Beitragsstabilität bedeutet nämlich, dass unter anderem Inflationsausgleich und Tarifanpassungen eingepreist werden. Das wurde in den Koalitionsverträgen in drei weiteren Ländern so vereinbart, siehe Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen und Niedersachsen. Alle drei Länder verstehen Beitragsstabilität so, wie es in diesem Lande SPD und GRÜNE tun, und haben dem Staatsvertrag folgerichtig zugestimmt.
Wenn wir den nominell gleichbleibenden Betrag gewollt hätten, dann hätten wir genau das in den Koalitionsvertrag geschrieben.
Dort steht aber eben nicht, der Beitrag soll bei 17,50 € eingefroren werden, sondern darin steht: Beitragsstabilität. Ich hätte mir im Jahr 2016 tatsächlich nicht vorstellen können, dass das Jahre später von der CDU anders interpretiert wird.
Auch wir sehen Reformnotwendigkeiten und haben uns die ganze Zeit über sehr für deren Bearbeitung eingesetzt. Insbesondere meine Kollegin Frederking hat noch bis zur letzten Minute immer wieder unsere Argumente vorgetragen, immer wieder telefoniert und unsere Ideen ausgebreitet. Ich will folgende Stichworte nennen: Anzahl der Sparten, Größe von Sendeanstalten, Sendekanäle und Doppelstrukturen. Aber man muss in der Debatte auch ehrlich sein. Wenn man diese Reformnotwendigkeiten ernsthaft sieht, muss man diese nicht nur krittelnd benennen, sondern an die Stellen heran, an denen auch
wirklich etwas geändert werden kann. Das ist eben nicht der hier in Rede stehende Staatsvertrag zu den Rundfunkgebühren, sondern das ist ein anderer Staatsvertrag, der den Auftrag und den Inhalt der Sendeanstalten beschreibt.
Es ist mehr als unredlich, den Sendeanstalten vorzuwerfen, jetzt Geld für die Auftragsbearbeitung einzufordern, nachdem wir selber ihnen den Auftrag dazu erteilt haben.
Erst im September haben wir hier in diesem Hohen Hause dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland zugestimmt, ohne Debatte. Im Medienbereich gilt, was in anderen allen anderen Lebensbereichen auch gilt: Was man bestellt, muss man auch bezahlen.
Fachpolitikerinnen im Medienbereich sollte bekannt sein, dass die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, inzwischen als MPK bekannt, im Juni 2020 beschlossen hat - ich zitiere -:
„Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die Rundfunkkommission, spätestens bis zu ihrer Konferenz im Sommer 2022 einen Reformvorschlag vorzulegen. Hierfür sind nach Bedarf die KEF, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie externe Sachverständige einzubeziehen.“
Grüne Vorschläge sind bekannt. Die CDU hat die Latte für Änderungen sehr hoch gehängt. Ich bin gespannt.
Was noch zur Ehrlichkeit bzw. zur Unehrlichkeit in der Debatte gehört - das hatte der Kollege Gebhardt eingebracht und auch deswegen will ich noch einmal darauf eingehen -, ist die Frage der zu hohen Intendantengehälter. Das war ein wesentlicher Punkt in der Argumentation der Kollegen der CDU.
Ja, auch ich finde, diese Intendantengehälter sind zu hoch. Aber, Herr Bommersbach, dann müssen Sie sich einmal mit Ihren Leuten auseinandersetzen. Wir verhandeln ja parallel über den MDRStaatsvertrag. Dabei haben alle drei beteiligten grünen Landtagsfraktionen - in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt - in Einigkeit den Vorschlag gemacht, in diesem Staatsvertrag die Intendantengehälter zu deckeln. Raten Sie einmal, wer das abgelehnt hat? - Das wird Sie sehr traurig machen; das war nämlich die CDU-Seite.
Der interne Machtkampf in der CDU ist offen ausgebrochen und hat nicht nur der CDU in SachsenAnhalt, sondern der CDU bundesweit Schaden zugefügt. Dem Land ist Schaden entstanden, mindestens im Image.
Wir stehen bundesweit isoliert da, nachdem alle anderen 15 Bundesländer einen gemeinsam ausgehandelten Vertrag unterschrieben und ratifiziert haben, wie es eben der allgemeine Weg ist.
