Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

Wir kommen zurück zur Beschlussempfehlung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur vorübergehenden personellen Verstärkung der Landespolizei (Wachpolizeidienstgesetz - WachPolG) in der Drs. 7/687. Ich würde über dieses Gesetz inklusive aller Überschriften und Einzelbestimmungen in der Gesamtheit abstimmen lassen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das scheint nicht so zu sein.

Wer der Beschlussempfehlung und dem darin enthaltenen Gesetz seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die AfD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit sind die Beschlussempfehlung und der darin enthaltene Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen worden und wir können den Tagesordnungspunkt 8 verlassen.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 9

Erste Beratung

Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 7/685

Für die Landesregierung ist Minister Herr Stahlknecht der Einbringer. Herr Stahlknecht, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt sollen zwei wesentliche Vorhaben der Landesregierung in der Innenpolitik umgesetzt werden. Zum einen soll die rechtliche Grundlage für die Durchführung eines Modellversuches zum Einsatz von Bodycams geschaffen werden. Zum anderen soll die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte gesetzlich ausgestaltet werden.

Mittlerweile führen mehrere Länder und der Bund Modellversuche zum Einsatz von Bodycams durch und haben diese bereits beendet. Aufgrund der Ergebnisse dieser Erprobung haben einige Länder die Befugnisse in dem jeweiligen Polizeirecht weiterentwickelt. So hat Hessen es für den Schutz der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten für erforderlich gehalten, auch die sogenannte Vorabaufnahme und -tonaufzeichnung zu erlauben.

Mit der in einem neuen § 16 Abs. 3a SOG LSA vorgesehenen und auf ca. zwei Jahre befristeten Befugnis soll die Polizei ermächtigt werden, den Einsatz von Bodycams zu erproben. Die Erprobung wird nur in den bevölkerungsreichsten Teilen des Landes Sachsen-Anhalt durchgeführt. Dort liegt die Häufigkeit beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auch deutlich über dem Landes- und Bundesdurchschnitt. Zudem soll die Polizei von der geplanten Befugnis nur im Rahmen von Identitätsfeststellungen und nur im öffentlichen Verkehrsraum Gebrauch machen.

Auch wenn diese Regelung vorrangig dazu dient, den Einsatz von Bodycams zu erproben, ist die Ermächtigung nicht auf diese Art von Kamera beschränkt. Auch der Einsatz von Kameras, die fest in einem sogenannten interaktiven Funkstreifenwagen installiert sind, kann nach Maßgabe dieser Regelung erprobt werden.

Die Berufsvertretungen der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten stehen der Durchführung eines Modellversuches positiv gegenüber. Dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt erscheinen die Regelungen nicht ausgewogen. Es komme durch die Zulassung von Tonaufnahmen und der sogenannten Vorabaufnahme zu einer erheblichen Erweiterung polizeilicher Befugnisse.

Aus meiner Sicht ist das im Hinblick auf die zu schützenden bedeutsamen Rechtsgüter jedoch

hinnehmbar. Der Schutz von Leib und Leben der Polizeibeamtinnen und -beamten rechtfertigt den vorgesehenen Eingriff in das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten.

Die auch für alle anderen Befugnisse des § 16 SOG LSA geltenden Verfahrensvorschriften stellen ausreichend sicher, dass die nicht für den Erhebungszweck erforderlichen personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden. Gerade der Erfassungsbereich von am Körper getragenen Kameras ist ein Garant dafür, dass möglichst wenige unbeteiligte Dritte Ziel der Videoüberwachungsmaßnahme werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das verpflichtende Tragen eines Namensschildes durch Polizeibeamte ist derzeit in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Ausnahmen stellen Einsätze von Einsatzeinheiten dar und wenn zu besorgen ist, dass die Einsatzlage nachträglich aufgrund des Namensschildes zu einer Gefahr für die Polizeivollzugsbeamtin oder den -beamten oder ihrer bzw. seiner Angehörigen führt oder führen könnte.

