Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

„Kenia“ will gestalten - der Haushaltsplanentwurf will dies umsetzen. Das Wort vom Gestaltungshaushalt macht die Runde. Tatsächlich gab es in jüngerer Vergangenheit keinen Haushaltsplan, der derart ambitioniert gewesen wäre und den Anspruch erheben konnte, so gestaltend einzugreifen.

Im kommenden Jahr stehen wir bei einem Umfang von 11,2 Milliarden € und im nächsten Jahr dann bei 11,3 Milliarden €. Damit reißt der Haushaltsplan erstmals die 11-Milliarden-Marke. Finanzpolitisch geht der Haushalt dabei in den Grenzbereich des Leistbaren. Ich komme noch zu den im Entwurf auch enthaltenen Risiken.

Wieso setzen wir nicht das eiserne Spardiktat der vergangenen Jahre fort? - Wir haben das Problem, dass das für die nötigen Anpassungen nötige Augenmaß in den vergangenen Jahren fehlte. Es war nicht gut, die Ausgaben für den kommunalen Bereich kontinuierlich zu senken. Wir haben dazu bereits gestern debattiert.

So konnte man als Land natürlich Super-Haushaltszahlen hinlegen, aber nur auf Kosten massenhaft nicht ausgeglichener kommunaler Haushalte und dort steigender Kassenkredite. Das war Augenwischerei.

Ich kann bei Lehrern und Polizisten sparen, bis es quietscht, darf mich aber dann nicht wundern, wenn Unterricht ausfällt und die Polizei nicht kommt, wenn man sie braucht und die Menschen nach der Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens fragen. Die verschiedenen Fehlsteuerungen kulminieren nun und bringen uns in Bedrängnis. Wir müssen den Reformstau auflösen und die Probleme abstellen, zugleich aber auch unsere finanzielle Leistungsfähigkeit im Blick behalten.

Das bringt durchaus erhebliche Probleme mit sich. Die Opposition hat versucht, darauf einzugehen.

Ich fange mit der AfD an. Es ist schön, erst einmal den Vorbericht durchzuarbeiten, aber der Haushaltsplanentwurf ist deutlich länger. Wenn man dann Punkte herausgreift - ich habe mir einen notiert - wie den mit der Polizei, wo man uns nachweisen will, dass wir lügen - erst ein Anstieg von 418 Millionen € auf 438 Millionen € und dann ein Absinken auf 432 Millionen € -, dann müsste man jetzt im Einzelplan nachschauen, wieso das

um diesen kleinen Betrag absinkt. Wenn man dann sieht, dass in dem einen Jahr ein Polizeihubschrauber angeschafft wird, in dem anderen Jahr aber nicht, dann wird deutlich, was dort passiert ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist dann Populismus.

Zwei Zeilen darunter gibt es einen Strich, wo das zusammengerechnet wird. Es heißt dann: öffentliche Ordnung und Sicherheit. Da haben Sie Zahlen von 545 Millionen €, 571 Millionen €, 583 Millionen €. Das ist ein sauberer Anstieg. Das ist natürlich eine ungünstige Zahl, deswegen erwähnen Sie sie hier nicht. Das wäre aber die spannendere Zahl, weil sie das zusammenfasst.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Es ist einfach Populismus, sich eine Zahl herauszusuchen und diese dann zu nehmen, weil sie scheinbar gerade passt, die Umstände herum aber nicht zu erwähnen.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Ich könnte jetzt noch etwas zu der unbegrenzten Massenzuwanderung sagen. Ich habe verstanden, dass Sie aus der Europäischen Union austreten wollen. Dass Sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten wollen, das wäre mir neu.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Da gibt es auch welche!)

Wir haben natürlich gesetzliche Regelungen einzuhalten und das tun wir.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Wir sind inhaltlich natürlich völlig auseinander, was die Dinge insgesamt angeht. Aber auch Sie müssen natürlich, wenn Sie Haushaltspolitik machen, berücksichtigen, welche Verpflichtungen das Land hat. Und diese müssen Sie umsetzen. Wenn Sie etwas anderes erzählen, ist das so nicht real.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur LINKEN, der anderen Oppositionspartei. Das war heute doch auch sehr viel „Schneller! Höher! Weiter!“, muss ich sagen. Mir ist nicht klar geworden, wie ihr die vielen Dinge, die Problempunkte, die angesprochen wurden, die zu einem erheblichen Teil auch berechtigt sind, angehen wollt.

