Protokoll der Sitzung vom 02.03.2017

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir reden heute wieder einmal über ein sehr ernstes Thema. Ich habe das in anderen Debatten schon gesagt: Ich glaube, die Politik ist gut beraten, mit dem Thema Rentenpolitik immer sehr behutsam umzugehen; denn wir müssen es schaffen, nicht nur eine Generationengerechtigkeit herzustellen, sondern in der Gesellschaft auch solidarisch miteinander umzugehen.

Wir behandeln dieses Thema nicht nur heute in der Aktuellen Debatte, sondern haben es des Öfteren im Ausschuss behandelt. - Herr Rausch, im Übrigen haben Sie in der letzten Debatte angekündigt, die rentenpolitischen Vorstellungen der AfD im Sozialausschuss darzulegen. Das ist bis heute nicht passiert. Vielleicht passiert das irgendwann einmal, damit man sich mit den Dingen konkret auseinandersetzen kann.

(Robert Farle, AfD: Wir bereiten uns vor am Montag!)

Ich denke, der wichtigste Punkt, über den wir heute reden - die Daten sind genannt worden -, ist das Thema Rentenangleichung Ost. Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass Frau Ministerin Petra Grimm-Benne angekündigt hat, dieses Thema, nach Möglichkeit mit anderen Ländern, nochmals in den Sozialausschuss des Bundesrates per Antrag einzubringen.

Ich verstehe die Diskussion. In vielen Punkten liegen wir in den Ursprungsforderungen der LINKEN nicht so weit auseinander. Ich denke, allein das ist eine Aussage, mit der wir deutlich machen, dass wir bei den Angleichungsschritten noch etwas bewegen wollen.

Ich sage sehr deutlich: Uns reicht der Kompromiss für die Angleichung der Renten noch nicht aus. Wir wollen die Angleichung schneller und wir wollen sie so, wie sie im Koalitionsvertrag steht, nicht nur im Bund, sondern auch bei uns im Land. Wir wollen sie also 2020 vollendet wissen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man das schaffen will, dann gehört auch dazu, dass wir es über Steuern finanzieren.

Ich finde es auch gut, wenn der Herr Ministerpräsident - im Moment ist er nicht anwesend -

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Auf der anderen Seite!)

- doch, er ist auf der anderen Seite -, in Presseerklärungen sagt, er setzt sich für eine schnelle Rentenangleichung ein. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, kann uns das vielleicht auch gelingen. Aber ich kann mich daran erinnern, dass immer die SPD die treibende Kraft gewesen ist, wenn es um die Rentenangleichung gegangen ist.

(Zustimmung bei der SPD - Tobias Rausch, AfD: Das ist eine Büttenrede! - Zuruf von Oliver Kirchner, AfD - Unruhe)

- Was glauben Sie denn? Meinen Sie, das ist von allein in die Koalitionsverträge gekommen?

(Beifall bei der SPD)

Koalitionsverträge macht man dazu, um sie einzuhalten.

(Lachen bei der AfD)

Deshalb ist es gut, dass sich die Ministerin jetzt noch einmal im Bundesrat per Antrag dafür einsetzt.

Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie ausdrücklich, es dabei nicht zu belassen, sondern wenn das in den Ausschüssen im Bundesrat ist, dann ist die gesamte Landesregierung, dann ist der Ministerpräsident am Zug. Ich baue auf Sie, dass wir diesbezüglich noch Veränderungen erreichen. Ich denke, so kann man das, was Sie öffentlich dargelegt haben, auch verstehen.

Also, bei der Rentenangleichung sind wir uns schnell einig. Wir haben eine gute und starke Landesregierung, auf die wir bauen und die gemeinsam versuchen wird, bei der Angleichung ein Stück weiterzukommen.

Meine Damen und Herren! Beim Thema Rente geht es um mehr als nur um die Rentenangleichung. Andrea Nahles hat, sowohl was die Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente angeht, aber auch was das Rentenniveau angeht, erste Pflöcke eingeschlagen.

Ich sage aber deutlich, dass es natürlich das Ziel sein muss, die Renten in Deutschland armutsfest zu machen. Wenn Menschen ihr Leben lang oder auch nur 30 Jahre lang gearbeitet haben und vielleicht durch widrige Umstände arbeitslos geworden sind, dann muss es das Ziel sein, dass es Renten gibt, die sich oberhalb der Grundsicherung wiederfinden und die dazu führen, dass Altersarmut der Vergangenheit angehört. Das muss das politische Ziel sein, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministe- rin Petra Grimm-Benne)

Meine Damen und Herren! Ich selbst habe eine Ausbildung auf dem Bau gemacht. Ich bin gelernter Betonbauer

(Zuruf von Frank Scheurell, CDU)

und kenne noch viele Kolleginnen und Kollegen, die mit mir damals die Ausbildung gemacht haben, die heute noch auf der Baustelle sind.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

- Ja, das ist mit uns hier nicht vergleichbar, Kollege Borgwardt. - Aber wenn man die Kollegen trifft und wenn man von den Sozialkassen des Baugewerbes weiß, dass der durchschnittliche Bauarbeiter das Rentenalter gar nicht erreicht, weil er aus dem Erwerbsleben ausscheidet, bevor er das 60. Lebensjahr erreicht hat, dann wird einem bewusst, dass uns dies zum Nachdenken anregen muss, dass dort Handlungsbedarf besteht und dass es Menschen gibt, die lange gearbeitet haben, aber die aufgrund der körperlichen Anstrengung das Rentenalter nicht erreichen.

Man kann über Verbesserungen im Bereich der Erwerbsminderung nachdenken. Aber das kann nicht alles sein. Auch dafür müssen wir Lösungen finden.

