Protokoll der Sitzung vom 15.12.2020

Ich will aus meinen Fragen, die ich mir auch alle selbst beantworten könnte,

(Zuruf)

eine Intervention machen. - Herr Büttner, erstens schafft man Straßenausbaubeiträge nicht

(Zuruf)

durch Aufträge und Konzeptionen ab, sondern durch einen Gesetzentwurf. Sie haben im Unterschied zur Fraktion DIE LINKE einen Gesetzentwurf bis heute nicht vorgelegt.

(Zuruf)

Sie haben viel über Straßenausbaubeiträge bramabasiert, aber Sie haben nicht auch nur ansatzweise einen Gesetzentwurf ins Plenum eingebracht.

(Zuruf: Sie wollten doch gar nicht abschaf- fen! Da braucht es doch keinen Gesetzent- wurf!)

Zweitens. Sie haben in einem Gesetzgebungsverfahren einen Antrag gestellt. Das ist vielleicht auch für die Volksinitiative interessant. Sie haben beantragt, aus der Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für die Zukunft eine Kannregelung zu machen.

(Zuruf: Oh!)

Das haben wir abgelehnt, weil wir das als völlig unbrauchbare Vorgehensweise angesehen haben.

Drittens. Niemand sollte seine Meinung in irgendeiner Weise für die Ewigkeit überhöhen. Wenn Sie mich vor zehn Jahren gefragt hätten, ob es eine gute Idee ist, Straßenausbaubeiträge abzuschaf

fen, hätte ich gesagt: Nein. Ich unterstelle aber einmal, wenn man Sie in der Gründungsphase der AfD gefragt hätte:

Herr Erben, kommen Sie zum Schluss.

Welche Meinung haben Sie zu Straßenausbaubeiträgen? - Ich habe Ihre Dokumente und Wahlprogramme studiert, das Ganze taucht darin überhaupt nicht auf.

(Zuruf)

Sie haben sich nicht mal Gedanken darüber gemacht und wollen sich hier heute als Erfinder der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hinstellen.

(Beifall - Zurufe)

Herr Knöchel, jetzt haben Sie das Wort für eine Kurzintervention.

Vielen Dank, Herr Präsident. - In Fortsetzung dessen, was Herr Erben ausführte, möchte ich doch nach dem Geschrei von Herrn Büttner meine Verwunderung zum Ausdruck bringen; denn das Geschrei, was ich jetzt gehört habe, passt so gar nicht zu dem Verhalten der AfD-Fraktion in den Ausschüssen, wo diese Gesetzentwürfe beraten worden sind, denn dort war meistens nichts zu hören, nichts von ihrem edlen Anliegen, nichts zur Sache. Trotz allem Geschrei von Herrn Büttner möchte ich feststellen, dass die AfD-Fraktion die einzige Fraktion ist, die zum Thema Straßenausbaubeiträge nichts in Form eines Gesetzentwurfes beigetragen hat.

(Beifall)

Wir fahren in der Debatte fort. Für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht Herr Meister. Herr Meister, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Heute kommt nach mehreren Jahren eine Politinitiative zum Abschluss. Es begann mit der immer stärker werdenden Kritik aus der Bürgerschaft an der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und endet nun mit der landesweiten Abschaffung ebendieser Beiträge. Es zeigt, wie es in einer Demokratie funktioniert, wie sich eine Gruppe Betroffener organisiert und Gehör verschafft,

wie die befangenen Kräfte überwunden werden und letztlich im Parlament eine Regierungskoalition das Problem anerkennt, es zu lösen versucht und es letztlich zu einer Lösung kommt. Das ist alles nicht leicht. Das ist ein Prozess des Abwägens und des Aushandelns der verschiedenen Interessen und Positionen mit dem Ziel, einen Ausgleich herbeizuführen.

Nun ist allerdings nicht ungewöhnlich, dass man als Steuer- oder Beitragspflichtiger einen gewissen Unwillen empfindet und den gegebenenfalls dann auch artikuliert. Daraus erwächst üblicherweise keine Bewegung zur Abschaffung zum Beispiel der Einkommensteuer, da alle wissen, dass es zur Aufrechterhaltung des Gemeinwesens der Steuererhebung bedarf und eine Ahndung, so unangenehm sie im Einzelfall ist, in ihrem Kern gesellschaftlich akzeptiert wird. Das eben war bei den Straßenausbaubeiträgen inzwischen anders. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist über die Jahrzehnte verloren gegangen; dazu führten mehrere spezifische Umstände.

