Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht zum ersten und garantiert nicht zum

letzten Mal beschäftigen wir uns hier im Plenum mit den Theatern und Orchestern im Land. Der heutige Anlass ist kein schöner; denn die Situation der Theater, Oper und Orchester GmbH in Halle ist offenbar dramatisch. Seit einigen Wochen geht die Situationsbeschreibung durch die Nachrichten, und die Medienlandschaft ist voll mit Meldungen, die da lauten: „Großes Defizit an der TOOH“, „Bis zu 3 Millionen € Defizit könnte erreicht werden“, „Die Finanzierung kann nicht mehr sichergestellt werden“, auch von einer zumindest drohenden Insolvenz war zwischendurch die Rede. Das alles ist beunruhigend und sollte bei uns die Alarmglocken schrillen lassen.

Die Theaterlandschaft in Halle selbst ist eine sehr vielfältige. Neben zahlreichen freien Theatergruppen, die es dort gibt, einer sehr lebendigen freien Szene, gibt es dort die mit einem Theatervertrag des Landes ausgestatteten Einrichtungen. Das betrifft das Orchester, die Oper, das Neue Theater als herausragendes Schauspiel mit dem integrierten Thalia-Ensemble und das Puppentheater. Auf diese gesamte Landschaft können wir stolz sein, sollten dann aber auch unseren Beitrag dazu leisten, diese Kulturlandschaft zu pflegen und zu fördern.

Nun wissen wir alle noch von den Kürzungen durch das Land, die ab dem Jahr 2014 wirksam wurden. Allein in Halle wurden seinerzeit 3 Millionen € durch das Land gekürzt. 3 Millionen € soll jetzt das Defizit betragen. Also, wenn hier kein Zusammenhang besteht, weiß ich es auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zugegebenermaßen: Die Ursachen für die Situation in Halle sind natürlich vielschichtig. Aber dass das Land gar keine Aktie daran haben soll, kann man mir nicht erzählen. Natürlich gibt es Ursachen, die in Halle selbst zu suchen sind. Aber hier im Landtag von Sachsen-Anhalt geht es um unsere Verantwortung und um die Verantwortung des Landes hierfür.

Wenn der erste Absatz im Alternativantrag der Koalition ernst gemeint ist, in dem man schreibt, der Landtag bekennt sich ausdrücklich zur Förderung von Theatern und Orchestern durch das Land und die geförderten Theater und Orchester stellen einen elementaren Teil des kulturellen Reichtums des Landes dar und sind wertvolle Ankerpunkte unserer Gesellschaft, wenn das so stimmt, dann muss das Land hier eine aktive und keine passive Rolle einnehmen, muss schnell den Dialog mit Halle führen und schnell Verhandlungen aufnehmen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf)

Meine Damen und Herren! In der letzten Woche fand eine Aufsichtsratssitzung der TOOH statt. Im Anschluss daran wurde die Öffentlichkeit infor

miert. Hierbei hat der Oberbürgermeister der Stadt Halle den Theatervertrag für - wörtlich - „gescheitert“ erklärt. Der anvisierte Stellenabbau bei den Orchestermusikern, sagte er, ist so nicht umsetzbar. Man erhofft sich die Bereitschaft vom Land zu Nachverhandlungen.

Heute findet man in der „Mitteldeutschen Zeitung“ ein Interview mit dem Geschäftsführer der TOOH, was auch sehr aufschlussreich ist - Herr Robra hält es gerade hoch -, worin noch einmal klar erklärt wird, warum der Abbau von Orchestermusikern so nicht funktioniert und so auch nicht wirtschaftlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch einmal klar sagen: Es geht uns in erster Linie gar nicht darum, dass man jetzt sagt: Okay, wir packen hier die 3 Millionen € wieder drauf und alles ist gut. Das steht nicht in unserem Antrag, das ist auch nicht unser Ansatz. Wir wollen, dass erstens ein Dialog sofort geführt wird, dass verhandelt wird. Es geht aus unserer Sicht sogar darum, dass man Mittel, die jetzt für Stellenabbau eingeplant sind, umwidmet, um Stellen zu erhalten. Es geht nicht um mehr Geld, es geht einfach um die Umwidmung von Mitteln. Dazu muss das Land Bereitschaft signalisieren und muss an der Stelle verhandeln.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Jahr 2012 als Fraktion sehr prononciert, sehr detailliert gegen die Kürzungen im Kulturbereich ausgesprochen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wie hat denn die Koalition bisher auf diese Situation reagiert? - Herr Robra als Kulturminister hat bereits reagiert. Er sagte, der Theatervertrag sei einvernehmlich zwischen dem Land und der Kommune beschlossen worden. - Na ja, ich sage einmal: Mit der Einvernehmlichkeit ist es so eine Sache. Man muss schon dazu sagen, dass es gegen die Kürzungen durch das Land auch in Halle heftigen Widerstand gab.

