Protokoll der Sitzung vom 01.06.2016

Das sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen, wie man Verbraucherschutz organi

siert. Die Leaks wiederum haben gezeigt, dass die Amerikaner kein Interesse daran haben, von ihrer Herangehensweise abzurücken.

Werte Abgeordnete! CETA, die kleine Schwester von TTIP, das Handelsabkommen mit Kanada, hält sich dezent im Hintergrund und hat nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit. Die Verhandlungen hierzu sind abgeschlossen, nur eine Ratifizierung steht noch aus.

Nun beinhaltet CETA in abgeschwächter Form vieles, was bei TTIP so umstritten ist, unter anderem zum Beispiel die Investitionsschutzklausel. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was das mit den USA zu tun hat. Nun, ca. 81 % der amerikanischen Unternehmen, die in Europa tätig sind, haben eine Tochtergesellschaft oder ein Tochterunternehmen in Kanada und haben so die Möglichkeit, über die Hintertür der kleinen und unscheinbaren TTIP-Schwester CETA alle Vorteile und Privilegien dieses Handelsabkommens zu nutzen. So bekennt sich CETA zum Beispiel beim Verbraucherschutz explizit zu einem Zulassungsverfahren, welches als Gegensatz zum europäischen Vorsorgeprinzip verstanden werden kann.

Sie sollten sich fragen: Wer sind die Gewinner und Verlierer des Freihandelsabkommens? Was kommt mit TTIP auf die Bürger und den Staat zu? Das Rechtssystem und die unabhängigen Gerichte der Länder werden ausgehebelt, und genau das ist das Problem. Deshalb wollen die Etablierten das Freihandelsabkommen. Sie schaffen dadurch eine Paralleljustiz. Man könnte sagen, eine Art Scharia für Unternehmen.

(Beifall bei der AfD)

Es dürfen nur Unternehmen klagen. Es gibt eigene Regeln, eigene Begriffe und es gibt keine Berufung. Zahlungen gibt es zum Beispiel für Konzerne immer, wenn ein Staat gegen Grundsätze einer rechten und billigen Handlung gegen Investoren verstößt.

Wissen Sie, was das heißt, Herr Striegel? - Das wissen Sie nicht.

(Zustimmung bei der AfD)

Was sind das für Fälle, die vor diesen Schiedsgerichten landen? - Hier ein paar Beispiele zum Verständnis für Sie: Man verklagt Uruguay wegen Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln, Lettland wegen der Regulierung von Banken, Spanien wegen der Kürzung von Solarförderung und sogar Hamburg wegen der Verschärfung von Umweltauflagen im Kraftwerk Moorburg; das war der Fall Vattenfall.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ihnen ist aber schon klar, dass sich die GRÜNEN viel län- ger mit TTIP beschäftigen, als Sie jemals mit diesem Thema auseinandergesetzt ha- ben? - Zuruf von der AfD: Aber ohne Er- folg!)

- Das interessiert mich auch gar nicht.

Aber was heißt das? - Es wird ein weltweites Netzwerk aus Freihandelsabkommen geschlossen, sodass irgendwann jeder Konzern jeden Staat verklagen kann. Kein Parlament, kein Verfassungsgericht kann das dann mehr aufhalten.

Wenn irgendein Staat mal die kulturelle Identität einer Region, die Umwelt seines Landes oder die Gesundheit seiner Bürger schützen will, kann er schadenersatzpflichtig verklagt werden, wenn die Vorschriften in irgendeiner Weise die Gewinne des Unternehmens schmälern.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen, ein Abkommen, welches im Geheimen verhandelt wird, kann niemals zum Vorteil der heimischen Bevölkerung sein. Dessen sollte sich jeder Abgeordnete bewusst sein.

Daher lehnen wir die TTIP-Verhandlungen sowie die CETA-Ratifizierung ab. Aber nicht nur wir tun das. Nach einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap im Rahmen des Deutschlandtrends der ARD sagen 70 % der Deutschen, TTIP bringe eher Nachteile

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das wird aus GEZ-Mitteln finanziert!)

als Vorteile für unser Land. Daher unterstützen wir, die AfD-Fraktion, den Antrag der Fraktion DIE LINKE und bitten Sie um ein entsprechendes Votum.

Der Fraktion DIE LINKE möchte ich sagen, wenn Sie auch dagegen und so engagiert sind, dann unterstützen Sie doch den Antrag. - Danke.

(Beifall bei der AfD)

Ich danke Herrn Tobias Rausch und möchte Herrn Hövelmann von der SPD-Fraktion an das Pult bitten.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon nicht so ganz einfach nach den Redebeiträgen, die gerade gehalten worden sind. Man möge sagen: Schon wieder stehen TTIP und CETA auf der Tagesordnung dieses Landtages. Wir hatten es ja erst vor Kurzem zum wiederholten Mal. Aber was gibt es denn tatsächlich an Neuigkeiten seit den letzten Parlamentsdebatten zu diesem Thema?

(Zuruf von der AfD: Die SPD-Fraktion hat sich halbiert! - Heiterkeit bei der AfD)

- Das geht sogar ohne TTIP. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Veröffentlichungen von Greenpeace haben ebenso wenig Neues gebracht wie die Debattenbeiträge, die der Einbrin

ger und die Unterstützer des Antrages bisher abgeliefert haben.

Worum geht es bei TTIP und CETA? - Es geht um Freihandelsabkommen zwischen Staaten und Staatenverbünden, die sich in einem Vertragskonstrukt darum sorgen wollen, dass Handelsbarrieren abgebaut werden, dass Schranken gehoben und nicht geschlossen werden, dass Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung der jeweiligen Gesellschaft, der Nation, des Staates und der Staatengemeinschaft, die vertreten wird, verbessert werden - darum geht es.

