Protokoll der Sitzung vom 20.11.2020

Das neue Bundesförderprogramm wird aus der Hüfte geschossen, ohne dass eine Vorbereitung erkennbar wird. Das wirkt nicht sonderlich gut vorbereitet. Ob diese Kritik angesichts der Dynamik der Pandemie wirklich fair ist, kann man allerdings hinterfragen. Das Problem unseres Landes, sinnvoll auf die Ankündigung zu reagieren, bleibt.

Die Ankündigung, nur 75 % des Umsatzes zu erstatten, löst zumindest theoretisch diverse der alten Probleme. Die Diskussion um den Unternehmerlohn von Selbstständigen ist obsolet, wenn 75 % des Umsatzes erstattet werden, da der Unternehmerlohn dort Bestandteil ist. Tatsächlich haben wir über November- und Dezemberhilfe gesprochen. Wenn das fortgeführt würde, hätten wir zumindest für diesen Bereich das Problem nicht mehr.

Unter finanzpolitischen Gesichtspunkten ist die Übernahme des Umsatzes, also auch der variab

len Kostenanteile, durchaus fragwürdig, weil damit sehr häufig, gerade wegen größerer Unternehmungen, eine deutliche Überkompensation einhergehen dürfte, weil die variablen Kosten dann letztlich wegfallen. Das ist nicht Sinn der Sache und belastet uns zukünftig unnötigerweise.

Die Sorge bezog sich aber in politischen Bereichen insoweit nicht mehr auf den Umstand, ob die Hilfe kommt, sondern mehr darauf, wann sie kommt. Der Termin Januar 2021 - meine Vorrednerin hat es schon erwähnt - ist keine ernsthafte Option.

Die politische Diskussion im Land richtet sich dabei vor allem auf die Frage, ob wir selbst in Vorleistung gehen sollen oder müssen, wohl wissend, dass auch ein Landesprogramm einen Vorlauf benötigt und ein eigenes Programm die bürokratische Situation noch verkomplizieren kann.

Jetzt wurde von der Bundesseite der Start der Novemberhilfe für den 25. November angekündigt. Schneller werden wir nicht sein.

(Zustimmung)

Vorhin kam bei den Kollegen von der LINKEN die Ansage, das müsse jetzt trotzdem schneller passieren. Ich warne davor, Erwartungen zu wecken, die wir nicht einhalten können. Der 25. November ist schon bald. Die Leute, die die Auszahlungen vornehmen, sind dieselben Leuten. Also, das Land greift mit dem eigenen Programm natürlich auf die Idee zurück, die wir jetzt auch nutzen, um die Hilfen des Bundes auszuzahlen.

Gegen die Annahme, dass wir, wenn wir jetzt etwas Eigenes schaffen würden, deutlich schneller sind, habe ich wirklich Bedenken. Insofern warne ich davor, das vor sich herzutragen und Erwartungen zu wecken, die man nicht erfüllen kann. So erzeugt man ganz sicher Politikverdrossenheit.

Der Blick muss jetzt nach vorn gehen, wobei man nicht den Eindruck erwecken sollte, jetzt ginge alles geregelt und nach Plan. Wir wissen heute, Stand 20. November, nicht, was der Dezember bringen wird. Wir wissen aber, was wir wollen, nämlich die Menschen gesund durch die Krise zu bringen und dort finanziell zu helfen, wo das nötig ist, und das so schnell wie möglich. Wir müssen darauf achten, dass die Hilfen dort hinkommen, wo sie hingehören.

Es ist gut und wichtig, wenn der Bund es vernünftig regelt. Wenn es Lücken gibt, sind aber wir gefragt. An dieser Stelle haben wir in der Vergangenheit viele Lücken gesehen. Wir wissen jetzt nicht sicher, wie sich die Lücken nach der Novemberhilfe darstellen werden. Kann man dann wieder von Soloselbstständigen reden? Denn diese sind davon nicht umfasst. Wir wissen über die

Studierenden, dass es da Probleme geben wird. Wir wissen das natürlich auch vom Kulturbereich.

Insofern stelle ich mir einen Coronoa-Nothilfefonds vor, der aus unserem Nachtragshaushalt gespeist wird, tatsächlich jeweils flexibel einsetzbar unter Beteiligung des Finanzausschusses. Das werden insgesamt kleinere Summen sein, weil man dann immer spezifisch helfen kann und dort tätig wird.

Im Prinzip ähnlich agieren wir bereits jetzt in Bezug auf die monatlichen Vorlagen und zum Teil auch kürzeren Vorlagen an den Finanzausschuss, wo wir gezielt Hilfen an einzelne Branchen oder sogar Einzelne ausgegeben haben.

Uns ist auch etwas anderes klar: Dieser Albtraum ist endlich. Wir werden in nicht allzu langer Zeit in normalere Zeiten starten. Wir werden dort, wo es Probleme gibt, beim Neustart unterstützen müssen.

