Henriette Quade
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Borgwardt, ich habe eine Frage an Sie - zwei, um genau zu sein. Die erste Frage: Welche Belege können Sie für die Behauptung anführen, dass die Abschiebetätigkeit in Sachsen-Anhalt coronabedingt heruntergefahren worden sei? Mir liegen dafür keine Erkenntnisse vor. Im Gegenteil: Es gab gerade in den letzten Wochen eine Reihe von Abschiebungen. - Das ist die eine Frage.
Zur zweiten Frage. Sie haben zu Recht dargestellt, die grundsätzlichen Auffassungen von der LINKEN und der CDU zu Bleiberecht, Aufenthaltsrecht, Asyl stünden sich diametral entgegen. Genau darum geht es in unserem heute vorliegenden Antrag aber ausdrücklich nicht. Es geht ausschließlich darum, die Coronaschutzmaßnahmen nicht nur für Deutsche gelten zu lassen.
Wie können Sie es vor sich verantworten, Menschen in der Pandemielage auf Reisen zu zwingen, zu Kontakten zu zwingen und in eine unklare Absicherung zu schicken?
Das halte ich für unverantwortlich. Wie rechtfertigen Sie das vor sich selbst?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie sind umstritten - das sehen wir hier immer wieder. Während die Regierungen in Bund und Ländern in der Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor großen Rückhalt für den allgemeinen Kurs der Verlangsamung des Infektionsgeschehens, um Infektionsketten nachzuvollziehen und Behandlungsmöglichkeiten sicherzustellen, erfahren, sind die einzelnen Maßnahmen seit Beginn der Pandemie Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen in der Politik und in der Gesellschaft. Es wichtig, das deutlich zu sagen, meine Damen und Herren, das ist auch gut so.
In einer demokratischen Gesellschaft muss offen diskutiert werden, wie wir mit so einer gewaltigen Herausforderung umgehen, wie wir damit umgehen, dass sich das Leben jedes Menschen verändert hat, und wie wir damit umgehen, den notwendigen Schutz zu organisieren und gleichzeitig elementare Freiheitsrechte zu schützen, wie wir die Lasten, die sich als Folge der Eindämmungsmaßnahmen ergeben, gerecht verteilen, wie wir dafür sorgen, dass jene, deren ökonomische Existenz gefährdet ist, Unterstützung erfahren, wie wir für die Menschen, deren unermüdlicher Einsatz den Schutz aller ermöglicht, mehr tun können, als zu klatschen, und nicht zuletzt, wie wir mit einschneidenden Folgen im Alltag, wie Einsamkeit, umgehen, und mit der Tatsache, dass Menschen unglücklich werden - auch aufgrund der notwendigen Maßnahmen.
Das muss Gegenstand öffentlicher Debatten sein, die nicht abgewendet werden dürfen mit dem Verweis darauf, dass es Gemeinsamkeit braucht. Es ist zwar richtig, dass es diese braucht, aber Gemeinsamkeit lässt sich nicht verordnen, sie muss im Zweifel in der Diskussion über die verschiedenen Argumente erreicht werden.
Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sei vorweg gesagt, setzt auch den Rahmen, in dem wir über die Aktionen von Personen und Gruppierungen sprechen müssen, welche die Existenz des Coronavirus in Abrede stellen und die hinter den Eindämmungsmaßnahmen nicht mal gute und mal weniger gute Entscheidungen sehen wollen, sondern eine große Verschwörung behaupten. Denn wer falsche Informationen, Lügen und Verschwörungserzählungen verbreitet, beteiligt sich nicht an einer öffentlichen Debatte mit dem Ziel, einen Austausch über Positionen herzustellen, sondern mit dem Ziel, die Debatte entweder zu manipulieren oder sie gänzlich zu zerstören.
Genau das ist es, was die extreme Rechte will. Ideologisch schreibt sie ihre Kernerzählung fort, die ich hier zum Verständnis, weil es notwendig ist, kurz skizzieren will. Es ist die Erzählung, dass die Deutschen - gemeint sind die weißen Deutschen - von Feinden im Inneren bedroht seien, von Politikern, die sie verkaufen würden, von Nichtregierungsorganisationen, die sie steuern würden, von einer Presse, die sie belügen würde, neuerdings auch von Medizinern und Medizinerinnen, die sie schwächen und versklaven wollten.
Und das - so geht diese extrem rechte Erzählung weiter -, um Feinden im Äußeren zu dienen; ja, letztendlich, um die behauptete „weiße Rasse“, um die Deutschen zu vernichten.
Diese Erzählung steht in der Kontinuität faschistischen und nationalsozialistischen Denkens, sie ist grundlegend antisemitisch, sie baut auf der Vorstellung von globalen Eliten - gemeint sind hier immer jüdische Eliten, behauptete jüdische Eliten, auch wenn es oftmals nur angedeutet oder in Codes ausgedrückt wird -, die ihre Interessen gegen die Interessen derer durchsetzen würden, die die extreme Rechte als „das Volk“ konstruiert und aus dem weite Teile der Bevölkerung ausgeschlossen sind.
Die extreme Rechte will sich damit nicht an einer notwendigen demokratischen Debatte über die Eindämmungsmaßnahmen beteiligen, sondern sie baut die Eindämmungsmaßnahmen in ihre Verschwörungserzählungen ein, mit denen sie die eigenen Anhängerinnen und Anhänger mobilisieren, ihre Gegnerinnen und Gegner angreifen, die Debatte beenden und durch hasserfüllten Kampf ersetzen will, um ihrem Ziel näher zu kommen, die Demokratie zu zerstören und ihre eigene Herrschaft zu errichten.
Die Konsequenz, meine Damen und Herren, sind brachiale Auftritte, wie wir sie in Berlin beobachten mussten, als Rechtsextreme auf die Treppen des Reichstags stürmten. Was dort geschehen ist, ist ebenso wenig Zufall,
wie es Zufall ist, dass es Abgeordnete der AfD waren, die vorgestern genau diese Leute in den Bundestag holten, wo sie Abgeordnete bedrängten.
Es ist der gezielte Versuch, Demokratinnen einzuschüchtern und dem eigenen Lager die eigene Macht zu demonstrieren.
Diese Macht soll nicht nur demonstriert werden, um sich selbst besser zu fühlen - wobei ich glau
be, dass das auch ein wesentlicher Grund ist -, nein, diese Macht soll demonstriert werden, um die eigenen Anhängerinnen zu weiteren Taten anzustacheln. Der symbolische Gewinn ist das Entscheidende für die extreme Rechte.
Die Ausschreitungen in Leipzig am letzten Wochenende rühren nicht daher, dass Rechtsextreme glauben, damit die Umsetzung ihrer politischen Ziele tatsächlich gewaltsam erzwingen zu können. Vielmehr wollen sie damit das politische System insgesamt destabilisieren. Die Verbreitung von Falschinformationen geschieht nicht, weil die handelnden Personen verwirrt sind und es nicht besser wissen, sondern es sind gezielte Desinformationen. Hier sehen wir die wichtigste Mastererzählung der extremen Rechten seit dem Jahr 2015.
Das zeigt sich auch daran, dass selbst in relativ neuen Zusammenschlüssen, wie der verschwörungsideologischen „Bewegung Mitteldeutsch
land“ und ihren lokalen Ablegern, offen Umsturzfantasien geäußert werden. Die Realität ist, und sie ist bitter: Die extreme Rechte befindet sich im Aufwind.
Die Anzahl extrem rechter Aufmärsche und Kundgebungen überschreitet schon jetzt deutlich die Zahlen, die im Jahr 2015 dokumentiert worden sind. Die Radikalisierung geschieht dabei noch schneller, als es bisher zu beobachten war. Schon seit Jahren spielen dabei aktive Rechtsextreme in Sachsen-Anhalt eine zentrale Rolle. Ich nenne nur einige Beispiele von Corona-Leugner-Kund
gebungen, bei denen sich das zeigt: Steffen Thiel von der NPD in Zeitz, die IB in Wernigerode, Hooligans und Kameradschaftsspektrum in Dessau, Püschel, Karl und Mundt von der NPD in Weißenfels, Poggenburg und Kurth in Köthen, Hauser und Klemm von der IB in Merseburg, Bauer von der Artgemeinschaft in Zeitz.
