Protokoll der Sitzung vom 03.03.2017

Im Übrigen gibt es nach unserer Recherche bislang nur eine Ditib-Vereinigung in Sachsen-Anhalt. Verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse liegen dem Parlament hierzu bislang nicht vor. Der Innenminister hat dies heute bestätigt.

Die weit überwiegende Mehrheit in diesem Hause sieht Muslime auch nicht als Feinde, sondern als Mitbürger und Partner im Kampf gegen Radikalisierung. Sachsen-Anhalt befindet sich dabei in einer sehr guten Ausgangslage. Die muslimischen Gemeinden im Land sind - anders als in den alten Bundesländern - eben nicht nach Landsmannschaften, sondern übergreifend organisiert.

Herr Tillschneider, hätten Sie sich endlich einmal in eine Moschee in Sachsen-Anhalt bewegt, hätten Sie das mitkriegen können. Türken und Syrer, Malier und Afghanen, Tunesier und Iraner beten hierzulande gemeinsam. Schiiten und Sunnis teilen sich den Platz zum Gebet.

Diese Vielfalt sollten wir fördern und wie in Magdeburg dafür sorgen, dass Moscheen nicht in Hinterhöfen, sondern an für alle erreichbaren Orten Platz finden.

Wir stärken Muslime, wo sie sich selbst gegen islamistische Hetze und Radikalisierung wenden. Wir müssen gemeinsam mit den Muslimen unser Engagement in der Radikalisierungsprävention noch verstärken. Wir sollten Muslimen die Chance geben, ihren Glauben auch unter staatlicher Aufsicht an eigene Religionsangehörige zu vermitteln.

Dazu gehört, dass auch in Sachsen-Anhalt in Zukunft muslimischer Religionsunterricht angeboten wird. Dafür braucht es Partner. Daran, dass Ditib und andere islamische Verbände derzeit diese Partner sein können, habe ich rege Zweifel. Ich

bin mir darin ausdrücklich mit Volker Beck und Cem Özdemir einig.

Dass unsere vielfältigen, gut vernetzten und engagiert für Integration arbeitenden Moscheegemeinden im Land es werden können, das wünsche ich mir. Ich sehe uns dabei auf einem guten gemeinsamen Weg. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Henriette Quade, DIE LINKE)

Herr Striegel, gestatten Sie eine Frage? Herr Mrosek möchte eine Frage stellen. - Herr Mrosek, Sie haben das Wort.

Herr Striegel, am 14. September 2016 war ich im Wittenberger Rathaus. Dort fand eine Veranstaltung statt, die Ihre Parteikollegin Dr. Hugenroth organisiert hat, bei der Islamgelehrte in einer sehr langen Powerpoint-Präsentation die Scharia vorstellten und anpriesen.

Die erste Frage ist: Warum werden solche Veranstaltungen in einem Rathaus und nicht in irgendeiner Moschee oder ähnlichen Einrichtung durchgeführt?

Zur zweiten Frage. Wenn die Islamgelehrten, die dort geredet haben, wirklich Religionsunterricht geben sollen, dann sehe ich schwarz; denn die Fragen, die wir dazu gestellt haben, dass wir eine andere Wahrnehmung zur Scharia haben als die, die dort präsentiert wurde, konnten nicht beantwortet werden. - Danke.

Herr Mrosek, ich bin froh, wenn in unseren Rathäusern auch Veranstaltungen zu politischer Bildung stattfinden. Wenn die Nachfrage im Hinblick auf politische Bildung derzeit Erkenntnissen über die Scharia, also über das Recht des Islam gilt, dann sage ich: Ich kann mir genauso vorstellen, dass man Veranstaltungen zur politischen Bildung zum kanonischen Recht in Rathäusern durchführt. Die Frage ist, was findet derzeit ein Publikum. Ich glaube, das Interesse am kanonischen Recht ist derzeit nicht ganz so stark ausgeprägt. Aber ich halte es nicht für problematisch, dass man sich über die Scharia, über die Regeln des islamischen Lebens austauscht und darüber ins Gespräch kommt.