Es ist tatsächlich insbesondere der Kulturbereich, der uns auf der Seele liegen kann. Die Kollegin von Angern hat vorhin ausgeführt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass die Clubs, die im März zugemacht haben, dann noch da sind. Insofern bedarf es tatsächlich der Hilfe bei einem Neustart.

Dabei besteht die Hoffnung, dass auch an dieser Stelle der Bund etwas tut. Aber wir müssen bereitstehen und bereit sein, dort mit eigenen Landesmitteln gegebenenfalls zu helfen, soweit das nötig ist.

Insofern ist erfreulich, dass im Kulturministerium bereits jetzt eine Neuauflage des Programms „Kultur ans Netz“ erarbeitet wird. Man kann einiges Kritische zu der Frage sagen, wie sowohl das ursprüngliche 400-Euro-Programm lief, als auch wie „Kultur ans Netz“ lief. Die Abflusszahlen sind bekannt. Wir sollten es transparent und im Dialog mit den Betroffenen machen, um effizient wirkende Hilfen zu schaffen, damit es dann tatsächlich einen Neustart gibt und wir beginnen können.

Wir wissen, dass Hilfe und Gemeinsinn nicht ohne Weiteres selbstverständlich sind, dass Leute durch das Land ziehen, die versuchen, aus den Ängsten der Menschen und den naturgemäß gegebenen Unzulänglichkeiten des Verwaltungs- und Regierungshandelns ihr Kapital zu schlagen, zu spalten, Menschen gegeneinander auszuspielen.

Gestern hat Dr. Tillschneider von der AfD den linksliberalen Künstlern den Krieg erklärt. Es war nicht der totale Krieg; möglicherweise lässt er sich dabei noch eine Steigerungsform offen. Linksliberal sind bei ihm alle mit Haaren, die irgendwie ein Instrument halten können. Dezidiert hat er sich gegen Hilfen für die Kultur ausgesprochen.

Wir erklären hiermit niemandem den Krieg. Wir erklären Hilfsbereitschaft, und zwar unabhängig davon, welcher politischen Ausrichtung jemand ist.

(Beifall)

Ein Wort noch zu den Kommunen. Die Stabilisierung unserer Wirtschaft erfolgt auch über die Kommunen in Sachsen-Anhalt. Die aktuelle Steuerschätzung zeigt, dass der Einbruch bei den Steuereinnahmen infolge der Coronakrise nicht aufgeholt wird. Der Trend verläuft auf niedrigem Niveau. Das ist für die Kommunen ein Problem; denn die Ausgaben steigen unbeirrt weiter. Die Kommunen stehen kurz- und mittelfristig vor Haushaltskrisen.

Wir brauchen auch für 2021 wieder eine Erstattung der ausgefallenen Gewerbesteuern, wenn die Lage sich so entwickelt, wie ich sie jetzt prognostiziere. Wie bereits im Jahr 2020 sollte es eine solche Regelung geben und sollte sich das Land entsprechend beteiligen. Es ist wichtig, den Kommunen zu signalisieren, dass wir an sie denken.

Wir als Kenia-Koalition - noch besteht sie ja - wissen, dass auch Fehler gemacht werden. Wir machen das mit der Pandemie nämlich zum ersten Mal. Aber wir können und müssen helfen. Meine Fraktion wird sich weiter dafür einsetzen. - Danke schön.

(Beifall)

Herr Meister, es gibt eine Frage von Herrn Gebhardt. Möchten Sie diese beantworten?

Er möchte sie beantworten. Herr Gebhardt, das gibt Ihnen die Chance, Ihre Frage zu stellen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Meister, zunächst vorausgeschickt: Wir sind, was die Zielsetzung betrifft, Hilfen zu leisten, nicht auseinander.

Ich habe mich aber gemeldet, als Sie sagten, dass man mit dem Ansatz, den wir gewählt haben, keine falschen Hoffnungen wecken dürfe, dass alles seine gewisse Zeit dauert. Der Kulturminister Herr Robra sprach mehrfach davon, dass jetzt unkompliziert, unbürokratisch und schnell Programme kommen müssen. So. Dann wird aber ein Programm aufgelegt, das so verwoben ist und so kommuniziert wird, dass von der gesamten Fördersumme lediglich ein Anteil von 25 % abfließt.

Dann kommt man doch automatisch zum Schluss, dass an dem Programm etwas nicht gestimmt haben muss; denn der Bedarf ist nach wie vor vorhanden. Anders herum: Die Clubbesitzer haben ihre Clubs seit dem Frühjahr geschlossen. Dazu hörten wir vorhin eine Äußerung, in der vor Schnellschüssen gewarnt wurde.

Wenn Einrichtungen ein dreiviertel Jahr geschlossen sind und noch immer keine Hilfsmaßnahmen für die Leute auf dem Tisch liegen und noch keine konkrete Angebote da sind, dann frage ich mich, wie man von Schnellschüssen reden kann. Jetzt sagen Sie, wir würden falsche Hoffnungen wecken, wenn wir jetzt schnelle Programme vorlegen.