Gezielt zieht die extreme Rechte Menschen aus einem rationalen gesellschaftspolitischen Gespräch in eine Parallelwelt aus Lügen und Hass;
in eine Parallelwelt, in der Gewalt zur Notwehr erklärt wird. Diese Gewalt sehen wir, wenn beispielsweise in Halle Journalistinnen und Gegenprotestler von Teilnehmern der Corona-LeugnerProteste beleidigt, bedrängt, bespuckt und geschlagen werden und wenn Neonazi Sven Liebich mit seinen Anhängern aus Sachsen-Anhalt in Leipzig einen Fotojournalisten tätlich angreift.
Wir sehen auch, dass die Sicherheitsbehörden diesen Versammlungen seit Monaten nicht effektiv begegnen. Abstände werden nicht eingehalten,
ein Mund-Nasen-Schutz wird nicht getragen, sofort vollziehbare Beschränkungen, die bei jeder anderen Demo sofort durchgesetzt würden, werden nicht umgesetzt. Oft geschieht schlichtweg nichts.
Wir haben gestern über das Versammlungsrecht debattiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir brauchen keine Lex Liebich, um eine Antwort auf diesen Neonazi zu finden.
Er gehört schlichtweg, weil er gewalttätig ist, sich nicht an Auflagen hält, Teile der Bevölkerung verächtlich macht, Menschen beleidigt - und das jedes Mal ganz konkret dokumentierbar -, als Versammlungsleiter und Redner bei Versammlungen abgelehnt. Das gibt die Rechtslage schon jetzt her.
Um das zu tun, müssten Versammlungsbehörden genau analysieren, was auf diesen Versammlungen geschieht, es gerichtsfest dokumentieren und daraus die richtigen rechtlichen Schlüsse ziehen, also zutreffende Gefahrenanalysen erstellen.
Die Polizei müsste ihre Einsätze so vorbereiten, dass sie Auflagen nötigenfalls durchsetzen und eine solche Versammlung auch auflösen kann.
Die Landesregierung muss sich anschauen, was bei den Sicherheitsbehörden schief läuft, und das auch benennen. Ferner ist es wichtig, sie entsprechend auszustatten und sie gegebenenfalls zu qualifizieren.
Denn das Versagen der Sicherheits- und Ordnungsbehörden im Umgang mit Corona-LeugnerDemos hat konkrete Folgen. Die Szene fühlt sich durch die Freiräume, die ihr über das rechtlich notwendige Maß hinaus eingeräumt werden, ermächtigt, sie radikalisiert sich weiter und plant nächste Taten.
Dass solche rechten Aufmärsche wie Brandbeschleuniger wirken, zeigt das Beispiel des mutmaßlichen Mörders von Dr. Walter Lübcke, der die Beteiligung an einer rechtsextremen AfDKundgebung als Auslöser beschrieb. Die CoronaLeugner-Proteste in Sachsen-Anhalt sind nicht Versammlungen verwirrter Spinner, sie sind die größte rechtsextreme Mobilisierung in diesem Bundesland seit Jahren. Entsprechend müssen wir darauf reagieren.
Zuschauen und Hoffen,
meine Damen und Herren, haben schon bei den rechtsextremen Mobilisierungen 2015 nicht geholfen. Sie werden es jetzt noch weniger tun. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Erben, ich stimme sehr vielem, das Sie gesagt haben, zu, einem Punkt allerdings nicht. Sie waren sich sehr, sehr sicher, dass das, was am vergangenen Wochenende in Leipzig passiert ist - zumindest habe ich Sie so verstanden -, auf eine falsche Entscheidung des OVG Bautzen zurückzuführen ist. Ich habe hierzu eine deutlich andere Wahrnehmung. Ich habe mir die Dokumente, die aus dem Sächsischen Landtag anzusehen sind, angeschaut. Ich habe mir angeschaut, was im Innenausschuss des Sächsischen Landtages passiert ist.
Sind wir uns einig darin, dass Gerichte Entscheidungen auf der Basis der vorgelegten Akten treffen können und dass die Frage, ob eine Entscheidung einer Versammlungsbehörde rechtmäßig ist oder nicht, unmittelbar an der Qualität der Begründung der Versammlungsbehörde liegt? An dieser Stelle haben wir nämlich ein Problem. Ich glaube, wir sind wirklich falsch beraten, wenn wir im Grundsatz die Problembeschreibung teilen, dann aber sagen, es sind die Richter, die falsch entschieden haben. Wir haben ein Problem
in den Versammlungsbehörden in Sachsen wie in Sachsen-Anhalt.
16 000 Leute auf dem Platz sind ein Problem. Wenn den Richterinnen und Richtern aber eine Verfügung vorliegt, die nicht nachweist, dass das nicht geht, die nicht rechtlich sauber argumentiert, warum das nicht geht, wie sollen sie denn dann anders entscheiden?
Vielen Dank. - Frau Ministerin, Ihr Vorredner führte eben aus, dass Gewalttäter sich für das Tatmittel Messer entscheiden würden, weil sie wüssten, dass dann die Strafe niedriger ausfallen wür
de. Kennen Sie aus den Berichten der Staatsanwaltschaften, aus den Berichterstattungen der Gerichte oder aus wissenschaftlichen Untersuchungen oder Statistiken irgendeinen Beleg für diese Aussage?
Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Populistische Sicherheitspolitik hat in den letzten Jahren eine wahre Leidenschaft für das Thema Messer entwickelt. Bewaffnung ist super - Messer nicht. Das ist auch ganz logisch; denn durch Verzerrung und Ausblendung erzeugt die AfD auch in anderen Bereichen eine Parallelwelt in der Filterblase. Zitat:
„Mit ihren Pressemeldungen zeichnet die AfD ein Bild, wonach das Tatmittel Messer mit der Zuwanderung nach Deutschland gekommen und grundsätzlich Ausdruck einer ausgeprägten Gewaltbereitschaft von Zuwanderern sei.“
So stellt eine im letzten Jahr in der „Kriminalpolitischen Zeitung“ veröffentlichte überaus interessante Studie fest.
In Sachsen-Anhalt wurden von 173 346 Straftaten im Jahr 2019 873 mit dem Tatmittel Messer begangen. Das sind rund 0,5 %. In der Pressearbeit der AfD bilden diese Straftaten aber laut der eben erwähnten Studie mit 66,7 % der untersuchten Pressemeldungen zum Thema Kriminalität einen Schwerpunkt. In Sachsen-Anhalt sind 93,5 % der 873 Straftaten mit Messerverwendung Rohheitsdelikte, also Raub, Schlägereien, Körperverletzungen. Niemand - wirklich niemand - behauptet, dass diese nicht schlimm wären. Niemand behauptet, dass diese nicht bestraft werden müssten. Niemand behauptet, dass man das hinnehmen müsse.
Aber es sind keine Straftaten gegen das Leben. Darüber, ob sie das sind oder ob sie das nicht sind, entscheiden nicht wir hier, sondern darüber entscheidet eindeutig und abschließend das Strafgesetzbuch. Die hierbei verwendete Bezeichnung Gewaltstraftaten ist noch dazu keine gesetzliche, sondern eine statistische Kategorie.
In der PKS werden unter Gewaltkriminalität Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen - das sind die Straftaten gegen das Leben - sowie gefährliche und schwere Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge, Beteiligung an einer Schlägerei, Vergewaltigung, schwere sexuelle Nötigung,
Raubdelikte, erpresserischer Menschenraub, Angriff auf den See- und Luftverkehr und Geiselnahme gelistet. Also weit mehr als das, was an Straftaten gegen das Leben im Strafgesetzbuch festgelegt ist.
Das, was die AfD hiermit beantragt, würde bedeuten, dass bei 93,5 % der Messerdelikte in Sachsen-Anhalt ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird, das auf einem heute hier durch Landtagsbeschluss festgelegten rechtswidrigen Anfangsverdacht beruht. Das wäre rechtsdogmatisch höchst problematisch, und es wäre politisch eine gefähr
liche Durchbrechung der Gewaltenteilung, wenn nicht der Ermittlungsstand, sondern ein Landtagsbeschluss darüber entscheidet, welcher Verdacht erhoben wird, und noch dazu die Staatsanwaltschaften per Weisung dazu verpflichtet werden sollen, rechtswidrige Entscheidungen zu fällen.
Der Antrag ist ganz klar abzulehnen, wobei ich - ehrlich gesagt - auch gar nicht glaube, dass es darum geht, dass der Antrag tatsächlich umgesetzt wird. Der AfD geht es vielmehr darum, über ein Lieblingsthema zu reden. Dem kann man sachlich begegnen oder man lässt sich von ihr treiben und bedient dann am Ende auch wieder ihre Erzählung.
