Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/2092

Alternativantrag Fraktion AfD - Drs. 7/2131

Einbringer für die Fraktion DIE LINKE ist der Abg. Herr Lippmann. Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach relativer Einigkeit bei den letzten beiden Tagesordnungspunkten kommen wir jetzt zum Umgang mit dem Geld. Wir haben ja vor einigen Tagen alle die frohe Botschaft der Steuerschätzer vernommen und schauen sicherlich auch alle immer wieder einmal in den Haushaltsvollzug.

Obwohl sich hieraus doch deutlich Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, fehlt der Landesregierung und großen Teilen des Parlaments weiterhin der politische Wille, die Spielräume auch zu nutzen, um das Land voranzubringen. Außer unverbindlichen Erklärungen sind bisher keine greifbaren Ansätze zu erkennen. Die publizierten Vorstellungen darüber, was angesichts der veränderten

Situation jetzt getan werden kann, könnten unterschiedlicher nicht sein; und man sieht deutlich, wer für welche Politik steht.

Die CDU übt sich im zuletzt etwas selten gewordenen Schulterschluss mit ihrem Finanzminister in der reflexhaften Ablehnung jedweder Ausgabenerhöhungen. Kein Nachtragshaushalt! Das Festhalten am austeritären Haushaltskurs ist bei Ihnen ja quasi Programm und somit nicht wirklich überraschend, sondern auf eine fatale Weise konsequent.

(Beifall bei der LINKEN)

Die äußerst zurückhaltende Positionierung der GRÜNEN ist aber schon eine gehörige Enttäuschung.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das tut mir leid!)

Da hatten wohl die Jamaika-Verhandlungen ihre langen Schatten geworfen. Aber vielleicht geht nach dem Scheitern jetzt das eine oder andere Licht wieder an.

(Beifall bei der LINKEN)

Außer unserem Antrag liegt also bisher nichts auf dem Tisch, weil die neoliberale Gebetsmühle weiter lautstark klappert: Ausgaben begrenzen, Schulden tilgen, Steuern senken, Ausgaben begrenzen, Schulden tilgen, Steuern senken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist absurd, den Menschen im Land immer wieder zu sagen, dass die vielen vernünftigen und notwendigen Dinge angeblich nicht bezahlbar sind, und gleichzeitig Geld zu den Banken zu tragen, das diese gar nicht zurückhaben wollen.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Wir müssen das Geld in sinnvoller Weise ausgeben, um den Menschen hier in Sachsen-Anhalt eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser Verständnis von Generationengerechtigkeit und nicht das Füllen von Blasen in der Finanzwirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei spricht nichts gegen Sparsamkeit und Effizienz, im Gegenteil. Denn selbstverständlich sollen mit den eingesetzten Mitteln größtmögliche Effekte erzielt werden. Aber sparsam, liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt eben nicht geizig. Sie aber, Herr Schröder - schade, er hört es nicht -,

(Minister André Schröder: Doch!)

sitzen wie eine Krämerseele auf dem Geld,

(Ulrich Thomas, CDU: Oh!)

ohne einen Plan und ohne einen Gestaltungsanspruch für dieses Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können nur eines wirklich gut, nämlich möglichst kein Geld ausgeben.

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

Und was bitte sind denn das für Planungen, wenn ein Jahreshaushalt so weit aus dem Ruder läuft? - Solche Haushaltsplanungen liefern doch keine Grundlage für eine stabile Politik. Sie quälen ihre Kabinettskolleginnen und Kabinettskollegen mit Eckwerten für die Haushaltsaufstellung. Sie quälen noch im April das ganze Land mit einer völlig überflüssigen Haushaltssperre, von der Sie damals schon wussten, dass sie nicht notwendig ist, und sind jetzt immer noch nicht bereit, Ihren Kurs zu ändern.

Sie wollten sich immer vom Sparkurs Ihres Vorgängers distanzieren. Sparen sollte kein Selbstzweck sein. Ich kann die Distanz beim besten Willen nicht erkennen. Es geht nicht um Kosmetik, es geht ums Umsteuern. Das scheint aber der Bullerjahn‘sche Geist in Ihrem Hause weiterhin erfolgreich zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Es geht nicht darum, angesichts deutlich höherer Steuereinnahmen jetzt mal schnell zu schauen, wo man Wohltaten verteilen kann, um das Geld mit vollen Händen zu verprassen. Es geht darum, uns klarzumachen, dass die Aufgaben des Landes nach wie vor in einer Größenordnung von weit mehr als 1 Milliarde € nicht ausfinanziert sind und dass uns dieser Doppelhaushalt offensichtlich unter einer ganzen Reihe von Fehlannahmen abgenötigt wurde.