Ich habe sogar verblüfft zur Kenntnis genommen, dass die globale Minderausgabe angegriffen wird. Ja, ja. Wir haben das immer kritisch gesehen; ihr wart immer die Freunde der globalen Minderausgabe. Nun macht es die Regierung, doch jetzt ist es nicht recht. Das fand ich sehr merkwürdig.

(Minister André Schröder: Hört, hört!)

Ich möchte auf die Details eingehen, und zwar auch auf die kritischen Details. Um die politisch vereinbarten Dinge umzusetzen, enthält der Haushaltsplanentwurf auf der Ausgabenseite

Maßnahmen und Probleme, die bei den Haushältern doch zu der einen oder anderen schmerzverzerrten Miene geführt haben und führen werden.

Zu nennen wäre die Ausbringung der globalen Minderausgabe, ein unter Haushältern nicht eben beliebter Schritt. Wir gehen beim Haushaltsansatz davon aus, dass ein bestimmter Teil der angesetzten Mittel nicht abfließen wird: 160 Millionen € in diesem Jahr und 100 Millionen € im Jahr 2018 allgemein und dann weitere 69 Millionen € im Personalbereich.

Erfahrungsgemäß gibt es diesen Bodensatz tatsächlich. Umso höher man ihn ansetzt, umso kritischer wird es allerdings. Unsere ursprüngliche Idee von bündnisgrüner Seite ging schon in Oppositionszeiten dahin, diesen Bodensatz am Ende der Haushaltsjahre abzuschöpfen und dann in die Vorsorgeinstrumente bzw. in die Tilgung zu stecken. Man muss klar sagen: Der jetzt zu stemmende Finanzbedarf lässt diesen Weg aber nicht zu.

Der zweite Punkt der Haushaltsrisiken ging bereits durch die Presse, nämlich die Frage, ob die im Haushalt dargelegten Einnahmeerwartungen realistisch sind. Die November-Steuerschätzung lag 115 Millionen € bzw. 135 Millionen € unter den gewählten Ansätzen. Das ist ein ernsthaftes Problem, da möglicherweise die Rechnung letztlich nicht aufgeht.

Was die Sache besonders kritisch macht: Die Risiken der globalen Minderausgabe - ich erwähnte sie gerade - und der zu hohen Einnahmeerwartung addieren sich natürlich. Es besteht die Vereinbarung - der Finanzminister ging in seiner Rede darauf ein -, dass wir im Haushaltsverfahren eine Lösung suchen und der Finanzminister im Januar 2017, nach der Vorlage der Rechnung für das Jahr 2016, einen Vorschlag unterbreitet.

Dritter Problempunkt. Der Haushalt für die Jahre 2017 und 2018 ist nur durch einen tiefen Griff in die Rücklagen zu stemmen. Im Jahr 2017 entnehmen wir der Steuerschwankungsreserve 175 Millionen €; sie liegt damit fast bei null. Die Steuerschwankungsreserve ist faktisch unser Sparschwein. Wir befüllen es in guten Zeiten, um in schlechten Zeiten Defizite daraus finanzieren zu können, damit wir neue Schulden bzw. tiefe plötzliche Einschnitte vermeiden.

Nun gibt es durch den sogenannten Lützen-Effekt - auch darauf ist der Minister eingegangen - im Jahr 2017 tatsächlich einen einmaligen Sonderfall von Einnahmeausfällen in Höhe von 200 Millio

nen €. Damit kann man den Rückgriff tatsächlich sinnvoll begründen. Im Jahr 2018 geben wir wieder 25 Millionen € in die Sparbüchse.

Wirklich erfreulich ist der weitgehende Verlust der Reserve trotzdem nicht. Mir wäre wohler, wenn wir die für die Tilgung vorgesehenen Summen in der Steuerschwankungsreserve belassen würden. Wir brauchten die Reserven für schlechte Zeiten.

Derzeit haben wir Rekordsteuereinnahmen und extrem niedrige Zinsen. Zum Teil haben wir Minuszinsen. Wir bekommen also für unsere Schulden Geld. Es ist etwas schwierig, das nachzuvollziehen, aber so ist es im Moment. Sicher ist aber: Diese aktuell guten Zeiten werden nicht ewig anhalten.

Unsere finanziellen Handlungsspielräume werden direkt durch die Höhe der Steuereinnahmen bedingt; diese sind nicht per se und für immer von einem positiven Umfeld beflügelt.