Wenn wir uns den Alternativantrag der Koalition ansehen, dann haben wir eine Ahnung davon, was da gewählt wird.
Noch dazu stellt er fest, dass 499 der erwähnten Straftaten unter Verwendung eines Messers nicht so gefährlich waren, weil sie nicht im öffentlichen Raum stattgefunden haben. - Meine Damen und Herren, das kann nicht ihr Ernst sein.
Weder diese Behauptung noch die Vorwegnahme des Prüfergebnisses der Polizeiinspektionen, wie es mit dem Titel des Antrages getan wird, zeugen von einem klugen politischen Vorstoß, der noch dazu irgendwas konkret regeln würde. Aber er streichelt die konservative Seele, die offenbar meint, wann immer die AfD etwas behauptet, müsse man dies aufnehmen.
Die Berichterstattung steht so oder so an. Dieser sehen wir sehr gespannt entgegen. Den Alternativantrag werden wir auch ablehnen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie sagten vorhin zwei Dinge: Der Hybridunterricht kann kein Ersatz für Regelunterricht sein. Auch sprachen Sie einen Dank an die Lehrkräfte und an die pädagogischen Mitarbeiter im Land aus. - Beidem will ich mich sofort anschließen und beides will ich sofort unterschreiben. Aber: Auch hier will ich Sie mit der Realität konfrontieren. Was nützt denn ein Regelunterricht, der Regelunterricht heißt, aber nicht so stattfindet?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus Halle, unserer gemeinsamen Heimatstadt: Grundschule, 3. Klasse. Seit den Herbstferien wird an der Schule Klassenleiterunterricht erteilt. „Kontakte beschränken! Keine wechselnden Lehrkräfte!“ - macht Sinn. Seit den Herbstferien ist die Klassenlehrerin krank, weil sie Risikopatientin ist und nicht im Einsatz sein kann.
Seit den Herbstferien findet eine Betreuung mal durch pädagogische Mitarbeiterinnen, mal durch Lehrer statt, die gerade freihaben, zum Beispiel weil eine Klasse in Quarantäne ist.
Inwiefern ist das der Regelunterricht, den Sie wollen? Inwiefern trägt dieser Regelunterricht zu dem Bildungserfolg, den wir alle wollen, bei? Und: Inwiefern ist das verantwortlich? Denn die Frage, die sich stellt, ist: Wer trägt denn eigentlich die Verantwortung dafür, dass das so ist? - Ich gehe davon aus, dass wir beide das für einen unbefriedigenden Zustand für diese 3. Klasse halten. Ist das die Schuld der Schulleitung, die schlecht plant? Ist die Lehrerin als Risikopatientin zu sensibel? Oder hat das etwas mit einer verfehlten Personalpolitik, mit einem fehlenden Lüftungssystem und mit einer ungenügenden Vorbereitung der Schulen in der vergleichsweise entspannten Phase der Pandemie im Sommer zu tun? - Ich bitte Sie, mir diese Fragen zu beantworten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt heute dem Landtag als Gesetzgeber einen Entwurf vor, mit dem sie in einem für die Demokratie ganz entscheidenden Bereich den rechtlichen Rahmen verändern möchte, nämlich im Versammlungsrecht. Der Innenminister musste nun offenbar auf Drängen des Ministerpräsidenten einen Entwurf erarbeiten.
Ich sage es einmal so: Meine Fraktion stellt gar nicht in Abrede, dass ein verständliches Anliegen verfolgt wird. Doch, meine Damen und Herren, dieser Entwurf entspricht schon handwerklich nicht den hohen Maßstäben, die man an Regelungen im Versammlungsrecht anlegen sollte. Er überzeugt auch inhaltlich nicht, weil er bestehende Probleme nicht zutreffend erkennt und sie daher eben auch nicht beheben kann. Des Weiteren würde der Beschluss sogar neue Probleme schaffen.
Vorweg: Selbstverständlich werden wir uns einer Beratung im Ausschuss nicht verwehren - ganz im Gegenteil: Wir haben erheblichen Beratungs
bedarf. Ich hoffe und werbe dafür, dass wir unter den demokratischen Fraktionen
eine Verständigung darüber erreichen, ob und wie wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier Regeln schaffen, die das Recht - es ist ein Grundrecht - auf Versammlungsfreiheit einschränken. Es ist nämlich das Recht, das es jeder und jedem in der Demokratie erlaubt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, auch etwa um Regierungen und Parlamente zu kritisieren.
Ich muss Ihnen sagen, ich hätte an dieser Stelle erwartet, dass uns die Landesregierung, wie üblich und sinnvoll, die Ergebnisse ihrer internen Anhörung zum vorliegenden Entwurf vorlegt, um eine sachliche Diskussion zu fördern. Das passiert hier nicht. Schon das verweist darauf, dass das Gesetz so gut nicht sein kann.
Wer das Versammlungsrecht verschärfen will, also Grundrechte einschränken will, der ist in der Position, zu erklären, warum das notwendig sein soll. Eine Ausweitung etwa des Uniformierungsverbotes, wie es die Landesregierung tut, damit zu begründen, dass es irgendwo in der Bundesrepublik Fälle gebe, die mit der gesetzlichen Regelung in Sachsen-Anhalt nicht handelbar wären, und dass es eventuell in Sachsen-Anhalt einen vergleichbaren Fall gegeben haben könnte, man weiß es aber nicht sicher, ist keine tragfähige Begründung und das wird weder dem Thema noch der Tragweite dieses Gesetzentwurfes gerecht.
Fataler noch in den Folgen, aber auch in der Begründung ist die vorgeschlagene Regelung, dem Versammlungsgesetz wieder einen Auffangtatbestand für Verbote und als milderes Mittel dann Beschränkungen von Versammlungen hinzuzufügen, den es aus guten Gründen seit einigen Jahren nicht mehr gibt, nämlich den Auffangtatbestand der Gefährdung der öffentlichen Ordnung.
Auch an dieser Stelle folgt die Begründung vor allem der Logik des Zirkelschlusses: Gebraucht werde dieses Merkmal, weil die Praxis zeigt, dass es gebraucht werde. Dabei führt die Landesregierung zutreffend in ihrer Begründung aus, dass die öffentliche Ordnung im Interesse der Versammlungs- und Meinungsfreundlichkeit nicht als Landesrecht in die Generalklausel des § 13 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes übernommen wurde.
Bevor wir als Gesetzgeber den Schritt zurückmachen, müssen wir schauen, ob es tatsächlich ein Defizit im Recht oder nicht vielmehr ein Defizit in der Durchsetzung des Rechtes gibt.
Es ist also zu hinterfragen, ob es bei den hier problematisierten Versammlungen nicht durchaus im Rahmen des geltenden Rechts möglich wäre, dem effektiv zu begegnen, wenn etwa die Versammlungsbehörden in die Lage versetzt würden, Beschränkungen zu verfügen, die verwaltungsgerichtlicher Kontrolle standhalten, oder aber die Polizei verfügte Beschränkungen effektiver durchsetzen würde. An beiden Problemen - das ist wichtig, meine Damen und Herren - ändert dieses neue Recht überhaupt nichts. Es muss erst einmal durchgesetzt werden.
Das verständliche Anliegen, unerträglichen Situationen im Zusammenhang mit rechtsextremen Aufmärschen in Sachsen-Anhalt wirksam zu begegnen - meine Damen und Herren, glauben Sie mir, ich weiß, wie unerträglich diese Situationen sind; wir werden morgen über den behördlichen Umgang mit Coronaleugnern reden -, verlangt eine genaue Analyse, nicht einfach weitere und in diesem Fall auch noch sehr breite und damit fehl- und missbrauchsanfällige Befugnisse für die Sicherheitsbehörden.
Denn - das ist mein dritter Punkt - der vorgelegte Entwurf der Landesregierung löst die Probleme nicht, die es real in der Praxis gibt. Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus guten Gründen nicht mal eben so herangezogen werden. Eine Beeinträchtigung dieses Schutzgutes führt auch nicht zwingend dazu, dass in die Versammlungsfreiheit eingegriffen werden kann, und das ist auch gut so.
