Protokoll der Sitzung vom 27.10.2017

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Eine Frage!)

Ich möchte nicht antworten.

Frau Frederking möchte nicht antworten.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ach, aber es ist eine sachliche Frage, Frau Fre- derking! Ich will Ihnen gar nichts Böses! - Heiterkeit bei der CDU und bei der AfD)

- Herr Dr. - -

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Nun gut, ich passe die Frage dem Redner an! Darf ich die Frage in den leeren Raum stel- len, als Intervention?)

- Eine Intervention, ja.

Eine Intervention, und zwar: Es ist doch so, dass jede menschliche Gruppe, jeder Staat und erst recht ein Imperium wie die EU,

(Lachen bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

um zu funktionieren, um eine Identität auszubilden, einen Mythos braucht, eine fundierende Erzählung. Ich würde gern die Frage in den Raum stellen: Was ist denn der Mythos der EU?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Haben Sie mal die griechischen Sagen gelesen?)

Als Antwort darauf werden keine abstrakten Begriffe akzeptiert. Antworten Sie nicht mit: Gerechtigkeit oder - was weiß ich - Freiheit oder so etwas. Ein Mythos! Der Mythos der Sowjetunion war zum Beispiel die Geschichte der Oktoberrevolution. Was ist der Mythos der EU?

(Robert Farle, AfD: Es gibt keinen!)

Herr Abg. Poggenburg, eine Intervention? - Sie haben das Wort.

(Oh! bei der CDU)

Ich werde meine Frage umformulieren und als Intervention vortragen. - Werte Abg. Frau Frederking, Sie sind eingefallen in diesen linken Singsang, in das Bashing von Ungarn und auch Tschechien. Wir alle sollten doch einmal etwas in uns gehen

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Sehr selbst- kritisch!)

und darüber nachdenken, dass gerade die beiden Staaten Ungarn und die - damals - Tschechoslowakei mit ihrem damaligen Mut, sich gegen den Zentralismus aufzulehnen,

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

die Grenzen zu öffnen, einen ganz großen, maßgeblichen Anteil daran haben, dass wir die EU heute so haben, wie wir sie kennen, dass wir Europa so haben, wie wir es kennen.

Ich finde es etwas unverschämt, dass heutzutage, wenn diese Länder wieder den Mut zeigen, gegen den Zentralismus aufzustehen, das, was damals hoch gelobt und gepriesen wurde, permanent kritisiert und verächtlich gemacht wird. Das ist kein Umgang mit europäischen Nachbarn.

(Beifall bei der AfD)

Danke für die Ausführungen, Herr Poggenburg. - Herr Dr. Grube, Sie haben das Wort.

Eine Kurzintervention. - Der Mythos der EU liegt in der Stunde Null nach dem 8. Mai 1945.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Mythos der EU liegt in der Erkenntnis, dass Frieden in Europa besser ist als Krieg.

(Zustimmung von Katrin Budde, SPD)

Der Mythos der EU liegt in der Erkenntnis, dass Zusammenarbeit besser ist für den Wohlstand der Völker in Europa. Der Mythos der EU liegt in der Erkenntnis, dass wir eine Friedensordnung brauchen, die mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, die mehr ist als die Abwesenheit von Waffen, die die Anwesenheit von Vernunft und Zusammenarbeit ist. Das ist der Mythos der EU. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank - Zustimmung von Holger Stahlknecht, CDU, und von Markus Kurze, CDU - Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Ich danke Herrn Dr. Grube für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die CDU spricht der Abg. Herr Kurze. Herr Kurze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Debatte heute in so viele Richtungen ausfasert,

(André Poggenburg, AfD: Das ist doch schön!)

hätte ich gestern gar nicht zu träumen gewagt, aber es ist so. Man muss einmal schauen, ob

man jetzt alle Bälle, die hier heute durch den Plenarsaal geschossen wurden, noch einmal aufnimmt.

Als Erstes will ich sagen: Die Europäische Union ist, seitdem es sie gibt, seitdem es diese Völkerverständigung gibt, wirklich der Garant für den Frieden in Europa. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das Wichtigste für uns alle.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN - André Poggenburg, AfD: Wir haben aber keinen Frieden in Europa!)

- Doch. - Ich habe meine Großeltern noch kennengelernt. Meine Großeltern haben mir genug vom Krieg erzählt und haben immer gesagt: Junge, wir hoffen, dass du das mit deiner Familie mal nicht erleben musst.

Deswegen können wir allesamt stolz sein auf die Politikerinnen und Politiker, die die EU zusammengebastelt haben und sie bis heute zusammengehalten haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Jetzt muss ich erst einmal in meine Notizen schauen. - Gestern hatten wir den Frontalangriff der LINKEN auf unseren Staatsminister, heute den Frontalangriff auf unseren Ministerpräsidenten.

Herr Gallert, wir müssen nicht Herrn Orbán nach Sachsen-Anhalt holen, um unsere Argumentation zu stützen, die wir in der Flüchtlingskrise hatten, nämlich dass Ressourcen letztlich begrenzt sind und dass man sich dazu auch verhalten muss. Dafür brauchen wir Herrn Orbán nicht. Dazu haben wir uns schon in unserem Koalitionsvertrag, in der Koalition, in der wir hier sitzen, ganz klar und deutlich verhalten. Ich will das einmal zitieren, wenn ich darf, Herr Präsident. Unser Koalitionsvertrag sagt dazu aus:

„Uns ist bewusst, dass die Chancen für eine gute Integration vor allem mit zu finanzierenden öffentlichen Bildungsangeboten, den vorhandenen kommunalen Aufnahmekapazitäten und freien Arbeitsplätzen einhergehen. Wir akzeptieren daher, dass die CDU angesichts dieser nicht unbegrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen in diesem Zusammenhang von objektiven Integrationsobergrenzen spricht und diese auch zahlenmäßig definiert.“

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Genau, Mei- nungsfreiheit gilt auch für die CDU!)

- Wunderbar. Meinungsfreiheit gilt für uns alle in diesem Hohen Hause, und deshalb haben wir das auch so im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Dann muss man nicht eine solche Diskussion anfangen, Herr Gallert, wie Sie es wieder getan haben, und heute einen Frontalangriff auf unseren MP starten. Er hat sich allerdings nicht wirklich davon berühren lassen.

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Das ist nicht meine Ebene! - Heiterkeit bei der CDU)

- Das ist nicht Ihre Ebene, Herr Ministerpräsident, richtig. - Trotzdem gehört es natürlich dazu, dass wir als regierungstragende Fraktion unserem Ministerpräsidenten zur Seite springen und aus der Koalition heraus ganz deutlich erklären, warum Ihre Argumentation zu Orbán in Wittenberg letztlich ins Leere läuft.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Frau Frederking, Sie packen die Debatten von gestern heute noch einmal in das Thema EU hinein, vom Strom bis hin zum Fleisch.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der AfD)

Man ist wirklich überrascht, wie Sie es wieder hinbekommen haben, von den großen, hehren Zielen der EU, von der Zukunft, über die wir reden, wo wir wirklich schwierige Probleme zu bewältigen haben, am Ende wieder beim Strompreis zu landen. Das ist sagenhaft.