Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Diese Entwürfe wurden in zahlreichen Runden mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie den kommunalen Spitzenverbänden erstellt und stehen in einem Zusammenhang mit den Ergebnissen der Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“ sowie den Verabredungen des Koalitionsvertrages. Denn vieles, was wir in diesem Gesetzentwurf vorschlagen, ist so auch schon in unserem Koalitionsvertrag zu finden. Ich finde es etwas albern, wenn hier jetzt über den Verfasserstatus diskutiert wird. Schauen Sie einfach nach, wo es zuerst stand. Das war bei uns.

(Zustimmung von Daniel Szarata, CDU, und von Angela Gorr, CDU)

Die Union ist d i e Kommunalpartei in SachsenAnhalt.

(Andreas Höppner, DIE LINKE, und Christi- na Buchheim, DIE LINKE, lachen - Zurufe von der AfD)

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDU stellt mit Abstand die meisten Mandatsträger auf kommunaler Ebene.

(Zurufe von der AfD)

Als Union wissen wir also, dass die Kommunen die Herzkammer unserer demokratischen Prozesse sind. Deshalb wollen wir unsere kommunale Selbstverwaltung weiterentwickeln und stärken.

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Dabei gilt es, die Instrumente direktdemokratischer Beteiligung auszubauen und zu verfeinern und gleichzeitig die repräsentative Demokratie mit den gewählten Mitgliedern in den Ortschaftsräten, Gemeinderäten und Stadträten sowie Kreistagen weiterzuentwickeln und zu stärken.

Bevor ich mit meinen inhaltlichen Ausführungen zu dem Vorschlag fortfahre, möchte ich im Namen meiner Fraktion den vielen Tausenden Frauen und Männern danken, die sich im kommunalen Ehrenamt für ihre Gemeinde engagieren. Sie leisten wertvolle Dienste, die wir hier gar nicht hoch genug schätzen können.

(Zustimmung von Dr. Verena Späthe, SPD)

Nun zu den Inhalten. Um junge Menschen frühzeitig an demokratische Prozesse heranzuführen, wollen wir das Mindestalter für den Einwohnerantrag auf 14 Jahre senken. Das versteht die CDULandtagsfraktion ausdrücklich nicht als einen Einstieg in eine generelle Senkung des Wahlalters.

(Zustimmung von Daniel Szarata, CDU)

Aus der Sicht unserer Fraktion ist das vollendete 16. Lebensjahr ein guter Zeitpunkt, um entsprechende Entscheidungen bei Wahlen zu treffen. Das liegt nicht daran, dass wir vor den Ergebnissen einer U18-Wahl etwa Angst hätten. Denn wenn man sich die Ergebnisse der letzten U18Wahlen in Sachsen-Anhalt anschaut, dann stellt man fest: Die CDU war immer die stärkste Partei.

(Zustimmung bei der CDU - Siegfried Borg- wardt, CDU: Genau so ist das! - Zurufe von der AfD)

Die Absenkung der Quoren von 5 % auf 3 % bei Einwohneranträgen soll dieses Instrument attraktiver machen und seine Anwendung in der Praxis erleichtern. Einwohnerfragestunden sollen jetzt auch in nicht beschließenden Ausschüssen stattfinden.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Außerdem kann die Vertretung vor Ort selbst darüber entscheiden, ob sie Fragen der Bürger zu Themen zulässt, die sich auf der Tagesordnung der Vertretung befinden.

Daneben sind Vereinfachungen bei Bürgerbegehren vorgesehen, um dieses Element bürgerfreundlicher zu gestalten. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden die Quoren zur Gültigkeit von Bürgerentscheiden auf den bundesdeutschen Durchschnitt von 20 % gesenkt. Auch das war bereits im Koalitionsvertrag vereinbart und deckt sich mit dem Vorschlag aus der Enquete-Kommission sowie mit einer entsprechenden Studie, die Ihnen vom Innenministerium vor Kurzem vorgelegt worden ist. Wenn Sie die betreffenden Unterlagen gelesen haben, haben Sie dies auch bemerkt.