Ich würde es für problematisch halten, wenn wir in eine Situation kämen, in der zum Beispiel Ditib eine Werbeveranstaltung in einem Rathaus durchführen würde. Das haben Sie weder hier vorgetragen, noch ist es mir für Sachsen-Anhalt bekannt.

Wir werden uns im Ausschuss ein umfassendes Bild durch die Landesregierung vermitteln lassen, wie sie das Wirken von Ditib im Land derzeit aus polizeilicher Sicht, aus Verfassungsschutzsicht usw. sieht. Wir werden dazu umfassend vorgetragen bekommen.

Ich habe derzeit keinerlei Erkenntnisse, dass Ditib hier in irgendeiner Art und Weise einen gefährlichen Einfluss ausübt. Sie haben hier dazu heute leider auch nichts Erhellendes vorgetragen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Striegel, Herr Dr. Tillschneider möchte eine Frage stellen.

Ich habe eine kurze Anmerkung und eine Frage. Dass sie jetzt das kanonische Recht mit der Scharia vergleichen,

(Katrin Budde, SPD: Oh! Das sagt er doch gar nicht! - Unruhe)

das zeigt, dass Sie überhaupt gar nichts verstanden haben; denn die Scharia ist ein universales, allumfassendes System, in dem jede menschliche Handlung beurteilt wird. Jede Handlung - egal, ob ich rausgehe und einen trinke oder sonst was mache - wird beurteilt. Die meisten sind freigestellt. Aber einige sind verboten, andere sind empfohlen. Also es umfasst alles. Das kanonische Recht ist ein Spezialrecht für das Kirchenrecht. Das zeigt schon, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben. - Punkt 1.

(Zustimmung bei der AfD)

Punkt 2. Mich würde einmal interessieren:

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Worin sehen Sie denn den Unterschied zwischen Islam und Islamismus? Denn Sie arbeiten ja ständig mit dieser Differenzierung.

Ich kann es Ihnen sagen: Mit Tilman Nagel sehe ich, dass es zwischen Islam und Islamismus keinen Unterschied gibt. Aber ich würde es jetzt gern von Ihnen wissen, weil Sie auf dieser Differenzierung aufbauen: Worin unterscheidet sich der Islamismus vom Islam?

Zur ersten Frage. Ich werde jetzt nicht mit Ihnen in eine Disputation eintreten, worin sich kanonisches Recht, die Scharia und auch die Halacha unterscheiden. Das ist nicht mein Thema heute Abend.

(Tobias Rausch, AfD: Weil er es nicht kann!)

Mir geht es darum zu sagen: Natürlich kann man sich über Rechtsstrukturen, die es im islamischen Recht gibt, unterhalten, kann dazu politische Bildung machen. Ich halte das im Übrigen auch für notwendig, weil uns das nämlich von dem Fehler abbringen würde, die Scharia per se als etwas Bedrohliches wahrzunehmen.

(Oh! bei der CDU - Markus Kurze, CDU: Das ist nicht mehr auszuhalten! - Unruhe bei der CDU - Lachen bei der AfD)

Wie Muslime essen, an welchen Tagen sie fasten, all das ist auch Bestandteil von Scharia.

(Unruhe - Tobias Rausch, AfD: Schämen Sie sich!)

Es geht auch darum, wie das Familienleben organisiert ist. Das ist alles überhaupt keine Frage. Damit kann man und soll man sich beschäftigen, wenn man einen Blick für die Welt gewinnen will.

Zur zweiten Frage: Wo verläuft die Grenze? - Die Grenze verläuft für mich da, wo die Integrität des demokratischen politischen Systems angegriffen wird. Man kann Moslem und Demokrat sein; denn die überwiegende Zahl der Muslime zeigt uns genau das. Im Übrigen: Man könnte selbst Salafist sein. Ich teile das nicht und finde das merkwürdig, lehne das ab.