Wir müssen nun in den Ausschüssen sehr genau schauen, welche Problemlagen es tatsächlich bei Versammlungen in Sachsen-Anhalt gibt. Als Landtag müssen wir bessere Lösungen als diesen Gesetzentwurf finden; denn - das muss man auch ganz klar sagen - das Versammlungsrecht ist Grundrecht und es muss klar und verständlich geregelt sein. Es darf nur dort eingreifen, wo es zwingend notwendig ist, nicht überall dort, wo das, wie bei den Vorschlägen zur Schutzbewaffnung - Vermummung heißt es hier konkret -, vielleicht effektiv erscheint. - Herzlichen Dank.
Gern.
Sehr gern. - Ein Anfang wäre, die Auflagen, die verfügt werden, gerichtsfest zu verfügen und nicht einfach aus einer allgemeinen Erwartungshaltung heraus, sondern mit sorgsam und umfassend dokumentierten Auflagenverstößen konkret in der Vergangenheit durch denselben Versammlungsleiter, durch dieselben Versammlungsteilnehmerinnen. Wenn wir darüber reden, worum es konkret geht, dann wissen wir, dass eine der zentralen Geschichten, die zu diesem Gesetzentwurf geführt haben, das Agieren des Neonazis Sven Liebich in Halle ist und die offensichtliche Unfähigkeit, dem irgendwie beizukommen.
Deshalb sage ich, es ist ein völlig berechtigtes Anliegen. Das verstehe ich. Ich glaube, dass der Weg falsch ist. Wir haben kein Problem mit der Rechtslage. Wir haben ein Problem mit der Durchsetzung geltenden Rechts. Wir haben ein Problem damit, dass Polizistinnen und Polizisten teilweise nicht so agieren, wie es der jetzt bestehende Rechtsrahmen ermöglichen und erfordern würde.
Wenn Journalistinnen und Journalisten aus einer rechten Kundgebung von immer demselben Versammlungsleiter, von immer dem gleichen Teilnehmerkreis immer wieder einmal wöchentlich im selben Modus angegriffen werden können und Polizei das nicht unterbindet und es teilweise schon einen Tanz darum gibt, überhaupt eine Anzeige erstatten zu können, und Polizistinnen und Polizisten noch dazu nicht den Angriff, sondern die Tatsache, dass Journalisten dastehen, zum Problem machen und sagen, sie müssten nicht dastehen, dann würden sie nicht angegriffen werden, dann haben wir ein Problem mit der Rechtsdurchsetzung und nicht mit der Rechtslage.
Da müssen wir ran. Da müsste der Innenminister ran. Statt darüber zu reden, wo die Probleme liegen, will er das Problem auf die Stadt Halle abschieben. Das wird die Lage in keiner Weise verbessern. Darüber müssen wir reden.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass Sie das Pilotprojekt Bodycam gern sang- und klanglos beerdigen würden. Die Änderung des Polizeigesetzes gänzlich ohne Debatte durch das Parlament zu bringen, geht nicht, meine Damen und Herren. Deswegen rede ich hier.
Schon bei der Einführung der Regelung zum Pilotprojekt Bodycam hat meine Fraktion deutlich Kritik daran geübt. Mobile Bodycams greifen tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Denn Bürgerinnen und Bürger können nicht selbst darüber entscheiden und können schon gar nicht vorhersehen, ob sie Teil einer Videoaufzeichnung werden. Private Orte können ebenso zufällig mitgefilmt werden wie unbeteiligte Dritte, beispielsweise Passanten, die an einer Kontrolle vorbeigehen.
Mittels der Pre-Recording-Funktion findet bereits ab dem Einschalten des Geräts eine Aufzeichnung statt und damit auch eine Speicherung von Daten. Damit geht immer die Gefahr einer massenhaften Datenspeicherung auf Vorrat einher. Die Löschung der Daten ist für die Betroffenen nicht nachvollziehbar und nicht kontrollierbar.
Einen wissenschaftlichen Beleg für die Wirksamkeit in Bezug auf Gewalt- und Widerstandshandlungen gibt es schlichtweg nicht. Diese gab es nicht, als das Pilotprojekt gestartet wurde, und es gibt sie heute noch weniger. Denn der Abschlussbericht bestätigt sämtliche Kritikpunkte.
Er hält fest - ich zitiere -, dass es in den Dienststellen mit der Bodycam einen Anstieg der Gewalttaten gab, der im Widerspruch dazu steht, dass es dort einen Rückgang von Angriffen gab, wo keine Bodycams eingesetzt wurden.
Im Abschlussbericht heißt es zudem, „dass die Bodycams keine präventive Wirkung zur Verhinderung von Angriffen auf Polizeivollzugsbeamte hat.“
Es wird konstatiert, „dass sich durch den Einsatz der Bodycam sogar ein der Zielstellung gegenteiliger und begünstigender Effekt zur Steigerung der Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte einstellte.“
Abschließend heißt es im Bericht, „dass die erhoffte positive Wirkung der Bodycam in der Verbesserung der Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamten weder in den Zahlen der PKS noch
in der Bewertung der Nutzer sowie aus den Berichten der beteiligten Behörden erkennbar ist.“
Meine Damen und Herren! Krachender kann ein Modellprojekt gar nicht scheitern.
Insofern wird meine Fraktion den Modellversuch sehr gern mit beenden. Was wir nicht tun werden, ist, eine Regelung zur elektronischen Fußfesselung zu verlängern, und zwar ebenfalls aus grundsätzlichen wie praktikablen Erwägungen. Denn die Fußfessel ist das Paradebeispiel des nicht erfüllbaren konservativen Sicherheitsversprechens. Sie gaukeln den Menschen Sicherheit vor, ohne real irgendetwas verhindern zu können, und erfüllen damit eines der wesentlichen Kriterien, die Sicherheitsmaßnahmen, die mit Grundrechtseinschränkungen einhergehen, erfüllen müssen, eben ausdrücklich nicht, nämlich das der Geeignetheit.
Keine elektronische Aufenthaltsermittlung egal welcher Art, auch keine Fußfessel, kann eine Straftat, einen Terroranschlag oder auch nur ein Untertauchen effektiv verhindern. Die Fußfessel ist ein praxisuntaugliches und unverhältnismäßiges Mittel, dessen Anwendung auf einen bloßen Verdacht hin einen eklatanten Bruch mit dem Grundsatz der gesetzlichen Unschuldsvermutung darstellt und damit eben auch mit der Rechtsstaatlichkeit.
Hinzu kommt - das wissen wir aufgrund des einzigen Falls, den es in Sachsen-Anhalt gibt und mittlerweile gab -, dass es nicht eine einzige Einsatzstunde spart. Es führt nicht dazu, dass Polizistinnen und Polizisten bei ihrer Arbeit entlastet werden. Sie müssen dennoch vor Ort sein und beobachten. Das zeigt doch, dass die Fußfessel unnütz und eine bloße Symbolpolitik ist.
Um dem differenzierten Abstimmungsverhalten meiner Fraktion im Innenausschuss gerecht zu werden, bitte ich auch hier um eine getrennte Abstimmung über die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, die Beschlussempfehlung lautet, den Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung anzunehmen. Mein Wunsch ist, über § 1 Nr. 1 und § 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfs getrennt abzustimmen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Als der Antrag eingebracht wurde, habe ich für meine Fraktion erklärt, dass niemand ein Aussteigerprogramm aus der linken Szene und auch nicht aus der, die Sie „linksextrem“ nennen, braucht. Denn es ist gerade auch der Ausstieg,
der auf den grundlegenden Unterschied zwischen rechter und linker Szene verweist.
Die Rechte sieht sich als homogene Gruppe, die geprägt ist von Kodex, Hierarchie und Gefolgschaft. Die Linke lehnt genau das ab.
Wer keine Lust mehr hat, der geht einfach nicht mehr hin und lässt es bleiben. Er braucht dafür kein Aussteigerprogramm.
Ein Aussteigerprogramm für Linksextreme braucht tatsächlich einzig und allein die AfD-Fraktion, um ihre Erzählungen der linksextrem durchsetzten Gesellschaft weiterzuspinnen. Sie ist nichts anderes als Verschwendung von Steuergeldern.
So übersichtlich ist die Sachlage. Deswegen wäre es schlichtweg richtig und geldsparend gewesen, den Antrag einfach abzulehnen. Haben Sie aber nicht, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen. Sie überwiesen ihn an den Innenausschuss, in dem die Sinnhaftigkeit eines Aussteigerprogramms für Linksextremisten im Rahmen einer Anhörung ergründet wurde.
