Protokoll der Sitzung vom 03.02.2017

(Minister Marco Tullner: 15 Jahre! So lange schon?)

- Herr Minister, Sie können keine Frage stellen.

(Minister Marco Tullner lacht)

Wenn man sich die umliegenden Staaten ansieht - das ist einfach so - haben nicht nur wir in der Politik mit mehr Beschimpfungen zu tun, auch die Justiz steht leider in einer harschen Kritik und ist heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Und man kann entdecken, dass in sich totalitär entwickelnden Staaten die Justiz zum Feindbild stilisiert wird. Das muss uns zu denken geben. Insofern finde ich es wichtig, dass wir darüber diskutieren.

Das Anliegen, das die AfD vorgebracht hat, ist kein neues. Fast identisch in der Wortwahl hat die FDP das 2014 auch in den Sächsischen Landtag eingebracht bzw. die AfD auch in den Thüringer Landtag. Aber auch Abschreiben muss man regelmäßig üben.

(Unruhe bei der AfD)

Ich werbe heute für unseren Antrag. Wir haben deswegen einen Alternativ- und keinen Änderungsantrag gemacht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Fragen. Dann spricht für die Fraktion die GRÜNEN Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD unterstellt mit ihrem Antrag, es

würde eine permanente politische Einflussnahme des Ministeriums auf Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft stattfinden,

(Hannes Loth, AfD: Eben nicht!)

und fordert deshalb das Weisungsrecht des Ministers bzw. unserer Landesjustizministerin. Das ministerielle Weisungsrecht ist kein historisches Überbleibsel. Es dient heute auch nicht dem Zweck, den Einfluss der Exekutive auf das einzelne Strafverfahren zu sichern. Die Staatsanwaltschaft - ich denke, das ist heute mehrfach dargestellt worden - ist und bleibt Behörde. Ich will mir die Ausführungen zu der Frage, warum eine Behörde auch ein solches Weisungsrecht benötigt, jetzt sparen.

(Zurufe von der AfD)

Die Justizministerin hat sehr überzeugend dazu etwas vorgetragen. Kollegin Schindler, Kollegin von Angern haben dazu ausgeführt. Ich denke, das ist deutlich geworden.

Die Justiz entscheidet in völliger Unabhängigkeit und ist selbstverständlich nicht von irgendwelchen Weisungsrechten über den konkret zu würdigenden Sachverhalt befasst, nachdem die Polizei ermittelt hat. Das ist Business as usual im Rechtsstaat.

Jedoch - auch das ist ausgeführt worden - die Staatsanwaltschaft bedarf einer demokratischen Kontrolle. Diese wird zunächst in Selbstkontrolle durch interne Aufsichts- und Weisungsrechte ausgeübt. Da gibt es einen Leitenden Oberstaatsanwalt als Behördenleiter und den Generalstaatsanwaltschaft als vorgesetzte Behörde. Demokratie bedeutet aber auch Herrschaft des Souveräns, denn alle Staatsgewalt geht bekanntlich vom Volke aus. Es braucht also die demokratische Legitimation der Staatsanwaltschaft. Insofern ist ein Weisungsrecht dafür sinnvoll.

Staatliche Gewalt muss durch eine ununterbrochene demokratische Legitimationskette auf das Volk zurückgeführt werden können. Deswegen erfolgt die demokratische Kontrolle der Behörde Staatsanwaltschaft durch die Justizministerin des Landes Sachsen-Anhalt. Diese leitet sich dann wiederum von uns, den gewählten Abgeordneten des Landtages Sachsen-Anhalt ab.

In Sachen Weisungsrecht sind wir Bündnisgrüne der AfD einen Schritt voraus. Um die politische Beeinflussung von strafrechtlichen Ermittlungen zu verhindern, wollen wir eine restriktive Begrenzung des einzelfallbezogenen Weisungsrechts erreichen. Das allgemeine Weisungsrecht hingegen wollen wir erhalten.

