Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

Es gibt keine weiteren Fragen. Dann danke ich Ihnen, Herrn Lippmann, für Ihre Ausführungen. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Tullner. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Hohe Haus ist in vielen Punk

ten durchaus unterschiedlich unterwegs und hier prallen - das haben wir heute wieder erlebt - gelegentlich auch Meinungen kontrovers und emotional aufgeladen aufeinander. Das ist gelegentlich auch in der Schulpolitik so, und das ist auch richtig so, weil wir am Ende ein gemeinsames Ziel haben, nämlich darum zu ringen, für unsere Kinder die bestmögliche Bildung zu organisieren. Auch über die Frage, welche Ressourcen dafür notwendig sind, lässt sich trefflich und richtigerweise streiten.

Ich stehe in Verantwortung in einer Koalition, die Kenia heißt und die erkannt hat, dass hier über die letzten Jahre eine Problemlage entstanden ist, die wir angehen. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass der Koalitionsvertrag 500 VZÄ mehr ins System Schule gibt, dass wir eine Unterrichtsversorgung von 103 % anstreben wollen.

Und trotzdem wird das, wenn wir das am Ende der Wahlperiode erreicht haben, nicht das Paradies auf Erden sein, weil auch dann Probleme in Schulen entstehen und wir auch dann über Problemlagen reden müssen. Denn niemand wird wohl erwarten können, dass wir in der Schule einen Idealzustand erreichen, in dem wir alle Probleme lösen.

Nun hat der Kollege Lippmann - dafür ich bin ihm außerordentlich dankbar - immer eine sehr spezifische Blickrichtung auf die Schullandschaft in diesem Lande. Er gehört einer politischen Organisation namens LINKE an, die sozusagen das Glück hat oder es vielleicht auch verdient hat, in Thüringen genau diese Verantwortung zu tragen.

Herr Lippmann, Sie können hier egal mit welchen Argumenten kommen. Ich sage es noch einmal: Zeigen Sie es doch in Thüringen. Zeigen Sie uns doch in Thüringen, dass Sie als LINKE Schulpolitik so können, dass die Probleme, die wir aus verschiedenen Gründen im ganzen Osten haben, dort gelöst werden.

Ich nehme nur zur Kenntnis, dass meine liebe Kollegin Klaubert jetzt aus Krankheitsgründen ausscheiden musste und sich der neue Minister Herr Holter aus Mecklenburg-Vorpommern, der in der Bildungspolitik noch nicht so bekannt war, jetzt darum bemüht, die Dinge anzupacken.

In Thüringen sind mehr als 300 Lehrerstellen nicht besetzt. Sie haben gerade die Unterrichtsgarantie kassiert, die vorher ausgesprochen wurde. Deswegen sage ich einmal: Seien Sie doch einfach mal mit Blick auf Thüringen ein bisschen realistischer. Dann werden Ihre Argumente hier auch besser gehört werden als in dieser marktschreierischen Art, in der Sie es tun.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun haben Sie diesen Antrag, über den Sie relativ wenig erzählt haben, der „3 mal 200“ lautet, ein

gebracht. Ich sage es einmal so: Ein Argument - das haben wir am Anfang auch schon diskutiert - ist natürlich das Ressourcenargument. Das haben Sie irgendwie gar nicht beleuchtet.

Vielleicht können Sie noch einmal klar sagen, woher die Ressourcen kommen sollen. Wir haben einen Haushalt. Normalerweise kenne ich Anträge von Ihnen immer so, dass die auch gegenfinanziert sind. Die vermisse ich an dieser Stelle einfach. Das würde mich interessieren.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Dann ignorieren Sie völlig, was wir gerade alles bereits im Landtag beraten. Ich verweise nur auf den Selbstbefassungsantrag der SPD zum Thema „Schulverweigerung“, auf den Landtagsbeschluss zur Schulsozialarbeit und auf die Entwicklung des Förderschulkonzepts, auf die Änderung des Schulgesetzes usw., usf.

Viele dieser Themen, die Sie richtigerweise angesprochen haben, in denen wir auch Probleme haben, gehen wir doch gerade an. Wir reden doch über Förderschulen. Wir reden doch über Schulsozialarbeit. Wir machen ein Förderschulkonzept. Wir reden über pädagogische Mitarbeiter und legen diese Konzepte bis zum Jahresende vor.