Auch die Verwendung einer taktischen Kennzeichnung der Einsatzeinheiten der Landesbereitschaftspolizei in der Polizeidirektion ist derzeit in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Die taktische Kennzeichnung der einzelnen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten richtet sich nach der Zugehörigkeit zur jeweiligen Einsatzeinheit während des Einsatzes und ist bei Einsätzen, die über Gruppenstärke hinausgehen, stets sichtbar zu tragen. Bei jedem dieser Einsätze ist die taktische Kennzeichnung zu erfassen und für zwölf Monate nachvollziehbar vorzuhalten.

Derzeit besteht die taktische Kennzeichnung aus der Buchstabenfolge ST, dem sogenannten Landeskenner, und einer dreistelligen Ziffernfolge. Mit der Ziffernfolge kann eine Polizeivollzugsbeamtin bzw. ein -beamter einer Gruppe innerhalb eines Zuges einer Hundertschaft zugeordnet werden.

Mit der vorgesehenen gesetzlichen Regelung einer Pflicht zum Tragen eines Namensschildes oder einer individuellen Kennzeichnung an der Polizeidienstkleidung soll polizeiliches Handeln offener gestaltet werden. Die Fortsetzung des weiteren Ausbaus einer bürgerorientierten Polizeiarbeit wird dadurch gestärkt.

Die schutzwürdigen Belange der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten, die zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind, finden durch die ersatzweise Verwendung einer individuellen

Dienstnummer bzw. taktischen Kennzeichnung ausreichend Berücksichtigung.

Die gesetzliche Kennzeichnungspflicht soll nur für Polizeivollzugsbeamte und -beamtinnen des Landes Sachsen-Anhalt und nur bei der Vornahme von Amtshandlungen auf dem Gebiet des Landes

Sachsen-Anhalt bestehen. Sie findet somit keine Anwendung auf Polizeivollzugsbeamte eines anderen Landes, des Bundes oder ausländischer Polizeibehörden, die auf dem Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt Amtshandlungen vornehmen. Ebenso gilt die Regelung nicht, wenn Polizeibeamte des Landes Sachsen-Anhalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Landes, des Bundes oder im Zuständigkeitsbereich ausländischer Polizeibehörden tätig werden.

Zukünftig sollen die für Identifizierungszwecke gespeicherten personenbezogenen Daten der Polizeibeamten und -beamtinnen im Nachhinein nur noch drei Monate vorgehalten werden. Nach dem Abschluss der tatsächlichen oder eingeräumten Benutzung der dienstlich zur Verfügung gestellten Dienstnummer oder taktischen Kennzeichnung sind sie zu löschen, sofern sie nicht weiterhin für den Erhebungszweck erforderlich sind.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt hat keine grundlegenden datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Ausgestaltung der Kennzeichnungspflicht. Die zum Schutz der Rechte der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten vorgesehenen Regelungen seien ausreichend. Die Berufsvertretungen der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten lehnen die Kennzeichnungspflicht, wenn auch zurückhaltend als solche ab oder halten die Regelung für völlig überzogen und demotivierend.

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich würde mich freuen, wenn wir den Gesetzentwurf zügig beraten können, um ihn dann dem Plenum zur Beschlussfassung vorlegen zu können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herr Roi, hatten Sie eine Wortmeldung?

(Daniel Roi, AfD: Eine Frage!)

- Dann haben Sie jetzt das Wort.

Vielen Dank. - Ich habe vorhin die Seite der Landes-CDU gefunden. Es interessiert mich ja auch, was Sie so machen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Der hat ja jetzt Zeit zum Suchen!)

Im Wahlprogramm steht ein Satz - - Sie werden auch mehrfach zitiert, Herr Stahlknecht. Ich wollte Sie nur fragen, wie sich das von Ihnen hier eingebrachte Gesetz mit dem Satz in Einklang bringen lässt, der lautet: Die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten in geschlossenen Einsätzen

durch Name oder Nummer lehnen wir konsequent ab.

