Einmal ist der Vorschlag gemacht worden, die Arbeitszeit zu verlagern. Diesbezüglich wäre zu fragen: Wohin? - Da fällt mir nur zu Hause ein.
Empfohlen wird meist, einen Integrationshelfer zu beantragen - es war nicht selten, dass dieser im Nachhinein nicht gewährt wurde - oder - das habe ich angedeutet - einen Antrag auf das persönliches Budget zu stellen mit der Konsequenz, dass das persönliche Budget abgelehnt wird, und zwar mit der Begründung, dass das vorrangig zu berücksichtigende Einkommen die Freigrenze übersteigt. Zu Deutsch: Dann müssen es die Eltern selbst bezahlen.
Dann können die Eltern auch halbtags arbeiten gehen. Genau das - damit bin ich wieder am Anfang des Problems - war aber nicht Sinn der Sache.
Das Ende vom Lied in vielen Fällen ist, dass die Eltern resignieren und die Mütter halbtags arbeiten gehen. Das habe ich im Zusammenhang mit meinem ehrenamtlichen Engagement auch live erlebt.
Im Angebot war im Übrigen auch einmal der Vorschlag einer Behörde: Der Junge wird doch bisher von seinem 70-jährigen Großvater betreut. Wenn er das bisher kann, dann kann er das auch weiter so machen. Ich denke, der Opa ist bestimmt ganz hilfreich und sehr hilfsbereit. Nur ist es doch eine Frage der Zeit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bis er selbst Hilfe braucht.
So in etwa kann man sich einen nervenaufreibenden und nicht selten erfolglosen Prozess vorstellen. Ich weiß von vielen Familien, dass sie einfach klein beigegeben haben, aufgeben und resignieren. Diese Familien werden dann unsichtbar in der Struktur, die damals als Hilfsstruktur erfunden worden ist und die zunächst auch halbwegs funktioniert hat. Jeder kann dann ungestraft sagen, so auch das Bildungsministerium: Es gibt doch keinen Bedarf. Also sind die 130 000 € - ich weiß nicht die genaue Summe - im Haushaltsplan des Bildungsministeriums wieder gestrichen worden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Strategie der Einzelfalllösung ist gescheitert. Ich sage sogar: Sie ist nicht nur gescheitert, sie sollte scheitern; denn Einzelfalllösungen tragen dazu bei, dass Betroffene in ihrem Engagement vereinzelt
werden. Auch eine Opposition ist nie in der Lage, jeden Einzelfall fortwährend zu prüfen oder ihm hinterherzujagen.
Ich will es an dieser Stelle etwas zuspitzen - ich glaube, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, die viele Jahre an diesem Problem dran waren, Verständnis für eine Zuspitzung haben, weil auch sie erlebt haben, was das für viele Familien bedeutet -: Diese Lösung sollte scheitern, nicht aus dem Parlament, aber sehr wohl aus dem damaligen Kultusministerium.
Ich kann mich an das Gefeilsche und auch an das Falschspiel, das teilweise getrieben wurde, noch sehr lebendig erinnern. Hier ging und geht es nämlich im Grunde genommen um nichts anderes als darum, die extrem schlechte Personalsituation auch - oder gerade - in den Förderschulen für Kinder mit sogenannter geistiger Behinderung auf dem Rücken der betroffenen Eltern auszusitzen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es. Das ist der Punkt.
Nun, finde ich, sollte das Ganze ein Ende finden. Ich finde, wir brauchen eine grundständige Lösung, eine, die wirklich die Eltern in die Lage versetzt, sich auf etwas verlassen zu können, etwas Klares zu haben und sie auch aus der Position der Bittsteller und Einzelkämpfer herauszuholen.
Deswegen haben wir Ihnen einen Vorschlag aufgeschrieben. Es ist ein Angebot. Ich will aber auch ausdrücklich sagen, dass ich jede weitere Verbesserung, die für diese Familien im Angebot wäre oder um die wir uns gemeinschaftlich kümmern könnten, für einen Schritt in die richtige Richtung hielte, weil es auch um Lebensqualität geht.
Wer von Ihnen des Öfteren mit Familien mit Kindern mit Behinderungen zu tun hat, der weiß, neben all den schönen Dingen, die man ohnehin mit Kindern erleben kann, ist insbesondere ihr Leben von vielen Belastungen, Herausforderungen, Prozessen, Streiten usw. geprägt. Ich finde, an dieser Stelle sollten wir uns starkmachen, ihnen weiter zur Seite zu stehen und zu helfen.