Ich könnte jetzt auch noch über die Pflegekräfte, die auch eine harte Arbeit verrichten, und viele andere sprechen. Das ist eben etwas anderes. Auch wenn ich jetzt mit den Lehrern, etwa dem Kollegen Lippmann, Ärger bekomme, sage ich: Ein Lehrer hat zwar eine psychische Belastung, aber er hat nicht die hohe Kraftanstrengung wie zum Beispiel ein Bauarbeiter oder eine Pflegekraft.

(Eva Feußner, CDU: Dann stellen Sie sich einmal 45 Minuten vor eine Klasse und das für sechs Stunden! So ein Quatsch! - Katrin Budde, SPD: Mann! - Unruhe)

- Ich rede jetzt hier nicht gegen die Lehrer. Ich will nur darauf hinweisen, dass es Menschen gibt, die besonders hart arbeiten.

(Eva Feußner, CDU: Das eine ist körper- lich, das andere psychisch! - Robert Farle, AfD: Frau Feußner, die Rede von Herrn Steppuhn ist Populismus! - Eva Feußner, CDU: Aber pur!)

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie das auch in den Bürgersprechstunden erleben. Ich habe es vor Jahren in der letzten Legislaturperiode in diesem Hause schon einmal gesagt. Wenn jemand nicht mehr so hart arbeiten kann, einen Antrag auf Erwerbsminderung stellt und dieser unter Umständen bewilligt wird, dann bekommt er in der Regel ein Formschreiben der Rentenversicherung. In diesem Formschreiben steht: Wir erkennen an, dass Sie nicht mehr kör

perlich hart arbeiten können. Aber Sie können ja in einem Baumarkt noch 17 Stunden oder irgendwo als Pförtner arbeiten.

Meine Damen und Herren! Das hört sich alles gut an. Nur, so viele freie Pförtnerstellen und so viele freien Stellen in Baumärkten gibt es nicht. Daher ist das zwar in der Theorie richtig, aber es löst das Problem der Menschen nicht, wie sie trotz Erwerbsminderung wieder auf den Arbeitsmarkt kommen.

Deshalb, glaube ich, ist es das Mindeste zu versuchen, zu einem Ausgleich von Rentenabschlägen zu kommen. Auch das hat etwas mit Solidarität zu tun. Ich glaube, wir sind mit Andrea Nahles, mit den Sozialministern, mit der SPD-Bundestagsfraktion und mit anderen auf einem ganz guten Weg. Es gibt dafür sicherlich keine einfachen Lösungen. Es geht dabei auch immer um Geld. Daher muss man über die Dinge sehr ernsthaft reden.

Ich weiß auch, das Thema Rente wird ein Wahlkampfthema werden - nicht weil wir das unbedingt wollen, sondern weil es viele Menschen in diesem Land gibt, die das Thema Rente interessiert, und weil es auch Interessenvertretungen wie die Gewerkschaften gibt, die dieses Thema ansprechen.

Ich finde es richtig, dass der DGB und die Gewerkschaften eine Rentenkampagne machen, um auch die Politik dafür zu sensibilisieren, dass das ein wichtiges Thema ist. Die Politik wird es schaffen müssen, gerade in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, gemeinsam mit den Ländern an Lösungen zu arbeiten und zu Lösungen zu kommen. Aber das geht natürlich nur, wenn wir die Prämissen Generationengerechtigkeit und Solidarität miteinander verbinden und auch beachten.

Ich möchte sehr deutlich sagen: Niemand in diesem Land will Armutsrenten. Niemand in diesem Land will Renten unterhalb der Grundsicherung. Natürlich haben auch Entwicklungen dazu beigetragen. Die gilt es letztendlich zu beeinflussen. Wir hoffen, dass wir nach der Bundestagswahl in Berlin eine kraftvolle Bundesregierung haben werden, die das umsetzt.

Der Herr Kollege Borgwardt lacht schon. Unser Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz macht

schon immer deutlich, wie er sich die Rente und auch die Arbeitsmarktpolitik zukünftig vorstellt.

Ich sage Ihnen eines, weil wir vorhin über Löhne geredet haben: Natürlich werden wir nicht umhinkommen, dass die Löhne auch immer Grundlage dafür sind, wie die Renten steigen. Ich habe es schon einmal gesagt - ich weiß nicht, ob das bereits überall in den Köpfen ist -: Wir haben am 1. Januar 2015 den Mindestlohn in Deutschland eingeführt.

Herr Kollege, ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Redezeit bereits zu Ende ist. Sie können sie noch verlängern. Es gibt zwei Wortmeldungen.

Dann nehmen wir erst die Wortmeldungen. Danach versuche ich, das mit einzubauen. Einverstanden?

Es gibt zwei Wortmeldungen, zum einen von Herrn Rausch und zum anderen von Herrn Gallert. Herr Rausch.

(Tobias Rausch, AfD: Ich ziehe zurück! Je- des Wort ist zu schade!)

- Okay. - Herr Gallert, bitte.

Herr Steppuhn, ich habe mich nicht wegen der Lehrer gemeldet. Aber es reizt mich dann schon.

(Heiterkeit)

Das gibt aber mit Lippmann Ärger.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Zahl der Bauarbeiter sowie der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer, die in der Lage sind, Vollzeit im Beruf das Regelrentenalter zu erreichen, etwa gleich hoch sein dürften. Deswegen ist das Problem bei Weitem nicht nur bei diesen Berufsgruppen so - ein typisches Beispiel sind die Dachdecker -, sondern es ist fast bei allen Berufsgruppen so, dass fast alle, mit Ausnahme der berühmten Uniprofessoren, die mit vier Semesterwochenstunden dann solche Thesen aufstellen, riesige Probleme haben, das Rentenalter zu erreichen, das unter anderem mit der SPD beschlossen worden ist; nur um das einmal zu sagen.