Protokoll der Sitzung vom 25.08.2017

Also, zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss.

(Zuruf: Ja!)

- Okay. Dann müssen wir darüber abstimmen. Wer für eine solche Überweisung des Antrags in der Drs. 7/1757 ist, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der AfD. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion DIE LINKE. Demzufolge ist der Antrag zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss überwiesen worden.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Bevor wir diesen eröffnen, ein paar organisatorische Hinweise.

Erstens habe ich von der Fraktion DIE LINKE erfahren, dass sie in Bezug auf die Tagesordnung für diese Sitzung Änderungsbedarf hat. - Bekomme ich das schriftlich oder soll ich das jetzt mündlich vortragen?

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Mündlich!)

- Ja, dann müsste man mir das aber vorher einmal gesagt haben.

(Heiterkeit)

Da ich prognostiziere, dass dieser Antrag eine überwältigende Zustimmung erhält, wollen wir uns nicht weiter an Formalien aufhalten. Ich habe die Information bekommen, dass - jetzt müssen wir von der Geschäftsordnung her ordnungsgemäß vorgehen - vom Antragsteller beantragt wurde, die Tagesordnungspunkte 23 und 24 von der heutigen Tagesordnung im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 4 der Geschäftsordnung abzusetzen, und zwar mit der Ansage, die entsprechenden Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen, was aber für unseren heutigen Beschluss irrelevant ist.

(Beifall im ganzen Hause)

Wer mit diesem Vorschlag einverstanden ist, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Eine Stimmenthaltung bei Herrn Loth. Trotzdem sind damit diese beiden Tagesordnungspunkte heute von der Tagesordnung gestrichen worden.

Zweitens. Wir alle haben eine Mail zur akustischen „Versorgung“ des Plenarsaals von außen bekommen. Diejenigen, die sie nicht erhalten haben, möchte ich sozusagen nur im pädagogischen Sinne darauf vorbereiten, dass der Soundcheck für die Vorgruppe des heutigen Konzerts eigentlich erst in vier Minuten beginnen sollte. Aber wir hören, dass die Vereinbarung mit der Stadt offensichtlich um elf Minuten vorgezogen worden ist.

Wir können nur hoffen, dass dieser Soundcheck, den wir jetzt hören, etwa noch zehn bis 15 Minuten dauert. Dann soll er beendet werden. Um 18 Uhr beginnt der Auftritt der Vorgruppe. Zu der Frage, wie lange sie spielt, gibt es keine Information. Um 20 Uhr beginnt das Hauptkonzert. Wir werden es möglicherweise alle hier noch erleben.

Weiterhin soll ich darauf hinweisen, dass sich der Eingang zu diesem Konzert, zu dem etwa 7 000 Menschen erwartet werden, unmittelbar vor dem Ausgang des Landtags befindet. Wer den Landtag heute verlässt, der soll sich darüber nicht wundern. - Das ist erst einmal das, was wir abzuarbeiten hatten.

Jetzt behandeln wir aber den Prioritätenblock weiter.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 7

Erste Beratung

Neue Chancen für Langzeitarbeitslose durch Landesprogramm „Stabilisierung durch Teilhabe am Arbeitsmarkt“ im Rahmen des Sozialen Arbeitsmarktes

Antrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drs. 7/1760

Der Einbringer dieses Antrages ist Herr Steppuhn von der SPD-Fraktion. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen nunmehr zum wichtigsten Tagesordnungspunkt des Tages,

nämlich wie angekündigt zum sozialen Arbeitsmarkt. Ich denke, angesichts der Wichtigkeit des Themas können wir es auch mit den Fantastischen Vier aufnehmen. Wir werden es zumindest versuchen.

Meine Damen und Herren! Unser Land ist in den letzten Jahren beschäftigungspolitisch große Schritte vorangekommen. Die Arbeitslosenquote ist im Jahresdurchschnitt so niedrig wie nie und die Erwerbstätigenquote steigt stetig. Dies ist ein klarer Beleg für eine erfolgreiche Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in unserem Lande. Darauf können wir stolz sein, nicht zuletzt wenn wir an die Umbruchsituation in der Vergangenheit denken.