Da es keine Fragen gibt, danke ich Frau BullBischoff für ihre Ausführungen. - Für die Landesregierung spricht Staatsminister Herr Robra. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Schönen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche natürlich in Vertretung des erkrankten Kollegen Tullner.
Der aktuelle Antrag der Fraktion DIE LINKE - darauf habe ich hinzuweisen - ist nahezu identisch mit einem Antrag dieser Fraktion aus dem Jahr 2014. Bereits damals wurde vom Kollegen Dorgerloh an dieser Stelle erklärt, dass mit dem im Jahr 2012, und zwar in ehrlicher Absicht, nicht in der Absicht, falsch zu spielen, geschlossenen Kooperationsvertrag zwischen dem Ministerium für Arbeit und Soziales und dem damaligen Kultusministerium sowie den im Jahr 2013 ins Schulgesetz aufgenommenen Ganztagsangeboten an Förderschulen für geistig Behinderte die zuvor bestehende Problematik gut bewältigt wird. Diese Feststellung ist noch heute gültig.
An dieser Stelle könnte man schließen. Aber das wäre der Bedeutung des ernsten Themas gerade aus der Sicht der betroffenen Eltern - darauf ist eben mit Recht hingewiesen worden - nicht angemessen.
Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, um nochmals ausdrücklich deutlich zu machen, dass die Schulen - nicht nur in diesem Land, das ist überall so - grundsätzlich einen Bildungs- und keinen Betreuungsauftrag haben. Der Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung ist zunächst über das Kinderförderungsgesetz geregelt und er gilt bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr, die weiterhin der Unterstützung bedürfen und deren Eltern berufstätig sind, können Sozialleistungen beantragen, künftig über das deutlich verbesserte Teilhabegesetz. - So viel zum Grundsätzlichen.
Um zu verdeutlichen, dass das im Antrag der Fraktion DIE LINKE gezeichnete Bild nicht den Tatsachen entspricht, möchte ich Ihnen kurz die Praxis im Land darstellen. Förderschulen für geistig behinderte Kinder halten selbst schultägliche Ganztagsangebote von acht bis 9,5 Zeitstunden vor. Damit liegt Sachsen-Anhalt deutlich über der Festlegung der Kultusministerkonferenz von sieben Zeitstunden und damit oberhalb des Niveaus in anderen Ländern.
An vielen Standorten sind über die schulischen Ganztagsangebote hinaus Hortangebote für Kinder mit Behinderungen etabliert. Die enge Kooperation der Schulen mit diesen Einrichtungen der Jugendhilfe ist gelebte Praxis.
Mit den örtlichen Betreuungskonferenzen haben wir in Sachsen-Anhalt ein geeignetes und funktionierendes, zudem bürgernahes Instrument
zur Koordination entsprechender Bedarfe. Dieser Bottom-up-Ansatz ist keine reine Einzelfalllösung und effektiver als eine generelle Regelung von oben, die dann auch wieder nicht für alles passt.
In diesen Konferenzen sitzen alle Beteiligten an einem Tisch. Das sind unter anderem die Schulträger, Träger der Schülerbeförderung, Träger der
Jugendhilfe, die Sozialagentur und, wenn nötig, weitere Partner. Die Rückmeldungen aus den Landkreisen und kreisfreien Städten zeigen, dass dieses System angenommen wird und gut funktioniert. Auch die Betreuungsbedarfe in den Ferienzeiten werden in diesen Konferenzen abgestimmt. Zudem bieten die Förderschulen für geistig Behinderte lerntherapeutische Angebote auch in den Ferienzeiten an.
In den Sommer- und Winterferien werden diese Angebote nur von 12 bis 20 % der Schüler in Anspruch genommen. In den anderen Ferien sind die Bedarfe anscheinend geringer. So signalisieren bei den Schülern über 14 Jahre nur 4 bis 6 % einen Betreuungsbedarf in den Ferien. Dazu muss sogar noch angemerkt werden, dass die entsprechend den gestellten Anträgen geplanten und vorbereiteten Betreuungsangebote in den Ferien nie vollständig in Anspruch genommen wurden, sodass es in der Realität mehr Angebote gibt, als tatsächlich benötigt werden.
Darum darf ich feststellen: Viele Punkte, die die einbringende Fraktion fordert, sind bereits gelebte, bewährte und funktionierende Praxis in unserem Land. Marco Tullner und ich empfehlen daher, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Staatsminister, eine ganz einfache Frage: Wie erklären Sie sich dann den Fall, den der MDR vor zwei Wochen geschildert hat? - Es ging um eine Familie aus Halle, die für ihr Kind - ich glaube, es war ein Junge - mit sehr hohem Assistenzbedarf keine Betreuung gefunden hat.