Auch die Erfahrungen aus bestehenden Aussteigerprogrammen zeigen: Es gibt schlichtweg keinen Bedarf. In Nordrhein-Westfalen sind seit Bestehen des Aussteigerprojekts 34 Menschen - es müssten fast zwei Jahren sein, in denen es das Programm jetzt gibt - in irgendeiner Form in Beratung gewesen. Was eigentlich die Bedrohungssituation war, mit der diese Leute zu kämpfen hatten, wobei sie Hilfe brauchten, was das Aussteigerprogramm hätte leisten können, das konnte nicht beantwortet werden. Die Leute hatten unterschiedliche Probleme, die wahrscheinlich von jeder Sozialberatungsstelle besser hätten gelöst werden können.
Eine Schilderung, dass jemand wegen eines sogenannten Ausstiegs mit Attacken zu rechnen hatte, mit Bedrohung, gab es nicht. Beim Aussteigerprogramm des Bundes, an das SachsenAnhalt nun Ausstiegswillige aus der linken Szene verweisen soll, sieht es ähnlich diffus mit klareren Zahlen aus. Die Fallzahlen bewegen sich im einstelligen Bereich. Das größte Problem der bestehenden Hotline sind zahlreiche Scherzanrufe. Es wendet sich schlichtweg niemand mit dem von der AfD-Fraktion und anderen behaupteten Problem dorthin. Das ist auch nicht so schrecklich überraschend, sondern
exakt das, was alle, die sich sowohl mit der linken Szene als auch mit Aussteigerprogrammen auskennen, vorhergesagt haben:
Erstens. Es gibt keinen Bedarf.
Zweitens. Selbst wenn es ihn gäbe, wäre ein staatliches, noch dazu beim Verfassungsschutz angesiedeltes Programm nicht die Stelle, an die sich die Leute wenden würden. Besonders denen, die immer viel über die Staatsferne und die Staatsfeindlichkeit der Linken zu erzählen wissen, müsste das eigentlich auch eingängig sein.
Statt diesen wirklich unsinnigen Antrag einfach abzulehnen, wollen Sie nun nicht vorhandene Ausstiegswillige in ein nicht funktionierendes Programm beim Bundesamt für Verfassungsschutz schicken und machen daraus einen Parlamentsbeschluss. Das kann man machen, meine Damen
und Herren, das ändert aber die Realität so gar nicht, außer dass ein unnützes Programm am Leben erhalten wird und damit Steuergelder verschwendet werden. Man kann aber auch einfach Unsinn Unsinn nennen und sich um wichtige Dinge kümmern.
Wir lehnen diese Beschlussempfehlung ab.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin erfreute sich reger Aufmerksamkeit und war Ziel konservativer und - ja, man muss auch sagen - reaktionärer Abwehrhaltung. Das ging einher mit allerlei Desinformation und Fake News, und natürlich durfte da die AfD nicht fehlen. Im Sommer behauptete sie, Polizisten würden quasi verfolgt werden. Ihnen würde Verfolgung drohen, wenn sie in Berlin Amtshilfe leisten würden, weil alle, die mit polizeilichen Maßnahmen nicht einverstanden seien, einfach alles behaupten könnten und dann die Polizisten bestraft werden würden.
Das ist natürlich Unsinn. Obwohl der Innenminister damals seine offenkundige Sympathie für eine Volte gegen das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin weder verbergen konnte noch wollte, machte er auch in der damaligen Debatte klar: Völlig egal, wie man zum Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin steht, entbehrt der Antrag jeder Grundlage. Das Gesetz gilt für Berlin und Berliner Behörden. Wenn Beamte aus Sachsen-Anhalt in Berlin Amtshilfe leisten und es über das Antidiskriminierungsgesetz zu einer Beschwerde, zu einer Bestätigung der Vorwürfe und zu einem Entschädigungsanspruch käme - zum Beispiel für Betroffene einer rassistischen Polizeikontrolle -, dann trägt nicht das Land Sachsen-Anhalt die Kosten, auch nicht der handelnde Beamte, sondern das Land Berlin.
Amtshilfe auszusetzen, weil einem das Gesetz nicht passt, ist aus mehreren Gründen schlichtweg rechtlich unmöglich. Das haben - mit abweichenden Einschätzungen zum Antidiskriminierungsgesetz Berlin selbst - alle Rednerinnen in der damaligen Debatte - außer natürlich die AfD - deutlich gemacht. Aber auch hier: Statt den Quatsch einfach abzulehnen, erfolgte, weil ja unbedingt das Signal gesendet werden musste, dass die CDU auch ein Problem damit hat, dass staatliches Handeln auf Diskriminierung überprüfbar sein muss, eine Überweisung. Und nun dann diese qualitativ hochwertige Beschlussempfehlung, die wieder so gar nichts am Status quo ändert, aber dafür Zeit gebunden hat.
Meine Damen und Herren! Wenn ich mir anschaue, wofür alles keine Zeit war, wie viele
Dinge dem Prinzip der Diskontinuität unterliegen werden, muss ich sehr klar sagen: So kann man parlamentarische Arbeit auch ad absurdum führen.
Meine Fraktion wird sich hinsichtlich der Beschlussempfehlung der Stimme enthalten, weil sie einerseits so nichtssagend ist, dass man das nicht einmal ablehnen kann, und weil es andererseits offenbar mittlerweile notwendig ist, per Landtagsbeschluss festzuhalten, dass geltendes Recht und das Grundgesetz nicht gebrochen werden.
Zum Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin sage ich für meine Fraktion ganz klar: Berlin hat mit dem ADG als erstes Bundesland Regelungen beschlossen, die das sich aus der Verfassung ergebende Diskriminierungsverbot nicht mehr nur für den Bereich des privaten und des Arbeitsrechts ausdefinieren, sondern eben auch für staatliches Handeln.
Damit hat Berlin Rechtssicherheit geschaffen, indem Regelungen für jene transparent nachzulesen sind, die an sie gebunden sind, weil sie staatliche Gewalt ausüben, und für jene, die Betroffene sind, die die Regelung also schützen soll.
Berlin setzt damit unionsrechtliche Vorgaben um und leistet einen wichtigen Beitrag gegen Diskriminierung, die es natürlich auch durch staatliche Stellen und Behörden wie eben die Polizei gibt und geben kann. Jedem, der das bezweifelt, rate ich, mit Betroffenen von Racial Profiling zu reden.
Statt dagegen Stimmung zu machen, wäre es die Aufgabe der Landesregierung, dafür zu sorgen, dass dieses Unionsrecht in Sachsen-Anhalt auch endlich umgesetzt wird, und dafür einen Vorschlag zu machen. Das wäre einmal eine Beschlussempfehlung wert. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich finde, die Platzierung des Zwischenberichts in der heutigen Tagesordnung passt eigentlich ganz gut. Sie zeigt, wie wenig die politische Agenda der AfD mit der Realität im Land zu tun hat. Corona soll eine Lüge sein, Linksextremismus das beherrschende Problem.
Das zeigt die Prioritätensetzung der AfD,
das zeigt, welcher Logik sie folgt, und das zeigt, was tatsächlich gefährlich ist. Natürlich ist es auch in sich konsequent; denn in den Augen der AfD ist sogar diese Landesregierung linksextrem.
Zur Enquete-Kommission. Niemand, wirklich niemand außer der AfD, brauchte diese EnqueteKommission. Das war bei ihrer Einsetzung so und das ist heute so. Die Enquete-Kommission ist die Fortsetzung einer Diffamierungskampagne gegen alle, die der AfD nicht folgen.
Sie ist Teil der Ablenkung von sich selbst und sie sollte ein Bedrohungsszenario für all jene sein, die
die Verankerung der AfD in der extremen Rechten benennen, die für die offene und plurale Gesellschaft stehen und die sich klar gegen die völkischrassistische Ideologie der AfD positionieren.
Um Erkenntnisse, um Erhellung, um Untersuchung ging es dabei nie, zu keinem Zeitpunkt. Es ging immer nur um eine Sache: die eigenen Botschaften zu senden und den Diskurs zu verschieben.
