Protokoll der Sitzung vom 28.10.2016

Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die heutige 12. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der siebenten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie, werte Anwesende, auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bevor ich in die Tagesordnung der heutigen Sitzung einsteige, möchte ich gern noch ein paar Worte im Vorfeld sagen.

Wir schreiben heute, am zweiten Tag unserer aktuellen Sitzungsperiode, den 28. Oktober 2016. Ich möchte diesen Tag und dieses Datum zum Anlass nehmen, um an den 28. Oktober 1990 zu erinnern. Vielleicht in dieser Stunde vor 26 Jahren brachen die am 14. Oktober 1990 in den ersten Landtag von Sachsen-Anhalt gewählten Abgeordneten nach Dessau auf, um in der ehemaligen NVA-Kaserne und heutigen Bundeswehrkaserne zur konstituierenden Sitzung zusammenzutreten.

Unser Zeitzeugen-Programm, in dem wir die Erinnerungen der 105 Frauen und Männer der ersten parlamentarischen Stunde aufgearbeitet haben, lässt vieles vom Zeitgeist dieser Tage des Neuanfangs wieder wach werden. In unserer Mitte sind eine Kollegin und ein Kollege, die noch heute im Landtag sitzen: Das sind unsere Kollegin Katrin Budde und unser Kollege Detlef Gürth.

(Beifall im ganzen Hause)

Weiterhin sind heute in diesem Hohen Hause noch zwei weitere Personen anwesend, die zwar nicht mehr Mitglied des Landtages sind, aber in der ersten Stunde ebenfalls dabei waren. Das sind Ulrich Seidel - er sitzt dort oben auf der Tribüne -

(Beifall im ganzen Hause)

und Minister Thomas Webel.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie haben die Geburtsstunde vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert miterlebt.

Schaut man sich das Plenarprotokoll über diese Sitzung an, so fällt vieles auf. Da ist zunächst die beeindruckende Rede des Alterspräsidenten, des Liberalen Heinz Hildebrandt, der dem Landtag stolz in seiner Försteruniform vorsaß, die er seit seinem in der DDR erlittenen Berufsverbot nicht mehr hat tragen dürfen. In dem Satz des Alterspräsidenten - ich zitiere -: „Dass ich die heutige Landtagssitzung eröffne, ist für mich die Bestätigung meines Lebens“, bündelt sich so viel Bio

grafisches mit Geschichtlichem, wie es wohl nur solche historischen Momente mit sich bringen.

Da ist weiter die Suche nach dem angemessenen parlamentarischen Stil und nach dem unvermeidbaren Umgang mit dem Erbe der DDR, selbst hier im Landtag.

Und da ist der sofortige Eintritt in knallharte politische Entscheidungen, insbesondere über die bis dahin offene Hauptstadtfrage. Dass Magdeburg Landeshauptstadt des Landes Sachsen-Anhalt ist, ist heute vor 26 Jahren in Dessau in der bis zum heutigen Tag einzigen geheim abgestimmten Sachentscheidung festgelegt worden. Der Weg hierher zum Domplatz in Magdeburg führte auch über den Sitzungssaal in der Philipp-Becker-Kaserne in Dessau.

Ich möchte all jenen Frauen und Männern, die heute nicht im Landtag anwesend sind, danken, die diesen Start vor 26 Jahren gestaltet und sich um unser Land Sachsen-Anhalt verdient gemacht haben. Ich denke, das ist einen ganz starken Applaus wert.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich bekomme gerade von meinem Schriftführer den Hinweis, ich hätte Detlef Gürth nicht erwähnt. - Detlef, ich habe dich genannt.

(Frank Scheurell, CDU: Das hat sie ge- macht! - Zurufe: Ja! - Doch!)

- Ich dachte es mir so. Also, mein lieber Schriftführer, bitte die Ohren waschen.

(Heiterkeit)

Ich frage mich: Wer von uns beiden ist älter?

(Heiterkeit - Schriftführer Guido Heuer: Na, na!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen nun wieder in die Realität zurück. Wir setzen nunmehr die 7. Sitzungsperiode fort und beginnen die heutige Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 15 - Aktuelle Debatte. Danach folgt der Tagesordnungspunkt 10.