Das kann ich Ihnen bedauerlicherweise nicht erklären, weil ich den Fall in seinen Einzelheiten nicht kenne. Aber ich gehe davon aus, dass es dafür eine Lösung hätte geben müssen und geben können und dass alle Beteiligten daran arbeiten, eine solche zu finden.
Das ist mir im Einzelnen nicht bekannt. Aber ich gehe davon aus, dass es dem Kollegen Tullner, für den ich das hier wahrnehme, bekannt ist und dass auch in diesen Kreisen daran gearbeitet wird, Lösungen zu finden. Dafür sind die Betreuungskonferenzen da. Es ist deren Aufgabe,
gut und effektiv zu arbeiten sowie die Belange der Kinder und der Eltern, aber auch die Belange der Schulen und aller beteiligten Träger zu wahren.
Da es keine weiteren Fragen gibt, danke ich Ihnen, Herr Minister Robra, für die Ausführungen. - Wir steigen jetzt in die Debatte ein. Im Vorfeld ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vereinbart worden. Als Erste spricht Frau Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen für die SPD. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bull-Bischoff hat es selbst gesagt, das ist kein Antrag, mit dem wir uns in diesem Hohen Haus zum ersten Mal beschäftigen. In den Jahren 2012 und 2014 hat es hier intensive, umfangreiche Debatten zu diesem Thema gegeben.
Sie führen jetzt an, dass die Praxis noch immer nicht so ist, wie es eigentlich gedacht ist, nämlich dass es für jeden tatsächlich eine Lösung gibt, und schlagen mit Ihrem Antrag eine grundständige Lösung vor.
Sie haben zu Recht eingeräumt, es gibt Verbesserungen. Deshalb möchte ich das an dieser Stelle ausdrücklich betonen: Es hat tatsächlich Fortschritte und Verbesserungen gegeben.
Es gibt eine Vereinbarung - das ist nicht selbstverständlich - zwischen zwei Ressorts, dem Sozialressort und dem Bildungsressort, die ausdrücklich für eine Personengruppe gilt, die im Hinblick auf die derzeitige rechtliche Situation nicht ganz leicht zu handhaben ist, weil es sich nun
Wenn Sie eine grundständige Lösung fordern und dazu ausdrücklich auf das Schulgesetz verweisen und als einzige Lösung eine Ganztagsschule fordern,
dann frage ich mich: Warum fordern Sie das eigentlich nicht für alle Kinder? - Ich würde mir das wünschen. Aber dazu muss man auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen.
Wenn im Antrag im Hinblick auf die Ganztagsangebote für die Schulen für Kinder mit geistiger Behinderung als Begründung angeführt wird, dass es nicht nur um die lerntherapeutischen Angebote geht, sondern um erforderliche Freiräume für Erziehungsberechtigte, dann ist das sicherlich ein legitimer Anspruch. Aber es ist eben keine Aufgabe, die Schule gewährleisten kann. Insoweit müssen zur Lösung dieser Einzelfälle, die Sie eben angesprochen haben, andere Instrumente herangezogen werden.
Wir diskutieren gerade über das Bundesteilhabegesetz, mit dem im Hinblick auf die Ansprüche und das, was im Rahmen des persönlichen Budgets dem Einzelnen zur Verfügung steht, auch noch nicht alle Beteiligten zufrieden sind.
Aber lassen Sie uns doch diese Dinge genau dort mit hineinbringen und nicht in das System Schule, das ohnehin im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen im Moment eine Vielzahl von Problemen hat.
Ein Ganztagsanspruch von 7 bis 17 Uhr, das geht weit über das hinaus, was in anderen Ländern angeboten wird, und das geht auch weit über das hinaus, was die KMK fordert. Im Rahmen des Schulgesetzes sind Ganztagsangebote nicht nur möglich, sondern ausdrücklich erwünscht. Wir können uns gern im Ausschuss noch einmal mit dem Thema im Zusammenhang mit dem Förderschulkonzept beschäftigen und den Bildungsminister fragen, welche konkreten Angebote es gibt, und feststellen, an welcher Stelle es vielleicht darüber hinausgehende Bedarfe gibt.
Ja, auch ich würde mir eine Lösung für jeden einzelnen Fall wünschen. Aber wir wissen, dass das Leben bunt ist, dass wir sehr unterschiedliche Bedingungen haben, sowohl was die persönliche Situation der Schüler und der Eltern betrifft als auch die unterschiedlichen regionalen Bedingungen. Deshalb werden wir uns natürlich auch im Petitionsausschuss mit den Einzelfällen beschäftigen.