Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute fast einen kleinen Geburtstag; denn heute ist die 80. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt in der siebenten Wahlperiode. Hierzu begrüße ich Sie alle auf das Herzlichste. Ich hoffe, dass die leeren Abgeordnetensitze heute noch gefüllt werden.

Ich stelle trotz alledem die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Sehr geehrte Damen und Herren! Uns hat die traurige Nachricht erreicht, dass am 16. September 2019 das ehemalige Mitglied des Landtages Herr Konrad Schellbach im Alter von 66 Jahren verstorben ist.

Herr Schellbach war in der ersten und zweiten Wahlperiode Mitglied des Landtages. Er war somit einer der Abgeordneten, die sich in den Jahren nach der friedlichen Revolution um den Aufbau unseres Landes verdient gemacht haben. Er gehörte der CDU-Fraktion an und wirkte unter anderem im Ausschuss für Kultur und Medien, im Ausschuss für Inneres, im Ausschuss für Petitionen sowie im Wahlprüfungsausschuss mit.

In Gedenken an den Verstorbenen bitte ich Sie, sich zu einer Schweigeminute von Ihren Plätzen zu erheben. - Vielen Dank.

Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung: Herr Minister Robra ist am ersten Sitzungstag aufgrund der Teilnahme an der Europaministerkonferenz in Trier und am zweiten Sitzungstag aufgrund der Teilnahme an der Sonderkonferenz der Chefin und der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder mit dem Chef des Bundeskanzleramtes zu den Themen Klimaschutz und gleichwertige Lebensverhältnisse in Berlin verhindert.

Frau Ministerin Dalbert ist an beiden Sitzungstagen aufgrund der Teilnahme an der Agrarministerkonferenz in Mainz verhindert.

Herr Minister Webel ist an beiden Sitzungstagen aufgrund der Teilnahme an der 134. Bauministerkonferenz in Norderstedt verhindert.

Herr Minister Richter ist am ersten Sitzungstag aufgrund der Teilnahme an der Finanzministerkonferenz in Berlin verhindert.

Herr Minister Prof. Dr. Willingmann ist am zweiten Sitzungstag aufgrund der Teilnahme an der Konferenz der Digitalministerinnen und Digitalminister in Frankfurt verhindert.

Zur Tagesordnung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 38. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen oder Änderungsvorschläge? - Sie haben das Wort. Bitte.

Ich möchte die Bitte äußern - das ist abgestimmt mit den parlamentarischen Geschäftsführern -, den TOP 16, zu dem keine Debatte vereinbart worden ist, hinter den TOP 23 zu legen - also nicht zu tauschen, sondern einfach nach hinten zu setzen.

Einfach an das Ende verlegen?

Sie sagten, das ist abgestimmt worden. Dann werden wir das so machen. Gibt es weitere Anträge oder Bemerkungen? - Das sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren, wie es eben beantragt wurde, also mit der kleinen Änderung.

Ich komme nun zum zeitlichen Ablauf der 38. Sitzungsperiode. Die morgige 81. Sitzung des Landtages beginnt so wie heute ebenfalls um 9 Uhr.

Wir steigen in die Tagesordnung ein und kommen zu

Tagesordnungspunkt 1

Befragung der Landesregierung; Kleine Anfragen für die Fragestunde gemäß § 45 GO.LT - Erprobungsbeschluss

Unterrichtungen Ältestenrat - Drs. 7/2896 und Drs. 7/4544

Kleine Anfragen für die Fragestunde zur 38. Sitzungsperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt

Fragestunde mehrerer Abgeordneter - Drs. 7/4960

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit den ersten Teil der Fragestunde, die Befragung der Landesregierung, und blicke in die Reihen der Fraktion DIE LINKE. Herr Höppner, Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Jahren beschäftigten schlechte Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie die Öffentlichkeit. Über

osteuropäische Subunternehmen schleusen Unternehmen wie Tönnies in Weißenfels vor allem osteuropäische Arbeitnehmer in die Schlachthöfe, ausgestattet mit windigen Werkverträgen.

Mitarbeiter berichten, dass ihnen die Arbeitsstunden nicht richtig abgerechnet werden oder es werde die Nutzung von Schlachtermessern in Rechnung gestellt. Auch die Zeit für das Anlegen der Arbeitsbekleidung wird häufig vom Lohn abgezogen, was derzeit auch schon die Gerichte beschäftigt. Völlig überzogene Mieten für Unterkünfte gibt es dort weiterhin. Die Lohndrückerei ist ausgefeilt bis ins Detail.

