Es hat dann ein hartes Ringen gegeben. Letztlich gab es eine Übergangsfrist. Diejenigen, die diesen Gesetzentwurf damals mitgetragen haben, gingen seinerzeit davon aus, dass es verhältnismäßig wenige Fälle seien. Das ist auch von den Spitzenverbänden und vom Wasserverbandstag so zu uns transportiert worden, dass es nur um diejenigen gehe, die unmittelbar davor stünden.
Nun haben wir aber die Situation, dass, obwohl die Rechtslage in Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 2008 in Bezug auf den Herstellungsbeitrag II völlig klar war, trotzdem - sicherlich auch auf Druck der Kommunalaufsichtsbehörden - in 85 000 Fällen Bescheide verschickt worden sind.
Dabei muss ich etwas relativierend einfügen, dass es dort längst nicht nur um den Herstellungsbeitrag II geht, sondern es geht bei den 85 000 Fällen auch um die sogenannte Nachveranlagung.
Diese drohende Nachveranlagung betrifft Bürger in Kommunen, in denen es unter Umständen 20 Jahre lang Satzungen gab, die nie gültig waren. Dort ist die letzte ungünstige Satzung aus dem Jahr 2014 oder 2015 zum Ansatz gebracht worden und die Bürger wurden nunmehr mit Nachveranlagungen konfrontiert.
Dadurch wurde das Problem zusätzlich verschärft. In vielen Fällen ist die extra in dem Landtagsverfahren eingefügte Regelung des § 13a Abs. 6 nicht zur Anwendung gekommen. Das ist sicherlich auch ein Lehrstück, was Behörden manchmal aus Gesetzen machen können. Das ist sowohl bei § 18 Abs. 2 als auch bei § 13a Abs. 6 der Fall gewesen. Der Landtag bzw. viele Kolleginnen und Kollegen trauen sicherlich an der einen oder anderen Stelle ihren Augen nicht, wenn sie sehen, was denn nun aus den Regelungen der §§ 13a Abs. 6 und 18 Abs. 2 gemacht worden ist.
Es hat im November 2015, also innerhalb dieser Übergangsfrist, zwei weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Kommunalabgabengesetz gegeben, nämlich am Beispiel des Landes Brandenburg. Wenn man das liest, dann kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass die eigentliche Entscheidung, um die es geht, mit der Regelung in Sachsen-Anhalt nichts gemein hat.
Wenn man sich aber die Entscheidungsgründe selbst anschaut, dann merkt man schon, wie bei der Entscheidung aus dem Jahr 2013, sehr deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht auf der einen Seite die Einnahmebeschaffungsinteressen der Zweckverbände, nämlich bis zum Sankt Nimmerleinstag noch zu seinem Geld zu kommen, und auf der anderen Seite den Vertrauensschutz des Bürgers, dass er nicht unter Umständen erst nach Jahrzehnten mit Forderungen konfrontiert wird, neu austariert.
Das hat auch dazu geführt, dass es im Landtag und auch in der Landesregierung trotz der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im letzten Sommer neue Überlegungen gegeben hat. Das ist auch der Grund dafür, dass der Innenminister Anfang dieses Jahres einen entsprechenden Erlass herausgegeben und die entsprechende Empfehlung abgegeben hat.
Nun gibt es - ich bezeichne sie immer als Vortragsreisende - Personen, die durch das Land reisen und Geschäftsführern von Zweckverbänden sagen: Wenn ihr den Erlass des Innenministers beachtet, dann handelt ihr rechtswidrig, setzt euch unter Umständen einem Regress aus, wenn nicht sogar der Verfolgung wegen Untreue, weil man die Vermögensinteressen des Zweckverbandes schädigen würde.
gende Dinge zu tun: erstens das Moratorium gesetzlich abzusichern, zweitens Neuregelungen bei den Zinsen vorzunehmen und Vergleiche zu ermöglichen und schließlich die Beitragserhebungspflicht für die leitungsgebundene Ver- und Entsorgung zu lockern.