In der Vergangenheit gab es immer wieder öffentliche Debatten, ob die zur Objektivität verpflichtete Staatsanwaltschaft einer zu starken politischen

Einflussnahme ausgesetzt ist. Schon allein aus dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz ergibt sich, dass Ermittlungen aus politischen Gründen nicht beeinflusst werden dürfen. Wir lehnen deshalb das einzelfallbezogene Weisungsrecht ab.

Warum aber werben wir für den Erhalt des allgemeinen Weisungsrechts? Für den Erhalt des allgemeinen Weisungsrechts sprechen vor allem die bereits dargelegten demokratietheoretischen

Gründe. Als Herrin von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren übt die Staatsanwaltschaft durch exekutive Maßnahmen wie Festnahme und Beschlagnahmung unmittelbaren Zwang aus und greift damit auch tief in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Gleichzeitig ist sie als Organ der Strafrechtspflege und mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität ein Teil der Judikative.

Im Gegensatz zu Richterinnen und Richtern ist die Tätigkeit von Staatsanwälten nicht funktionell auf die Rechtsprechung gerichtet. Stattdessen führt die Staatsanwaltschaft das Recht und damit exekutive Gewalt aus. Gerade bei den Ermittlungen unterliegt sie den Begrenzungen durch Richtervorbehalte und damit der Kontrolle durch die dritte Gewalt.

Im rechtsstaatlichen Strafrecht geht es gerade darum, exekutiven Maßnahmen die Unabhängigkeit richterlicher Überprüfung entgegenzusetzen, um so staatliche Zugriffe zu kontrollieren und sie damit gleichsam zu begrenzen. Damit ist die Staatsanwaltschaft die Vollstreckerin des Strafanspruchs des Staates. Sie zieht und gebraucht das schärfste Schwert, das ihm, dem Staat, legitim zur Verfügung steht, die Anwendung unmittelbaren Zwangs.

Diese Doppelgesichtigkeit zwingt dann auch zu einer eigenständigen Bewertung der Staatsanwaltschaft. Die Einbindung in die dritte Gewalt und damit ihre völlige Gleichstellung mit den Richterinnen und Richtern sehen wir als grüne Fraktion aus diesen Gründen kritisch. Den AfD-Antrag lehnen wir deshalb ab, unterstützen aber unsere Bundestagsfraktion in der Begrenzung des einzelfallbezogenen Weisungsrechts. - Herzlichen

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Minister Marco Tullner: War schon mal mehr!)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Kolze.

(Zustimmung von Florian Philipp, CDU, und von Lars-Jörn Zimmer, CDU)

Herr Kolze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abschaffung des ministeriellen bzw. externen Weisungsrechts stand in letzter Zeit häufiger in der Diskussion, zuletzt als Bundesjustizminister Maas im Verdacht stand, aus politischen Gründen versucht zu haben, Beweismittel zu unterdrücken und Ermittlungen gegen den Blog „Netzpolitik.org“ zu unterbinden.

Das zentrale Thema in dieser Diskussion über die Abschaffung ist der befürchtete Missbrauch des Weisungsrechts aus § 147 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Auch der Deutsche Richterbund hat sich in der Vergangenheit mehrfach für die Abschaffung des Weisungsrechts ausgesprochen.

Im Thüringer Landtag gab es im letzten Jahr eine Initiative, dass sich Thüringen für die Abschaffung im Bund einsetze. Der Landtag lehnte dies ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ministerielle Weisungsrecht, das bis in das Jahr 1846 zurückgeht, ist keinesfalls ein historisches Überbleibsel. Der Bundesminister trägt die politische Verantwortung für die Handlung der Bundesanwälte. Dies ist nur dann möglich, wenn ihm auch ein Weisungsrecht gegenüber den Beamten der Bundesanwaltschaft zukommt. Das externe Weisungsrecht ist ein notwendiges Instrument der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive.

In der Diskussion über die Abschaffung des externen Weisungsrechts gerät überwiegend in Vergessenheit, dass die Staatsanwaltschaft der Exekutive zuzuordnen ist. Die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich dem Legalitätsprinzip unterworfen. Sie muss Ermittlungen aufnehmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sind. De facto stehen ihr keinerlei Wahlmöglichkeiten zu, ob sie die Ermittlungen aufnimmt oder nicht.

