Aber die Debatte in der Gesellschaft ist vorangeschritten. Die Debatte hat sich in den letzten Jahren entwickelt. Es gab um die Jahrtausendwende herum die sogenannten Millenniumsziele. Die entwicklungspolitischen Leitlinien waren übrigens damals ein hervorragendes Papier. Sie waren relativ weit im Ländervergleich bei diesen Dingen, sind aber inzwischen tatsächlich ein wenig angestaubt. Und eines will ich auch ganz klar sagen: Die meiste Zeit in den letzten 17 Jahren lagen sie sehr geduldig in der untersten Schublade. Sie waren selten wirklich handlungsleitend für uns.
Inzwischen gibt es allerdings eine Debatte, die weitergegangen ist. Die Agenda 2030 ist vor zwei Jahren in New York beschlossen worden; dort gibt es die sogenannten SDG, 17 Nachhaltigkeitsziele.
Die Debatte hat sich verändert. Während sie zumindest in der deutschen Wahrnehmung immer sehr stark auf ökologische Themen bezogen gewesen ist, hat sich die Debatte um die Nachhaltigkeit inzwischen sehr stark in Richtung der sozialen und der ökonomischen sowie der Verteilungsverhältnisse entwickelt. Sie berührt inzwischen auch viel stärker die Frage von Krieg und Frieden. Diese Dinge müssen wir auch auf landespolitischer Ebene nachvollziehen. Deswegen unsere Forderung, die entwicklungspolitischen Leitlinien in Sachsen-Anhalt zu überarbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das ist auch der Grund dafür, dass wir nicht sagen können: Im Umweltministerium ist doch die Nachhaltigkeitsstrategie angesiedelt und entwickelt worden. Ja, das ist die Nachhaltigkeitsstrategie des Umweltministeriums. Aber die ökologischen Aspekte sind nur ein Teilaspekt dieser ganzen Entwicklungspolitik.
Es ist eben so, dass der Trend auch in den anderen Bundesländern, die in dieser Frage an vielen Stellen inzwischen sehr viel weiter sind, dahin geht, dass man sagt: Das ist Querschnittspolitik; diese Entwicklungspolitik betrifft alle Politikbereiche und wird deswegen in der Staatskanzlei angesiedelt. Das trifft übrigens auf unsere drei Nachbarländer Thüringen, Brandenburg und Niedersachsen zu. Dort hat man das in der Staatskanzlei angesiedelt. Das ist eine vernünftige Variante.
Bei uns sind diese Dinge im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht darüber diskutieren, dass es nicht dorthin gehört. Wichtig ist, dass man sie als Querschnittsaufgabe begreift.
oder nicht realisiert werden, Auswirkungen im globalen Maßstab haben. Wichtig ist, dass die Landwirtschaftsministerin weiß, dass die Art und Weise, Landwirtschaft zu betreiben, Auswirkungen im globalen Maßstab hat, dass der Bildungsminister weiß, dass diese Perspektive in den Schulen vermittelt werden muss und dass das Weltbild nicht an den Ländergrenzen von Sachsen-Anhalt oder der Bundesrepublik aufhören soll, liebe Kollegen von der AfD. Das sind die Dinge, die wir politisch umsetzen müssen.
Das sind die neuen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen und die vielleicht in den letzten 17 Jahren - das meine ich durchaus selbstkritisch - ein bisschen zu stark hinter einem etwas sehr regional eingeengten Blick verschwunden sind. Das muss anders werden und dazu müssen wir eine Überarbeitung dieser Leitlinien organisieren.
Die Politik insgesamt, Landtag und Landesregierung, war in den letzten 17 Jahren ausgesprochen zurückhaltend in dieser Frage. Das trifft aber nicht auf die gesamte Gesellschaft zu. Es gibt eine ganze Reihe von NGOs, die auch im Land Sachsen-Anhalt in der Lage gewesen sind, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Übrigens ist an dieser Stelle die Migration in gewisser Weise tatsächlich ein Beschleuniger dieser Debatte, weil wir mit den Migrantinnen natürlich auch Perspektiven hereinbekommen, vor denen wir uns sehr, sehr gern abschotten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle, auch ich, hängen in gewisser Weise einem eurozentrischen Weltbild an. Aber wissen Sie, inzwischen ist es so: Viele Menschen in Afrika wissen viel mehr über unsere Art und Weise des Lebens als wir über sie. Um aber Entwicklungspolitik im globalen Maßstab begreifen zu können, müssen wir wissen, wie die Welt in den verschiedenen Regionen tickt. Es ist manchmal durchaus hilfreich, daraus dann auch Konsequenzen für sich zu ziehen. Die NGOs können uns dabei helfen.
Deswegen zielt unser Antrag ausdrücklich darauf, mit diesen NGOs, die in dem sehr lebendigen und wirkungsvollen Eine-Welt-Netzwerk Sachsen-Anhalt, EWNSA, zusammengefasst sind, einen Konsultationsprozess zu beginnen, um die Dinge anzupacken und um die entwicklungspolitischen Leitlinien so zu überarbeiten, dass sie den jetzigen Anforderungen entsprechen.
Das ist unsere ausdrückliche Bitte, das ist unsere ausdrückliche Forderung an die Landesregierung. Ich denke, damit können wir gut klarkommen.
