Birke Bull-Bischoff
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Sehr geehrte Damen und Herren! Schulsozialarbeit ist ein Erfolgsmodell, weil für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten so die Chance besteht, in kleineren oder in größeren Krisensituationen tatsächlich jemanden zu haben, der versucht, hinter die Kulissen, hinter die Fassade zu schauen, jemanden, der jenseits des Leistungsgedankens Partei ergreift, Zuversicht vermittelt, motiviert.
Sie ist ein Erfolgsmodell für Eltern, weil es vielfach so ist, dass gerade diese Eltern zum ersten Mal in ihrer Biografie gegenüber schulischen Institutionen Wertschätzung und Verständnis erleben.
Sie ist für Lehrerinnen und Lehrer ein Erfolgsmodell, weil sie entlastet werden und weil sie ganz neue Herangehensweisen erkennen.
Und Sie ist für sehr viele Schulleiter ein Erfolgsmodell, weil sie eben erleben, wie Schule bunter und vielfältiger Lernmöglichkeiten anbieten kann.
Sie ist auch für das soziale Umfeld ein Erfolg, weil sie auf diese Art und Weise Schule öffnet, die die Ressourcen um sich herum im sozialen Umfeld besser nutzen kann.
Sie ist sogar für uns als Parlament ein Erfolgserlebnis, weil wir das alle gemeinsam geschafft haben. Seit zehn Jahren sind wir uns einig gewesen, die Mittel der Europäischen Union in diesen Bereich zu investieren. Ich finde, wir waren damit gut beraten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wir haben etwas Gutes auf den Weg gebracht.
Wir haben die Chance genutzt, zum zweiten Mal zu diesem Thema eine Große Anfrage vorzulegen, auch weil dies einen Vergleich zwischen dem Jahr 2012 - im Jahr 2012 haben wir das schon einmal gemacht - und dem Jahr 2017 ermöglicht. Ich will auf einige wenige Befunde eingehen.
Erstens. Seit dem Jahr 2012 hat sich der Umfang von Schulsozialarbeit deutlich erhöht. Im Jahr 2012 gab es noch 211 Schulen, die sich beteiligt haben. Mittlerweile beteiligen sich an dieser Arbeit 369 Schulen, in denen ca. 400 Kolleginnen und Kollegen engagiert sind. Das ist ein Anstieg um 75 %.
Man kann das auch auf die Schülerinnen und Schüler umrechnen: 38 % unserer Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, davon zu profitieren und ihre Lernleistungen zu verbessern, und das insbesondere an Sekundarschulen und an Grundschulen. Ich finde, das sollte durchaus mehr werden. Aber es ist ein gewichtiger erster, zweiter, dritter Schritt - je nachdem.
Wir haben leider keine Schulsozialarbeit an den sogenannten GB-Schulen und wir haben zu wenig Schulsozialarbeit an den Förderschulen.
Ich weiß nicht, ob sich der eine oder andere von Ihnen einmal die Ergebnisse der Großen Anfrage angeschaut hat. Wenn man die Förderschulen danach befragt, wie viele Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, einen Sekundarschulabschluss I zu erhalten, in dem Fall Hauptschule, dann ist es interessant zu erfahren, dass es auf der einen Seite in drei Landkreisen Förderschulen gibt, die seit vielen Jahren zu 100 % ihre Schüle
rinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss entlassen, auf der anderen Seite aber - ich will ihn ruhig einmal nennen - im Landkreis Harz immerhin 50 % die Chance haben, einen solchen Abschluss zu erwerben.
Es gibt unterschiedliche Signale von den Gymnasien. Ich habe aber das Gefühl, es gibt immer weniger Schulen, die sagen: So etwas brauchen wir nicht. Was sollen die können, was Lehrkräfte nicht können? - Im Gegenteil: Es gibt viele Schulen, darunter auch Gymnasien, die sagen: Wir hätten auch gern von diesem Angebot profitiert.
Zweitens. Die Schulabbrecherquote und der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss mindestens der Sekundarstufe I sind seit einigen Jahren, wenn auch in geringem Umfang, gesunken. Die Schulen mit Sozialarbeiterinnen sind diesbezüglich deutlich erfolgreicher. Man muss aber auch dazu sagen: Die Zahlen sind nach wie vor auf einem hohen Niveau, und es gibt auch auf diesem Feld viel zu tun.
Zur Wahrheit gehört auch: Es ist nicht allein Angelegenheit von Schulsozialarbeit, Schulerfolg zu sichern, sondern das ist eine Frage des gesamten Systems und aller Akteurinnen und Akteure von Schule.
Drittens. Ich will an der Stelle dem ehemaligen Kultusminister - vielleicht klingeln ihm jetzt gerade die Ohren - nachträglich Respekt zollen; denn die Angleichung der Bezahlung an den Tarif des öffentlichen Dienstes geht auf sein Konto - unter anderem; wir haben es natürlich auch gefordert. Ich finde, dieser Stress, der Ärger und das Durchhaltevermögen haben sich gelohnt; denn mittlerweile ist die Schulsozialarbeit ein attraktives Beschäftigungsfeld für gute und junge Fachkräfte.
Meine Damen und Herren! Auch die Wissenschaft bescheinigt uns mittlerweile - im Jahr 2013 wurde das Programm evaluiert -, dass es ein Erfolgsmodell ist. Es gab erste Hinweise darauf, wie wir das Programm fortsetzen sollen, zum Beispiel auch die Grundschulen zu einem Schwerpunkt zu machen, noch mehr auf Prävention und auf Elternarbeit zu setzen.
Dass es gut ist, dass es hilft, dass es effektiv ist, um das Lernen zu verbessern, bescheinigen uns Schulleiterinnen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Schulpsychologen. Ich habe neulich durch einen Zufall beim Zugfahren eine Schulpsychologin kennengelernt, die mir das ausdrücklich bestätigt hat. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns der Frage stellen: Was wird mit der Zukunft?
Wir sind jetzt an der Hälfte angekommen. Es gibt ausnahmsweise mal keine Klagen - zumindest sind keine Klagen bis zu mir gedrungen - über die Situation der Fördermittelbewilligung jetzt zur Halbzeit.
- Ja, das finde ich auch begrüßenswert. - Aber im Jahr 2021/2022 läuft das ESF-Programm aus. Damit stellt sich für uns alle hier die Frage nach einem Anschluss.
Wir finden, Schulsozialarbeit sollte zur Regelaufgabe an Schulen werden, weil dies eine gute Chance ist, Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe zueinander zu bringen und Brücken zu bauen. Es ist im Übrigen eine Bereicherung für beide Systeme, sowohl für die Schule als auch für die Kinder- und Jugendhilfe. Das heißt, dieses Modell soll kein temporäres Förderprogramm mehr sein. Dann müssen wir es in eigener Verantwortung finanzieren. Ich finde prinzipiell, das sollten wir auch gemeinsam mit den Kommunen als Träger der Kinder- und Jugendhilfe tun.
Auch finden wir: Die Befristung für junge Menschen sollte ein Ende haben. Sonst gehen uns genau diese Fachkräfte verloren, weil sie permanent vor der Situation stehen, Arbeitsverträge zu bekommen, die auf höchstens zwei Jahre befristet sind.
Und - das wissen diejenigen, die sich vor Monaten schon einmal mit der Frage der Evaluation der Schulsozialarbeit auseinandergesetzt haben -: Die überbordende Bürokratie braucht kein Mensch.