Damit sind Sie in den Wahlkampf gezogen. Sie werden auch mehrfach zitiert, dass Sie das ablehnen, und zwar unter allen Umständen. Jetzt haben Sie gerade vorgetragen, dass Sie es einführen wollen. Wie ist das miteinander vereinbar?

Wissen Sie, wenn Sie Koalitionsverhandlungen führen, besteht das Leben aus Kompromissen, weil Grundsätze nur an Feiertagen gelten. So ist das. Wir haben das gemeinsam verhandelt. Im Übrigen wurden sämtliche Verhandlungen, die diesen Bereich der Polizei anbetreffen, gemeinsam mit den Gewerkschaften beraten. Die Gewerkschaften waren auch bereit, dieses mitzutragen, so wie wir als CDU auch, weil wir im Gegenzug - und das halte ich für wesentlich wichtiger - eine Erhöhung der Polizeipräsenz erreicht haben, weil wir die begonnene Polizeistrukturreform, wie von mir bereits seit 2011 gewünscht, geplant und begonnen, zu Ende führen können.

Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Dingen nennen, die wir als Gutes gemeinsam vereinbart haben. In Abwägung aller Umstände ist das etwas, was wir mittragen und insofern auch heute auf den Weg bringen.

Falls Sie irgendwann einmal das Vergnügen haben sollten - was ich mir nicht vorstellen kann -, Koalitionsverhandlungen führen zu müssen, werden Sie auch merken, dass Sie mit gewissen Dingen, die Sie hier vortragen, überhaupt keine Chance hätten.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dann können wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Für die AfD-Fraktion hat als Erster der Abg. Herr Kohl das Wort. Bitte sehr. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Soweit es die Durchführung eines Modellversuchs zum Einsatz von Bodycams betrifft, findet das Vorhaben unsere Unterstützung. Demgegenüber wird die geplante Einführung der individuellen Kennzeichnungspflicht für Einsatzeinheiten vehement abgelehnt.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Mit dem Rechtsstaat haben Sie es nicht so!)

Abgelehnt, weil es dafür keinen Sachgrund gibt. Abgelehnt, weil Polizeibeamte und polizeiliches

Handeln damit für notorisch verdächtig erklärt werden. Abgelehnt, weil Polizei in ihrer Handlungsfähigkeit kastriert und unnötige Kosten verursacht werden.

Die Landesregierung begründet die Kennzeichnungspflicht damit, dass polizeiliches Handeln offener, transparenter usw. usf. wird, also der übliche Bla-bla-Textbaustein, wie er schon bei anderen Landespolizeien verwendet wurde.

Interessant sind nun allerdings die Ausführungen im Vorblatt. Dort heißt es unter „Alternativen“ sinngemäß: Die Einführung der individuellen Kennzeichnungspflicht wäre nötig, da ansonsten in weniger Fällen polizeiliches Handeln rekonstruierbar wäre und gegebenenfalls disziplinar- oder strafrechtliche Maßnahmen nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten geführt werden könnten.

Hier möchte ich Herrn Stahlknecht an folgende Aussage erinnern, die er zu diesem Thema vor einiger Zeit tätigte:

„Das Argument, dass nunmehr nummerierte Polizisten im Falle von Ermittlungsverfahren wegen überzogener Härte besser identifizierbar seien, ist eine Umkehrung der Tatsachen. Wir sollten doch besser darüber diskutieren, was wir uns an Gewalt bei Demos durch Rechts- und Linksextremisten oder Hooligans zumuten wollen, als darüber nachzudenken, ob diejenigen, die die Ordnung aufrechterhalten, korrekt handeln.“

Bravo, sage ich da, Herr Stahlknecht. Das hätte man nicht besser formulieren können. Schade nur, dass Sie als Sicherheitsminister jetzt nicht mehr die Sicherheit der Beamten, sondern nur noch die Sicherheit der Koalition im Blick zu haben scheinen.

(Beifall bei der AfD)