anteil an Recyclingprodukten erreichen, das Verbringen von Abfallstoffen aus anderen deutschen Ländern nach Sachsen-Anhalt verbieten und die Genehmigungsverfahren für Deponien der Klassifizierung DK 0 und DK 1 von den Landkreisen auf das Landesverwaltungsamt übertragen.
Diese Thematik ist sehr komplex, sehr kompliziert und schafft immer unmittelbare Betroffenheit. Wer seriöse Lösungsansätze sucht, der kann dies nur ganzheitlich tun, ansonsten sind sie unseriös.
Dies fängt bereits damit an, dass man mit einer ehrlichen und sachgerechten Erhebung der Daten über Kapazitäten, Bedarfe und dergleichen mehr beginnt, geht über verlässliche und vorausschauende Planungen bis hin zu transparenten Genehmigungsverfahren. Wenn wir wollen - dies muss man ebenfalls ansprechen -, dass unsere Innenstädte nicht veröden, sondern weiter verschönert und revitalisiert werden, wenn wir wollen, dass weniger Ackerboden für Eigenheimsiedlungen versiegelt wird und dass stattdessen mehr attraktiver und bezahlbarer Wohnraum in den Innenstädten geschaffen wird, dann ist uns doch allen klar, dass auch Deponiekapazitäten für DK 0 und DK 1 erforderlich sind.
Schon jetzt wird mineralischer Bauschutt von Bauvorhaben in Sachsen-Anhalt auf Deponien in anderen Bundesländern verbracht, beispielsweise nach Brandenburg und Niedersachsen, und es kommt auch Bauschutt aus anderen Ländern zu uns. Nach dem Willen der LINKEN würde beispielsweise Bauschutt aus Braunschweig nicht mehr in Sachsen-Anhalt deponiert werden dürfen, aber Müll aus Neapel - Sie sprachen es an, Frau Ministerin - könnte weiterhin munter hier verklappt werden. Bauschutt aus Harbke dürfte nicht mehr nach Helmstedt, sondern müsste weiter ins Landesinnere verbracht werden. Dies macht deutlich: Wir müssen uns mit den Details genau und seriös beschäftigen, und zwar in den Ausschüssen.
Weniger Abfallstoffe und mehr Recycling sind sehr wichtige Ziele, die die CDU durchaus teilt, nur kann dies nicht per Anordnung und auf Knopfdruck erreicht werden. Ich denke, dass wir Qualitäts- und Umweltstandards auf keinen Fall aufgeben sollten. Recyclingbaustoffe dürfen nur als geprüfte, güteüberwachte und zertifizierte Baustoffe eingesetzt werden. Sowohl technische Parameter als auch Verfügbarkeit und Preis sind dabei maßgeblich. Über das Thema Nachhaltigkeit von Baustoffen entscheidet beispielsweise auch der Energieaufwand im Recyclingprozess.
Für die CDU-Fraktion möchte ich eindrücklich dafür werben: Nehmen wir die Anwohner und die Betroffenen ernst. Sichern wir eine faktenbasierte Beteiligung von Bürgerinitiativen und Wirtschaft. Das mag anstrengend sein, ist aber aus unserer Sicht zwingend notwendig. Ich sage zum Abschluss auch: Vor dem Hintergrund von Möckern und Vehlitz sind Transparenz, Beteiligung, sichere Kontrollmechanismen und Vorsicht zwingend geboten.