Deshalb kriegen wir das besser jenseits der EUFörderung hin.
Deshalb, meine Damen und Herren, unser Antrag jetzt. Die Schulsozialarbeiterinnen und die Schulsozialarbeiter brauchen ein klares Signal, so wie auch die Träger und die Schulen. Wir sollten ihnen dieses alsbald geben. Ich werbe dafür, diesem unserem Anliegen zu folgen.
Meine Damen und Herren! Ich will mich an der Stelle bei Ihnen sehr herzlich dafür bedanken, dass Sie das ganze Trara um die Verschiebung des Tagesordnungspunkts mitgemacht haben. Ich habe nicht umsonst um den Tagesordnungspunkt gekämpft, zum einen, weil es natürlich ein Anliegen ist, das mich seit vielen Jahren bewegt und umtreibt. Aber es gibt auch noch einen anderen Grund. Es kann gut sein, dass dies heute meine letzte Rede in diesem Parlament sein wird.
Ich will Ihnen deshalb herzlich für viele interessante, spannende und aufreibende Jahre danken. Ich
habe persönlich sehr, sehr viel gelernt, unter anderem, dass man nicht immer recht hat und dass man sich auch in die Perspektive von anderen hineinversetzen muss. Wir haben uns nicht immer gleich lieb gehabt.
Trotzdem gab es auch Sympathien und Freundschaften und mehr. Einen habe ich mir ja etwas verbindlicher eingefangen.
Ich will Ihnen sagen, Sie werden mir in der Tat fehlen,
die allermeisten von Ihnen.
- Das werden Sie sich ja wohl denken können.
Ich wünsche Ihnen als Demokratinnen und Demokraten, dass es Ihnen immer gelingt, einen wenigstens kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden jenseits von Menschenfeindlichkeit im Sinne der Demokratie, auch wenn es knirscht. Ich drücke Ihnen die Daumen und ich bitte Sie: Lassen Sie uns in Verbindung bleiben! Ich bleibe für Sie gegebenenfalls immer ansprechbar. Haben Sie herzlichen Dank!
Es sollte wirklich versöhnlich sein. Aber man sollte es mit der Versöhnlichkeit auch nicht übertreiben. Mich hat der Satz, wir hätten nichts auszusetzen, dann doch ein bisschen an der Ehre gekratzt. Sie haben schon registriert, dass es uns um eine Regelaufgabe und um eine flächendeckende Präsenz geht. Das ist aber nicht mein Punkt, ich will Sie vielmehr fragen: Finden Sie nicht auch, dass der Kollege Bildungsminister sich zwar sehr charmant, aber dennoch unverkennbar immer wieder um eine konkrete Aussage herummogelt?
Herr Minister, ich teile die Argumentation nicht, man müsse in der Tendenz junge Menschen vom Studieren fernhalten, denn das ist jetzt etwas „too much“. Das möchte ich jetzt aber nicht aufgreifen. Ich denke, wir liegen im OECD- und im bundesweiten Durchschnitt immer noch sehr weit hinten, was akademische Bildung betrifft,
und ich finde immer, dass akademische Bildung auch eine Ressource ist, im Übrigen auch für das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft. Das ist aber nicht der Gegenstand meiner Frage. Man muss es ja nicht immer „entweder - oder“ diskutieren, sondern man kann auch darüber nachdenken, welche Möglichkeiten junge Menschen haben, über die berufliche Bildung hinaus an den Hochschulen zu studieren.
Dazu würde mich interessieren: Wie sind Ihre Überlegungen, um diesen Weg etwas mehr zu öffnen, und zum anderen auch für - das wäre eigentlich eine Frage an Herrn Keindorf - -
Ja, aber das kann ich schon mal sagen. Darauf können Sie ja vielleicht in Ihrer Erwiderung eingehen. Welche Strategien könnte man eröffnen, um es den kleinen und mittelständischen Unternehmen - ich sage es einmal etwas lax - „schmackhaft“ zu machen, ihren Auszubildenden den Weg zu akademischer Bildung zu eröffnen und sie dann wieder zurück ins Unternehmen zu bringen?
Ja, meine Damen und Herren, ich will nur wenige Bemerkungen dazu machen. Zwei Redner vor mir haben schon gesagt, vielfältige Lebensformen erfordern immer auch vielfältige Lernstrategien, viel
fältige Methoden. Das war schon immer so, aber im Zuge der Inklusionsdebatte erkennen wir es an und erkennen wir auch die Konsequenzen daraus an.
Das heißt eben auch immer, dass Didaktik und Methodik ein Werkzeugkoffer sind, in dem sehr viele unterschiedliche Angebote, sehr viele unterschiedliche Strategien sind, die man Kindern anbietet, um sie beim Lernen zu begleiten.
Der Klassiker ist auch schon genannt worden, die Fibel-Methode. In der Tat. Es gibt aber eben auch jene Methode, Lesen durch Schreiben. Die gibt es seit 40 Jahren. Sie ist im Übrigen mit Unterstützung der Schweizer Wirtschaft damals entwickelt worden. Solange es diese Methode gibt, solange gibt es auch den Streit darüber, welche nun die effektivste ist.
Ich will Sie jetzt nicht damit belästigen, die Methode zu erklären, obwohl das durchaus interessant ist. Eines ist aber absoluter Schnulli, zu sagen, Kinder würden nicht korrigiert. Es ist in etwa damit vergleichbar, wenn Kinder das Sprechen lernen. Sie experimentieren mit Sprache. Sie probieren sich aus. Sie haben schon allein deshalb - das liegt in der Natur der Sache - ein korrektives Feedback, weil sie Eltern haben, weil sie Freunde haben. So ist es beim Schriftspracherwerb auch. Diese Methode ermöglicht einfach, sich von Anfang an mit Sprache zu beschäftigen, aber von Anfang an gibt es auch dieses korrektive Feedback.
Der Streit über die Methode oder über die Effektivität dieser Methode wird leider nicht nur wissenschaftlich geführt, sondern ist auch immer wieder verbunden mit Unterstellungen, mit Halbwahrheiten, mit Autoritätsbeweisen. Ich neige sonst nicht zur Medienschelte, aber in den Medien wird eine Menge Kauderwelsch hierüber erzählt und geschrieben.
Ebenso lange, wie es die Methode gibt, gibt es natürlich auch die Forschungen. Es ist so, wie es mit vielen Methoden in der Pädagogik ist, es gibt keine Forschung, es gibt nicht so etwas wie den - ich sage immer - gut hörbar einrastenden Kippschalter, dass man genau sagen könnte, das ist die Ursache und das ist die Wirkung, weil Bildung einfach niemals unter Laborbedingungen untersucht werden kann.
Jetzt haben wir das. Dann machen wir das. Deshalb ist das Ergebnis genau darauf zurückzuführen. - So etwas gibt es nicht. Pädagogik ist immer Arbeit in Ungewissheit.
Ganz davon abgesehen - das hat Frau Prof. KolbJanssen schon gesagt -, dass diese Methode in
den seltensten Fällen - ich kenne keinen - in Reinform unterrichtet wird. Selbst die großen Schulbuchverlage, die Fibeln herausgeben, arbeiten alle auch mit Anlauttabellen oder fast alle auch mit Anlauttabellen. Wir würden uns also irgendwo auch komplett lächerlich machen, meine Damen und Herren,
wenn wir an dieser Stelle sagen, wir verbieten das Arbeiten mit Anlauttabellen, was auch ein Bestandteil dieser Reichen-Methode ist.