Die ursprüngliche Idee, dass den Beiträgen ein spürbarer Vorteil, ein Wertzuwachs des betroffenen Grundstücks gegenüberstand, mag Anfang des 20. Jahrhunderts gegolten haben; aktuell war dieser Vorteil nicht zu spüren. Die Beiträge selbst waren erheblich und wurden zum Teil als existenzbedrohende Größe empfunden. Trotzdem nahmen sie nicht auf die jeweilige Vermögenssituation Einfluss und waren in der Entstehung für die Einzelnen nicht beeinflussbar.

Die Frage an die Politik war daher letztlich, ob die nötigen Kosten für die Aufgabe des Straßenausbaus - das ist unstrittig - wirklich auf diese schwierige, nicht akzeptierte Art erfolgen muss oder ob es anders, einfacher und gerechter geht, dies auch vor dem Hintergrund, dass der Aufwand der Erhebung mit der komplizierten Berechnung in einem ungünstigen Verhältnis zum tatsächlichen Ertrag steht.

Aus Halle wurde immer mal kolportiert, dass die Aufwendungen höher seien als die Einnahmen. Das war die Halle‘sche Position. Die Antwort war letztlich: Die komplizierte streitfällige Erhebung ist verzichtbar. Wir können die Kosten über die normalen Steuern miterheben. Sie werden dann solidarisch von allen getragen.

Allerdings wird als Kehrseite der Medaille für alle eine etwas höhere Steuerlast die Folge sein. Eine entsprechend geringere staatliche Leistungsfähigkeit macht pro Person in Sachsen-Anhalt dann etwa 7 € pro Jahr aus. Wir sollten es trotzdem tun, da wir damit extreme Sonderlasten Einzelner vermeiden und eine gesellschaftlich akzeptierte Form der Finanzierung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erreichen.

Die Kenia-Koalition hat, um es nett zu formulieren, lange die Vor- und Nachteile abgewogen. Die Beiträge werden nun rückwirkend zum 1. Januar 2020 aufgehoben. Für Zeiträume davor steht es im Ermessen der Kommunen, bereits erhobene Beträge zurückzuerstatten. Den Kommunen werden die entfallenden Beträge per Schlussabrechnung erstattet.

Für die Zukunft ist die Zahlung einer Pauschale vorgesehen. Sie ist aktuell mit 15 Millionen € veranschlagt und liegt damit über den bisher tatsächlich erhobenen Werten. Ich weiß, dass die 15 Millionen € ein immer gern diskutierter Wert sind. Aber ich weiß, weil wir die alten Werte hatten, es ist nicht sinnvoll, einen anderen Wert zur Grundlage zu machen. Den hätten wir uns schlicht ausdenken müssen. Wir haben uns an dem, was bisher erhoben wurde, orientiert und haben da etwas draufgelegt.

Offen ist zuletzt noch der Verteilschlüssel. Dazu hatten wir hier letztens eine Debatte geführt. Dazu gab es einen Gesetzentwurf. Straßenlänge, Flächeneinbau, das waren die Punkte, die zur Diskussion standen, über die wir auch intensiv diskutiert haben. Die Frage war, ob es hierfür eine gerechte Lösung gibt. Die Aufteilung soll tatsächlich so sein, wie die Aufgaben tatsächlich anfallen. Wir haben uns dann auf eine GRÜNEN-Initiative hin letztlich auf die Siedlungsfläche verständigt. Ob das auf Dauer trägt, muss man in der Tat noch sehen; der Minister führte es aus. Deswegen ja auch die Evaluierung. Trotzdem sind wir da ganz guter Dinge, weil diese Fläche ein sehr guter Ansatz dafür ist, was die tatsächlichen Aufgaben beim Straßenausbau sind.

Der ländliche Raum hat da gegenüber den Großstädten ein bisschen die Nase vorn. Ich meine, das ist tatsächlich angemessen, weil da die Aufgaben stärker im ländlichen Raum liegen, als es in den Großstädten der Fall ist. Wir sind damit in der Lage, jeder Kommune schon heute auf den Cent genau den auf sie entfallenden Pauschalbetrag zu benennen. Das schafft Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

Sie haben dazu heute einen Entschließungsantrag vor sich liegen. Die AfD hat ihn eben schon angesprochen: Da waren letztlich zwei Dinge in der Debatte, die noch zu diskutieren waren, nämlich einmal: Sind die Kommunen in der Lage, auch überjährig zu finanzieren, also Kredite aufzunehmen, um eine Maßnahme damit auf den Weg zu bringen? - Ich meine, das ist ohnehin so. Daran gab es Zweifel.

Zum Entschließungsantrag gab es noch die Frage, ob die im Gesetz gegebene hohe Freiheit für die Kommunen, mit den Geldern umzugehen, tatsächlich angemessen ist oder ob man das anders machen soll. Wir sind bei dem bisherigen

Gesetzentwurf geblieben. Das hat im Entschließungsantrag keinen Niederschlag gefunden.