Ich habe den Zeitraum geschildert. Ich will Sie fragen: Können Sie den Widerspruch, den ich versucht habe, jetzt aufzumachen, erkennen? Sehen Sie auch die Dramatik, dass es zumindest für einen Teil der Betroffenen jetzt wirklich um Schnelligkeit geht, weil ansonsten irgendwann die Decke nicht nur zu kurz, sondern wirklich verschwunden ist?

Sie können antworten.

Danke schön. - Wir sind uns, glaube ich, in dem Punkt, Schnelligkeit erreichen zu wollen, völlig einig. Ich teile Ihre Kritik an dem Programm „Kultur ans Netz“ zum Teil. Ein wesentliches Problem war, dass dieses Programm deutlich zu spät kam. Die Einrichtungen waren bereits über Monate geschlossen, bis wir mit dem Programm in die Puschen kamen. Das war zu spät. Das war auch die Ursache dafür, dass es so gewirkt hat, wie es dann eben nur gewirkt hat.

Die andere Frage, die wir nun behandeln, ist eine Betrachtung ab jetzt. Sie stehen heute da und wollen heute eine Entscheidung: Wie soll denn die Hilfe aussehen? Der eine Blick geht zurück, der andere nach vorn. Dazu sage ich: Wenn wir heute hier einen Antrag liegen hätten, der besagt, wir machen jetzt ein bestimmtes Programm, dann würden wir das nicht vor dem 25. November in die Auszahlung bekommen. Das hat nichts mit bösem Willen zu tun, sondern ist einfach der Logik geschuldet, dass ein gewisser Administrationsbedarf dahintersteht.

Ich bedauere das. Wir haben das damals gesehen. Ich habe das recht eng begleitet im Zusammenhang mit der Frage der Auszahlung der ersten Soforthilfe im März/April, als das losging. Die IB hat alles nach vorn geworfen, und man hatte wirklich den Eindruck, sie stehen dahinter und machen tierisch Druck. Trotzdem hat es gedauert

und für die Einzelnen zum Teil auch zu lange gedauert.

Ich weiß, dass dieses Spannungsverhältnis besteht. Wenn jetzt jemand kommt und sagt, er kann es schneller realisieren als bis zum 25. November, dann ist das schlicht unrealistisch. Für die Zeiträume danach - darin haben Sie wieder recht - müssten wir jetzt tatsächlich in der Planung sein und müssten jetzt sagen: Was machen wir, wenn der Lockdown aufgehoben wird, wir wieder in normale Geschäftsabläufe kommen und solche Dinge wieder an den Start bringen können? Wie genau sieht die Hilfe aus? Das müsste jetzt geplant werden. Das war ein bisschen meine Kritik auch am Bund. Dass eine solche Sache kommen kann, war zumindest eine theoretische Möglichkeit. Aber dann völlig überrascht zu sein, als es so kam, dieses Agieren wirkte auf mich nicht glücklich.

Herr Gebhardt, noch eine kurze Nachfrage. Sie haben 30 Sekunden Zeit.

Kurze Nachfrage: Ich weiß jetzt noch nicht, was mit unserem Antrag heute passieren wird. Ich gehe davon aus, dass er überwiesen und nicht abgelehnt wird. Vorausgesetzt, er wird überwiesen, Herr Meister, stimmen Sie mir zu, was das Thema Schnelligkeit und Tempo betrifft, dass wir spätestens im Dezember dazu eine Beschlussempfehlung fassen und wirklich etwas Konkretes auf den Tisch legen müssten? Denn wenn wir erst im nächsten Jahr darüber reden würden, wäre es vorbei.

Der Antrag soll überwiesen werden. Das war zumindest die Information. Wir wollen das überweisen. Letztlich geht es gar nicht so sehr um den Antrag. Um den geht es auch, aber es geht in erster Linie um die Sache an sich. Letztlich ist - nicht böse sein - nicht ganz so entscheidend, was mit dem Antrag passiert; vielmehr ist entscheidend, dass wir die Hilfe an den Start bringen. Ich denke, darin sind wir uns einig. Das ist eine Sache, die möglicherweise sogar parallel läuft. Ich hoffe, dass bestimmte Dinge die Ausschussbehandlung überholen. Das wäre, glaube ich, auch in Ihrem Interesse.

Herr Bommersbach, ich habe es gesehen, aber Sie waren zu spät. - Noch einmal: Während des Originalbeitrages melden oder ans Mikro gehen, nicht erst, wenn auf Fragen reagiert wird.

Damit sind wir mit diesem Debattenbeitrag auch am Ende.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

- Nein, Herr Bommersbach.

(Frank Bommersbach, CDU: Ich habe mich während des Originalbeitrages gemeldet. Sie haben nur nicht hochgeguckt!)

- Gut.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)