Die Steuerung von Ditib aus der Türkei und insbesondere die von der Bundesanwaltschaft angenommene Spionagetätigkeit von Imamen gegen Gemeindemitglieder ist ein Riesenproblem. Es geht schlichtweg nicht, wenn Ditib als Partner akzeptiert werden will.
Ditib spricht nur für einen Teil der türkischstämmigen Muslime und es spricht eben auch nur einen Teil an. Das macht es notwendig, nicht nur über Ditib zu reden, sondern auch über Milli Görüs, über die Islamische Föderation und andere und vor allem ganz grundsätzlich über die notwendige Klärung des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften,
über die Erfordernisse eines laizistischen Staates mit einer großteils atheistischen und andererseits eben multireligiösen Bevölkerung.
Deswegen hilft es erst einmal überhaupt nichts zu sagen: Ditib wird nicht mehr anerkannt, geschweige denn zu sagen: Wir überwachen Ditib. Wer dafür sorgen will, dass islamische Religionsgemeinschaften auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, der muss zuerst das Bedürfnis als legitim anerkennen, dass es in Deutschland islamische Religionsgemeinschaften gibt.
Es geht auch nicht um die Türkei. Das wird im Übrigen auch an der Kommentierung aus der AfD zu Inhaftierungen, beispielsweise des deutschtürkischen Journalisten Deniz Yücel deutlich.
Deniz Yücel sitzt seit 14 Tagen in der Türkei in Haft wegen seiner journalistischen Arbeit. Der Vorsitzende der Jungen Alternative für Deutschland kommentiert das: Nationalborderliner Yücel hätte in Deutschland schon längst wegen Beleidigung und Volksverhetzung ein Gefängnis von innen sehen sollen.
Ein anderer AfD-Abgeordneter - ich meine, in Mecklenburg-Vorpommern - sagt, er könne ja dort einmal überlegen, ob seine Aussagen so richtig waren. - So viel zur Glaubwürdigkeit der AfD in der Berufung auf den Rechtsstaat.
Im Übrigen, meine Damen und Herren: Wenn die AfD immer profund meint, über den Islamismus reden zu können, wird anhand solcher Kommentierungen auch etwas sehr Bemerkenswertes deutlich: die Parallele zwischen Rechtsextremismus und militantem Islamismus.
Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt gibt es islamische Gemeinden in Halle, Magdeburg, Dessau, Stendal, Salzwedel und Merseburg. Es sind so viele nicht.Vor allem aber gehören sie alle nicht zu Ditib. Folgerichtig gibt es in SachsenAnhalt erst recht keinen Landesverband Ditib, mit dem offizielle Kontakte abgebrochen werden könnten. Selbst wenn es möglich wäre, hier im Parlament zu beschließen, wer nachrichtendienstlich überwacht wird und wer nicht, würde das an der Realität scheitern, weil die hier zum Feind Erkorenen schlichtweg nicht da sind.
Insofern entbehrt der Antrag der AfD jeder sachlichen Grundlage und wir werden ihn ablehnen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist in meiner Fraktion unstrittig.
Frau Quade, Herr Farle hätte eine Frage. - Sie möchten nicht antworten. Herr Farle, eine Intervention? Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, dass dieses Thema in diesem Haus nicht adäquat behandelt wird,
und zwar deshalb, weil Ihnen ganz offensichtlich nicht die Gefahren klar sind, die davon ausgehen, dass gut organisierte Islamverbände in Deutschland mittlerweile hunderttausende Menschen erreichen und dass diese aufgrund der Tatsache, dass sie mit ihren Predigern aus dem Ausland gesteuert werden, eine echte politische Macht und Gefahr in unserem Land darstellen. Das Problem haben Sie alle, glaube ich, noch nicht realisiert.
Ich hoffe, dass Sie Ihre Meinung in Zukunft offenhalten werden. Auch wenn Sie jetzt noch teilweise absolut überheblich lachen und meinen, das wäre alles Blödsinn, werden Sie in den nächsten Jahren schon auf diese Frage stoßen: Was passiert, wenn ein Erdoğan hier Wahlkampf macht und die Kurden dann anfangen, sich mit ihren Gegnern aus der türkischen Gemeinde zu fetzen, und unsere Polizisten dann für Ordnung sorgen sollen?