Dass dieser Diskurs in den vergangenen Jahren tatsächlich verschoben wurde - nicht nur, aber auch mit dieser Enquete-Kommission - und dass es tatsächlich zu Bedrohungsszenarien für Träger, deren Gründungszweck und deren Auftrag explizit die Arbeit gegen die extreme Rechte ist, ist das eigentliche Problem. Dass dieser Diskurs verschoben wurde, meine Damen und Herren, hat nichts damit zu tun, dass ich hier stehe und für meine Fraktion „Danke, Antifa!“ sage und damit vermeintlich das eine Extrem befeuere. Es hat ausschließlich etwas damit zu tun, dass Teile dieser Landesregierung sich von dieser AfD treiben lassen
und dass diese Landesregierung vor lauter Hufeisenwerfen ihre eigentlichen Aufgaben nicht einmal ansatzweise bewältigt.
Dass die AfD nicht nur auf den Applaus, sondern auch auf die Stimmen der CDU setzen konnte, als sie diese Enquete-Kommission initiiert hat,
ist der eigentliche und der einzige Skandal, den diese Kommission hervorgebracht hat.
Auch und gerade die Jahre seit der Einsetzung dieser Kommission haben mir gezeigt, wo die realen Probleme Sachsen-Anhalts liegen und dass die AfD der parlamentarische Arm des rechten Terrors ist.
Dafür, dass sie ihm ideologisch verbunden ist, gibt es zahlreiche Beispiele. Das jüngste dürfte wahrscheinlich die Aufstellung des Antisemiten Frank Pasemann für den Bundestag sein. Von dieser Partei, meine Damen und Herren, sollte sich wirklich niemand etwas von Demokratie erzählen lassen und von dem, was sie bedroht. Sie ist die Bedrohung für die Demokratie.
Das ist das, was zu dieser Enquete-Kommission zu sagen ist.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Am 21. Juli 2020 begann vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg - aufgrund der Coronapandemie wird in den Räumen des Landgerichts Magdeburg verhandelt - der Prozess gegen den Attentäter, der am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge und den Kiez-Döner in Halle verübte.
Der extrem rechte Antisemit und Rassist versuchte, die Menschen, die in der Synagoge Jom Kippur feierten, zu töten. Als ihm das nicht gelang, erschoss er Jana L. und verübte dann einen antimuslimischen Anschlag auf den Kiez-Döner. Dort erschoss der Kevin S. Der Attentäter versuchte, weitere Menschen in und vor dem Kiez-Döner und auf seiner Flucht zu töten und verletzte Menschen in Halle und in Landsberg-Wiedersdorf.
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat Anklage wegen des Mordes in zwei Fällen sowie des versuchten Mordes in mehreren Fällen zum Nachteil von insgesamt 68 Menschen sowie wegen weiterer Delikte erhoben.
Die Anklage wurde inzwischen an 17 Prozesstagen verhandelt. Weitere Termine sind derzeit bis in den November dieses Jahres angesetzt, und eine weitere Verlängerung des Prozesses ist nicht ausgeschlossen. Über den Anschlag und die Folgen, über die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung haben wir bereits gestern debattiert.
Meine Damen und Herren! Das Verfahren vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Naumburg ist von herausragender und historischer Bedeutung. Diese Bedeutung hat das Gericht selbst festgestellt, indem es entschieden hat, gemäß § 169 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes Tonaufnahmen der Verhandlungen anfertigen zu lassen, eine Möglichkeit, die hier erstmals durch ein Gericht genutzt wird und die erst infolge der bis heute nicht abgeschlossenen Aufarbeitung des NSU-Komplexes geschaffen wurde. Diese Aufnahmen können nach dem Abschluss des Verfahrens zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken verwendet werden, eben aufgrund der - in den Worten des Gesetzes - „herausragenden zeitgeschichtlichen Bedeutung“. Prozessbeteiligte sind nicht nur der Generalbundesanwalt und der Angeklagte, sondern auch und vor allem 43 Nebenklägerinnen und Nebenkläger.
Noch vor Beginn des Verfahrens haben 13 Personen aus der Synagoge in Halle, unter ihnen Besucherinnen und Besucher sowie Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu Halle, zwei Personen, die der Angeklagte auf der Flucht zu töten versuchte, zwei Gäste des Kiez-Döners und dessen Betreiber, die Brüder Ismet und Rifat Tekin, und der Vater des getöteten Kevin S., eine gemeinsame
Erklärung geschrieben, aus der ich zitieren will. Sie schreiben:
„Wir haben uns der Anklage des Generalbundesanwalts als Nebenkläger/-innen angeschlossen, um sicherzustellen, dass die rassistische Ideologie des Angeklagten und seine Integration in militante rechte Strukturen nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch von den Strafverfolgungsbehörden und von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die diesen Ideologien innewohnende Menschenverachtung ist jetzt und über diesen Prozess hinaus Anlass zum Nachdenken.
Täter wie der Angeklagte brauchen keine physischen Gemeinsamkeiten mehr, um von Gleichgesinnten Ermutigungen und Unterstützung zu erhalten. Es ist wichtig, dass dieser Prozess Politikern, Strafverfolgungsbehörden und der breiten Öffentlichkeit als Erinnerung an unser ständiges Bedürfnis dient, Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Antisemitismus, die unsere Gesellschaft durchdringen, aktiv entgegenzutreten und alle rechten Ideologien zu bekämpfen.“
Die Nebenklägerinnen und Nebenkläger sind die Menschen, um die es in diesem Verfahren gehen muss, meine Damen und Herren. Sie gestalten diesen Prozess aktiv mit. Sie nehmen ihre Rechte in Anspruch. Sie sagen aus. Sie stellen über ihre Rechtsbeistände Anträge. Sie stellen Fragen. Sie tragen zur Beweiserhebung und zur Analyse der Taten innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals für die Getöteten und deren Angehörige, für die Verletzten und die Überlebenden des Anschlages vom 9. Oktober 2019 bei. Dafür nehmen Sie vieles auf sich. Sie nehmen es auf sich, immer wieder nach Magdeburg zu reisen, immer wieder mit dem Angeklagten konfrontiert zu sein, der versuchte, viele von ihnen umzubringen.
Die derzeitige Rechtslage sieht es nicht vor, dass den Nebenklägerinnen und Nebenklägern die Reisekosten für jeden Prozesstag erstattet werden. An den meisten Prozesstagen müssen sie, sofern sie am Prozess teilnehmen wollen, diese Kosten selbst tragen. Die Kosten, die erstattet werden, werden pauschal erstattet. Bei einer Entfernung von unter 150 km bis zum Gericht beträgt die Pauschale derzeit 300 €. Für Nebenkläger/innen, die beispielsweise aus Berlin anreisen müssen - wir wissen, dass dies nicht wenige sind -, deckt dies bestenfalls sechs Prozesstage ab, somit schon jetzt elf Tage weniger, als bis zu dieser Woche verhandelt wurden.
Weder die Justiz noch der Bund oder das Land Sachsen-Anhalt haben hier bisher, sofern sie es überhaupt versucht haben, Lösungen gefunden.
Dabei sieht auch der Opferbeauftragte der Bundesregierung das Problem.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Überzeugung - um nicht mehr geht es mit unserem Antrag heute -, es muss den Nebenklägerinnen und Nebenklägern, die es wollen, möglich sein, den Prozess an jedem Tag selbst im Gerichtssaal zu verfolgen.
Nein, es geht eben nicht nur darum, dass sie ihre Rechte über ihre Rechtsbeistände wahrnehmen können. Es geht um Aufarbeitung. Mehrere Nebenklägerinnen und Nebenkläger haben deutlich gemacht, wie wichtig dieser schmerzliche und schwer auszuhaltende, aber eben doch wichtige und notwendige Prozess ist. Und ja, das darf nicht daran scheitern, dass für sie die Reisekosten nicht tragbar sind. Daher fordern wir Sie auf, mit der Zustimmung zu unserem Antrag die Grundlage dafür zu schaffen, dass das Land Sachsen-Anhalt hier eine Sache tut, nämlich Verantwortung zu übernehmen, und mit einem Reisekostenfonds die Nebenklägerinnen und Nebenkläger unterstützt.
Und ja, das ist ein besonderer Vorgang. Ja, das gibt es für andere Prozesse nicht. Aber das ist dem Prozess, seiner Bedeutung und seiner Tragweite angemessen. Es ist auch nicht so, dass es keine Grundlage dafür gäbe. Es haben bereits zuvor andere Bundesländer geschafft. Etwa Nordrhein-Westphalen hat eigene Regelungen zu den Reisekosten für das Loveparade-Verfahren geschaffen. Das zeigt, dass es möglich ist, wenn man das will.