Ich selber habe eine Lehrerin an der GB-Schule erlebt. Ich stütze also nicht die These, die gemeinhin vertreten wird, dass es insbesondere für schwächere - was auch immer das sein soll - Kinder nicht geeignet wäre. Ich habe es über mehrere Jahre verfolgt. Sie gehört zu meiner Hausgemeinschaft. Deshalb habe ich das ein bisschen von Nahem beobachten können.
Worüber ich mich etwas ärgere - das will ich auch hier auf offener Bühne sagen -: Ich weiß, dass es im Landeselternrat und im Landesschülerrat auch gefordert wurde, diese Methode zu verbieten. Ich hätte einfach den Rat oder den Wunsch, vor solch einer schweren Forderung einfach einmal zu sagen, wir holen uns Praktiker und Praktikerinnen heran, wir holen uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heran und lassen uns illustrieren, was sind die Chancen und was sind die Risiken einer solchen Methode, bevor man mit einer solchen Keule daherkommt.
Also, es ist keine Methode, die das Nonplusultra ist. Das gibt es in der Bildung überhaupt nicht. Es ist aber eben auch keine Methode, die besondere Aufmerksamkeit, besonderer Kontrolle und dergleichen bedarf.
Ein letztes Wort noch zur Besorgtheit, die ja auch im Antrag der AfD-Fraktion mitschwingt, die Besorgtheit über den Zustand der orthografischen Kompetenz unserer Kinder. Dazu will ich ganz klar sagen: Es gibt in Deutschland keine Rechtschreibkatastrophe. Der Durchschnitt der Schülerinnen und Schüler ist heute sehr viel kompetenter mit der Schriftsprache unterwegs. Es gibt Langzeitstudien, die besagen, dass die heute Zwanzig- bis Dreißigjährigen die sichersten Rechtschreiberinnen sind.
Es ist problematisch mit sogenannten Randgruppen. Das ist aber auch nichts Neues. Deshalb ist es wichtig zu schauen, auf welches Kind passt welche Methode. Ich sage, die effektivsten Triebfedern sind nicht der Drill, nicht der Rohrstock,
nicht die Drohung und auch nicht der frontale Festvortrag, das ist immer noch Spaß am Lernen und Neugier.
Ihnen sage ich, wenn Sie das nächste Mal mit dem Antrag kommen, die Sütterlinschrift hier wieder einzuführen, dann werden wir auch das ablehnen. Sie werden den Fortschritt nicht aufhalten, und das ist die gute Nachricht.
Ich wäre nicht böse, wenn Sie die nicht beantworten können; das kann ich verstehen. Sie sprachen davon, dass man eine tarifliche Bezahlung nur empfehlen könne als Land. Deswegen meine Frage - meinetwegen auch mitnehmen -: Bei der Schulsozialarbeit hat das damalige Kultusministerium, also nicht wir, allerdings mit unserer Unterstützung, gesagt, es gibt nur Geld, es wird nur gefördert, wenn tariflich eingruppiert und danach auch bezahlt wird.
Welche Hindernisse sieht denn die Landesregierung an dieser Stelle bei den Erzieherinnen, wo wir ja doch einer der Hauptfinanziers sind?
Ja.
Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem Anspruch oder dem Konzept „Längeres gemeinsames Lernen“ scheiden sich in aller Regel die Geister, allerdings in einer solch polarisierenden Form nur noch im Landtag oder anderen Parlamenten. Ich persönlich erlebe die Diskussion außerhalb sehr viel entspannter.
Das Herder-Gymnasium in Halle, künftig Genscher-Gymnasium, führt seit mehr als acht Jahren immer im Frühsommer eine Art Speeddating durch. Das heißt nichts anderes, als dass Schüler ihre Vorstellungen von Bildung, ihre Vorstellungen von Schule innerhalb eines halben Jahres erarbeiten. Dann kommt der Punkt, an dem es mit Bildungspolitikerinnen aller Fraktionen, fast aller Fraktionen, im Landtag diskutiert wird.
Es sind fünf Tische aufgestellt und man wandert gewissermaßen von Tisch zu Tisch. Ich selbst habe es bis jetzt zweimal erlebt. Herr Bönisch von der CDU ist der Spitzenmann. Er hat es achtmal erlebt. Er wird bestätigen, dass es sehr viel Spaß macht.
Man muss seine eigenen Argumente durchaus immer wieder überdenken und sich mit Gegenargumenten auseinandersetzen. Die grauen Zellen kommen dabei ein Stück weit in Fahrt.
Interessant ist in der Tat, dass sich Schülerinnen und Schüler ähnlich wie wir in eher konservativ Denkende, in eher linksliberal Denkende und alles, was dazwischen kommt, unterscheiden. Nur hat man manchmal den Eindruck, dass Schülerinnen und Schüler ein Stück weit mehr offen für Gegenargumente sind.
In einem - deswegen erzähle ich es -, meine Damen und Herren, waren sich jedoch alle Schülerinnen und Schüler, mit denen ich gesprochen habe, in den letzten Jahren einig: Es ist von allen Schülerinnen und Schüler abgewählt worden, nach der vierten Klasse in unterschiedliche Bildungsgänge zu sortieren oder auf mehr oder weniger festgefügte Bildungsgleise abzustellen.
Es entspricht nicht ihren Vorstellungen von Bildungs- und von Leistungsgerechtigkeit. Sie teilen damit auch die mehrheitliche Meinung der Fachwissenschaften und vieler gesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure.
Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat beispielsweise die IHK im Bildungskonvent diese Meinung geteilt, weil die Entwicklung von Kindern durch das Sortieren in vermeintlich homogene Bildungsgänge ausgebremst wird. Entwicklung ist ein höchst individueller Vorgang.
Der Erwartungshorizont, mit dem Lehrerinnen und Lehrer ihren Schüler begegnen, ist ein ganz entscheidender Faktor. Dieser Erwartungshorizont misst sich in der Tat an der Schulform und ist in vielen Fällen demnach ein reduzierter.
Es fehlt der gegenseitige Austausch von Lernerfahrungen, anderen Lernwegen und auch das Messen und das Vergleichen mit anderen sind weniger möglich.
Es gibt ja nicht durchweg Starke und durchweg weniger Starke, sondern es sind unterschiedliche Gebiete. Genau dieser Austausch ist für die Lernsituationen, für das Lernen an sich eigentlich eine wunderbare Quelle, weil die Quelle von Bildung in aller Regel der Unterschied, also die Vielfalt und eben nicht die Einfalt ist.
Die didaktisch-methodische Kompetenz, mit Vielfalt umzugehen, verkümmert mittlerweile. Man muss auch selbstkritisch sagen: Eine Zurücküberweisung in eine andere Schulform ist der Weg des geringsten Widerstands, was - trifft man auf Herausforderungen - mitunter auch verführt.
Deshalb ist und bleibt - deswegen sage ich das am Anfang - unsere Vorstellung von Bildungs- und Leistungsgerechtigkeit die Gemeinschaftsschule, und zwar die Gemeinschaftsschule vielfältiger Lernformen.