Wir sind aufgrund aktueller Zahlen jetzt in der Lage, diese Planungen zu korrigieren und damit das bestehende Finanzierungsdefizit etwas zu reduzieren. Wir sehen dazu nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht. Es ist nicht unsere Aufgabe, diesen defizitären Haushalt weiter durchzuschleifen, egal was um uns herum geschieht.

(Zuruf von Detlef Gürth, CDU)

Ein Doppelhaushalt mag seine Vorzüge haben, aber er kann kein Dogma sein, wenn die Entwicklung anders verläuft. Damit sich etwas ändert, brauchen wir zwingend einen Nachtragshaushalt, sonst geht das Geld in den Sparstrumpf und liegt dort wirkungslos herum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten den Willen aufbringen, uns nicht dauerhaft in einer Art Ausnahmesituation einzurichten, sondern zur Kenntnis nehmen, was eigentlich normal ist. Wir

sollten nicht immer nur nach unten schauen, sondern auch einmal nach vorn.

Normal und darüber hinaus wünschenswert wäre, wenn wir in unseren Kitas und Schulen wieder mehr Kinder und Jugendliche hätten und dafür natürlich auch mehr Pädagogen beschäftigen müssten. Hätten wir nur etwa 50 000 Schüler mehr, so wie Mitte der 2000er-Jahre, was ein völlig normaler Zustand wäre, dann würden uns allein die 4 000 Pädagogen, die dafür zusätzlich benötigt würden, etwa 300 Millionen € kosten. Wir könnten gar nicht überlegen, ob wir das Geld haben oder nicht. Wir müssten es ausgeben.

Normal wäre, dass wir für die Sanierung von Schulen, Straßen und Brücken selbst aufkommen können und nicht immer nur auf Förderprogramme aus Berlin oder Brüssel warten. Normal wäre zum Beispiel auch, dass wir alle unsere Sicherheitsbehörden aufgabengerecht mit Personal und Technik ausstatten.

Es ist nicht normal, dass es einen solchen Investitionsstau in allen Bereichen des Landes gibt und die Kommunen sich aufgrund ihrer schwindsüchtigen Haushalte inzwischen fast vollständig von allen freiwilligen Aufgaben verabschiedet haben.

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Kitt, der diese Gesellschaft zusammenhält, den wir aber immer weiter aus den Ritzen kratzen, wenn wir so weitermachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit 15 Jahren wird den Menschen im Land suggeriert, dass das Unnormale jetzt und in Zukunft das Normale sei, an das sie sich gewöhnen müssten. Das wollen und das werden die Menschen aber nicht tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir können auf diesem niedrigen Finanzierungsniveau nicht noch einmal zehn oder 20 Jahre so weitermachen; denn genau auf diesem Weg der permanenten Ausgabenbegrenzung haben wir den öffentlichen Dienst verschlissen, die Kommunalfinanzen ruiniert, große Teile unserer Infrastruktur verrotten lassen und so das Vertrauen der Menschen in die Politik und in die Demokratie verspielt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Nährboden für braunen Ungeist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Antwort der Politik darf eben nicht der Versuch sein, die Bürgerinnen und Bürger vom rechten Rand aus zu blenden und ihnen den Popanz einer Bedrohung von außen vorzugaukeln. Nein, die wahre Bedrohung unserer Demokratie erzeugen wir selbst. Wir lassen zu, dass staatliche

Aufgaben nicht erfüllt werden, dass Arbeitsverhältnisse erodieren und immer mehr Menschen zwei oder mehr Jobs brauchen und trotzdem privat so hoch verschuldet sind wie noch nie. Kinderarmut und Altersarmut auf der einen Seite stehen immer utopischere Vermögen in den Händen immer weniger Großunternehmer und Privatpersonen auf der anderen Seite gegenüber.

Brexit, Trump-Wahl und das Erstarken nationalistischer Kräfte sollten doch allen klargemacht haben, was passiert, wenn wir der Umverteilung nach oben weiterhin Tür und Tor offen halten.

(André Poggenburg, AfD: Nationale Kräfte, nicht nationalistisch! - Zuruf von Angela Gorr, CDU)