Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dabei kommt es nicht darauf an, nach dem Vorbild des Luther-Jahres - Vorsicht: Wortspiel! - immer das ganz große Rad zu drehen.

Was wir viel eher brauchen, sind zielgerichtete, kleinteilige Ansätze, um Reiseziele am Wegesrand zu erschließen. Das beginnt schon damit, dass die Ausschilderung zu Sehenswürdigkeiten und zu Gastronomie direkt am Elberadweg beginnen muss. Gerade fehlende Beschilderungen werden immer wieder beklagt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sachsen-Anhalt hat in der Tourismuswerbung einen großen Vorteil. Es wird hoffnungslos unterschätzt. Deshalb ist praktisch jede und jeder, der zu uns kommt, positiv überrascht und will sogar wiederkommen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Herausforderung ist deshalb, denen, die der Elbe wegen kommen, einerseits mehr Elbe zu bieten und sie andererseits auf die Seitenwege zu locken, die nach Havelberg, nach Tangermünde, in den Herrenkrug Magdeburg, nach Barby, nach Wörlitz oder in das anhaltische Coswig führen, damit sie staunen, übernachten, Geld ausgeben und möglichst oft wiederkommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Es gibt keine Fragen. Somit bitte ich Herrn Dr. Grube nach vorn. Herr Dr. Grube, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir teilen uns das heute ein wenig; denn das Thema Elbe hat so viele Facetten, dass das gerechtfertigt ist.

Zur Bedeutung der Elbe ist schon vieles gesagt worden. Ich möchte mich auf drei Punkte beschränken. Der erste Punkt ist der Güterverkehr.

Die Elbe ist als internationale Wasserstraße Bestandteil des transeuropäischen Netzes. Der Rückgang des Güterverkehrsaufkommens auf der Elbe ist sehr bedauerlich, und das vor allem, weil die Verlagerung des Güterverkehrs weg von der Straße auf zum Beispiel das Schiff eines der zentralen verkehrspolitischen Anliegen auch dieser Landesregierung ist.

Die Zahlen sind eindeutig. Während bis 2010 jährlich ca. 1 Million t transportiert wurden, ist die Tonnage in den zurückliegenden Jahren auf unter 350 000 t gesunken. Hieran zeigt sich, dass die Elbe in ihrem derzeitigen Zustand den logistischen Anforderungen an einen modernen Verkehrsträger nur unzureichend genügt.

Die Schlussfolgerung allerdings, die wir daraus ziehen, ist eine etwas andere, als wir es aus der Zwischenfrage der Kollegin Frederking gerade gehört haben.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Die Elbe wird - das geht auch aus dem im Januar 2017 verabschiedeten Gesamtkonzept Elbe hervor - zwischen Děčín und Magdeburg keine prioritäre Rolle für den Güterverkehr spielen. Das kann man bedauern. Wir sind uns darin einig, dass wir keine Staustufen an der Elbe wollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Elbe soll als naturnahe Flusslandschaft erhalten bleiben. Wir müssen ein Stück weit akzeptieren, dass das natürlich auch Einfluss darauf hat, wie die Elbe als Verkehrsträger zu nutzen ist.

Die Einstufung der Elbe in Netzkategorie C, also in den nichtprioritären Bereich, stellt deshalb nur auf den Bestandserhalt der Verkehrsfunktion ab. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, wenigstens auf den. Denn den Bestandserhalt braucht es ausdrücklich. Um die Elbeschifffahrt wieder in Schwung zu bringen, sind zumindest die erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen, die in dem Gesamtkonzept niedergelegt sind, zügig umzusetzen. In diesem Fall gilt der Spruch: Je weiter der Verkehr zurückgeht, umso schwieriger wird es, ihn zu reaktivieren. Wir werden es in einer der nächsten Sitzungen des Verkehrsausschusses besprechen.

Der zweite Punkt, den ich hervorheben möchte, ist die Bedeutung der Häfen, und zwar aller Elbehäfen, die wir im Land haben, als Zentrum der Verkehrsentwicklung für die jeweilige Region, in der sie liegen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich will einen Hafen, und zwar den Hafen in Magdeburg, der schon erwähnt worden ist und der mir als Wahlkreisabgeordneter am nächsten liegt, ein bisschen näher beleuchten.

Der Magdeburger Hafen ist heute weniger ein klassischer Hafen, der Infrastruktur bereithält und Zugang zur Hafenkante gewährleistet. Er ist Logistikpartner und Systemdienstleister für multimodale Transportketten, was im Übrigen auch der Grund dafür ist, dass der Anteil der Dienstleistungen, die tatsächlich rein über den Wasserweg abgewickelt werden, eben ein Stück kleiner ist.

Das Umschlagvolumen im Magdeburger Hafen beträgt rund 4 t jährlich mit steigender Tendenz. Der Hafen ist in der Tat wasserstandsunabhängig, durch die Niedrigwasserschleuse an den Mittellandkanal angeschlossen. Trotzdem würden wir uns wünschen, dass mehr Verkehr auf die Elbe geht.

Dritter Punkt ist der Hochwasserschutz. Der Hochwasserschutz an der Elbe ist ohne Zweifel der wichtigste direkte Wirtschaftsfaktor. In den nächsten Jahren werden wir 5,5 Millionen € dafür ausgeben. Der Wert der Güter, die mit dem aktiven Hochwasserschutz geschützt werden, ist sicherlich um einiges größer.

Wir haben vor ein paar Tagen die Frage Lödderitzer Forst, Deichrückverlegung, erfahren. Ich will auch noch ein zweites Projekt nennen: Revitalisierung der Alten Elbe bei Dornburg und an der Kreuzhorst in Magdeburg. Dabei geht es um 15 km Reaktivierung von Flusslandschaften, übrigens ein Zusammenspiel des Landes, der beteiligten Kommunen und eben auch des BUND. Das ist ein Thema, das uns in den nächsten zehn Jahren beschäftigen wird.