In der vergangenen Legislaturperiode wollte das auch noch die SPD. Es gab ein Konzept, an dem damals viel herumgestrichen wurde, weil man die Zustimmung der CDU brauchte. Ich sage aus der heutigen Perspektive trotzdem: besser als nichts. Es war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Einige Schulen haben diese Chance genutzt. Sie haben eben nicht nur ihre Türschilder auswechselt, sondern haben sich in der Tat hingesetzt, haben gemeinsam ein Konzept erstritten, haben diese Vielfalt, diese große Bandbreite von unterschiedlichen Lern- und Ausgangslagen als Herausforderung begriffen und meist auch erfolgreich ausprobiert, zumindest so lange, wie ihnen der Hahn nicht abgedreht wurde, und zwar der Hahn der Personalwirtschaft, die man im Grunde nur als Mangelwirtschaft bezeichnen kann.
Sie sind Wagnisse eingegangen, haben neue Wege zum Abitur eröffnet und beispielsweise auch den Plan entwickelt, eine eigene gymnasiale Oberstufe zu entwickeln, und zwar als wirkliche Alternative zum traditionellen Gymnasium; denn ich finde - darin dürften wir eigentlich miteinander übereinstimmen -, Wettbewerb belebt das Geschäft. Eine von ihnen hat im Übrigen vor nicht allzu langer Zeit den Deutschen Schulpreis bekommen.
Heute sind es zwei Koalitionspartner, die zumindest programmatisch Verfechter der Gemeinschaftsschule sind, und heute steht dazu gar nichts im Koalitionsvertrag.
Das ist ein etwas merkwürdiger Vorgang. Aber das eigentliche Problem ist - für heute zumindest, was unseren Antrag betrifft - ein anderes, nämlich dass das Bildungsministerium darauf hinarbeitet, die Gemeinschaftsschulen klammheimlich auszutrocknen,
und zwar diejenigen, die auf eine eigene Oberstufe hinarbeiten.
Ich möchte das einmal anhand von drei Beispielen illustrieren. Zum einen betrifft das die schülerzahlbezogene Lehrerstundenzuweisung. Das ist - das habe ich schon gesagt; das kann man nicht oft genug sagen - die pure Mangelverwaltung; das ist aber heute gar nicht so vorrangig mein Thema.
Der Faktor für die Berechnung ist von 1,48 auf 1,42 gesenkt worden, und zwar für die Sekundarschulen und für die Gemeinschaftsschulen. Das benachteiligt klammheimlich - oder vielleicht auch nicht klammheimlich; ich glaube, eher nicht klammheimlich - die Gemeinschaftsschulen.
Die Sekundarschulen hatten einen Faktor von 1,48 und die Gemeinschaftsschulen von 1,51. Sie hatten also einen Vorteil von 0,3, was den Faktor für die schülerzahlbezogenen Lehrerstundenzuweisung betrifft.
Das machte auch Sinn, weil nämlich Gemeinschaftsschule nur dann Sinn macht, zumindest mit den Schuljahrgängen bis 13, wenn für alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit besteht, eine zweite Fremdsprache zu erlernen, und zwar mit vier Wochenstunden. Ansonsten macht Gemeinschaftsschule keinen Sinn.
Genau die Gemeinschaftsschulen bis zum Schuljahrgang 13, die sozusagen mit Kabinettsbeschluss geadelt worden sind, werden zurückgestutzt auf die Ebene der Sekundarschule. Damit
wären genau diese drei Schulen - es sind nur drei im Land - gezwungen, entweder größere Klassen zu bilden oder auf ihre zusätzlichen Angebote zu verzichten, stärker als Sekundarschulen zumindest, oder sie können die zweite Fremdsprache nicht mehr für alle anbieten.
Das heißt, der Grund für ihre Errichtung, nämlich alle Schulabschlüsse anzubieten, geht verlustig. Sie werden weniger attraktiv, genau durch weniger zusätzliche Angebote oder größere Klassen.
Der zweite Punkt hängt eng damit zusammen. Das ist die Zukunft der eigenen gymnasialen Oberstufe; denn diese macht natürlich eine Gemeinschaftsschule erst richtig attraktiv. Offenbar wird sie als Gefahr für das Gymnasium gesehen.
So muss ich das zumindest deuten. Das ist vieldeutig; das sagt viel.
Ich sage noch einmal: Wettbewerb belebt das Geschäft.
Schade, dass an dieser Stelle dieser Wettbewerb gescheut wird und subtile Verhinderungsstrategien zur Anwendung kommen.
Der nächste Punkt betrifft die Mindestschülerzahl der gymnasialen Oberstufe. Für das traditionelle Gymnasium gibt es normalerweise nicht den Faktor; vielmehr sind in der Regel 50 Schülerinnen und Schüler vorgeschrieben.
Das ist für Gesamtschulen keine große Übung. Bei mehreren Gymnasien gibt es dazu eine Sollvorschrift. Das heißt, Ausnahmen sind möglich und das Landesschulamt darf diese Ausnahme prüfen. Gemeinschaftsschulen wird diese Ausnahme aber de facto - nicht de jure - verwehrt; denn wenn das nächstgelegene Gymnasium - das ist in allen drei Fällen der Fall - in vernünftiger Entfernung liegt, dann wird diese Ausnahme verwehrt. Das ist klar so: Das ist in Wittenberg so, das ist in Wolmirstedt so und das ist in Aschersleben so.
Die Idee der Gemeinschaftsschule wird auf diese Art und Weise klammheimlich geschreddert. Es trifft vor allem die erfolgreichen. Ich sage noch einmal: Ich glaube, das ist Absicht.
Der letzte Punkt dazu betrifft die Stellen der Oberstufenkoordination. Für eine eigene gymnasiale Oberstufe braucht es eine Oberstufenkoordination. Diese Stelle muss ausgeschrieben werden. Das ist bis heute nicht geschehen - ich vermute, in der Hoffnung, die Gemeinschaftsschulen mit der Absicht eigener Oberstufen bekommen das sowieso nicht hin. Es werden ihnen ja auch ausreichend Hürden in den Weg gestellt.
Das ist in etwa so, als wenn ich jemandem den Hahn abdrehe, mich dann darüber aufrege, dass kein Wasser kommt, und dann sage: Jetzt machen wir den Laden zu!
Meine Damen und Herren! Alles in allem wird der Schulform Gemeinschaftsschule auf diese Weise das Wasser abgegraben - ich finde das extrem schade; ich sage es noch einmal: es sind drei sehr erfolgreiche Schulen -, und das aus dem simplen Grund - das ist bereits bekundet worden -, weil die CDU keine erfolgreichen und attraktiven Gemeinschaftsschulen haben möchte.
Aus ideologischen Gründen! - Das könnte ja Schule machen. Außerdem wollen die Gymnasien keine Konkurrenz.
SPD und GRÜNE merken es entweder nicht oder wollen keinen Ärger oder es ist ihnen nicht wichtig.
Auf diese Art und Weise wird das Vorhaben „Längeres gemeinsames Lernen“ still und heimlich begraben, anstatt es auszubauen und zu qualifizieren.
Meine Damen und Herren! Das Gemeinschaftsschulkonzept der vergangenen Legislaturperiode war wirklich der allerkleinste gemeinsame Nenner. Mir fiele - das können Sie sich sicherlich vorstellen - noch eine Menge mehr ein, was man auf diesem Gebiet machen könnte. Aber ich finde, wenn sich Schulen vier Jahre lange auf den Weg gemacht haben, dann sollten wir das respektieren und wenigstens diesen kleinsten gemeinsamen Nenner nicht den Bach runtergehen lassen.