Das, was Ihnen heute vorliegt, ist ein erster Schritt. Wir ermöglichen Vergleiche im Kommunalabgabenrecht. Wir passen die Zinshöhe für die Aussetzung und für die Stundung an die tatsächlichen Verhältnisse an.
Wir haben jetzt die Situation, dass wir durch die Verweisung auf die Abgabenordnung pro Monat zwingend 0,5 % Zinsen erheben müssen. Wir bilden jetzt das ab, was auch bei anderen Verzinsungen im KAG gilt, nämlich 2 % über dem Basiszinssatz. Das heißt aktuell minus 0,25 % plus zwei Prozentpunkte. Das heißt zukünftig nicht mehr 6 %, sondern 1,75 %.
Darüber hinaus schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass Zweckverbände problemlos und ohne sich in rechtliche Grauzonen zu begeben, die Vollziehung aussetzen können, und zwar generell, bis das Landesverfassungsgericht abschließend über die Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Übergangsfrist des § 18 Abs. 2 KAG entschieden hat.
Damit verhindern wir als Koalition, dass Zehntausende Bürger in diesem Lande gemeinsam mit Zweckverbänden oder Gemeinden in Verwaltungsgerichtsverfahren getrieben werden, weil die Widersprüche beschieden werden müssen.
Und - an dieser Stelle widerspreche ich den LINKEN ausdrücklich -: Die Regelung, die wir im Gesetzentwurf vorsehen, ist eben keine kosmetische Operation,
Weitere Schritte werden durch die Koalition im Bereich des Kommunalabgabengesetzes schon sehr bald folgen.
Das, was wir an dieser Stelle zu tun haben, wird uns sicherlich das Landesverfassungsgericht mit auf den Weg geben. Aber auch der Koalitionsvertrag hat eine entsprechende Wegweisung vorgenommen. Dazu gehört insbesondere die Lockerung der Beitragserhebungspflicht für die leitungsgebundenen Ver- und Entsorgungsanlagen. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Abg. Rüdiger Erben. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister für Inneres und Sport Holger Stahlknecht. Bitte sehr, Herr Minister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So viel vorab: Der Landtag und die damalige Landesregierung haben keine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass diese Herstellungsbeiträge II, die jetzt im Streit sind, überhaupt erhoben werden können. Vielmehr ist es eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung in diesem Land, dass der Herstellungsbeitrag II schon seit mehreren Jahren unter die Beitragspflicht fällt.
Eigentlich - auch das gehört dazu - hätten die Abwasserverbände nicht auf den letzten Drücker aufgrund der getroffenen Verjährungsregelung diese Beiträge erheben müssen, sondern sie hätten diese schon wesentlich eher erheben können und sogar müssen. Daher muss man auch die Abwasserverbände fragen, warum sie dies nicht eher getan haben.
Wenn wir schon über Juristerei reden und über Verfassungsgerichte, dann ist zu sagen: Es gibt auch den Gleichheitsgrundsatz. Es gibt eine ganze Reihe von Abwasserverbänden, die diese Beiträge zeitgerecht eher erhoben haben, und es gibt Bürgerinnen und Bürger, die gezahlt haben.
Wie empfinden sie es, wenn ein Landesverfassungsgericht - das warten wir in Ruhe ab - sagt, aufgrund des Rückwirkungsverbotes sei das verfassungswidrig, sodass eine Vielzahl von Beitragsschuldnern nur deshalb jetzt nicht zahlen muss, weil die Verbände es verabsäumt hatten, die Beiträge zeitgerecht zu erheben.
Das gehört zu einer Versachlichung trotz all der Schwierigkeiten, die es gibt, wenn es um Geld geht, das niemand gern freiwillig zahlt, auch wenn eigentlich eine Gegenleistung erbracht worden ist, auch dazu.
Nun steht im Raum, ob diese Verjährungsregelung verfassungsgemäß ist oder nicht. An dieser Stelle sagen wir ganz deutlich: Solange das Verfassungsgericht nicht über diese Frage entschieden hat, sollen die Verbände in eigener Verantwortung und Zuständigkeit entscheiden, ob
Man kann dies als Mussregelung aufnehmen. Aber ich sage - mein Vorredner Herr Erben hat es erwähnt -: Es gibt die immer eingeforderte kommunale Selbstverwaltung und genau die gilt dort auch.