Ein besonderes Augenmerk muss aber weiterhin auf die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gelegt werden. Dabei hat die Integration in den regulären Arbeitsmarkt natürlich absoluten Vorrang. Angesichts eines zunehmenden Fachkräftebedarfs müssen hier alle Möglichkeiten und Chancen genutzt werden.

Angesichts einer verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit brauchen wir allerdings in unserem Land auch einen verstetigten sozialen Arbeitsmarkt.

Hierfür wurden auf Initiative der SPD bereits mit der Koalitionsvereinbarung im letzten Jahr die Weichen gestellt, und jetzt kommt das, was seinerzeit vereinbart wurde, zum Tragen: Rund 10 Millionen € eigenes Landesgeld nimmt das Land zukünftig jährlich in die Hand, um die Ausgestaltung eines sozialen Arbeitsmarktes sicherzustellen. Damit wird es möglich, rund 2 000 langzeitarbeitslosen Menschen Wege und Perspektiven für eine Integration in den Arbeitsmarkt aufzuzeigen und zu ermöglichen. Mit dem Programm „Stabilisierung durch Teilhabe am Arbeitsleben“ werden neue Chancen eröffnet. Mit niedrigschwelligen Angeboten tun wir etwas für Menschen mit den verschiedensten Vermittlungshemmnissen, Menschen, die es aufgrund ihrer Langzeitarbeitslosigkeit besonders schwer haben.

Integration durch soziale Teilhabe zu ermöglichen - das ist die beschäftigungspolitische Zielsetzung. Bereits in Kürze werden den Jobcentern in den Landkreisen die ersten Bewilligungsbescheide durch die Sozialministerin überreicht.

Aus den ersten Landkreisen liegen bereits Anträge auf einen vorzeitigen Maßnahmebeginn vor - ein Beleg dafür, dass wir offensichtlich auf dem richtigen Weg sind und dieses Programm angenommen wird. Das von unserer Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne auf den Weg gebrachte Konzept für die Ausgestaltung eines sozialen Arbeitsmarktes ist eine gute Ergänzung zum Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ und zum ESF-finanzierten Landesprogramm „58Plus“.

Meine Damen und Herren! Beide Programme haben im Ergebnis zu ca. 3 100 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen für die Dauer von drei Jahren geführt. Viele dieser

Menschen können wieder Mut fassen und werden, wenn möglich, damit fit für den ersten Arbeitsmarkt gemacht. Das ist auf der einen Seite das bereits erwähnte ESF-Landesprogramm „Jobperspektive 58“, das wir mit 25 Millionen € aus dem ESF gespeist haben und bei dem es uns gelungen ist, 1 100 Arbeitsplätze im sozialversicherungspflichtigen Bereich für die Dauer von drei Jahren zu schaffen.

Zu erwähnen ist auch das Bundesprogramm Sota, bei dem es uns gelungen ist - überdurchschnittlich als Bundesland -, 2 000 zusätzliche Maßnahmen zu akquirieren, ebenfalls für die Dauer von drei Jahren. Nicht unerwähnt bleiben soll das LandesESF-Programm „Familien stärken und Perspektiven eröffnen“, in dem mittlerweile 1 800 Familien in der Betreuung sind und daran partizipieren.

Und wir wären noch erheblich weiter, wenn es uns schon gelungen wäre, den sogenannten PassivAktiv-Transfer durchzusetzen. Sie wissen, wir haben uns im Landtag mehrfach damit beschäftigt und uns klar positioniert. Auch Andrea Nahles, unsere Arbeitsministerin, ist dafür und hat deutlich gemacht, dass wir damit noch mehr Möglichkeiten schaffen könnten, wenn die passiven und die aktiven Leistungen zusammengefasst würden.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass Langzeitarbeitslosigkeit immer auch eine Herausforderung ist, und ich denke, es ist ein Erfolg, jeden, der langzeitarbeitslos ist, in ein Beschäftigungsverhältnis zu überführen und ihn letztendlich in Arbeit zu bekommen. Deshalb lohnt es sich, sich um jeden langzeitarbeitslosen Menschen zu kümmern. Daher sind maßgeschneiderte Arbeitsmarktprogramme wichtig.

Schon jetzt gibt es eine Reihe von Beschäftigten, die mir aus der Praxis bekannt sind und die aus den genannten Programmen heraus in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis übernommen wurden. Der soziale Arbeitsmarkt mit gemeinwohlorientierter, aktiver Arbeit ist ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Daher ist es wichtig, dass sich unser Land auch weiterhin aktiv engagiert.

Bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sind wir, meine ich, mit dem, was unsere Sozialministerin jetzt vorgelegt hat, auf einem guten Weg, und es zahlt sich aus, sich um jedes unserer Landeskinder zu kümmern. Dabei geht es nicht nur um die Chancen und Perspektiven Einzelner, sondern die ganzer Familien. Deshalb lohnt es sich, diesen Weg zu gehen und die Landesregierung bei der Verstetigung des sozialen Arbeitsmarktes politisch zu begleiten und zu unterstützen. Daher bitte ich schon jetzt um die Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Nachfragen. Damit können wir in die Debatte einsteigen. Für die Landesregierung hat die Frau Ministerin Grimm-Benne das Wort. Es geht hierbei um eine Fünfminutendebatte. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich sehr über diesen Antrag und die daraus erkennbare Unterstützung des Landtags bzw. der Regierungskoalition für unser Vorhaben, besonders schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen im Rahmen des Programmes „Stabilisierung durch Teilhabe am Arbeitsleben“ eine neue Chance zu geben.

Leider ist der Name des Programms etwas sperrig. Uns war aber wichtig, das zentrale Ziel des Programms schon im Titel möglichst deutlich zu benennen. Es geht darum, Menschen, die durch jahrelange Arbeitslosigkeit instabil geworden sind und den Anforderungen des regulären Arbeitsmarktes trotz aller Unterstützung durch die Arbeitsmarktpolitik nicht mehr gewachsen sind, durch eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben eine neue Chance zu eröffnen.

Über wen sprechen wir? - Wir sprechen über Menschen, die arbeiten wollen, sich aber oft sehr viele Jahre erfolglos um Arbeit bemüht haben und bei denen die traditionellen Instrumente der Arbeitsförderung, wie Aktivierung, Training, Weiterbildung, keinen Erfolg gebracht haben, die oft keinen Schulabschluss haben und über keine verwertbaren beruflichen Kenntnisse und aktuelle Berufserfahrung in regulärer Arbeit mehr verfügen, die manchmal durch immer neue Fehlschläge entmutigt, ohne Antrieb und demoralisiert sind und keinerlei Selbstvertrauen mehr haben und daher oft schon an der kleinsten Hürde scheitern oder die - in einem anderen Extrem - sich selbst und ihre Fähigkeiten überhaupt nicht mehr einschätzen können, sich selbst überschätzen und deren Sozialverhalten schnell zu Schwierigkeiten in Arbeitsteams führt. Jeder von uns hat konkrete Beispielfälle vor Augen, sodass ich mir weitere Ausführungen spare.

Die Gründe, warum Menschen in eine solche Lage kommen, sind so individuell wie die Betroffenen selbst. Ihre Zahl ist nicht genau bekannt, da die Vielfalt der Problemlagen durch keine Statistik abgebildet werden kann. Wir schätzen aber, dass etwa 10 bis 15 % der Langzeitarbeitslosen, absolut etwa 3 000 bis 5 000 Menschen in Sachsen-Anhalt, dieser Gruppe zuzuordnen sind. Dies entspricht auch in etwa der

Schätzung, die der neue Chef der Bundesarbeitsagentur, Detlef Scheele, vor kurzem für ganz Deutschland abgegeben hat. Er hat von 100 000 bis 200 000 Betroffenen in Deutschland gesprochen.

Trotzdem kann man sagen: Wir haben einen steigenden Fachkräftebedarf, aber es ist kaum möglich, solche Langzeitarbeitslosen direkt in reguläre Beschäftigung zu vermitteln. Gleichwohl finde ich, dass auch diese Menschen ein Recht haben, am Arbeitsleben teilzuhaben, und ich glaube auch fest daran, dass eine solche Teilhabe am Arbeitsleben dazu beitragen kann, dass auch Menschen in schwierigen Problemlagen wieder Grund unter den Füßen bekommen, auf dem dann weitere Integrationsschritte aufgebaut werden können.

Damit dies funktioniert, müssen aber bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Wichtig ist, dass die Arbeit in einem verlässlichen Rahmen stattfindet und dem Betroffenen Sicherheit vermittelt und Zeit für Entwicklung lässt. Dies ist meines Erachtens Grundvoraussetzung für die notwendige Stabilisierung der Betroffenen. Daher haben wir uns dazu entschieden, dass die Arbeitsverhältnisse in unserem Programm den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Perspektive von drei Jahren Beschäftigung geben sollen. Die Menschen müssen durch die Arbeit aber auch gefördert und ihnen müssen auch Erfolgserlebnisse vermittelt werden. Gleichzeitig darf keine Überforderung stattfinden.

Damit dies gut funktioniert, haben wir die Auswahl der Arbeitsplätze in die Verantwortung der Regionalverantwortlichen gegeben, da diese am besten wissen, wo es solche Arbeitsplätze gibt, die im öffentlichen Interesse liegen, sinnvoll sind und die genannten Bedingungen erfüllen. Außerdem sehr wichtig: Wir lassen die Betroffenen nicht allein, sondern begleiten sie von Anfang an durch qualifizierte Coachs. Diese sollen gewährleisten, dass sich die Teilnehmer langsam und mit Unterstützung wieder an die Herausforderungen regelmäßiger Arbeit gewöhnen und diese erfolgreich meistern können.

Die Coachs haben auch die Aufgabe, Fortschritte zu erkennen und im richtigen Moment weiterführende Angebote zu machen. Dies kann zum Beispiel eine geförderte Beschäftigung im Übergangsarbeitsmarkt sein, zum Beispiel über Lohnkostenförderung des Jobcenters bei einem regulären Arbeitgeber, oder auch eine berufliche Qualifizierung, die neue Chancen eröffnet, denn letztlich wollen wir keinen Langzeitarbeitslosen aufgeben. Die Vermittlung in reguläre Beschäftigung muss immer im Blick bleiben, auch wenn uns klar sein muss, dass der Weg dahin bei diesen Personengruppen sehr lang ist und nur in kleinen Schritten erfolgen kann.

Eines ist mir noch wichtig: Ich bin teilweise dafür kritisiert worden, dass unser Programm auf dem Instrument der Arbeitsgelegenheit aufbaut und keine sozialversicherungspflichtigen Beschäfti

gungsverhältnisse mit Mindestlohn anbietet. Zum einen ist dies eine Frage der Finanzierung. Wenn wir mit dem zur Verfügung stehenden Geld eine relevante Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern erreichen wollen, müssen wir bestehende Finanzierungsmöglichkeiten des SGB II mitnutzen.

Zum anderen ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit. Die Arbeitsplätze in unserem Programm stellen bei Weitem nicht die Anforderungen eines regulären Arbeitsplatzes. Ich halte es für schwer vermittelbar, dass die Teilnahme an der von uns angebotenen niederschwelligen Möglichkeit, an einem Arbeitsplatz im geschützten Bereich teilzuhaben, genauso entlohnt werden soll wie ein großer Teil der Arbeitsplätze auf dem regulären Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt.

Zum Abschluss noch einige Worte zum aktuellen Stand der Umsetzung. Das Programm wird in enger Abstimmung und Kooperation mit den Kommunen und den Jobcentern umgesetzt. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt vor Ort. Die notwendigen Diskussionen dazu laufen in den regionalen Arbeitskreisen für Arbeitsmarktpolitik, von denen auch unsere anderen regionalisierten Arbeitsmarktprogramme konzeptionell umgesetzt werden.