Ja.
Ich möchte zu den drei Punkten etwas sagen. Herr Bischoff - er heißt nur zufällig so - hat in den vielen Gesprächen, die er mit uns im Vorhinein und im Nachhinein geführt hat, ausdrücklich betont, dass er sich mit seiner Auffassung absolut zurückhält. Ich glaube, Sie würden ihm sehr Unrecht tun, an dieser Stelle durchblicken zu lassen: Weil Herr Bischoff - ich weiß es gar nicht mehr so genau, ob es so ist; so lange haben wir uns gar nicht unterhalten - dafür sei, seien auch die Schüler dafür.
Zumindest waren dort auch sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Ich habe gesagt, das war der kleinste gemeinsame Nenner bei den Schülerinnen und Schülern. Natürlich haben sie das Gymnasium nicht infrage gestellt. Wer stellt denn das überhaupt infrage?
Das stellt niemand infrage.
Das haben nicht einmal wir infrage gestellt. Die Frage ist nur: Wann beginnt die Trennung in den gymnasialen Teil und den anderen Teil. Das ist der Unterschied zwischen uns.
Bei ihrem Dialog war ich natürlich nicht dabei.
- Das nehme ich gern zur Kenntnis. Aber dazu kann ich jetzt nichts sagen.
Aber bezüglich des anderen Punktes tun Sie sowohl dem einen als auch den Schülerinnen und Schülern, glaube ich, Unrecht.
Ich kann auf einige Argumente später noch einmal eingehen. Ich habe zunächst die Frage: Sind Sie der Auffassung, dass das Personal von drei Oberstufenkoordinatorinnen und ein Faktor für die Personalbemessung von 0,3 für drei Schulen über die Unterrichtsversorgung im Land entscheiden wird? Sind Sie ernsthaft dieser Auffassung?
Eine Intervention. - Ich finde schon, dass wir als Parlament gelegentlich auf Gefühle Rücksicht nehmen sollten und diese auch persönlich respektieren. Ein demokratietechnisches Problem habe ich in der Bemerkung meiner Kollegin nicht erkennen können. Ich hätte gern gewusst, welches demokratietechnische Problem sie damit ansprach.
Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn es ein bisschen absurd klingt: Ich bin unter den gegebenen Umständen trotzdem dankbar für diesen Antrag und für diesen Redebeitrag. Einfach des
halb, weil es Sie als das kenntlich macht, was Sie sind.
Es ist in der Tat komisch und immer wieder irgendwie irritierend: Man braucht das überhaupt nicht zu demaskieren; denn Sie sagen es so frank und frei und unverblümt.
- Ja, genau. - Ich will Ihnen gern glauben, wenn Sie sagen, Sie merken nichts. Das will ich Ihnen gern glauben. Trotzdem sind Sie zurechnungsfähig,
und deshalb muss man in diesem Parlament immer wieder sagen, was hier los ist.
Aus Ihrem Antrag kommt aus allen Knopflöchern ein Weltbild, das gewissermaßen menschliche Vielfalt einebnen und durch Einfalt ersetzen will.
Alles, was nicht deutsch ist, wird irgendwie in Misskredit gebracht. Alles, was nicht nach Ihrer Fasson selig macht, ist geisteskrank, ist unnormal, ist bekämpfenswert, ist Wahn oder sonst was. Modernität ist Teufelszeug. Das ist ein Weltbild, das Menschen in erste, zweite und dritte Klasse einteilt.
Deshalb ist es folgerichtig, dass dieser Antrag nur einen Zweck hat, und zwar Kinder von Zugewanderten und von Flüchtlingen als zweitklassig zu markieren und in Misskredit zu bringen, ihnen hier den Aufenthalt zu vergällen,
sprich - jetzt bleibe ich einmal in Ihrem Jargon - den - in Anführungszeichen - deutschen Volkskörper frei von ausländischem Einfluss zu lassen. Das ist Ihr Ansinnen.
Aber, meine Damen und Herren, deutsche Klassen für Deutsche können niemals erstklassig sein, weil sie ein falsches Bild von der Welt vermitteln und weil sie Selbstbilder erziehen würden, die in Großmannssucht enden. Und Großmannssucht hat in allen Fällen immer etwas mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun.
Mit Ihren fürchterlichen deutsch-nationalen Minderwertigkeitskomplexen erziehen Sie bestenfalls einfältige Gartenzwerge anstatt kluge, aufgeklärte Weltbürger.
Kindern würde so vorenthalten, dass die Welt bunt und vielfältig ist und dass Vielfalt einfach zum Menschsein gehört, und dass man diesem Menschsein mit sozialen, mit demokratischen, mit menschlichen und solidarischen Prinzipien nicht nur begegnen muss, sondern dass man es gestalten muss. Das ist eine menschenrechtliche Perspektive.
Aber davon abgesehen gibt es natürlich auch eine bildungspolitische Perspektive. Diese heißt schlicht und ergreifend: Die Quelle von Bildung war noch nie Einfalt, sondern ist immer Vielfalt.
Natürlich, meine Damen und Herren, sind Vielfalt und Heterogenität in der Schule immer eine sehr große Herausforderung, in allen Bildungseinrichtungen, wahrscheinlich auch in allen Lebenszusammenhängen, auch unter uns Einheimischen im Übrigen. Das hat viel mit pädagogischer, didaktischer und auch sozialer Kompetenz zu tun, wie man also Vielfalt produktiv gestalten kann, in dem Fall für Lernprozesse.
Hierin liegt aber genau das Problem, weil die notwendigen Ressourcen fehlen, meine Damen und Herren. Wir haben Mangelwirtschaft in Sachen Personal und deshalb - nicht nur deshalb, aber vor allem deshalb - droht die Idee von Inklusion und Integration ruiniert zu werden.
In Stadtteilen, in denen Migrantinnen und Migranten wohnen, gibt es natürlich auch Schulen, in denen viele Kinder von Migrantinnen und Migranten sind. Ich will Ihnen ehrlich sagen: Klar, unter Laborbedingungen hätte ich auch ganz gern ein soziale Mischung, die die gesamte Vielfalt, also die gesamte Breite abbildet, Frauen, Jungen und Mädchen, Einheimische, Zugewanderte, unterschiedliche Religionen und unterschiedliche Kulturen, weil das alles doch eine Quelle von Bildung ist, sowie leistungsstärkere Kinder oder Kinder, die mehr Unterstützung brauchen.
Aber ich habe schon gesagt, die Schule ist eben kein Labor, meine Damen und Herren. Ich finde, Obergrenzen für Kinder - gleich welcher sozialer Lebenslage - inakzeptabel. Damit kann man keinem Problem beikommen.
Ich finde, dass man an dieser Stelle durchaus über unterschiedliche Konzepte diskutieren kann und es auch muss, also zum Beispiel darüber, ob man in sogenannten Brennpunktschulen - das lässt sich unterschiedlich definieren - mehr Ressourcen, also mehr multiprofessionelle Teams ermöglicht. Man kann auch eine Debatte über Stadtpolitik führen. Ich sehe jedenfalls die Quotenregelung sehr skeptisch.
Niemand würde auf die Idee kommen, Kinder von Hartz-IV-Beziehern zu quotieren oder schwerstmehrfach begabte Kinder zu quotieren. Das ist auch eine Herausforderung. Weshalb dann bei Migrantinnenkindern?