Sie werden sich auch die Frage stellen müssen, ob es richtig ist, dass Imame an Schulen in Deutschland unterrichten, die nicht unsere Werte vertreten,
und verdeckt fremdes Kulturgut und fremde Ideologie in unsere Schulen tragen. Mit diesem Problem werden unsere Kinder und Enkel konfrontiert sein.
Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Abg. Striegel, Sie haben das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der AfD reiht sich ein in eine Reihe von Anfragen und Anträgen der AfD-Fraktion, die muslimische Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellen. Die AfD behauptet, sie bekämpfe
Religiöse Menschen sind, wenn in Sachsen-Anhalt auch in der deutlichen Minderheit, keine Bürger zweiter Klasse.
Das Schüren von Hass gegen Teile der Bevölkerung, seien es Christen, Juden oder Muslime, werden wir der AfD nicht durchgehen lassen.
Wir haben Ihren Antrag zum Anlass genommen, gemeinsam mit unseren Partnern eine echte Alternative zur Abstimmung zu stellen. Wir lassen uns dabei von einem Satz leiten, den unser ehemaliger Bundespräsident Christian Wulff vor Jahren geprägt und vor wenigen Tagen in Magdeburg wiederholt hat: „Der Islam gehört zu Deutschland, Muslime gehören zu Deutschland.“
Dass Muslime unter uns, mit uns leben, macht die Bundesrepublik nicht zu einem muslimisch geprägten Land. Aber es beinhaltet die klare Verpflichtung, Muslimen die Ausübung ihres Glaubens und ein religiöses Leben in einer hierzulande durchaus säkular geprägten Gesellschaft zu führen, Sichtbarkeit inklusive. Denn niemand muss im Geltungsbereich des Grundgesetzes seinen Glauben verstecken. Religion ist nicht Privatsache, sondern darf auch in der Öffentlichkeit gelebt werden.
Unterschiede machen die plurale Gesellschaft aus. Sie auszuhalten ist die Kunst, wenn wir es mit der Freiheit ernst meinen.
Kommen wir zum Text Ihres Antrags. Sie geben vor, sich mit Ditib zu beschäftigen. Ihr Antrag behauptet, Ditib als Ganzes sei islamistisch. Sie versuchen damit die öffentliche Gleichsetzung von „islamisch“ und „islamistisch“. Sie behaupten, der Islam als solcher sei immer ein politisches Kampfprojekt. Das ist gefährlicher Unfug. Sie spalten die Gesellschaft.
Ditib vertritt etwa 70 % aller Muslime in Deutschland. All diesen Menschen pauschal radikale Tendenzen zu unterstellen, nimmt sie völlig ungerechtfertigt in Sippenhaft. Ditib selbst kann - das hat der Innenminister heute auch vorgetragen - nicht als islamistisch bezeichnet werden, wenngleich über die politische Kontrolle aus Ankara, ausgeübt über das Religionsministerium, zu reden sein wird.
Wo Ditib-Imame und Funktionäre sich in türkischnationalistischer Hetze ergehen, trifft das auf unseren entschiedenen Widerstand; denn Nationalismus bekämpfen wir GRÜNE ganz unabhängig davon, ob er von radikalen Türken oder rechtsextremen Deutschen aus der AfD verbreitet wird.
Wir GRÜNEN kritisieren zudem aufs Schärfste die politische Spitzeltätigkeit für den türkischen Staat durch einzelne Ditib-Funktionäre und fordern die Bundesregierung zur Aufklärung und zu deutlich wahrnehmbaren Konsequenzen auf.
Der lange Arm eines zunehmend autokratischen Herrschers wie Erdoğan darf nicht bis in die Bundesrepublik reichen. Solange Spitzelvorwürfe nicht entkräftet und rechtsstaatlich aufgearbeitet sind, sollte dieser Mann auch keine Erlaubnis bekommen, in der Bundesrepublik Wahlkampf für sein Präsidialsystem zu machen.
Und im Übrigen - ich ergänze - auch so lange nicht, bis Deniz Yücel und andere Journalisten in der Türkei endlich freigelassen sind.
Im Übrigen gibt es nach unserer Recherche bislang nur eine Ditib-Vereinigung in Sachsen-Anhalt. Verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse liegen dem Parlament hierzu bislang nicht vor. Der Innenminister hat dies heute bestätigt.