Jetzt ist es so: Wir stellen einen Antrag, die Koalition stellt einen Alternativantrag. Herr Borgwardt, ich habe mir den Alternativantrag durchgelesen. Ich finde ihn richtig gut.
Man könnte auch denken: Den hätten wir eigentlich gleich zusammen machen können. Ich weiß, das darf die Koalition nun auch wieder nicht. Dann kriegen Leute wieder Schwierigkeiten, weil sie sich nicht genug distanziert haben. Aber das ist in Ordnung.
Ich weiß nicht, wer in der Koalition den Antrag geschrieben hat, aber er ist wirklich super, ich finde ihn gut.
- Das ist okay. - Lange Rede, kurzer Sinn. Es gibt allerdings einen Unterschied und der ist nicht unwichtig. In diesem Alternativantrag, so gut ich ihn ansonsten finde, steht: Entwicklungspolitik, entwicklungspolitische Zusammenarbeit ist wichtig - der Schwerpunkt im Land liegt im Bereich der Bildungspolitik. Das ist der Unterschied.
Nein! Herr Webel als Verkehrsminister muss entwicklungspolitische Perspektiven bei seinen politischen Entscheidungen berücksichtigen.
Der Wirtschaftsminister muss in seiner Außenhandelsstrategie entwicklungspolitische Erfordernisse berücksichtigen, die übrigens dazu führen können, dass eine bestimmte Exportförderung, die Unternehmen in Sachsen-Anhalt betriebswirtschaftlich nützt, falsch sein kann. Entwicklungspolitische Grundsätze könnten dazu führen, dass man sagt: Diesen Markt wollen wir so nicht erschließen.
An dieser Stelle haben wir einen Interessenkonflikt. Dieser Interessenkonflikt ist manchmal spannend.
Natürlich will der Bauernverband - übrigens im Gegensatz zum Milchbauernverband - eine extensive bzw. eine hohe Steigerung der Effizienz in der Milchwirtschaft und Milchpulver exportieren, um die Betriebe hier zu stützen. Der Milchbauernverband sagt übrigens, das ist ein Fehler.
Die Frage ist, auf welche Seite ich mich schlage. Rein ökonomisch: jawohl, Exportförderung ist super, das Bruttoinlandsprodukt wird gesteigert. Entwicklungspolitisch ist es aber möglicherweise falsch, und zwar wenn dieses Milchpulver dazu dient, in anderen Regionen die einheimische Landwirtschaft zu ruinieren und damit neue ökonomische Notsituationen zu erzeugen.
Das ist das Problem, das wir in der Landespolitik haben. Es ist eben nicht nur ein Problem der Bildungspolitik, dass wir in der Bildungspolitik versuchen, den Leuten ein Stück weit das Weltbild zu erweitern. Das ist gut und richtig, das findet unsere volle Unterstützung. Aber es ist eben auch die Frage, wie wir leben, wie wir wirtschaften, wie wir arbeiten. Das ist das Problem. Das müssen wir stärker in den Mittelpunkt unserer Debatte rücken.
Dann wird es häufig unbequem. Nehmen wir einmal die typische, klassische Braunkohledebatte. Diese Frage ist eben nicht so leicht und einfach zu beantworten. Die Lösung liegt eben nicht entweder in der einen oder in der anderen Richtung.
Dann macht Entwicklungspolitik manchmal eben nicht mehr so viel Spaß, wenn es nämlich darum geht, globale Konsequenzen des eigenen Handelns zu überdenken und zu überlegen, ob alles, was wir tun, gut und richtig ist. Das ist vielleicht der Unterschied im Ansatz.
Nun unterstelle ich auch den Koalitionären nicht, dass sie diese Dimensionen völlig wegdrücken wollen. Deswegen sage ich noch einmal: Wir brauchen eine gemeinsame Überarbeitung dieser entwicklungspolitischen Leitlinien durch Landesregierung und Landtagsvertreter mit NGOs.
Das, was wir am Ende brauchen - damit wäre uns allen geholfen -, ist aber nicht ein Papier, das wieder in der untersten Schublade verschwindet, sondern eine Horizonterweiterung unseres gemeinsamen politischen Tuns. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sehr geehrter Herr Gallert, Sie haben jetzt die AfD sehr für ihre Begrenztheit an unseren deutschen Außengrenzen gescholten. Ich muss sagen, es gefällt mir, wenn Sie es so sehen; denn damit nähern wir uns schon an. Dann sind wir also nicht mehr der Schelte ausgesetzt, irgendwelche Be
strebungen, nationalsozialistische Bestrebungen, über unsere Grenzen hinaus zu verfolgen. Es gefällt mir sehr, dass wir uns insoweit annähern.
Aber Ihr moralischer Anspruch ist, Deutschland über alles zu erheben. Sie wollen uns eine Vorreiterrolle diktieren, beispielsweise beim Klimaschutz. Das tragen eben viele Leute nicht mit. Ihren Wunsch, Ihr Verlangen nach Turboglobalisierung tragen viele Leute nicht mit.
Sie können die Dinge nicht umsetzen nach dem Motto „Deutschland voran, Deutschland über alles“, wenn Sie die Leute bei dem Thema nicht bei sich haben.
An dieser Stelle wäre ein wenig mehr Sachverstand angebracht. Deswegen werden Sie die AfD und den größten Teil der Bevölkerung auch nicht dazu bewegen. - Danke.