Entscheidend ist für mich bei so einer Fachdebatte, die man durchaus kontrovers führen kann, aber die Prämisse, wie ich herangehe. Herr Tillschneider hat die Prämisse der AfD hier klargelegt. Entweder ich habe den Anspruch, Integration, Chancengerechtigkeit, Humanität und Vielfalt als Quelle von Bildung zu sehen, oder ich habe die Absicht, Integration zu verhindern, diese Kinder als unerwünscht zu markieren und Bildung als Einfalt zu verstehen.
Die Vorstellungen der AfD von Bildung orientieren sich eben an Letzterem. Deswegen werde ich mich an dieser Stelle auf der Basis dieses Antrages in keine Fachdebatte einbringen. Das ist der Grund, nicht die kontroverse Bildungsauffassung. Der Grund ist Ihre Menschenfeindlichkeit, diese subtile und offene Feindseligkeit
gegenüber Migrantinnen und Nichtdeutschen. Deshalb ist ein solcher Antrag für uns nicht verhandelbar, nirgendwo.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wer Zukunft gestalten will, der muss sich der Vergangenheit stellen. Ich denke, das ist ein Satz mit sehr unterschiedlichen und vielfältigen Perspektiven und Deutungen. Da ist zum einen die rechtlich-moralische Dimension - es müssen eigene Verstrickungen auf den Tisch kritischer Betrachtungen - und da ist zum anderen die politische Dimension. Dahinter steht der Anspruch, wir wollen und wir müssen wissen, wie diktatorische und autoritäre Verhältnisse im Großen wie im Kleinen funktionieren.
Was war die DDR? - Das Sozialismuskonzept der DDR ist gescheitert und es musste scheitern, weil es darauf setzte, den Menschen zwar soziale Sicherheit zu bieten - selbst das hat sehr unterschiedliche und kritische Perspektiven -, aber gleichzeitig elementare demokratische Grund- und Freiheitsrechte missachtete. Es fehlten demokratische Strukturen. Es gab keine freien demokratischen Wahlen. Es gab nicht den uneingeschränkten Schutz durch verbriefte Rechte des Einzelnen.
Es waren vor allen Dingen politisch Andersdenkende, die sich auf diese Verbindlichkeit demokratischer Rechte nicht verlassen konnten. Sie waren offen und verdeckt Benachteiligungen ausgesetzt, wurden politisch verfolgt oder gar ihrer Freiheit und ihrer Würde beraubt.
Bürgerinnen und Bürger der DDR haben ein solches Sozialismuskonzept klar und unmissverständlich abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Das ist ein Zitat gewesen aus einem Beschluss, den die LINKE Sachsen-Anhalt im Herbst 2014 in Quedlinburg beschlossen hat. Ich habe es nicht nachprüfen können, würde aber einmal schätzen, zwei Drittel der Delegierten waren ehemalige Verantwortungsträger.
Wenn wir heute über DDR-Unrecht diskutieren, dann gilt immer wieder denen der Dank und vor allem der Respekt, die sehr viel riskiert haben, die vor allen Dingen sehr viel riskiert haben lange vor dem Herbst 1989, und zwar zu einer Zeit, als sie noch wenige und damit deutlich gefährdeter waren als später, als es viele wurden.
Anfang der 90er-Jahre hatte meine Partei sehr viel Diskussionsbedarf. Schließlich waren und sind wir die Partei vieler Verantwortungsträger, auch wenn mittlerweile viele junge Leute zu uns gestoßen sind, die eine ganz eigene, manchmal auch andere Perspektive auf die Vergangenheit haben.
Ich will natürlich sagen, es wäre unglaubwürdig, an dieser Stelle zu behaupten, dass wir zu jeder Zeit erfolgreich gewesen wären im Sinne einer kritischen Perspektive. Dennoch will ich es in aller
Form zurückweisen zu sagen, wir hätten uns dieser Verantwortung nicht gestellt. Meine Reden in diesem Plenum sind immer öffentlich gewesen. Es gibt nichts Öffentlicheres als Parteitage und Vertreterinnenversammlungen der Partei DIE LINKE.
Wir alle sind auf diesem Gebiet mittlerweile keine Neulinge mehr. Wir haben ca. 27 Jahre Erfahrung. Welche Erfahrungen sind das? Welche Erfahrungen gehören dazu?
Debatten über DDR-Unrecht erhitzen nach wie vor sehr stark die Gemüter. Ich sage einmal, aus der Perspektive derjenigen, die drangsaliert wurden, finde ich das auch sehr nachvollziehbar. Es erschwert aber - ebenso nachvollziehbar - differenzierte und, ich will auch sagen, damit keineswegs weniger anstrengende Debatten.
Grundsätzlich ist darüber viel diskutiert und dazu auch viel beschlossen worden. Um aber der Frage auf den Grund zu kommen, wie die DDR in ihren mikrosozialen, in ihren kleinen Strukturen funktioniert hat, ist der Blick auf persönliche Verstrickungen nötig. Das ist mit Fragen verbunden an das Mitglied der SED, der FDJ, der Gewerkschaften, mit Fragen an Mitglieder und Funktionäre der Blockparteien, mit Fragen an Akteurinnen im Sport, an Künstler und an viele andere mehr. Viele Fragen, behaupte ich, sind noch nicht gestellt worden, geschweige denn diskutiert oder gar beantwortet worden.
Gewinn bringend fände ich beispielsweise Gespräche zwischen dem ehemaligen IM, der im Jahr 1994 auf der Titelseite der „Bild“ veröffentlicht wurde, seine eigene politische Vergangenheit allerdings nie verschwiegen hat und sich damit nach wie vor kritisch auseinandersetzt, und denjenigen, die von der Staatssicherheit drangsaliert oder gar verfolgt worden sind.
Ich weiß, dass es schwer ist, aufeinander zuzugehen, vor allen Dingen für diejenigen, die gelitten haben, die sehr viel mehr riskiert haben als diejenigen, die heute wissen, was richtig war oder gewesen wäre.
Gewinn bringend fände ich Gespräche zwischen der ehemaligen SED-Bezirkssekretärin und dem Wissenschaftler, der nicht nur kritisch gedacht, sondern der auch aufgeschrieben hat, was er dachte. Beide sind gegebenenfalls sogar Mitglieder meiner Partei. Ich finde, dass das ein sehr nachdenklich machender und zugleich interessanter Umstand ist.
Gewinn bringend, meine Damen und Herren, fände ich aber auch Gespräche zwischen den jungen und jüngeren Leuten meiner Partei, die durchaus einen sehr kritischen Blick auf die DDR haben, und ehemaligen Mitgliedern der Blockparteien - nur einmal so als Beispiel -, die für sich
reklamieren, ohne den Begriff des Unrechtsstaats sei keine Diskussion möglich, und dennoch über viele Jahre in selbigem als Mandatsträger gesessen haben.
Im Antrag der Fraktion der GRÜNEN ist von Versöhnen und Verstehen die Rede. Ich will sagen, ich bin keine Verfechterin des Begriffs „Versöhnung“. Ich glaube, ehrlich gesagt, auch nicht, dass es nötig ist. Ich finde wichtiger das Verstehen, natürlich nicht im Sinne von einverstanden - selbstverständlich nicht -, sondern im Sinne von Interesse und Nachvollziehbarkeit.