Ich erinnere daran, dass sich für heute Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff sowie Herr Staats- und Kulturminister Robra ganztägig entschuldigt haben.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 15

Aktuelle Debatte

Hierzu liegen drei Themen vor. Ich rufe das erste Thema auf:

Zukunft der Hochschulmedizin - ärztliche Ausbildung und medizinische Versorgung auf höchstem Niveau sicherstellen

Antrag Fraktion SPD - Drs. 7/486

Hierzu sprechen die Fraktionen in der folgenden Reihenfolge: SPD, AfD, GRÜNE, CDU und DIE LINKE. Zunächst hat für die Antragstellerin, die SPD-Fraktion, Frau Dr. Pähle das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Krankheit zum Leben gehört, hat jeder von uns früh gelernt. Jeder geht damit anders um, wenn es ihn oder seine Angehörigen trifft. Aber über eines sind wir uns sicherlich alle einig: Wenn es ernst wird, wenn wir erkranken oder einen Unfall haben, dann wollen wir uns in sicheren Händen wissen, dann wollen wir sicher sein, dass der Arzt, der mich unters Messer nimmt, der meine Knochen richtet oder mir ein Medikament verschreibt, weiß, was zu tun ist. Dann wollen wir wissen, die Ärztin, die mich anästhesiert, hat die beste Ausbildung bekommen, die möglich war. Dann wollen wir auch den beruhigenden Gedanken im Hinterkopf haben, wenn mir mein Hausarzt oder mein Kreiskrankenhaus nicht weiterhelfen kann, dann gibt es in greifbarer Nähe Spezialistinnen und Spezialisten, die sich um die passende Behandlung kümmern.

Das heißt nichts anderes als: Unser aller Gesundheit hängt im deutschen System der Gesundheitsversorgung von funktionierenden Universitätskliniken ab - mittelbar in der alltäglichen medizinischen Versorgung, weil es die Universitätskliniken sind, deren Ausbildung über die Qualität der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und der Krankenhäuser entscheidet, und unmittelbar, wenn es um die Behandlung schwieriger Fälle und der Opfer schwerer Unfälle geht, weil die Universitätskliniken den gesetzlichen Auftrag der sogenannten Maximalversorgung haben. Nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung der Unikliniken für die Ambulanzversorgung stehen sie immer im Zentrum unseres Gesundheitssystems. Damit sind sie als Schnittstellen von Wissenschafts- und Gesundheitssystem immer immanent.

Meine Damen und Herren! Gestern haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Universitätsklinika in beeindruckender Anzahl vor dem Landtag demonstriert und auf die Situation ihrer Einrichtungen aufmerksam gemacht - wieder einmal. Wir reden jedoch keineswegs über ein Spezialproblem von Hochschulprofessuren oder Studierenden, sondern über die medizinische Grund- und Spitzenversorgung für die gesamte Bevölkerung.

Jeder weiß, dass es diese nicht zum Nulltarif geben kann. Aber nicht jeder weiß, welches grundsätzliche Problem das System der Finanzierung der Hochschulmedizin aufweist. Die Bedeutung medizinischer Spitzenversorgung wird in der Öffentlichkeit häufig nur über Spitzenleistungen wahrgenommen. Der finanzielle Bedarf von Universitätskliniken wird deshalb auch meist verbunden mit Investitionen in spektakuläre Großgeräte und Einrichtungen, wie etwa das künftige neue Herzzentrum in Magdeburg.

Es gibt aber auch andere Seiten der Ausstattung von Universitätskliniken, sozusagen das Brot-undButter-Geschäft, ohne das eben auch die Hochschulmedizin nicht auskommen kann. Hier zeigt die Hochschulmedizin ein anderes Gesicht als beim Vorzeigen innovativer, neuer Großgeräte. Das ist ein Gesicht, das von den Spuren des Investitionsstaus der letzten Jahre gezeichnet ist.