(Zustimmung von Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE)

Man muss auch dazu sagen, dass tausende Hallenserinnen und Hallenser gegen die Kürzungen demonstriert haben. Man muss ebenfalls dazu sagen, dass es eine erfolgreiche Volksinitiative gab, die sich gegen die Kürzungen im Kulturbereich engagiert hat. Mehr als 30 000 Menschen aus Sachsen-Anhalt haben für die Volksinitiative unterschrieben und sie bekam dadurch Rederecht im Landtag.

Der Titel der Volksinitiative damals lautete übrigens „Kulturland Sachsen-Anhalt retten“.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Viele haben damals den Titel für eine Übertreibung gehalten. Wer hätte gedacht, dass es jetzt in Halle tatsächlich um Sein oder Nichtsein geht. Insofern hatte die Volksinitiative „Kulturland Sachsen-Anhalt retten“ seinerzeit auch mit ihrer Titelwahl völlig recht.

Was wäre denn seinerzeit die Alternative für die Stadt Halle gewesen? - Die Alternative wäre gewesen, den Vertrag nicht zu unterschreiben und dann gar keine Landesförderung zu erhalten. Dies war für die Stadt Halle keine Alternative und, so wie es heutzutage nun einmal mit manchen Alternativen ist, die keine Alternativen darstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Herr Minister Robra hat sich an anderer Stelle gegenüber Verhandlungen mit der Stadt Halle aufgeschlossen gezeigt. Er sagte sinngemäß, er brauche hierfür aber auch ein Votum des Landtages.

Sehr geehrter Herr Kulturminister, genau das steht in unserem Antrag. Wir wollen Ihnen hierfür den Rücken stärken. Wir wollen Ihnen ein Votum für Verhandlungen mit der Stadt Halle mitgeben.

Meine Damen und Herren, ich habe mir die Debattenprotokolle aus der letzten Legislaturperiode noch einmal angesehen. Außer meiner Fraktion wandte sich auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr klar gegen die Kürzungen im Kulturbereich.

Meine herzliche Bitte an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist, dass Sie zu diesen Grundsätzen auch heute noch stehen und innerhalb der Koalition dafür stehen, dass diese Kürzungspolitik im Kulturbereich korrigiert wird. Aus unserer Sicht besteht hierzu die Möglichkeit, wenn der Wille dazu vorhanden ist.

Ich möchte kurz von einer Veranstaltung berichten, die Anfang des Jahres stattfand. Anfang des Jahres fand im Puppentheater in Magdeburg eine Diskussionsveranstaltung statt, zu der alle Fördervereine der Theater und Orchester im Land eingeladen hatten. Diese Fördervereine waren komplett anwesend, auch alle im Landtag vertretenen Fraktionen waren anwesend.

Dabei gab es einen Auftritt von der Vorsitzenden der SPD-Fraktion Frau Dr. Pähle. Frau Dr. Pähle hat bei dieser Veranstaltung wortwörtlich gesagt: „Die Kürzungen seinerzeit waren ein Fehler.“

Frau Pähle, leider sind Sie jetzt nicht anwesend und ich kann Sie nicht direkt ansprechen. Aber ich möchte in Richtung Ihrer Fraktion gern sagen: Ich finde, dass das ein sehr bemerkenswerter Satz ist, der aus meiner Sicht Respekt verdient. Denn Fehler einzuräumen, wenn man welche begangen hat, ist in der Politik nicht unbedingt an der Ta

gesordnung. Das verdient aus meiner Sicht erst einmal Respekt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nur, meine Damen und Herren, was ist denn die Konsequenz aus diesem Satz? - Noch mehr Respekt verdient man, wenn man bereit ist, die Fehler, die man nennt, auch zu korrigieren. Meine Fraktion hofft, dass hierzu die Bereitschaft im Hohen Haus vorhanden ist, und sie bittet deshalb um Zustimmung zu dem Antrag. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Fragen. Dann steigen wir in die Debatte ein. Es ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Staats- und Kulturminister Herr Robra. Herr Robra, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gebhardt, ich war zunächst ein bisschen entsetzt über den Alarmismus, der von Ihrem Antrag ausging. Da wurde die Insolvenz beschworen, da werden Qualitätsverluste beschworen. Die Insolvenz stand nie ernsthaft am Horizont.

Ich bin der Stadt zunächst dankbar dafür - ohne jetzt alle Einzelheiten zu kennen -, dass sie einen Weg gefunden hat, die offenbar vorhandenen Finanzierungsdefizite auszugleichen und damit den laufenden Spielbetrieb weiter zu sichern.