Die von der LINKEN vorgeschlagenen Absenkungen, zum Beispiel auf 1 % bei Einwohneranträgen oder auf 5 % bei Bürgerbegehren, lehnen wir ab, da diese unter Umständen zu einer politischen Entwertung der demokratisch gewählten Vertretungen führen würden.

(Zustimmung von Daniel Szarata, CDU)

Es geht auch um den Erhalt der Handlungsfähigkeit der kommunalen Vertretungen.

(Zustimmung von Daniel Szarata, CDU)

Für die Beantwortung von Anfragen von Gemeinderats- und Stadtratsmitgliedern und Mitgliedern

von Kreistagen soll es eine Monatsfrist geben. Ausnahmen werden auch hierbei selbstverständlich möglich sein. Dies stärkt die Rolle der Vertretungsmitglieder genauso wie die verbesserte Informationspflicht bezüglich der Entwicklung in kommunalen Unternehmen.

Zukünftig soll auch frei wählbar sein, ob Ortschaften mit weniger als 300 Einwohnern einen Ortschaftsrat oder einen Ortsvorsteher wählen. Ebenso wie bei der Fragestellung, ob die erweiterten Möglichkeiten zur Bildung von Ortschaften und damit auch weiterer Ortschaftsräte genutzt werden, setzen wir auf die demokratische Willensbildung vor Ort, in den Gemeinden, die wohl am besten entscheiden können, wie die örtliche Gemeinschaft organisiert sein sollte. Ein Hinweis hierzu: Auch in Magdeburg gibt es Ortschaftsräte, sogar drei an der Zahl.

Bezüglich der Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen setzen wir auf eine Sollbestimmung. Wir wenden uns gegen eine Mussbestimmung, weil diese aus unserer Sicht die kommunale Selbstverwaltung zu sehr einschränken würde. Gleichzeitig werben wir dafür, dass die Gemeinden die vorhandenen Möglichkeiten dazu nutzen, das Wissen der Experten in eigener Sache aufzugreifen und für Verständnis und Akzeptanz für getroffene Entscheidungen und für den Weg dorthin zu sorgen.

Bezüglich des von der LINKEN kritisierten Haushaltsausgleichs bzw. der Neuregelungen dazu werden wir diesen Sachverhalt genau prüfen. Der Ansatz einer generationengerechten Finanzpolitik ist aber grundsätzlich richtig.

Es ist schon interessant festzustellen, dass man dann, wenn Einzelne Straftaten begehen, man daraus Lehren zieht und das entsprechend ändern will, dafür noch ein Stück weit kritisiert wird. Aber okay, wir werden das Verfahren zu den Briefwahlunterlagen entsprechend anpassen. Das ist hier schon erläutert worden.

Es gäbe sicherlich noch viele andere Punkte, die wir ansprechen sollten, aber an dieser Stelle läuft für mich die Zeit ab, zumindest an diesem Rednerpult zu diesem Tagesordnungspunkt. Deswegen freue ich mich auf die Beratung in den Ausschüssen und die Anhörungen, wo wir sicherlich noch genug Gelegenheit haben werden, zu den verschiedenen Themen zu sprechen. Eine Ausschussüberweisung wurde bereits beantragt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von Silke Schindler, SPD)

Danke, Herr Krull. Ich sehe keine Nachfragen. - Wir können die Debatte der Fraktionen beenden

mit dem Redebeitrag des Abg. Herrn Knöchel von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Krull, wir haben doch erst einmal unseren Gesetzentwurf vorgestellt. Sie ahnen die Kritik, die kommt, die Sie schon kritisiert haben. Denn neben der Umsetzung des Beschlusses mit dem Titel „Mehr Demokratie wagen“ vom Oktober 2016 hat die Landesregierung dem Gesetzentwurf ein Überraschungspaket mit Änderungen zum kommunalen Haushaltsrecht beigefügt, welches in dieser Debatte zu würdigen ist und welches im Gesetzgebungsverfahren auch dringend Änderungen erfahren muss.

Während im ersten Teil des Gesetzentwurfes Vorschläge unterbreitet werden, die das demokratische Gemeinwesen in unseren Städten und Gemeinden stärken könnten, fügt die Landesregierung im zweiten Teil Regelungen ein, welche die kommunale Selbstverwaltung auf Haushaltskonsolidierung reduziert.