Die Nebenklägerinnen und Nebenkläger dürfen eben nicht weiter in die Position gebracht werden, Bittstellerinnen und Bittsteller zu sein, sondern die Kosten müssen schnell und unbürokratisch übernommen werden. Das ist auch der Grund, weswegen wir mit unserem Antrag vorschlagen, die Verwaltung und die Abrechnung über die Mobile Opferberatung zu gestalten. Dort liegt die nötige fachliche Expertise vor. Dort besteht bereits der Kontakt zu den Überlebenden, zu den Verletzten und zu den Angehörigen der Getöteten. Dort wird die Prozessbegleitung bereits organisiert.
Die Höhe des Fonds - das wissen Sie, meine Damen und Herren - ist gemessen an den Kosten des Verfahrens und erst recht gemessen am Haushalt dieses Landes wirklich und ohne jede Frage überschaubar. Es ist also keine Frage der Kosten. Es ist die Frage, ob der Landtag Verantwortung dafür übernimmt, den Nebenklägerinnen und Nebenklägern die Teilnahme an jedem Prozesstag finanziell zu erleichtern. Dafür bitten wir um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Kolze, wissen Sie, es geht an dieser Stelle nicht um Sie, es geht nicht um mich. Es geht nicht um Ihre Fraktion, es geht nicht um meine Fraktion.
Wenn ich mir vorstelle, dass sich die Nebenklägerinnen und Nebenkläger die Rede, die Sie gerade gehalten haben, anhören, dann schäme ich mich.
Es geht nicht um die Frage, was innerhalb der bestehenden Reisekostenregelung möglich ist und ob es innerhalb der bestehenden Reisekostenregelung möglich wäre, eine Aufgabe an den Verein zu übertragen, zumal sehr klar ausgeführt ist, dass es um den Opferfonds geht. Dazu gibt es sehr transparente Regeln.
Uns geht es darum, dass die bestehenden und bekannten Regelungen einfach nicht ausreichen und der Dimension dieses Verfahrens nicht gerecht werden. Uns geht es um ein niedrigschwelliges Erstattungsverfahren, das davon wegkommt, Anträge stellen zu müssen, nachzuweisen, warum die Teilnahme an welchem Prozesstag zentral ist.
Uns geht es darum, die Bedeutung des Prozesses für die Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen und darauf zu reagieren. Tun, was wir tun können. Leisten, was wir leisten können. Letztlich ist es eine kleine politische Geste, die eine große Wirkung haben kann.
Wir sind der Überzeugung, der Landesregierung hätte es gut zu Gesicht gestanden, diese Geste von sich aus zu ergreifen. Wenn man sich die Mittel anschaut, die notwendig sind, dann wissen wir, dass der Betrag, wenn der Innenminister und die Justizministerin zusammen in ihre persönlichen Verfügungsfonds schauen, leicht zu stemmen wäre.
Es hätte leicht die Möglichkeit gegeben, eine entsprechende Initiative im Landtag transparent zu machen und beschließen zu lassen als Geste dieser Regierung und dieses Landtages.
Frau Schindler, wir verweigern uns nicht einer Überweisung. Ich weise allerdings auf ein Zeitproblem hin. Wir können über alles reden. Wir verweigern uns schon gar nicht der grundsätzlichen Regelung der Reisekostenordnung, um das auch für andere Prozesse zu regeln.
Was aber auch klar ist: Wenn Sie das jetzt mit angehen wollen, wird eine Lösung insbesondere auch angesichts der unterschiedlichen Redebeiträge aus der Koalition nicht zustande kommen. Wenn Sie eine Beschlussfassung wollen, die auf einen Sonderfonds abzielt, dann müssen Sie diese herbeiführen. Mit der Überweisung werden Sie das nicht erreichen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Tat Anfang des Jahres einen Antrag vorgelegt, damit der 8. Mai endlich zum Gedenk- und Feiertag wird.
In meiner damaligen Rede zur ersten Beratung habe ich Esther Bejarano aus ihrem offenen Brief zitiert, in dem sie forderte:
„Der 8. Mai muss [ein] Feiertag werden. Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und es hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NSRegimes.“
Einige Monate später, heute, liegt uns nun die Beschlussempfehlung des Innenausschusses vor, verabschiedet mit den Stimmen der Regierungsfraktionen. Was ist nun darin zu lesen? - Darin ist zu lesen, dass die Erinnerung an den 8. Mai 1945 eine beständige Mahnung und Verpflichtung sei und der 8. Mai der Tag der Befreiung. Herr Erben sagte es: Welchen Sinn hat es, Selbstverständlichkeiten zu beschließen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition aus CDU, SPD und GRÜNEN musste mehrere Monate lang beraten, um etwas festzuhalten, was erstens selbstverständlich ist und was zweitens schon im Jahr 1985 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker festgestellt hat. Es bleibt ohne Frage richtig. Auch das, was in der Beschlussempfehlung steht, bleibt ganz ohne jede Frage richtig. Doch wir haben diesen Antrag nicht gestellt, um richtige Sätze zu beschließen und um noch einmal die Bedeutung des 8. Mai 1945 durch den Landtag von SachsenAnhalt feststellen zu lassen. Denn die Bedeutung ist unabhängig davon gegeben, ob wir das beschließen oder nicht.
Das ist glücklicherweise eine historische Tatsache, die über unsere Beschlüsse weit hinausgeht. Es ist eine Tatsache, die unter den demokratischen Fraktionen unumstritten sein sollte. Und, nein, es ist nicht nur die Rede von Herrn Höse, mit der die Frage eben doch noch einmal
gestellt wird. Wenn wir an die Rede von Herrn Schulenburg in der damaligen Debatte denken, dann wissen wir auch, dass genau diese Tatsache eben nicht unumstritten war. Denn er fiel mit seiner Rede weit hinter diese Tatsache zurück.
Herr Kirchner dankte ihm damals ausdrücklich dafür und bemerkte, es sei eben etwas anderes, wenn ein CDU-Abgeordneter statt eines AfD-Abgeordneten ausspreche, der 8. Mai 1945 sein kein Tag der Freude und Zuversicht gewesen. - Ja, das ist etwas anderes. Es ist schlimmer.
Die vorliegende Beschlussempfehlung ist im Ergebnis eine Ablehnung unseres Antrags. Auf den eigentlichen Gegenstand geht sie gar nicht ein. Zu der Frage, ob der 8. Mai ein Feier- und Gedenktag werden sollte, verhält sie sich gar nicht. Genau das sollte der 8. Mai aber sein. Es ist bezeichnend, dass es Monate braucht, um in der Kenia-Koalition Selbstverständlichkeiten zu beschließen und das Maximale, das Selbstverständliche festzuhalten, und zwar so, dass es keine Folgen hat. Das ist typisch Kenia-Koalition.
Wir lehnen diese Beschlussempfehlung ab und kämpfen weiterhin dafür, dass der 8. Mai Gedenk- und Feiertag wird. - Danke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! In der Tat ist es die x-te Variation der alten Naziparole „Ausländer raus!“, da hat Herr Erben völlig recht.
Zu den aktuellen Begriffen, Herr Farle, glaube ich nicht, dass Sie der Richtige sind, um darüber Auskunft zu geben.
Remigration ist aktuell, da haben Sie recht. Das ist der aktuelle Kampfbegriff der neuen Rechten. Das ist in keiner Weise überraschend, dass Sie sich dieses Begriffes bedienen. Der Kern der Politik der AfD ist Rassismus und Sie bedienen sich der Begriffe der neuen Rechten, die es vermag, für wirklich alte, falsche und abzulehnende Konzepte neue Begriffe zu finden. Das macht die Idee nicht neuer.
Für die Realität im Umgang mit Migration und Asyl ganz konkret vor Ort in den Gemeinden, in den Kreisen, auch hier in Sachsen-Anhalt, sind glücklicherweise nicht Figuren wie Herr Kirchner oder Herr Farle entscheidend, sondern es sind die Menschen, die sich etwa bei der „Seebrücke“ engagieren, die seit Jahren Geflüchtete unterstützen und für deren Rechte streiten. Die Sprachtreffs organisieren, die bei Behördengängen begleiten.
Das sind Menschen, die sich nicht entmutigen lassen von politischen Entscheidungen, die durchaus geeignet wären, einem die Hoffnung zu nehmen.