Der Widerspruch beginnt an einer weiteren Stelle. Wir machen heute den ersten Schritt. Der zweite Schritt ist, die Beitragspflicht zu lockern und es in das wirtschaftliche Verständnis der Verbände zu stellen, ob und, wenn ja, in welcher Höhe sie zukünftig Beiträge erheben wollen.
Wenn ich den Verbänden an dieser Stelle die unternehmerische und strategische Entscheidung darüber überlasse - das finde ich im 21. Jahrhundert sinnvoll -, ob sie erheben und, wenn ja, in welcher Höhe, dann kann ich sie genau an dem Punkt, über den wir jetzt reden, in ihrer strategischen und operativen Entscheidung eben nicht entmündigen.
Insofern ist es auch richtig, dass ein Verbandsgeschäftsführer oder eine -geschäftsführerin mit der Verbandsversammlung die Entscheidung in seiner bzw. ihrer unternehmerischen Verantwortung und kommunalen Selbstverantwortung trifft, ob er bzw. sie jetzt die Vollziehung aussetzt oder nicht. Insofern ist das - unabhängig von der Frage der Konnexität - der richtige Weg.
Darüber hinaus haben wir gesagt, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, 6 % Zinsen zu erheben. Das macht an sich nur für die Leute wirtschaftlich Sinn, die Widerspruch eingelegt haben, gezahlt haben und am Ende gewinnen; denn dann haben sie mehr Zinsen erhalten, als sie für das Anlegen während dieser Monate bei der Sparkasse oder woanders erhalten hätten. Aber das kann es nicht sein. Daher: 2 % über dem Basiszinssatz nach BGB.
Mit Blick auf die Vergleiche wollen wir jetzt eine Regelung finden, die es ermöglicht, aus dem KAG heraus einen Vergleich zu schließen. Bislang war das ein Rechtsfolgenverweis auf die Abgabenordnung, die von ihrem Zweck eine vollkommen andere Zielrichtung hat - hierin geht es nämlich um Steuern -, und dort gilt das sogenannte tatsächliche Verständigungsverfahren unter sehr engen Voraussetzungen.
An dieser Stelle öffnen wir das und sagen: Auch das ist richtig. Nur dann, wenn es eine strittige Rechtslage gibt oder einen Sachverhalt, der in sich streitig ist, und für die eine oder andere Seite ein Prozessrisiko besteht, kann ein Vergleich geschlossen werden. Jeder vernünftige Anwalt und jeder vernünftige Verband wird einem Gericht immer nur dann Vergleiche anbieten oder diesen
Auch Vergleiche - wir reden am Ende auch über öffentliche Gelder - müssen an gewissen normativen Voraussetzungen ausgehandelt werden und das haben wir sinnvollerweise getan.
Vielleicht gelingt es uns darüber hinaus, am Ende trotz all des Streites ein Stück weit ein Umdenken in den Verbänden zu erreichen, nämlich dahingehend, dass der Beitragsschuldner eigentlich Kunde ist und dass der Verband versteht, dass derjenige, der bei ihm sozusagen geführt ist, so behandelt werden muss, wie jedes Wirtschaftsunternehmen einen Kunden in der freien Marktwirtschaft behandelt.
Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert, in dem der Gesetzgeber nach preußischer Manier anderen vorgeben muss, was sie zu tun und zu lassen haben. Auch diese wirtschaftliche Freiheit, kundenorientiert zu arbeiten, möchte ich gelegentlich bei den Verbänden einfordern. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Stahlknecht. - Wir kommen jetzt zur Debatte über die unter den Tagesordnungspunkten 1 a und 1 b aufgeführten Gesetzentwürfe. Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion verabredet worden.
Ich rufe zuerst die CDU-Fraktion auf, nämlich den sehr geehrten Abg. Herrn Schulenburg. Herr Schulenburg, es ist Ihre erste Rede. Ich wünsche Ihnen dafür alles Gute.