Mir hat das Interview von Herrn Rosinski in der heutigen „Mitteldeutschen Zeitung“ in vielerlei Hinsicht die Augen noch weiter geöffnet, als ich sie ohnehin schon geöffnet hatte. In dem Interview wird deutlich - für mich ist das nicht völlig neu -, dass die Defizite, um die es jetzt geht, ganz wesentlich im laufenden Geschäftsbetrieb entstanden sind. Dabei geht es um die Gagen von Gastkünstlern, die möglicherweise außer Kontrolle geraten sind.

Das kann ich alles nicht abschließend bewerten; das steht so in dem Interview mit Herrn Rosinski. Ich warte noch auf den Bericht, der natürlich vom Oberbürgermeister und nicht von der „Mitteldeutschen Zeitung“ kommen muss, um einen Eindruck davon zu bekommen, welche der Zusagen, die dem Vertrag zugrunde liegen, erfüllt sind - da ist offenbar im allgemeinen Theaterbereich eine ganze Menge geschehen -, wo es noch Probleme gibt, die abgearbeitet werden müssen, und wie wir damit umgehen.

Ich will jetzt keine großartigen Geheimnisse verraten. Es entspricht meiner Arbeitsweise, mich

auch im Hintergrund sehr genau darüber zu informieren, wie die Dinge liegen. Ich habe schon lange Gespräche mit der Deutschen Orchestervereinigung, mit Herrn Rosinski, mit Frau Brinker, mit Herrn Josep Caballé-Domenech, aber auch mit Musikern aus dem Orchester geführt, weil ich schon sehe, dass die Rückführung von 133 auf nur noch 99 Musiker, wie es im Vertrag vereinbart worden ist, erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Diese Schwierigkeiten sind nicht individueller, sondern struktureller Natur. Das wird man dann im Einzelnen analysieren müssen.

Herr Rosinski hat in dem Interview ja auch den für mich nicht völlig neuen Vorschlag unterbreitet, bis auf 115 Musiker abzubauen - die darüber liegende Zahl lässt sich offenbar mit Individualvereinbarungen in den Griff bekommen -, um aus der so entstehenden Struktur einen Mehrwert zu schaffen, indem man ein spezielles Barockorchester für Sachsen-Anhalt installiert, das international Geltung beanspruchen kann.

Das sind alles Themen, über die man wird reden können. Man muss das analysieren, auch auf die Länge der Zeit betrachtet.

Ich habe bei der Intendantenkonferenz in der letzten Woche schon das Signal für alle gegeben. Die Hallenser waren, mit Ausnahme von Frau Brinker, leider nicht vertreten, weil sie zur selben Stunde mit dem Oberbürgermeister darüber konferierten, wie sie aus der aktuellen Krise herausfinden. Man hat ja, wie gesagt, auch Mittel und Wege gefunden.

Ich habe es den Intendanten schon gesagt: Für mich beginnt der Verhandlungs- und Gesprächsprozess jetzt. Ich erwarte jetzt von allen, nicht nur von den Hallensern, Input und Ideen, wie wir die Theater- und Orchesterszene ganz im Sinne der Nr. 1 des Alternativantrages der Koalitionsfraktionen zu noch größerer Wahrnehmbarkeit, zu noch größerer Wirksamkeit, zu noch größerer Geltung verhelfen können.

Ich weiß auch, dass wir im Haushalt 2019 die Finanzierungsgrundlage für den Anschlussvertrag schaffen müssen. Dafür sind jetzt sehr viele Gespräche mit allen Beteiligten zu führen. Das wird bei den einen einfacher und bei den anderen vielleicht etwas schwieriger werden.

Ich muss im wohlverstandenen Eigeninteresse, aber auch im Interesse der Kulturszene des Landes zunächst einmal die Koalitionsfraktionen und den Kulturarbeitskreis in die Überlegungen einbinden. Auch davon erwarte ich natürlich Input und Ideen, weil es mir nicht darum geht, das nur inhaltlich fortzuschreiben nach dem Motto: Streiche so und so viele Millionen, setze so und so viele Millionen ein und alles andere bleibt gleich. Vielmehr können wir dann auch über

inhaltliche und perspektivische Angelegenheiten diskutieren.

Danach suche ich das Gespräch mit dem Landtag insgesamt. Wir brauchen am Ende wirklich ein Bekenntnis des Landtages insgesamt zur Kulturszene. Das muss sich auch im Haushalt angemessen niederschlagen. Dazu kann und will ich im Moment noch keine Hausnummer nennen, das wäre verfrüht.

In diesem Sinne werde ich das Meine dazu tun, um auf der Grundlage des Alternativantrages der Koalitionsfraktionen die Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen-Anhalt zukunftsfähig zu gestalten.