Hiervon zu unterscheiden ist die Judikative, welche nach Artikel 97 Abs. 1 des Grundgesetzes unabhängig ist. Ein Gericht wird angerufen, ohne jedoch selbst tätig zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abschaffung des Weisungsrechts würde Staatsanwälten die gleiche Unabhängigkeit wie Richtern einräumen. Dies ist meines Erachtens zu kurz gedacht. Einerseits liegt hierin ein Verstoß gegen Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes, wonach die Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Andererseits unterscheiden sich die Verfahren wesentlich.

Das gerichtliche Verfahren ist grundsätzlich öffentlich und mündlich. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist hingegen ein schriftliches Verfahren, welches überwiegend geheim und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Auch würde die Abschaffung des externen Weisungsrechts die Staatsanwaltschaft von jeglicher Kontrolle und Verantwortlichkeit freistellen.

Wir müssen uns auch vergegenwärtigen, dass das Weisungsrecht des Justizministers nicht direkt gegenüber jedem Staatsanwalt besteht, sondern nach § 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes hierarchisch ist. Demnach hat der Minister das Weisungsrecht lediglich gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft und der Bundesanwalt

schaft. Zudem findet das Weisungsrecht des Ministers seine Grenzen in Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes, die Bindung der Staatsanwaltschaft an Recht und Gesetz, sowie im Legalitätsprinzip aus § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung.

Das Weisungsrecht darf weder von rechts- noch sachwidrigen Erwägungen geleitet sein. Seine Ausübung findet von vornherein keine Anwendung, soweit das Gesetz keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zulässt.

Der Fall Mollath, zu dem schließlich auch ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags eingesetzt wurde, um Fehlentscheidungen aufzuklären, ist ein Beispiel für die Notwendigkeit der politischen Verantwortung.

Das politische Überleben eines Justizministers kann von der ordnungsgemäßen Ausübung des Weisungsrechts abhängen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abschaffung des Weisungsrechts würde dem einzelnen Generalstaatsanwalt die Macht geben, letztverbindliche Entscheidungen zu treffen, ohne einem Parlament gegenüber verantwortlich zu sein und von einem Vorgesetzten korrigiert oder von einem Kollegium überstimmt werden zu können. Die Abgrenzung zwischen Politik und Verwaltung ist nicht mehr im erforderlichen Maß gegeben.

Derart viel Macht in die Hand eines Einzelnen zu legen, ist unserer Verfassung übrigens fremd. Einen ministerial- und regierungsfreien Raum zu schaffen, der jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen wäre, ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, meine sehr verehrten Damen und Herren. So entschied das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2001, dass die Staatsanwaltschaften trotz Eingliederung in die Justiz zur Exekutive zugehörig sind. Lediglich den Richterinnen und Richtern sowie den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes garantiert das Grundgesetz die völlige Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit.

In Einklang mit unseren Verfassungsgrundsätzen komme ich zu dem Ergebnis und damit zum Ende meiner Rede: abhängige Staatsanwälte und unabhängige Richter.

Den Antrag der AfD-Fraktion lehnen wir deshalb ab. Den Antrag der Fraktion DIE LINKE lehnen wir ebenfalls ab, da im Kern gleichfalls die Abschaffung des externen Weisungsrechts gefordert wird. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Als nächsten Redner bitte ich für die AfD-Fraktion Herrn Abg. Diederichs nach vorn. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der Spitze der Justizministerien - ich spreche jetzt ganz allgemein - stehen keine machtpolitisch neutralen Personen, sondern die Ministerinnen und Minister sind eingebunden in eine Kabinetts- und Parteidisziplin. Nicht nur die Staatsanwälte, sondern auch der Minister oder die Ministerin können bei politisch brisanten Fällen unter Druck geraten und dann in die Verlegenheit kommen, ihr Einzelweisungsrecht womöglich gegen ihr eigenes Gewissen auszuüben.