Dieses Gesicht zeigt sich, wenn in der Notfallmedizin Geräte eingesetzt werden müssen, die aufgrund von Verschleiß jederzeit ausfallen könnten. Es zeigt sich, wenn in der medizinischen Ausbildung Studierende an Geräten lernen müssen, die nicht mehr dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Medizintechnik entsprechen. Es zeigt sich, wenn Patientinnen und Patienten in der Hautklinik der Universität Magdeburg zwar auf Spitzenleistungen bei der medizinischen Behandlung vertrauen können, aber mit Schimmelbildung am Klinikeingang, mit Etagenduschen und mit Behandlungsräumen auskommen müssen, in denen keine Privatsphäre gewahrt werden kann, oder wenn im Bettenhaus II in Halle die medizinisch erforderliche Separierung von Patienten nicht möglich ist und schwierige hygienische Zustände herrschen.

Ich will hier keine Schwarzmalerei betreiben, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. Wir reden von Problemen, nicht von Katastrophen. Aber wir reden von Problemen, die sich zu substanziellen Risiken auswachsen können und werden, wenn wir sie nicht anpacken. Das sind Risiken für die Qualität unseres - unser aller - Gesundheitssystems, auf das wir doch grundsätzlich alle stolz sein können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Woher kommt es eigentlich, dass Hochschulmedizin so unpopulär ist? Warum müssen sich Landtag und Landesregierung gerade mit diesem Teilaspekt von Gesundheitsversorgung so häufig und so intensiv herumschlagen? - Das liegt zum einen natürlich daran, dass die universitäre Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte von morgen Ländersache ist und damit die Unikliniken in ihrer Funktion als Ausbildungsstätte Sache des Landes sind.

Es liegt aber auch daran, dass die Unikliniken in ihrer anderen Funktion als medizinische Versor

gungseinrichtung nicht in vollem Umfang die Refinanzierungsinstrumente haben, die der Staat und die medizinische Selbstverwaltung anderen Einrichtungen, insbesondere anderen Krankenhäusern, zur Verfügung stellen.

Daher kommt es, dass die Unikliniken hier oft Thema sind, weil wir in doppelter Hinsicht Verantwortung für sie tragen. Wir müssen über zwei Wege sprechen, mit denen wir die Situation der Universitätskliniken verbessern können. Der eine Weg ist eine verantwortliche Planung der Förderung von Investitionen in unserem eigenen Landeshaushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung.

Da bin ich wirklich sehr froh, dass sich bei dem Gespräch, das das Wissenschaftsministerium, das Finanzministerium und die beiden betroffenen Hochschulen am Montag geführt haben, bereits eine deutliche Annäherung und Verbesserung für die Lage der Hochschulmedizin ergeben hat: Sicherheit für den Bau des Herzzentrums in Magdeburg, Sicherheit für den Ersatzneubau des Bettenhauses II in Halle,

(Zustimmung bei der SPD)

Aufstockung der Mittel für Ersatzinvestitionen auf rund 4,2 Millionen € pro Standort und Jahr. Ich finde, Minister Jörg Felgner setzt wirklich die richtigen Schwerpunkte und zeigt für unsere Haushaltsberatungen im Parlament konstruktive Lösungsansätze auf. Dafür bin ich sehr dankbar.

(Zustimmung bei der SPD)

Der andere Weg ist eine strukturelle Verbesserung der Refinanzierungsmöglichkeiten für die Hochschulmedizin und eine perspektivische Neujustierung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Denn die strukturellen Probleme der Finanzierung sind die Probleme aller Bundesländer. Heute vor drei Wochen haben wir uns im Kreis der zuständigen Fachpolitiker der SPDFraktionen in Bund und Ländern bei einem bundesweiten Treffen in der Uniklinik Magdeburg auf einen Strukturvorschlag verständigt. Denn es besteht Handlungsbedarf.

Die Umsetzung des zum Anfang des Jahres in Kraft getretenen Krankenhausstrukturgesetzes

scheitert bislang in den für die Hochschulmedizin relevanten Teilen, weil sich die Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitssystems, an denen die Unikliniken nur mittelbar beteiligt sind, nicht verständigen können. Wir brauchen deshalb gesetzliche Nachbesserungen, so wie es der Bundesrat schon im Juli gefordert hat. Wir brauchen insbesondere einen Systemzuschlag für die Unikliniken in ihrer Funktion als Maximalversorger.

Dasselbe gilt für die Hochschulambulanzen. Diese sind zwar seit 2015 als Träger der ambulanten Versorgung anerkannt, eine Regelung zur Ver