Aber wenn man Islamist ist, dann versucht man, das Konzept des Islam politisch nicht nur in Rede zu setzen, sondern politisch umzusetzen und das demokratische politische System anzugreifen. Das ist nicht akzeptabel. Hier verläuft für mich die Grenze.

Es gibt offensichtlich von anderen Fraktionen keine weiteren Fragen. Herr Striegel, ich danke für die Ausführungen. - Wir fahren fort. Für die CDU spricht der Abg. Herr Schulenburg. Herr Schulenburg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen liegt der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen „Religionsfrieden in Sachsen-Anhalt sichern“ vor. Mit unserem Antrag stellen wir unter Beweis, dass uns die Meinungsfreiheit sowie die Kirchen-, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wichtig sind. Aber wir - auch das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen - missbilligen jede Form von Radikalisierung durch religiöse Vereine.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der AfD)

Artikel 4 des Grundgesetzes erkennt das Bedürfnis des Menschen nach weltanschaulicher Orien

tierung und Ausrichtung an. Ein durch das Grundgesetz gedeckter Schutzbereich beinhaltet das Denken und Reden des Menschen in weltanschaulichen Bereichen.

Unsere freiheitliche Rechtsordnung statuiert das Recht auf freie Religionsausübung. Aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung und Weltanschauung organisiert sich eine Vielzahl von Menschen im Land Sachsen-Anhalt, um sich an den Werten zu orientieren. Für unsere freie Gesellschaft sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften von elementarer Bedeutung. Sie leisten gemeinwesenorientierte Arbeit und vermitteln Werte, die unser Land prägen.

Ich möchte an dieser Stelle nur Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich erwähnen. Aktivitäten unterschiedlicher Religionen wirken zudem solidarisch in die Gesellschaft hinein. Außerdem verkennen wir nicht ihre Integrationsausstrahlung in Teile der Welt hinaus. Vor diesem Hintergrund ist der ständige Dialog der Religionen zu führen. Meine Fraktion kann diesen Prozess nur unterstützen.

Zur Religionsfreiheit gehört auch die Vielseitigkeit der Religionsgemeinschaften und bei der Integration der Zuwanderer in unserem Land erkennen wir den Beitrag der muslimischen Vereine und Verbände an. Die Vermittlung elementarer Werte und Normen der deutschen Gesellschaft und das Erlernen der deutschen Sprache sind wesentliche Aufgaben und Pflichten bei der Erstintegration.

Die Arbeit dieser Vereine gilt es zu unterstützen. Unsere Wertschätzung der muslimischen Vereine und Verbände gilt auch mit Blick auf den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen. Unterstützend wirkt hierbei im öffentlichen Diskurs die Deutsche Islamkonferenz.

Die AfD unterstellt dem Islam eine allgemeine Radikalität, die aber nur auf eine Minderheit der Muslime in Deutschland zutrifft.

(Zustimmung bei der CDU, von Rüdiger Er- ben, SPD, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Gerade deshalb ist es erstrebenswert, im Kontakt und Austausch mit der breiten Mehrheit zu bleiben, um so ein Abgleiten der Minderheiten zu verhindern.

(Zustimmung von Katrin Budde, SPD)

Wir als CDU tolerieren keine radikalen Imame oder sogenannten Hassprediger und unterstützen jegliche Vereinsverbote, um islamistische Bestrebungen im Keim zu ersticken. Radikales oder extremistisches Abgleiten können durch Dialoge und Verhandlungen verhindert werden. In diesem Sinne ist stets zu hinterfragen, ob wir mit den richtigen Partnern zusammenarbeiten.

Genau einen solchen realistischen Ansatz verfolgt unser Antrag. Wir wollen überprüfen, ob wir mit den richtigen Partnern arbeiten, um einen radikalen Islam in Sachsen-Anhalt zu verhindern. Aber das geht nur in der ständigen Vermittlung unserer Werte und Normen, die unsere deutsche Leitkultur prägen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.