Auf dem Papier bekommen die Werkvertragsarbeiter demnach zwar den Mindestlohn, aber an anderer Stelle werde ihnen das Geld wieder abgezogen, zum Beispiel für überteuerte Unterkünfte oder als Messergeld, Kleidungsgeld und Transportgeld.

Ferner liegt der Anteil von Werkvertragsarbeitern und Leiharbeitnehmern, die eigentlich ja nur für gelegentliche Produktionsengpässe eingesetzt

werden sollen, weit über 50 %. Die Kernbelegschaften werden dadurch massiv durch Werkverträge und Leiharbeit verdrängt. Die Gewerkschaft NGG fordert bereits seit Langem, dass das Krebsgeschwür Werkverträge beseitigt werden müsse.

Die Frage: Wie stellt sich die Landesregierung zu diesen skandalösen Vorfällen, die zu Tönnies in Weißenfels in der Presse und von der Gewerkschaft vorgebracht wurden? Und welche Konsequenzen hat sie bisher gezogen oder wird sie daraus noch ziehen?

Vielen Dank, Herr Abg. Höppner. - Jetzt schaue ich in die Reihen der Regierung. Frau Ministerin Grimm-Benne geht an das Mikrofon und wird diese Frage beantworten. Sie haben das Wort, Frau Ministerin.

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über diese Situation sprechen - zwar nicht im Landtag, aber die NGG hat schon mehrfach gerade in Weißenfels auf dieses Lohndumping und auf diese schwierigen Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht. Wir als Arbeits- und Sozialministerium haben diese Problematik bereits im Jahr 2018 aufgegriffen.

Da ging es insbesondere darum, dass Tönnies selbst wenige Beschäftigte hat, dass die meisten über Werkverträge kommen und dass die meisten das für sich in eigener Verantwortung gestalten.

Man konnte sowohl in der „Mitteldeutschen Zeitung“ als auch in anderer Presse lesen und im MDR Ende September 2019 sehen, dass Tönnies insbesondere auch mit verschiedensten Subunternehmen und Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeitet, die zum Teil Mitarbeiter aus der EU anwerben, nämlich aus Polen, aus Bulgarien, aus Rumänien und, ich meine, auch aus Moldawien.

Dort geht man so vor - Sie haben es eben schon geschildert -, dass es nicht nur darum geht, sich anzudienen und einen Werkvertrag zu unterzeichnen. Oftmals werden auch gleich unter Einschluss der Familien Wohnungen angemietet bzw. es werden noch ganz andere Verpflichtungen eingegangen. Sie sprachen das Thema Werkskleidung an sowie den Umstand, dass man sich seine eigenen Messer mitbringen oder Ähnliches zusätzlich kaufen muss.

Aus diesem Grund haben wir entschieden, mit unseren WiSo-Partnern, dem DGB und der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, eine Beratung für migrantische Arbeitskräfte zu etablieren, wohin sich die ausländischen Arbeitnehmer wenden können. Vor allem können sie das - das ist denen ganz wichtig - anonym tun.

Die sind jetzt seit dem Jahr 2018 tätig. Es gibt eine Außenstelle in Weißenfels. Übrigens war an den Protesttagen eine Mitarbeiterin des sogenannten BemA-Projektes mit dabei. Die haben mittlerweile, soweit ich weiß, 300 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beraten. Da geht es ganz genau um die Punkte, die Sie eben angesprochen haben.

Wir wollen damit auch zusammen mit den Gewerkschaften nicht nur ein Zeichen setzen, sondern auch mit konkreten Hilfestellungen tätig werden. Es wird ja alles gefragt: Arbeitszeitüberschreitungen, die Arbeitsbedingungen dort und Lohndumping. Insbesondere auch für die Fälle, in denen Kündigungen ausgesprochen werden oder Sprachprobleme Hilfen erforderlich machen, soll es dort ein niederschwelliges Angebot geben. Das scheint auch so langsam als gute Anlaufstelle zu funktionieren, weil diejenigen, die sich dann outen, wenn ich das mal so sagen darf, auch mit massiven Repressalien zu tun haben.