Ich finde es ein bisschen simpel - ich vermute einmal, dass der 24. September bei Ihrer Positionierung eine Rolle spielt -, dass Sie das alles weglassen. Da Sie als Ausschussvorsitzender eine tolle Arbeit leisten und alle Tagesordnungspunkte im Blick haben, verstehe ich nicht, warum es Ihnen dabei nicht untergekommen ist.

Dann haben Sie das Thema Schulabbruch angesprochen. Das ist ein Thema, bei dem es über die Jahre langsam vorangeht. Wir stehen aber noch vor gewaltigen Herausforderungen. Wir sind dabei, diese Dinge anzugehen. Wir schauen uns an, warum die Übergangsperspektiven mit den Abschlüssen an Förderschulen nicht so gut sind. Sie machen einen Abschluss, der nicht anerkannt wird; das sollten wir auch sagen. Das sind Themen, die wir mit Energie und Tatkraft angehen.

Die Dinge sollten aber konzeptionell durchdacht sein, damit wir keine Schaufensterbeschlüsse fassen. Deswegen liegen diese Dinge, von der Koalition mit getragen und im Übrigen auch von Ihnen begleitet, dem Ausschuss vor. Deswegen finde ich, auch bei Ihnen sollte an dieser Stelle ein bisschen Demut vorhanden sein.

Ansonsten verweise ich darauf, dass wir Lehrkräfte einstellen. Wir haben mehr Lehrerinnen und Lehrern in den Klassen als noch zu Beginn des vorherigen Schuljahres. Ihr als Fama vorgetragener Vorwurf, dass es weniger seien, stimmt nicht, Rechnen Sie es nach, dann werden Sie verstehen, dass Behauptungen, die man aufstellt,

gelegentlich auch mit Fakten untermauert werden sollten, Kollege Lippmann.

Sie haben alle Zahlen, ob offiziell oder inoffiziell. Lesen Sie sie einfach und nehmen Sie die Realität zur Kenntnis. Die von Ihnen in einer bemerkenswerten Art und Weise vorgetragenen Rufe, dass das Schulsystem in Sachsen-Anhalt auf gut Deutsch den Bach heruntergeht und wir in lauter Problemen ertrinken, zeichnen ein Bild, das ich ausdrücklich zurückweise. Wenn ich täglich und wöchentlich in Schulen unterwegs bin und wenn die Abgeordneten täglich und wöchentlich in Schulen unterwegs sind, dann nimmt man zumindest eine differenziertere Sicht wahr.

Ja, wir haben Probleme, und ja, wir gehen durch schwierige Zeiten. Darum will keiner herumreden. Aber wir packen sie an und werden sie auch lösen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt keine Fragen. Dann danke ich Herrn Minister für die Ausführungen.

Bevor wir in die Debatte einsteigen, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, in unserem Hohen Haus Schülerinnen und Schüler des GeschwisterScholl-Gymnasiums Sangerhausen herzlich begrüßen zu dürfen. Seien Sie willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Frau Prof. Kolb-Janssen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich habe mich gefreut, als ich im Juli in der „Volksstimme“ gelesen habe, dass der Ministerpräsident jetzt ein großes Augenmerk auf die Tatsache gelegt hat, dass er für die Aussage der Caritas-Studie zu Sachsen-Anhalt, was die Zahl der Schülerinnen und Schüler betrifft, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen, Lösungen finden will, dass ihn das nicht ruhen lässt und dass er sich an diesen Parametern auch messen lassen wird.

Mich freut weniger, dass er es zur Chefsache macht. Ich glaube, dass wir als Bildungspolitiker gemeinsam mit dem Bildungsministerium dafür die notwendigen Lösungen finden.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Mich hat es vor allen Dingen gefreut, weil er erkannt hat, dass dieses Thema, dass wir es nicht schaffen, dass alle Schülerinnen und Schüler, die bei uns in Sachsen-Anhalt die Schule besuchen,

auch wirklich in die Lage versetzt werden, die Schule mit einem Schulabschluss zu verlassen, und damit auch die Voraussetzung haben, im Arbeitsleben zu bestehen, tatsächlich eines der Zukunftsthemen für unser Land ist.

Es ist richtig: Wir haben hier in diesem Hohen Haus schon über viele Themen von guter Bildung diskutiert, über die Verbesserung der Unterrichtsversorgung, die Weiterbeschäftigung der Sprachlehrkräfte. Wir haben mehr Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern gefordert.