Die aktuellen Entwicklungen geben - im Gegenteil - Anlass zu großer Sorge, sei es nun der Brexit oder Trump. Ähnliche gesellschaftliche Prozesse sieht man allerorten: Entsolidarisierung, Abschottung statt Zusammenarbeit, ja, Konfrontation. Das wird uns die vielfältigsten Probleme bringen. Auf jeden Fall werden damit auch Wohlstandsverluste einhergehen, die wir auch im Landeshaushalt spüren werden. Wir brauchten möglichst viele Reserven und haben nur ganz wenige.

Erwähnen möchte ich auch den Verlust kleinerer Reserven, sei es die Entnahme bei den Talsperren in Höhe von 10 Millionen € oder aber beim sogenannten Grundstock. Das Vermögen, das wir dort veräußern, steht uns zukünftig nicht mehr zur Verfügung. Auch die aus dem Vermögen zu erwirtschaftenden dauerhaften Einnahmen - daraus sind Pachteinnahmen erwirtschaftet worden - sind nach der Veräußerung verloren.

Ein weiteres Risiko ist die Bevölkerungsentwicklung. Sachsen-Anhalt steht auch bei einem positiven Wanderungssaldo - ob es zu diesem dauerhaft kommt, ist eher unsicher - im Vergleich zu anderen neuen Ländern bei der Einwohnerentwicklung noch immer hintan. Auch das führt zukünftig zu sinkenden Einnahmen in Millionenhöhe.

Um die Risiken vollständig zu benennen, muss man wissen, dass die geplante Finanzierung des Neubaus der JVA in Halle über Mietkauf ein kreditähnliches Geschäft darstellt und wir das Projekt somit letztlich nur auf Pump finanzieren können. Angesichts des Umstandes, dass wir damit unsere Ausgaben senken und sich der Bau amortisiert, scheint mir eine Kreditfinanzierung vom finanztechnischen Standpunkt aus grundsätzlich tragbar. Über die konkrete Ausgestaltung wird zu reden sein.

(Zustimmung von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Die Einschätzung, ob so große JVAs vom fachpolitischen Standpunkt aus sinnvoll sind, überlasse ich der Diskussion im Fachausschuss.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Swen Knöchel, DIE LINKE)

So weit zu den Risiken, die man klar benennen muss, um den zu beachtenden finanziellen Rahmen zu kennen. Dieser Rahmen lässt sich in einem bestimmten Umfang auch erweitern. Ob ein armes Land wie Sachsen-Anhalt es sich leisten kann, eine geringere Grunderwerbsteuer aufzurufen, als das in vielen anderen Ländern Deutschlands üblich ist, scheint mir schon diskussionswürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich müssen wir auch die Sinnhaftigkeit von Ausgaben ständig im Blick behalten. So ist mir zum Beispiel der Sinn des Zuschusses in Höhe von 1,25 Millionen € für die Tierkörperbeseitigung in den vergangenen Jahren ein Rätsel geblieben. Wir sollten in der neuen Konstellation überlegen, ob wir nicht die Kraft aufbringen, alte Zöpfe abzuschneiden.

Der Spannungsbogen von Machbarem und Wünschenswertem muss durch Prioritäten kenntlich gemacht werden. Eine solche nachvollziehbare Prioritätensetzung fehlt uns derzeit noch.

Ich weiß, es ist schwer; schon eine Regierung mit nur einer Partei hat dabei Probleme, da die verschiedenen auch berechtigten Interessen an ihr zerren. Unser Bündnis aus drei Partnern, die natürlich unterschiedliche grundsätzliche Schwerpunktsetzungen haben - das ist ganz normal -, hat es noch schwerer. So versuchen wir angesichts des Problemstaus und der verschiedenen Schwerpunkte, möglichst alles gleichzeitig zu machen: Kommunen, Lehrer, Polizisten, Umwelt, Hochschulen, Infrastruktur, Personal, Soziales, Integration - und dabei habe ich noch die Hälfte vergessen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Das ist schwer und es wird auch in zukünftigen Haushalten nicht leichter. Sachsen-Anhalt wird sich verändern, verändern müssen und dabei immer wieder vor Herausforderungen gestellt werden. Wir müssen diesen Herausforderungen gerecht werden und dafür entsprechende Prioritäten setzen.

Eine dieser ständigen Herausforderungen ist und bleibt die bekannte Finanzausstattung unseres Landes. Damit müssen wir umgehen und im bestehenden Rahmen zukünftig mehr Prioritäten setzen.

Ich würde mir wünschen, dass wir zukünftig zuspitzen. Wir haben im Land geschichtlich bedingt