Dem kann man zunächst einmal nicht unterstellen, dass es etwas Schädliches sei. Die Frage ist dann tatsächlich, wie es gemacht wird. Und da sind wir uns in diesem Hohen Hause mit großer Sicherheit darüber einig, dass das, was in den letzten Monaten gelaufen ist, jedenfalls nicht das an Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung bzw. nicht die Möglichkeiten für die Bevölkerung, sich daran zu beteiligen, und für die Politik, mit zu diskutieren, gebracht hat, wie wir uns das alle vorstellen.

Deshalb: Ja, mehr Öffentlichkeit, mehr Transparenz ist notwendig. Ja, wir brauchen klare Positionen des Deutschen Bundestages, der Bundesregierung, des Europäischen Parlaments.

Wir brauchen eine Regelung, die es vermeidet, dass Streitigkeiten von nicht öffentlich legitimierten Gerichten entschieden werden. Wir brauchen eine Regelung, die eine Absenkung von in Deutschland und in der Europäischen Union erreichten Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards nicht zulässt.

Wir brauchen eine Regelung, die festlegt, dass über diese Standards auch in Zukunft Parlamente entscheiden. Und wir wollen eine vertragliche Regelung haben, deren Gegenstand nicht der Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge sein darf.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, von Silke Schindler, SPD, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Wir wollen auch eine Regelung, die sicherstellt, dass die Kulturförderung unter dem besonderen Blick der deutschen Gesetzeslage nicht eingeschränkt werden darf.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Freier Handel ist für Deutschland und für Sachsen-Anhalt etwas Wichtiges, eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung. Aber freier Handel braucht klare Regeln. Eine dieser Regeln muss lauten: Verbraucherschutz vor wirtschaftlichen Interessen.

(Zustimmung bei der SPD und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das ist eine Regel, die gelten muss. Wenn eine solche Regel nicht gilt, darf es kein TTIP und kein CETA geben.

Eine solche vertragliche Regelung zwischen den europäischen und den nordamerikanischen Staaten wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Bevölkerung in den Ländern nachvollziehen kann, dass die Wirtschaft und die Menschen davon Vorteile haben und nicht nur eine der beiden Seiten.

Wir wollen - das ist in den bisherigen Redebeiträgen jedenfalls punktuell anders dargestellt worden - das bewerten, was wir wissen, und nicht prophezeien, was wir wissen könnten, aber von dem wir jetzt schon wissen, wie wir darüber denken.

Lieber Kollege Gallert, an einer Stelle bitte ich Sie und uns alle, dafür Sorge zu tragen, dass wir eines nicht machen. Wenn gesagt wird, wer Demokrat sei, müsse das ablehnen, dann heißt das im Umkehrschluss, wer das nicht ablehne, sei kein Demokrat. Deshalb bitte ich alle, auch im Hinblick auf die Sprache sorgsam zu sein.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Das heißt, ich respektiere Ihre Position. Aber ich erwarte, dass Sie die Position jeder anderen Kollegin und jedes anderen Kollegen in diesem Hohen Hause auch respektieren, selbst wenn Sie bei der Abstimmung über einen solchen Antrag zu einer anderen Entscheidung kommen.

Deshalb ist meine Bitte: Lassen Sie uns das Verhandlungsergebnis bewerten und darüber entscheiden und nicht den Verhandlungsstand. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Herr Hövelmann, ich danke Ihnen für Ihren Redebeitrag. - Ich bitte Abg. Frau Frederking von den GRÜNEN an das Mikrofon.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNEN meinen, dass nur ein fairer Handel ein wirklich freier Handel sein kann. Dazu braucht es größtmögliche Transparenz, und zwar nicht nur für die Vertreterinnen von Interessengruppen und Wirtschaftsverbänden, so wie es Herr Felgner ausgeführt hat. Auch die breite Öffentlichkeit muss informiert sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Bei TTIP ist das nicht der Fall. Daher begrüßen wir GRÜNEN die Veröffentlichung der bislang geheimen TTIP-Dokumente durch Greenpeace Niederlande.

Wir finden es unsäglich bitter, dass Transparenz erst auf diese Weise möglich wurde. Uns reicht das natürlich nicht. Wir werden uns weiterhin für Verbesserungen einsetzen. Deshalb hat die grüne Bundestagsfraktion die EU-Kommission und die Bundesregierung aufgefordert, mit einsehbaren Dokumenten umfassend zu informieren und dementsprechend im Leseraum des Bundeswirtschaftsministeriums keine Dokumente unnötig zurückzuhalten.

Die TTIP-Leaks bestätigen das, was wir schon lange befürchtet haben. Also, es ist in der Tat nichts Neues, aber die Bestätigung dessen, was wir befürchtet haben. Unser europäisches Vorsorgeprinzip soll dem amerikanischen risikobasierten Prinzip untergeordnet werden.

Letzteres bedeutet, alles darf genutzt werden und die Unbedenklichkeit wird so lange angenommen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist. Wir fordern aber, dass das Vorsorgeprinzip in allen Handelsverträgen verankert wird, damit Mensch und Umwelt geschützt werden.

TTIP und CETA stehen beispielhaft für eine Politik, die hart erkämpfte Rechte und Standards bedroht, statt sie zu stärken. Schutzstandards werden zu Handelshemmnissen erklärt.

Nun, Herr Gürth, erhalten Sie einige Beispiele, nach denen Sie gefragt hatten.