Es hat mich im Übrigen gewundert, Herr Lippmann, dass Sie feststellen, dass 1 500 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Die sind ja im Antrag gar nicht enthalten, sondern nur 600, wobei ich - mit Verlaub - der Begründung nicht entnehmen kann, woher diese Zahl kommt.

(Angela Gorr, CDU: Genau!)

In der Tat liegt dem Bildungsausschuss zu den Themen Schulsozialarbeit und Förderschule eine Vielzahl von Papieren vor. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir die Diskussionen jetzt tatsächlich zusammenführen und Lösungen finden, die tatsächlich auch kurzfristig aufzeigen, welche Instrumente geeignet sind, damit wir die Schülerinnen und Schüler dahin bringen, dass sie die Schule mit Erfolg abschließen.

Denn allein ein Schulsozialarbeiter wird nicht sicherstellen können, dass wirklich alle Schüler dieser Schule einen Schulabschluss erreichen. Das ist nicht seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist es, in schwierigen Situationen auch mit dem Elternhaus eine soziale, emotionale Stabilisierung hinzubekommen.

Aber ausschlaggebend für den Schulerfolg ist Motivation. Dazu gehören pädagogische Konzepte. Dafür gibt einen großen Baukasten an Instrumenten, an Projekten, die wir in den letzten Jahren in diesem Land durchgeführt haben. Es gab Projekte, die eine Erfolgsquote von 80 % hatten, beispielsweise die Lerncamps. Die sind wieder abgeschafft worden, weil sie so viel Geld gekostet haben. Über diese Dinge sollten wir diskutieren.

Ich würde mir für das Programm „Schulerfolg sichern“, das ausdrücklich - das betone ich hier noch einmal - mehr ist als Schulsozialarbeit, so etwas wie eine Evaluation wünschen, um festzustellen, wo wir wirklich erfolgreich waren. Es lohnt sich, darin tatsächlich weiter zu investieren. Wir sollten die Diskussion nicht nur auf die personellen Ressourcen beschränken. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Für die AfDFraktion spricht der Abg. Herr Dr. Tillschneider.

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Oh! Ich dachte schon, er darf nicht mehr!)

Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, das vom Europäischen Sozialfonds, ESF, subventionierte Programm „Schulerfolg sichern“ sollte umbenannt werden in ESF-Programm „Wir pfeifen auf den Schulerfolg“ oder ESF-Programm „Hauptsache Sozialarbeiter in Lohn und Brot“.

(Beifall bei der AfD)

Das wäre wenigstens ehrlich; denn dieses Programm zeigt nicht den geringsten Einfluss auf die Schulabbrecherquote und verpufft schon seit Jahren völlig wirkungslos. Eben das scheinen auch die LINKEN erkannt zu haben. Es ist eine Erkenntnis, die bei den LINKEN aufkeimt. So fordert Ihre Fraktion ein neues landeseigenes Programm gegen Schulversagen. Leider wird auch dieses neue Programm, sollte es beschlossen werden, was Gott verhüten möge, genauso kläglich scheitern wie alle Programme zuvor.

Ihr Fehler, sowohl der Linksfraktion als auch der SPD und der GRÜNEN und von Teilen der CDU, ist nämlich, dass Sie die Ursache des Schulversagens völlig einseitig im System „Schule“ verorten. Recht besehen hängt der Schulerfolg aber von mindestens drei Faktoren ab: erstens von der individuellen Begabung und Intelligenz, zweitens von Fleiß und Disziplin und erst an dritter Stelle steht das Schulsystem.

Am ersten Faktor kann die Politik nichts ändern. Der zweite Faktor jedoch wird von den LINKEN nicht nur komplett ignoriert. Das, was Sie fordern, würde Fleiß und Disziplin sogar nachhaltig beschädigen. Dabei sind Fleiß und Disziplin für den Schulerfolg viel wichtiger als das Schulsystem.

Sie wollen 200 zusätzliche Fachkräfte für den Spracherwerb anstellen. Das ist überflüssig. Der Spracherwerb ist eine Bringschuld der Ausländerkinder, die dauerhaft hierbleiben dürfen. Diese Botschaft müssten wir ihnen nur einmal mit etwas Nachdruck vermitteln.

(Beifall bei der AfD)