Tönnies als Unternehmen haben wir auch mit der Agentur für Arbeit immer wieder in Gesprächen gebeten, in der Öffentlichkeit darzustellen, wie er das gestaltet. Er sagt natürlich, bei ihm ist alles in Ordnung, er zahlt Mindestlohn und er hat auch eine Stammbelegschaft, die schon mehrere Jahre lang dort beschäftigt ist. Aber darum herum nutzt er zahlreiche Subunternehmen, um gerade Zerlegearbeiten oder andere Arbeiten im Bereich niederer Tätigkeiten erfüllen zu lassen. Ich bin mit Ihnen politisch einer Auffassung: Dem muss man Einhalt gebieten.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt zwei Wortmeldungen. - Herr Abg. Gallert, Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Ministerin, nun haben wir aber die folgende Situation. Sie sagen, die Klagen sind ja nicht ganz neu, und wir wissen, dass im Bereich der Fleischindustrie Weißenfels sozusagen ein Hotspot unter den negativen Beispielen ist, aber nicht das einzige. Und es ist ganz klar, dass die Vertreter von Tönnies sagen, wir haben von nichts eine Ahnung, wir sind an nichts Schuld; es sind zwar unsere Betriebe, es ist zwar unser Gewinn, aber für den Rest sind wir nicht verantwortlich. Offensichtlich kommen sie damit ja erst einmal durch. Bisher zumindest kann man Tönnies selbst relativ wenig dafür zur Verantwortung ziehen.

Da frage ich Sie als Vertreterin der Landesregierung jetzt: Ist denn unter solchen Bedingungen die jetzige Konstruktion, die solche Werkverträge ausdrücklich erlaubt, politisch tragbar oder müsste man nicht aus der Perspektive der Landesregierung vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen ganz deutliche Stoppzeichen der Politik gegen solche Werkvertragsgestaltungen setzen?

Frau Ministerin, bitte.

Ja, aber die können wir nicht allein landespolitisch lösen. Da hat es schon ganz viele Initiativen, auch von Hubertus Heil aus dem Bundesarbeitsministerium, mit dem Ziel gegeben, dass es solche Möglichkeiten der Vertragsgestaltung nicht mehr gibt. Diese Anlaufstelle hat auch beauftragte Anwälte und Anwältinnen, die sich diese Werkverträge im Einzelfall angucken und prüfen, ob sie möglicherweise auch strafrechtlich zu würdigen sind. Alle diese Dinge nehmen wir auch in Angriff.

Vielen Dank. - Sie signalisieren eine Nachfrage. Bitte.

Ich habe eine kurze Nachfrage. Trotzalledem sehen wir, dass dies noch keinen Erfolg gezeitigt hat. Deswegen meine Frage: Plant die Landesregierung auf der Bundesebene eine Bundesratsinitiative zur Neuordnung und zur restriktiveren Handhabung einer solchen Werksvertragsgestaltung, wie sie jetzt offensichtlich möglich ist?

Frau Ministerin.

Am 24. Oktober 2019 führen wir gemeinsam mit der BemA einen Fachtag durch. Die Ergebnisse dieses Fachtages werden wir nutzen, um zu zeigen, dass wir politisch aktiv sind. Ob wir eine Bundesratsinitiative initiieren, hängt auch vom Kabinett ab. Ich würde so etwas auf jeden Fall unterstützen.

Vielen Dank. - Jetzt spricht Herr Henke und im Anschluss sprechen Frau Hohmann und Frau Hildebrandt. Bitte, Herr Abg. Henke.

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund Ihrer Ausführung möchte ich Sie fragen, ob die Landesregierung Kenntnis davon hat, dass geplant ist, die Kontrollen zum Sozial- und Arbeitsrecht in diesem Unternehmen zu verstärken bzw. vorliegende Kontrollergebnisse noch einmal gründlicher einer kritischen Bewertung zu unterziehen.

Eine spezielle Nachfrage dazu: Sie erwähnten auch die Situation in den Unterkünften. Der Landtag hat im vergangenen Jahr das Wohnungsaufsichtsgesetz beschlossen, das unter anderem dazu dienen sollte, gegen unhaltbare Unterbringungszustände in sogenannten Matratzenlagern vorzugehen. Meine Frage: Hat dieses Gesetz Anwendung gefunden? Wurden Kontrollen der Zumutbarkeit der Unterkünfte für die dort beschäftigten Leiharbeiter vorgenommen?