Man mag es komisch finden, dass die Parlamente bei Staatsverträgen lediglich eine Notarfunktion wahrnehmen - auch ich finde das überdenkenswert -, aber dann muss man das Verfahren ändern,
Der Ministerpräsident hat den Vertrag unterschrieben, obwohl er wusste, dass es im Landtag keine Mehrheit gibt, obwohl er wusste, dass ihm die eigene Fraktion nicht folgen würde. Ich weiß nicht, worin genau die Hoffnung bestand, aber mit der Unterschrift wurde ein Zug aufs Gleis gesetzt, der von 15 Ländern angeschoben wurde. Nur die CDU in Sachsen-Anhalt hat sich wie ein trotziges Kind auf das Gleis gesetzt, und zwar vor den Zug.
Das wird uns noch lange nachhängen. Das Scheitern des Staatsvertrages hat direkte Auswirkungen auf die Sendeanstalten, insbesondere auf den MDR. Dieser steckt mitten in einem Reformprozess; insbesondere die Digitalisierung und Barrierefreiheit müssen gemeistert werden.
In den vier Jahren rund 165 Millionen € einsparen zu müssen - das entspricht im Gegenwert dem Betrieb des Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt -, ist verheerend. Der MDR als mitteldeutsches Medienhaus ist schon jetzt schlank und sparsam aufgestellt. Wenn die Beitragserhöhung nicht kommt, wird gerade der MDR mit seiner regionalen Verankerung und Berichterstattung über Ostdeutschland überproportional hart betroffen sein. Eine starke und vielfältige Stimme des Ostens wird leiser; der MDR wird beschädigt. Ich halte das für katastrophal.
Es hat aber auch verheerende Auswirkungen auf dem Medienstandort Sachsen-Anhalt und das Kulturcluster rund um Halle. In den vergangenen zehn Jahren wurde eine kleine, aber vitale und
prägende Filmproduktionslandschaft geschaffen. Es ist kaum abzusehen, welche Folgen sich für diese ergeben werden. Viele Aufträge werden wegfallen. Die Landesmedienanstalt wird den Gürtel enger schnallen müssen.
Dieses Manöver der CDU lenkt von der eigentlichen Aufgabe der Politik ab, nämlich substanzielle Reformen bei Auftrag und Struktur der öffentlich-rechtlichen Anstalten auf den Weg zu bringen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nach dem Zweiten Weltkrieg mit Bedacht in seiner jetzigen unabhängigen Struktur und Finanzierung gegründet worden. Nach dem Vorbild der BBC soll er faktenbasierten, unabhängigen Journalismus garantieren. In keiner Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg brauchen wir diesen faktenbasierten, unabhängigen Journalismus so nötig wie heute, in Zeiten von Fake News und Coronaleugnern.
Ich kann nur hoffen, dass auch in diesem Fall unabhängige Gerichte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schützen werden. Eilanträge, Klagen, Verfassungsbeschwerden sind auf dem Weg.
Das Programm scheint auch nicht am Publikum vorbeizugehen. Am 7. November haben 15,4 Millionen die „Tagesschau“ eingeschaltet; das entspricht einem Marktanteil von 45,5 %. Etliche blieben dabei; 6,1 Millionen Zuschauer haben danach den Samstagsfilm „Die Diplomatin“ gesehen; das entspricht einem Marktanteil von 18,6 %.
Interessant ist auch, dass sich die Menschen gerade bei den Öffentlich-rechtlichen über die Wahlniederlage des US-amerikanischen Präsidenten informiert haben, der unabhängige Medien ständig als Fake-News-Betreiber diskreditierte.
Ich kann nur hoffen, dass einige in der CDU endlich aufwachen und sehen, dass das Bedienen der Narrative der Rechten immer nur den Rechten hilft.
Kurzsichtigkeit und Eigeninteresse bringen die Demokratie ins Wanken. Das werden wir GRÜNE nicht zulassen.
Die Gerichte werden die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunk schützen. Wir schützen die Demokratie und werden weiterhin der Stabilitätsanker der Kenia-Koalition sein und der Stachel im Fleisch all derer, die sich etwas anderes in diesem Lande wünschen.
Frau Lüddemann, ich habe eine Wortmeldung von Herrn Siegmund gesehen. Möchten Sie die Frage beantworten?