Nun zu der Frage, wie meine Fraktion zur Einsetzung des Stasi-Überprüfungsausschusses - ich bezeichne es einmal so - steht.
Politische Biografie ist keine Privatsache und vor allem dann nicht, wenn man den Anspruch hat, sich in die Auseinandersetzungen im parlamentarischen System einzubringen. Deswegen gelten für uns zwei Punkte.
Erstens. Eine Kandidatur für ein Amt oder ein Mandat erfordert die Offenlegung der politischen Biografie. Zur politischen Biografie gehört für uns auch - auch, aber eben nicht nur - die Kooperation mit dem Ministerium für Staatssicherheit. Das meint auch eigene Verantwortung in der Zeit der DDR als Mitglied der SED, der FDJ, als Funktionsträger von Blockparteien und vieles andere mehr.
Das entscheidende Kriterium für uns ist dabei aber die heutige Perspektive, meine Damen und Herren, die heutige politische Perspektive auf die Verantwortung von damals. Die selbstkritische Reflexion des eigenen Handelns, und das auf offener Bühne, ist für uns das entscheidende Kriterium.
Zweitens. Wenn persönliche Verstrickungen insbesondere mit dem System der Staatssicherheit nachträglich bekannt werden, dann erwarten wir eine Vertrauensabstimmung in geheimer Form von dem Gremium, das gewählt hat.
Nun können Sie mich fragen, wie erfolgreich war denn Ihre Strategie. Dazu will ich erstens sagen, hier in Sachsen-Anhalt gab es seit dem Jahr 1994 keinen einzigen Fall, bei dem nachträglich Unbekanntes zutage gefördert wurde, und es gab keinen Fall, bei dem es nicht ausreichend vorher öffentlich gemacht worden ist, und ich sage dazu, immer verbunden mit öffentlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen. Viele von Ihnen waren Zeuge dessen.
Zur Wahrheit gehört aber eben auch, unsere Art des Umgangs mit den persönlichen und politischen Biografien bietet und bot natürlich keine Sicherheit für Ehrlichkeit und Transparenz. Der Start der rot-roten Regierung in Brandenburg war sehr stark durch Unehrlichkeit belastet.
Wir haben Kritik und Skepsis bei der Regelüberprüfung im Parlament. Die Debatte reduziert sich - das ist auch in der Tat unsere Erfahrung - auf dichotome Kategorien wie „schuldig“ oder „nicht schuldig“, „IM“ oder „nicht IM“. Ich frage einmal vorsichtig in den Raum, ohne eine Antwort zu erwarten, wie viele der damaligen Abgeordneten sich die Stasi-Akte von Frau Tiedge tatsächlich angeguckt haben. Interessant ist aber, warum es der eine oder andere nicht tat.
Die Praxis der Regelüberprüfung befördert nach unserer Auffassung einen Tunnelblick auf die Geschichte und dient nicht selten der Entlastung statt dem Blick auf Vielfalt von Verstrickungen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Eine kontroverse, aber ehrliche Diskussion darüber, wie eine Diktatur in ihren sozialen und politischen Strukturen, in ihren Regeln und Ritualen funktioniert, was persönliches Handeln in unterschiedlichen Funktionen dazu beiträgt und wo es seine Grenzen hat, finde ich sehr nötig und lehrreich, wenn es heute darum geht, wie man autoritäre Strukturen aufbricht. Unser Anspruch war und ist dabei, über komplexe Verstrickungen zu diskutieren und die Biografie nicht auf eine Stasi-Mitarbeit zu reduzieren.
Auf diese Weise kann man nach unserer Auffassung dem Funktionieren einer Diktatur nicht auf die Spur kommen. Recht und Unrecht, vor allem in seinen differenzierten Verstrickungen und schon gar nicht inmitten parteipolitischer Konkurrenz, ist auf diese Weise nicht feststellbar. Meine Fraktion wird sich deshalb teils der Stimme enthalten und teils dagegen stimmen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2019 jährt sich das Jahr der friedlichen Revolution zum 30. Mal. Es ist 25 Jahre nach der Veröffentlichung der IM-Mitgliedschaft in der „Bild“-Zeitung in Halle. Ich erneuere mein Angebot, das ich an anderer Stelle schon gemacht habe: Lassen Sie uns das nutzen, um die LINKE, um meine Partei beim Wort zu nehmen. Lassen Sie uns öffentlich darüber diskutieren, auch mit ehemaligen IMs und Funktionsträgern meiner Partei, worin lag und liegt persönliche und politische Verantwortung mit dem Blick auf die DDR. Ich hielte das für Gewinn bringender, notwendiger und keinesfalls weniger anstrengend, und zwar für alle Beteiligten.
Wir werden uns dieser Auseinandersetzung auch künftig stellen.
Nein, der Stimme enthalten.
Zunächst zu dem differenzierten Abstimmungsverhalten. Das kann ich ganz einfach machen,
weil ich finde, dass meine Begründung, die ich vorgetragen habe, sowohl in eine Enthaltung münden kann als auch in eine Ablehnung.
Dann will ich sagen, die Art und Weise der Regelüberprüfung muss man messen an dem, was danach passiert ist, wie sozusagen die Debatten danach erfolgt sind.
Die Debatten danach waren öffentlich, Frau Feußner. Darf ich ausreden?
Deswegen habe ich gesagt, ein solcher Ausschuss oder die Arbeit dieses Ausschusses muss sich daran messen lassen, welche öffentlichen, welche parlamentarischen Debatten sich im Anschluss daraus ergeben haben. Dazu habe ich eine ganze Menge gesagt, dass sich diese Debatten, wie Sie gesagt haben, lediglich auf Schuld und Sühne, auf „schuldig“ und „unschuldig“ begrenzt haben.
Deswegen sage ich, diese Form der Auseinandersetzung bringt kaum eine differenzierte Betrachtung auf den Weg, weil das Komplexe, was ich gesagt habe, SED, Blockpartei, FDJ, dort kaum eine Rolle spielt und im Übrigen auch im Parlament zumindest im Zuge dieser Art von Aufarbeitung keine Rolle gespielt hat.
Ich habe noch einen Satz.
Ja, Sie haben recht, man könnte sagen, es ist der erste Schritt. Wenn es der erste Schritt wäre und andere folgten, dann würde ich sagen, Ihre Argumentation stimmt, aber genau diese anderen Schritte haben gefehlt.
Deswegen denken wir, es führt zu einem Tunnelblick. Das sind Erfahrungen aus 27 Jahren.
Nein, das finde ich nicht. Ein Ausschuss, ein Arbeitskreis muss sich daran messen lassen, was er im Anschluss daran zutage fördert
bzw. welche Diskussionen geführt werden. Allein die Anlage, der Auftrag des Ausschusses ist nicht dazu angelegt, tatsächlich die Komplexität von Verstrickungen aufzudecken.
Ja, klar.
Herr Lehmann, dahinter steht implizit die Behauptung, Geheimdienste von heute seien mit der Stasi vergleichbar. Nun wissen Sie, dass meine Partei eine extrem kritische Position auch zur Geheimdiensttätigkeit heute hat. Dennoch muss ich konstatieren, dass Geheimdiensttätigkeit heute unter demokratischen Spielregeln - wenngleich ich sie gern sehr viel anders ausgestaltet wissen möchte - in ganz anderen Zusammenhängen stattfindet als zu Zeiten der DDR.