(Zustimmung von Thomas Lippmann, DIE LINKE, von Andreas Höppner, DIE LINKE, und von Monika Hohmann, DIE LINKE)

Das Missverständnis, welches die Landesregierung hiermit kultiviert, ergibt sich aus Nr. 31 der Begründung zu dem Gesetzentwurf. Ich zitiere:

„Mit der Einführung des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens wurde die Pflicht zum Ausgleich des Haushaltes von der monetären Betrachtung in eine Betrachtung des Ressourcenverbrauchs in der Weise überführt, dass nunmehr ein Ausgleich von Erträgen und Aufwendungen in der Ergebnisrechnung unter Berücksichtigung von Überschüssen aus vergangenen Haushaltsjahren erforderlich ist.

In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, dass diese Ausschließlichkeit dazu führt, dass ein Teil der Kommunen nicht immer in der Lage ist, ihren Zahlungsverpflichtungen ausreichend nachzukommen. Dies wird unter anderem am steigenden Umfang der Liquiditätskredite deutlich.“

Was will uns die Landesregierung damit sagen? - Die Doppik ist also Schuld an den steigenden Liquiditätskrediten, Herr Stahlknecht. Ich denke, wer so etwas behauptet, vertauscht Ursache und Wirkung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, oberflächlich betrachtet könnte man Derartiges schlussfolgern. Tatsächlich verzeichneten Sachsen-Anhalts Kommunen im Zeitraum von 2012 bis 2015 den höchsten Anstieg an Liquiditätskrediten. Und ja, das war genau die Zeit, in

der die Doppik in Sachsen-Anhalt eingeführt worden ist.

Was Sie aber vergessen: 2012 bis 2017 war auch jene Zeit des Raubzugs der Koalition von CDU und SPD, bei welchem durch permanentes Kürzen der Zuweisungen im Finanzausgleichsgesetz die Kommunen in die Liquiditätskredite getrieben wurden.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

- Hören Sie gut zu; dann kriegen Sie den Zusammenhang auch hin! - Auch in diesen Zeitraum fiel das Stark-II-Programm des Landes Sachsen Anhalt, welches Kommunen mit Zinshilfen und Tilgungszuschuss in die Lage versetzen sollte, ihre Altkredite zu senken. Vordergründig könnte man sagen: ein erfolgreiches Programm.

Ende 2016 betrug die Pro-Kopf-Verschuldung der Kommunen in Sachsen-Anhalt 729 €. Im Vergleich zu den ostdeutschen Flächenländern mit 807 € könnte sich das sehen lassen, wenn nicht zum gleichen Zeitraum die Pro-Kopf-Verschuldung aus Liquiditätskrediten auf 591 € gestiegen wäre. Damit liegt Sachsen-Anhalt deutlich über dem ostdeutschen Durchschnitt von 233 € je Einwohner. Sachsen-Anhalt nimmt damit einen unrühmlichen Spitzenplatz bei der kommunalen Verschuldung ein.

Das hat nichts mit der Art der Rechnungslegung zu tun, sondern mit der Politik in diesem Hause. Folglich liegt der Schlüssel zur Lösung der kommunalen Finanzsituation nicht im Kommunalverfassungsrecht, sondern in der Landespolitik. Wir werden morgen die Gelegenheit haben, das Thema weiter zu vertiefen.

Mit den von Ihnen beabsichtigten Regelungen werden Sie dafür sorgen, dass selbst Kommunen, deren Haushaltssituation als „solide“ bezeichnet werden kann, künftig Haushaltskonsolidierungskonzepte aufstellen müssen. Die kommunale Selbstverwaltung, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf stärken wollen, wird durch die beabsichtigten Neuregelungen ad absurdum geführt.

Mit großem Aufwand, mit Kosten und auch unter Schmerzen haben Sachsen-Anhalts Kommunen das neue Rechnungswesen eingeführt. Immer noch wird mehr über Form- und Wertansätze, statt über Ressourcen und Steuerung der Kommunalpolitik debattiert.