Lassen Sie uns heute einen Schlussstrich unter die Initiative ziehen. Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf und zu dem Entschließungsantrag der Koalition. - Danke schön.

(Beifall)

Fragen sehe ich keine. Dann danke ich Herrn Meister für den Redebeitrag. - Für die CDU spricht der Abg. Herr Krull. Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Geschätzte Vertreter der Volksinitiative „Faire Straße“! Meine Vorredner haben es deutlich gemacht: Mit dem heutigen Beschlussentwurf zum Gesetzentwurf von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen wir einen hoffentlich vorläufigen Schlusspunkt hinter eine sehr lange Debatte zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in unserem Bundesland.

Bereits bei der Einbringung der Drucksache habe ich deutlich gemacht, dass es bei uns in der CDULandtagsfraktion einen sehr umfänglichen Meinungsbildungsprozess zu diesem Thema gab, nicht weil wir gegen eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sind oder waren. Es ging darum, dass es leicht ist, eine solche Abschaffung zu fordern, aber deutlich schwerer, das rechtlich sicher, fair und finanziell nachhaltig umzusetzen. So war es uns besonders wichtig, dass die Abschaffung auf der einen Seite nicht durch Steuererhöhungen, zum Beispiel durch eine Anhebung der Grunderwerbsteuer, auf der anderen Seite wieder zu neuen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger führt; das haben wir erreicht.

Natürlich waren die Bürgerinnen und Bürger, die unmittelbar von der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen betroffen sind, für eine Abschaffung. Es gab aber auch andere Meldungen. Auch auf kommunaler Ebene gab es ganz unterschiedliche Auffassungen.

Nach zwischenzeitlich anderen Signalen haben die kommunalen Spitzenverbände, also Landkreistag Sachsen-Anhalt und der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt, in ihren Stellungnahmen zum Gesetzentwurf deutlich gemacht, dass sie sich gegen die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aussprechen; das haben sie vor allem mit den fehlenden Einnahmen begründet.

(Beifall)

Die Eckpunkte des Gesetzentwurfes noch einmal in Kürze: Abschaffung der Straßenausbaubeiträge - einmalig, wiederkehrend - rückwirkend zum 1. Januar 2020. Für Straßenausbaubeiträge, die erhoben werden können, aber noch nicht beschieden worden sind, gibt es eine befristete Kannbestimmung für die Gemeinden, ob sie die Beiträge erheben oder nicht. Dabei ist die Festsetzungsverjährung von vier Jahren zu beachten.

Anfänglich erfolgt eine Spitzabrechnung der entgangenen Straßenausbaubeiträge vonseiten der Kommunen gegenüber dem Land SachsenAnhalt. Ab 2022 wird im Rahmen eines eigenen Leistungsgesetzes den Kommunen in Form von Pauschalen die Summe von insgesamt 15 Millionen € ausgereicht. Dabei haben wir diese Summe nicht aus der Luft gegriffen, sondern sie basiert auf den durchschnittlichen Einnahmen der Gemeinden aus den Straßenausbaubeiträgen der vergangenen Jahre. Die Pauschalen dienen also dem Ausgleich fehlender Einnahmen aufgrund des Wegfalls der Straßenausbaubeiträge und dienen im Bedarfsfall auch dazu, die Tilgung bei entsprechenden Kreditaufnahmen zu finanzieren.

Wir haben heute noch einen Entschließungsantrag vorgelegt mit dem klaren Ziel, deutlich zu machen, welche Bedeutung wir dem zumessen, dass der kommunale Straßenbau zukünftig weiterhin stattfinden kann, und wie wir diesen sichern wollen.

Bezüglich der in der Ursprungsfassung vorgesehenen Kriterien zur Verteilung dieser Pauschalen hatten wir bei der Einbringung Änderungsbedarf vonseiten meiner Fraktion signalisiert. Gemeinsam mit den Koalitionspartnern haben wir uns auf den Verteilungsfaktor „Siedlungsfläche“ geeinigt; das ist sicherlich eine gute Lösung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin bereits kurz darauf eingegangen, dass die kommunalen Spitzenverbände deutliche Kritik am Gesetzentwurf formuliert hatten. Insbesondere ging es dabei um den Betrag von 15 Millionen € für den Wegfall der Beiträge.

Dabei wurde auch ein Gutachten des Deutschen Instituts für Urbanistik, kurz Difu, eingeführt. Dieses wurde erst vor Kurzem veröffentlicht. Demnach gibt es einen Investitionsstau von 3,5 Milliarden € und Unterhaltungsrückstände von 500 Millionen €. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, sind gewaltige Summen. Eine solche Summe ist nicht allein mit einem solchen Gesetz, was wir heute hier behandeln, zu stemmen.

Als CDU-Landtagsfraktion haben wir den Investitionsstau in den Kommunen aber erkannt und haben gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern