- Ja, sie ist geeignet. Sie ist doch geeignet. Sie glauben doch nicht, dass andere Länder wie Australien, die das machen - - Die sprechen dort von 20 000 Personen, von 3 200 verurteilten Sexualstraftätern. Das kann man doch nicht negieren.
Aber wir können es natürlich auch quantifizieren, wenn Ihnen das wichtig ist. Und wenn es nur ein Kind wäre, das wir damit schützen, dann wäre es doch schon ausreichend.
Ich danke Herrn Kohl für die Ausführungen. - Wir steigen jetzt in die Debatte mit drei Minuten Redezeit je Fraktion ein. Für die Landesregierung spricht Minister Herr Stahlknecht. Herr Minister Stahlknecht, Sie haben das Wort.
Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach § 7 Abs. 1 des Passgesetzes ist die Ausstellung eines Passes zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass einer der unter Nrn. 1 bis 11 aufgeführten Versagungsgründe vorliegt.
Der Passbehörde müssen dafür mit Blick auf das hohe verfassungsrechtliche Gut der Freizügigkeit und der Ausreisefreiheit in jedem Einzelfall, und nicht etwa bezogen auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Passbewerbern, gerichtsverwertbare Tatsachen zur Verfügung stehen, die die Begründung ihrer Annahme nachvollziehbar rechtfertigen. Die bloße Möglichkeit, die Vermutung, dass ein Versagungsgrund vorliegen könnte oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht reichen für eine Passversagung nicht aus.
Auch bedarf es der vorgeschlagenen Ergänzung des Passgesetzes nicht. Bereits die geltende Rechtslage ermöglicht eine Passversagung in Fällen, in denen der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige Belange
der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter sonstige erhebliche Belange fallen dabei auch die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen sowie ein das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigendes Verhalten im Ausland, zum Beispiel durch das Begehen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern.
Bezogen auf den im Antrag angesprochenen Personenkreis bedeutet dies, dass die Passbehörde, sofern ihr belastbare Informationen dazu vorliegen, dass der Passbewerber im Ausland entsprechende Straftaten begehen wird, bereits jetzt die Möglichkeit einer Passversagung oder - für den Fall, dass die Passversagung unverhältnismäßig wäre, weil es genügt, den Geltungsbereich des Passes einzuschränken - der Beschränkung des Passes auf bestimmte Länder hat. Zusammengefasst heißt das: Das, was Sie wollen, gilt schon jetzt. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Wortmeldungen für Nachfragen. Dann danke ich Herrn Minister Stahlknecht für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die SPD spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, vielen Dank. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, nach der Pressemitteilung der AfD von gestern ist Ihrerseits bereits eine Vorverurteilung erfolgt in dem Sinne, dass Sie uns vorwerfen, dass wir uns dem Problem nicht stellen wollen. Wir wollen uns dem Problem stellen.
In dem Redebeitrag des Ministers eben ist deutlich geworden, dass es immer zwei verschiedene Sichtweisen zu dem Problem gibt. Genau darauf zielt unser Alternativantrag; denn bevor wir hier eine abschließende Entscheidung im Plenum treffen, wollen wir darüber diskutieren und das Für und Wider entsprechend abklären.
Wir haben bei dem Alternativantrag auch in den Vordergrund gestellt, dass wir die Möglichkeiten des Passversagens und des Passentzuges genau prüfen wollen und dass wir sie - das sage ich an dieser Stelle auch - mit offenem Ergebnis prüfen wollen. Das ist aber nur ein Schritt, nur eine Seite der Medaille.
Was uns auch wichtig ist, ist das, was uns bei diesem Thema besonders bewegt, nämlich die Sicht der Opfer, der Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt. Es gibt genügend Statistiken, denen zu entnehmen ist, dass es häufig auch die häusliche Gewalt ist, der häusliche Missbrauch.
Die Opfer dieses Missbrauchs fühlen sich meistens nicht in der Lage, dies offenzulegen. Es geht uns darum, wie wir dagegen präventiv vorgehen können.
Die Opfer fühlen sich meistens selbst verantwortlich, glauben, dass sie Schuld an diesem Vergehen haben. Es ist daher wichtig, den Opfern den Rücken zu stärken und ihnen zu vermitteln, dass sie mit dem, was ihnen passiert ist, an die Öffentlichkeit gehen können oder müssen, dass sie dieses an andere herantragen müssen, dass sie nicht selbst Schuld daran tragen.
Es ist wichtig, dass sich die Opfer zu erkennen geben; denn nur dann können diese Straftaten aufgedeckt und auch bestraft werden. Erst dann gehen alle weiteren Maßnahmen los. Deshalb haben wir als Koalitionsfraktionen diesen Alternativantrag vorgelegt. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Alternativantrag. - Vielen Dank.
Es gibt auch hierzu keine Nachfragen. Dann danke ich Frau Schindler für die Ausführungen. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Heiß. Frau Heiß, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich eine kurze Klarstellung vornehmen, weil der Antrag aus meiner Sicht nicht präzise genug ist. Jemand, der pädophil ist, hat eine Neigung bzw. eine sexuelle Ausrichtung auf Kinder. Auf diese Gruppe bezieht sich Ihr Antrag. Jemand, der pädosexuell ist, nimmt konkrete sexuelle Handlungen an oder mit Kindern vor. Ob jemand pädophil ist, sieht man ihm nicht an und ist auch nicht amtlich bekannt. Also ist die Frage: Wie wollen Sie das feststellen? Anhand eines Fragenkataloges oder an Verhaltensauffälligkeiten? - Beides lehnen wir aus fachlichen Gründen als ungeeignet ab.
Das sind Scheinaktivitäten, die kein Kind schützen. Denn klar ist: Nicht jeder, der pädophil ist, ist auch pädosexuell. Wer jedoch bereits pädosexuell aktiv war und dafür verurteilt wurde, ist auch amtlich bekannt. Sie beziehen sich in Ihrem Antrag aus unserer Sicht also auf die falsche Zielgruppe.
Grundsätzlich sehen wir Passversagungsgründe gemäß § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kritisch, weil sie letztlich Menschen treffen, die noch nicht rechtskräftig verurteilt worden sind. Aus unserer Sicht ist es sinnvoller, von den Kindern her, also aus der Opferperspektive zu denken. Es müssen Maßnahmen im Interesse des Kinderschutzes er
griffen werden, und es muss parallel eine therapeutische Begleitung für Betroffene, zum Beispiel durch das Netzwerk „Kein Täter werden“, ermöglicht werden.
Pädophilenarbeit und Kinderschutz müssen aus unserer Sicht ineinandergreifen. Oberstes Ziel muss dabei immer der Schutz der Kinder sein. Um dies zu tun, gibt es in Deutschland diverse Gesetze, die wir in ihrer bestehenden Form anwenden müssen und deren Anwendung wir auch kontrollieren müssen.
An dieser Stelle möchte ich kurz auf das SGB VIII und eine dort bestehende Lücke hinweisen. In § 72a wird geregelt, dass Träger der öffentlichen Jugendhilfe keine Personen beschäftigen dürfen, die vorbestraft sind. Auch ehrenamtlich Tätige müssen, wenn sie mit Kindern und Jugendlichen umgehen, ein Führungszeugnis vorlegen. Das ist gut und schützt die Kinder.
Aber diese Regelung gilt nicht für kommerzielle Anbieter wie Unternehmen, die Klassenfahrten anbieten, für Indoorspielplatzbetreiber oder für Möbelhäuser mit Kinderbetreuung. Hier sehen wir dringenden Nachholbedarf. Denn nur, wenn alle verpflichtet sind, einen Nachweis zu erbringen, sind die Kinder umfänglich geschützt.
Auch das Bundeskinderschutzgesetz ist noch nicht flächendeckend umgesetzt. Gerade im Sportbereich ist das aber besonders nötig; denn dort besteht nicht nur eine emotionale Nähe zu Trainern und Übungsleitern, sondern auch eine körperliche. Diesbezüglich wäre es interessant, eine Information zum aktuellen Umsetzungsstand für Sachsen-Anhalt von der Landesregierung zu erhalten.
Es gibt also im Bereich der Prävention noch viel zu tun. Der Alternativantrag der Koalition geht aus unserer Sicht zumindest in die richtige Richtung. Wir werden diesem zustimmen. - Vielen Dank.
Ich danke Frau Heiß für die Ausführungen. Es gibt keine Nachfragen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sexualisierte Gewalt an Kindern, nicht nur, aber auch in Form von Kindersextourismus, Kinderhandel und Kinderpornografie, ist ein nicht zu rechtfertigendes abscheuliches Verbrechen und muss mit allem Nachdruck verfolgt und ge
ahndet werden. Kinder leiden - das ist deutlich geworden - meistens ein Leben lang unter den Folgen des ihnen so zugefügten Leids.
Auch bei der Beschreibung solcher Verbrechen sollten wir eine klare und eindeutige Sprache finden. Wer von sexuellem Missbrauch redet, impliziert, es gäbe einen bestimmungsgemäßen sexuellen Gebrauch von Kindern. Dabei ist jede Art sexueller Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern immer durch Machtgefälle und damit Gewalt geprägt. Das sollte auch unsere Sprache spiegeln.
Sexualisierte Gewalt ist ein schwerwiegendes, aber leider auch alltägliches Verbrechen. Rund 13 500 Anzeigen bei diesen Delikten pro Jahr steht ein enormes Dunkelfeld gegenüber. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht für
Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen aus, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder erleben. Das sind pro Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder.
Valide Zahlen zu sexualisierter Gewalt durch reisende Sexualstraftäter zu finden, erweist sich hingegen als nahezu unmöglich. Auch die Global Study on sexual Exploitation of Children in Travel and Tourism 2016, ein Standardwerk, weist keine konkreten Zahlen aus. Klar ist nur: Sexualisierte Gewalt durch reisende Täter kommt weltweit vor und sie stellt ein großes Problem dar.
Mit populistischen Forderungen ist diesem Problem nicht beizukommen. Bekannten und bereits verurteilten Straftätern den Pass zu entziehen, greift zu kurz und wirft zudem rechtsstaatliche Fragen - ein paar hat der Innenminister hier heute auch erwähnt; auch das Stichwort Doppelbestrafung wäre zu nennen - auf. Systematisch wird zu fragen sein, ob dann nicht auch für andere Delikte ein Ausreiseverbot zu verhängen ist.
Wir GRÜNE meinen, zur wirkungsvollen und nachhaltigen Bekämpfung sexualisierter Gewalt bedarf es einer umfassenden und nachhaltigen Gesamtstrategie, die von staatlicher Seite und gesellschaftlicher Seite aktiv verfolgt wird.
Wir meinen, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt muss schon bei ihrer Prävention beginnen. Es muss ein breites Spektrum an präventiven Maßnahmen ergriffen werden, damit Kinder erst gar nicht zu Opfern werden. Ganz wichtig ist dabei: Kinder und Jugendliche müssen weltweit um ihre Rechte wissen, um sie überhaupt bewusst wahrnehmen und sich abgrenzen zu können. Zur Prävention von sexuell übergriffigem Verhalten ist es wichtig, Kinder und Jugendliche für Täterstrategien zu sensibilisieren. Frühzeitige Aufklärung kann potenzielle Opfer von sexualisierter Gewalt in die Lage versetzen, sich gegen diese zu wehren.
Aber auch im Bereich der sogenannten Täterprävention muss verstärkt gearbeitet werden. Die Opferhilfe muss bedarfsgerecht ausgebaut werden, Forschung im Bereich der Tätermotivation muss gefördert werden, Aufklärungsarbeit muss gesichert werden und internationale Vorgaben müssen ernst genommen und umgesetzt werden.
Zum Projekt „Kein Täter werden“ ist hier schon etwas gesagt worden. Ich will deshalb dazu nicht weiter ausführen. Ich meine aber, dass wir auch diesem Projekt verstärkt Aufmerksamkeit widmen sollten, weil es tatsächlich effektiv hilft, Kinder zu schützen.
Im Innenausschuss werden wir nach dem Beschluss zu dem Alternativantrag über Präventionsmaßnahmen, auch über Täterprävention und Täterberatung im Bereich der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen, sprechen. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung zu dem Alternativantrag. - Herzlichen Dank.
Es gibt keine Nachfragen. Ich danke dem Abg. Herrn Striegel für die Ausführungen. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Schulenburg. Herr Schulenburg, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesverwaltungsgericht hat schon früh entschieden, dass jeder Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf die Ausstellung eines Passes hat.
Hintergrund ist, dass das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit die Ausreisefreiheit umfasst. Eine Versagung oder eine Entziehung des Passes bedarf daher bestimmter Tatsachen, die die Annahme eines Passversagungsgrundes rechtfertigen.
Da eine Passversagung oder -entziehung in gravierendem Maße in ein Freiheitsgrundrecht eingreift, hat eine sehr sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden.
Mit unserem Alternativantrag wollen wir selbstverständlich Kindern nicht den Schutz vor Missbrauch verwehren. Allerdings bedarf es der gesetzlichen Neuregelung nicht, da bereits jetzt schon die Möglichkeit einer Passversagung oder einer Einschränkung im Geltungsbereich des Passes besteht, wenn der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.