Die antragstellende Fraktion will die Landesregierung durch den Landtag nun dazu auffordern lassen, für einen Aufnahmestopp für Migrantinnen und Migranten und für Asylsuchende zu werben. Das ist nicht einmal mit dem inzwischen faktisch entkernten Asylrecht in der Bundesrepublik machbar. Es ist politisch falsch und mit Blick auf die Situation von Asylsuchenden menschenrechtlich schlicht nicht tragbar.
Mit dem sogenannten New Pact on Migration and Asylum hat die EU-Kommission erst im September Vorschläge vorgelegt, welche die Situation von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten, wenn sie umgesetzt werden würden, weiter verschärfen und verschlechtern würde. Diese Vorschläge folgen einem Muster. Ich erinnere kurz an den Asylkompromiss, der im Dezember 1992 den rassistischen Morden in Mölln folgte.
Diese Vorschläge wurden vorgelegt, nachdem sich die europäische Staatengemeinschaft nach den verheerenden Bränden im Geflüchtetenlager in Moria nicht darauf einigen konnte, die betroffenen Menschen in anderen europäischen Staaten unterzubringen.
Der Pakt sieht unter anderem Regeln vor, die es Staaten ermöglichen, sich statt an der Unterbringung von Geflüchteten an deren Abschiebung zu beteiligen und beschreibt das mit der zynischen Wortneuschöpfung der Abschiebepatenschaften.
Eine Kehrtwende, meine Damen und Herren, die die AfD-Fraktion hier einfordert, wäre es, wenn die europäischen Staaten endlich das tun würden, was Geflüchtete, was internationale Gremien, was Menschenrechtsorganisationen und die „Seebrücke“ seit Langem und zu Recht einfordern, statt sich von der extremen Rechten treiben zu lassen.
Eine Kehrtwende wäre es, Geflüchtete nicht im Mittelmeer sterben zu lassen, statt auf Abschottung auf Aufnahme zu setzen und Menschen als Menschen zu behandeln. Denn ja, wir haben Platz. - Danke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns im 15. Jahr der Nichtaufklärung des Todes von Oury Jalloh. Nach einem zähen Verfahren, nachdem der Beginn ihrer Arbeit immer wieder verzögert wurde, legten und stellten am 28. August die Berater des Rechtsausschusses ihren über 300 Seiten starken und mit Spannung erwarteten Bericht vor.
Die entscheidenden Fragen sind: Was sagt uns der Bericht und was folgt daraus? - Mit unserer Antragsüberschrift will ich es gleich zu Beginn klar festhalten: Aus der Sicht unserer Fraktion kann dieser Bericht kein Schlussstrich sein.
Denn der Bericht beantwortet Fragen. Und er ist sehr erhellend zum Verständnis der uns als Ausschuss vorgelegten Akten. Er wirft aber auch zahlreiche Fragen auf. Was sagt uns also der Bericht und was kann er uns überhaupt sagen?
Die Sachverständigen hatten einerseits die juristischen Sachverhalte zu prüfen; andererseits sollten sie beurteilen, ob das Parlament jederzeit korrekt informiert wurde und ob es Versuche der Einflussnahme gab.
Die Sachverständigen beurteilen Akten und Ermittlungsansätze, sie beurteilen juristische Entscheidungen juristisch, sie beurteilen, ob angesichts der vorgelegten Akten Ermittlungen korrekt geführt wurden, sie konstatieren Fehler und sie werfen in vielen Bereichen ein in der Tat erschreckendes Licht auf die Verfasstheit zentraler Bereiche dieses Landes im Jahr 2005.
Sie beantworten zudem Fragen, die der Rechtsausschuss den Sachverständigen als Leitfragen für die Prüfung auf den Weg gegeben hat - sofern sie das können. Eine zentrale Rolle dabei hätten nämlich Gespräche mit den handelnden Vertreterinnen der Justiz spielen sollen. Sie waren von Anfang an im Arbeitsauftrag der Berater formuliert
und sie waren auch - das haben die Berater selbst gesagt - wesentliche Voraussetzung dafür, dass sie den Auftrag überhaupt angenommen haben. Diese Möglichkeit wurde den Beratern jedoch genommen. Das schränkt natürlich die Aussagekraft des Berichtes ein, ohne dass dies den Beratern vorzuwerfen wäre. Und es stellt einen deutlichen Widerspruch zu dem ursprünglich beschlossenen Verfahren dar.
Dies festzuhalten ist überaus wichtig. Denn genau dieses Verfahren - Sachverständige prüfen die Akten und können alle zur Beantwortung der ihnen gestellten Fragen und aus ihrer Sicht notwendigen Gespräche führen - war zuletzt die zentrale Argumentation gegen einen Untersuchungsausschuss.
Zunächst waren es noch bevorstehende Ermittlungen, dann waren es laufende Ermittlungen, abgelöst von abgeschlossenen Verfahren, die immer wieder als Argumente gegen einen Untersuchungsausschuss und gegen eine parlamentarische Untersuchung der Todesumstände Oury Jallohs angeführt wurden. Und auch das verweist ja darauf, dass die Frage der juristischen Aufklärung auf das Engste mit der der politischen Aufarbeitung verknüpft war und ist und oft dafür herhalten musste, parlamentarische Befassung als nicht möglich oder nicht nötig darzustellen.
Meine Damen und Herren! Wer über Oury Jalloh redet, der muss über Verantwortung reden. Es gehört zur Mindestverantwortung dieses Parlamentes, festzuhalten, dass der mehrheitlich beschlossene Weg nicht konsequent gegangen wurde.
Dass politische Aufarbeitung mehr erfordert als die Überprüfung von Akten durch Sachverständige, das war auch vorher klar. Denn politische Aufarbeitung heißt weit mehr als juristische Aufklärung. Sie will nicht ermitteln und sie kann es nicht. Das ist nicht der Anspruch. Das eine soll das andere nicht ersetzen und will es nicht. Aber daraus leitet sich aus der Einschätzung der Sachverständigen ja auch ab, dass es heute keine offenen Ermittlungsansätze gibt, die Erfolg versprechend sind. Das heißt keineswegs, dass es keinen Aufarbeitungsbedarf gibt.
Denn politische Aufarbeitung muss nach Konsequenzen fragen und muss nach Ursachen fragen. Und woran liegt es denn, dass Ermittlungen heute in den Augen der Berater nicht Erfolg versprechend, also mit der Erwartung einer Verurteilung zu führen sind? - Das liegt erstens daran - so hält es der Bericht fest -, dass sich Fehler, die in der Ermittlungsarbeit passiert sind, nicht korrigieren lassen. Ein Spurensicherungsbericht kann nicht nachträglich gefertigt werden. Fotos vom Tatort
können nicht nachträglich gefertigt werden. Das abgebrochene Video, das kann nicht geheilt werden. Dass Brandsachverständige erst Tage nach dem Brand vor Ort waren, kann nicht korrigiert werden.
Es liegt zweitens daran, dass nicht davon auszugehen ist, dass Polizisten sich anders verhalten als bisher und ihr Schweigen brechen.
Drittens liegt es daran, dass mögliche oder anzunehmende Straftaten - Brandstiftung, unterlassene Hilfeleistung etc. - entweder verjährt sind oder aber bereits zur Anklage gebracht wurden und deswegen nicht weiter verfolgt werden können.
Das alles heißt aber nicht, dass kein Verbrechen geschehen ist. Das alles heißt nicht, dass es hier nichts zu untersuchen gibt und nicht zumindest der Versuch unternommen werden müsste, auch möglichen verjährten Straftaten, wie zum Beispiel den gutachterlich festgestellten Verletzungen Oury Jallohs, nachzugehen.
Genau das wäre eine der Aufgaben eines Untersuchungsausschusses und nur eine davon; denn er müsste zugleich beleuchten, was die Sachverständigen schonungslos zusammenfassen.
Ich zitiere:
„Es ist deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Oury Jalloh am 7. Januar 2005 nicht kurz nach 12 Uhr im polizeilichen Gewahrsam gestorben wäre, wenn im Polizeirevier Dessau das geltende Recht und die geltenden Verordnungen befolgt worden wären.“
Nahezu alle polizeilichen Maßnahmen, von Ingewahrsamnahme über ID-Feststellung und Blutabnahme bis hin zur Fixierung, waren rechtswidrig und zugleich gelebte Praxis im Polizeirevier Dessau.
Zugleich konstatieren die Berater ein erhebliches Problem mit Rassismus, sowohl individuellem als auch institutionellen Rassismus im Revier in Dessau. Und nein, weil es lange her ist, ist das Problem lange nicht behoben.