Letzter Satz: Das Projekt, das wir dort haben, ist ein Stück weit auch ein Beispiel für ein Modellprojekt. Durch kluge Umverlagerung und auch durch klugen Umgang mit dem, was an Altlasten im Flussboden ist, gibt es einen guten Ausgleich zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen und Zielen. Auch das macht den Wirtschaftsfaktor Elbe - nachdem wir vorhin einen Exkurs in die Mitte des zweiten Jahrtausends hatten - im dritten Jahrtausend aus. Das Jahrtausend ist lang. Wir müssen heute anfangen, das im Gleichgewicht zu halten, aber eben im Gleichgewicht, nicht das eine zulasten des anderen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Ich danke Herrn Dr. Grube für die Ausführungen. - Für DIE LINKE

spricht der Abg. Herr Gallert. Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Danke. - Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Borgwardt, wir müssen als Landtagsabgeordnete flexibel sein. Wir wissen, wir sind 24 Stunden am Tag für alles zuständig, und insofern können wir auch alle viel über die Elbe reden.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das stimmt!)

Ich habe die Aufgabe, heute in zwölf Minuten die Auswertung der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der GRÜNEN zur Elbe vorzunehmen. Ich muss sagen, mein Eindruck nach der Lektüre der Antwort unterschied sich offensichtlich sehr erheblich von dem all derer, die vor mir gesprochen haben.

Mein erster Gedanke war, nachdem ich die 26,5 Seiten beiseitegelegt habe: Hoffentlich entdeckt dieses Papier nie und nimmer der Steuerzahlerbund.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Es ist - ich sage es mit aller Deutlichkeit - erschreckend - erschreckend, mit welcher substanziellen Ahnungslosigkeit wir als Land und die Landesregierung im Speziellen die ökonomischen Faktoren der Elbentwicklung einschätzen: Haben wir nicht, ist nicht, kennen wir nicht, brauchen wir nicht, ahnen wir nicht, sind die wesentlichen Antworten auf die Anfragen der GRÜNEN, und zwar in fast allen ökonomischen Bereichen.

Ja, es gibt dort eine Studie, die redet über sechzehneinhalbtausend Beschäftigungsverhältnisse

für die Elbeschifffahrt, davon sechseinhalbtausend im wasserstraßenaffinen Bereich.

Aber wie viele davon eigentlich in Sachsen-Anhalt ökonomisch eine Rolle spielen, das wissen wir natürlich nicht. Da haben wir einmal gefragt und irgendjemand hat uns einmal per statistischer Hochrechnung, die aber nicht belastbar ist, erzählt: Wir haben wahrscheinlich so in etwa 200 Binnenschiffer im Land Sachsen-Anhalt.

Es ist eine gewisse Differenz zwischen 6 500 und 200. Den Rest können wir uns denken oder auch wünschen.

Wir haben es mit einer Analyse des Radwegs zu tun - das ist ja der große Schwerpunkt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; es sei ihnen gegönnt, es trifft nicht so sehr mein persönliches Interesse, aber sei es drum -,

(Heiterkeit)

wobei wir über 450 000 Nutzer in Sachsen reden. Wie viele es in Sachsen-Anhalt sind, wissen wir

nicht. Wir haben über die ökonomische Basis und über die ökonomischen Auswirkungen der touristischen Nutzung der Elbe in Sachsen-Anhalt faktisch keine Erkenntnisse, und das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Man könnte hochrechnen, dass die 450 000 Nutzer aus der Sächsischen Schweiz möglicherweise auch in Sachsen-Anhalt existieren. Wissen tun wir es nicht.

Könnten wir es wissen? - Natürlich könnten wir es wissen. Bei der von Kollegen Hövelmann bereits angeführten Elberadwegkonferenz war ein Vertreter aus Brandenburg da. Der schmiss mit einem Klick ein Bild an die Wand mit allen Radwegen des Landes Brandenburg, mit genau ermittelten Nutzerfrequenzen: Wie viele Menschen benutzen die Radwege, die im Land Brandenburg landesweit vermarktet sind. - Wir haben keine Ahnung. Wenn wir wissen wollen, wie viele in SachsenAnhalt da sind, müssen wir in Sachsen und in Brandenburg nachfragen, welche Zahlen die haben, und die Mitte ermitteln.

Dazu sage ich ganz deutlich: Wir haben es in diesem Fall tatsächlich mit einem massiven Steuerungsproblem der Politik zu tun. Wir wissen nicht, was die Mittel, die wir einsetzen, wirklich bringen, und wir haben nicht einmal im Entferntesten eine Ahnung, wo die zusätzlichen Bedarfe wirklich liegen, es sei denn, wir fragen einmal zufällig jemanden.

Das hat der vom Kollegen Webel genannte regionale Tourismusverband gemacht. Er hat 786 ausgefüllte Fragebögen zurückbekommen.

Die Landesregierung schätzt selbst ein: Das ist nicht die Basisgrundlage, die wir für politische Entscheidungen wirklich brauchen. Das kann man nicht hochrechnen.

Was passiert in Sachsen, was passiert in Brandenburg, was in Sachsen-Anhalt nicht passiert? - Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen.

Deswegen sage ich auch: Wenn wir uns einmal wirklich anschauen, in welchem Muspott wir da stecken, dann muss man klar sagen: Der Elberadweg ist der beliebteste Radweg Deutschlands, aber wahrlich nicht wegen Sachsen-Anhalt, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,