Wir behandeln hier den Auftrag eines Parlaments, der zur Basis ein Gesetz hat. Im Abgeordnetengesetz ist es, glaube ich, der § 46a. Der allein beschreibt die Grundlage dafür, was wir heute zu beschließen haben. Das geht nur: machen oder nicht machen. Einen Kompromiss kann ich da nicht entdecken.
Was die Frage der öffentlichen Auseinandersetzung angeht, glaube ich, ist ein Untersuchungsausschuss überhaupt nicht geeignet, weil dafür eine fortgesetzte gesellschaftliche Debatte nötig ist. Ich habe erneut angeboten: 2019 haben wir ein Jubiläum. Jubiläen eignen sich wegen der Aufmerksamkeit immer in besonderer Weise. Lassen Sie uns darüber diskutierten. Das ist öffentlich. Ein Untersuchungsausschuss ist doch bei Weitem nicht in diesem Maße öffentlich wie die notwendige gesellschaftliche Debatte darüber, wie persönliche Verstrickungen aussahen, wie sie dazu geführt haben, die DDR-Diktatur zu stabilisieren.
Herr Striegel, ich kann nicht alle öffentlichen Äußerungen meiner Fraktionsmitglieder kommentieren. Aber wenn ich jetzt sagen würde, es wären Gespräche möglich, würde ich so tun, als wenn wir nur bockig oder beleidigt gewesen wären. Ich will ganz klar sagen: Unsere Kritik und unsere Skepsis sind sehr ernst gemeint. Ich wiederhole: Überprüfung geht nur als machen oder nicht machen. Ich will nicht ausschließen, dass man möglicherweise zu einem Text gekommen wäre
oder später zu einem Text kommt, der all die Kritik, die ich vorgebracht habe, in irgendeiner Weise einfängt und zu einem gemeinsamen Anliegen macht. Aber an dieser Stelle kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen.
Frau Schindler, viele Ihrer Einschätzungen, was notwendige Aufarbeitungsinitiativen und Debatten betrifft, teilen wir, teile ich ausdrücklich. Unsere Kritik bezog sich auf die Regelüberprüfung hier im Haus.
Herr Striegel hat den Verein Zeitgeschichte Halle e. V. angesprochen. Wie passt es zusammen, dass in dem gleichen Zeitraum, in dem wir hier diskutieren, an den Verein Zeitgeschichte die E-Mail geschickt wird, dass die Mittel der institutionellen Förderung von 57 000 € nunmehr gekürzt bzw. gesperrt werden auf 51 300 €?
Frau Kollegin, ich habe vorhin in meinem Redebeitrag die Auffassung meiner Partei, meiner Fraktion zu der DDR-Diktatur unmissverständlich wiedergegeben. Ich will es, weil wir junge Menschen auf der Tribüne haben, wiederholen.
Wir haben gesagt: Die DDR musste daran zugrunde gehen, dass es keinerlei verbindliche demokratische Grund- und Freiheitsrechte gegeben hat, dass es Verbrechen gegeben hat, dass es Benachteiligungen gegeben hat - so wie Sie es geschildert haben.
Ich will zweitens sagen: Ihre Debatte - dabei geht es mir exakt so wie Frau von Angern - ist Beleg dafür, dass diese Debatte immer und immer wieder reduziert wird auf schwarz und weiß. Sie und Ihre Partei sind selbstverständlich immer weiß. Ich habe in diesem Hause bisher wenige kritische Worte zur CDU-Vergangenheit gehört, zu Schuld oder nicht Schuld.
Das ist der Beleg dafür. Es geht um den Duktus der Abrechnung.
Ich weise den ungeheuerlichen Vorwurf zurück, dass meine Partei die Machenschaften von Mielke und der Staatssicherheit hier immer wieder gerechtfertigt hätte. Das tue ich mit aller Entschiedenheit.
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Die AfD will hier im Landtag darüber diskutieren, warum die Studierenden in Magdeburg an der Uni nicht mit ihnen diskutieren wollten,
sondern das Ganze ausgesessen haben. - Tun wir das.
Ich finde, wenn wir schon über sie reden, ist es angesagt, dass sie dabei sein können. Deshalb würde ich an dieser Stelle gern die Studierenden und andere Hochschulangehörige herzlich begrüßen. Die Geschäftsordnung erlaubt es nicht, deshalb tue ich es nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde gern diese Debatte vom Kopf auf die Füße stellen und fragen: Wozu studiert man eigentlich? Man studiert, um die Welt danach spezialisierter, fundierter, aber auch differenzierter betrachten zu können. Meistens lernt man dabei, dass zwischen Schwarz und Weiß eine unermessliche Bandbreite von Grautönen, vor allem aber von Farben liegt. In den meisten Fällen ist dieses Vorhaben auch erfolgreich, in anderen wiederum nicht.
Klüger zu werden, freier zu werden, selbstbestimmter, kompetenter zu werden, das ist ein, wenn nicht sogar d e r Kern wissenschaftlicher Ausbildung. Und das, meine Damen und Herren, das und nicht mehr, aber eben auch nicht weniger haben Studierende am 12. Januar verteidigt. Mit sogenanntem Linksextremismus hat diese Debatte so viel zu tun wie der Fisch mit dem Fahrrad.
Studierende wollen an der Universität ihren Horizont erweitern
und ihn nicht von einer Partei wieder zumauern lassen.
Ich bitte Sie, wenn ich als junge Frau dort hingehe, will ich doch nichts davon hören, dass ich da eigentlich nicht hingehöre, weil irgendwie die Hirne unterschiedlich sind oder dergleichen.
Ich will doch nicht Geisteswissenschaften studieren, um mir dort erklären zu lassen, dass der eine normal und der andere unnormal ist.
Ich will auch nicht Geschichte studieren, um mir irgendetwas vom deutschen Volkskörper erzählen zu lassen und dass man das wieder in einen positiven Kontext setzen müsste. Wo leben wir denn, meine Damen und Herren?
Gut so, dass es die Studierenden gab, die am 12. Januar nicht ihren Platz geräumt haben. Im Übrigen kommt diese Form aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Sit-in oder sitzen bleiben. Sitzen bleiben da, wo man unerwünscht ist und sitzen bleiben dort, wo man Menschen ansonsten ihre Rechte streitig macht. Das ist ca. 60 Jahre her - das gebe ich zu - und man kann fragen, muss es jetzt so eine große historische Nummer sein? Ja, ich denke, wenn man in die USA schaut, wenn man nach Europa schaut und wenn man in den Landtag schaut, muss man leider sagen: ja.
Gut so, dass es diejenigen gegeben hat, die diesen Abend vorgedacht haben, um sich wirklich einmal Klarheit darüber zu verschaffen, was bedeutet eigentlich eine AfD-Veranstaltung, die Strategien und Engagement für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern als - Zitat - „geselligen Zeitvertreib für Leute ohne Probleme“ bewertet? Als Büttenrede war es ja nicht gedacht, sondern es ist die politische Prämisse einer Partei. Und das, meine Damen und Herren, im 21. Jahrhundert ist ein Stück weit absurd.
Das ist wirklich absurd; denn hier ging es doch nicht um einen Diskurs. Die Antwort der Studierenden war ein Programm, wo sich Frauen, Männer, Lesben, Schwule, und Transgender-Personen vorstellen konnten,