Protokoll der Sitzung vom 19.04.2018

Nur ein kleiner Schritt in diese Richtung kann daher die dritte Forderung sein, Regelungen zu suchen, dass Milcherzeuger nicht mehr gezwungen sind, ihre Milchmengen nur einem Abnehmer zu liefern, sondern sie flexibel am Markt unterbringen können.

Zum Alternativantrag der AfD. Bei aller Notwendigkeit eines grundsätzlichen Überdenkens der Milchviehhaltung würden wir allerdings hiesige Erzeuger auf dem Markt nachhaltig ins Hintertreffen geraten lassen, wenn wir das unverzüglich so umsetzen würden. Das braucht längere Zeit und hilft in akuten Milchkrisen nicht. Da brauche ich Herrn Heuer nicht mehr viel hinzuzufügen.

Letztendlich bleibt auch noch die Frage nach unserem Verbraucher- und Verbraucherinnenverhalten und -bewusstsein. Landwirtschaftliche Produkte haben auch ihren Preis: wertvolles Futter, mehr Tierwohl und Hygiene statt Turbokühe und stabile Gehälter auf auskömmlichem Niveau. Der Erhalt der Strukturen und die Wertschöpfung im ländlichen Raum sollten es uns allen wert sein. Nur so kann den Milchviehbetrieben eine Zukunftsperspektive geboten und ihre Stellung gestärkt werden.

Denn das krisenbedingte Risiko darf nicht einseitig seitens der Erzeuger getragen werden. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Silke Schindler, SPD)

Frau Eisenreich, der Kollege Loth hat sich gemeldet. Deswegen ist er jetzt auch dran.

Ich möchte kurz intervenieren und sagen, dass ich natürlich anwesend war und auch meine zwei Ohren hingehalten habe. Aber im Gegensatz zu Frau Eisenreich habe ich anscheinend auch den Flyer gelesen, der dort verteilt wurde. Dort steht unter Punkt 2, dass die Milchmengen reduziert werden und dann auch entschädigt wird. Bitte lesen Sie den Flyer noch mal genau durch, dann wissen Sie auch, was Sie sagen. Machen Sie nicht solche Unterstellungen. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keinen Wunsch nach Reaktion. Deswegen können wir in der Debatte fortfahren.

(Hannes Loth, AfD: Das ist besser so!)

Bevor wir das allerdings tun, begrüße ich ganz herzlich Damen und Herren der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt aus Dessau. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir gehen nunmehr weiter in der Debatte. Für die SPD-Fraktion hat der Abg. Herr Barth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dass die Aufgabe des Milchquotensystems am Milchmarkt auch Schattenseiten hat, war uns durchaus bewusst. Dennoch war es eine richtige Entscheidung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Strukturwandel auch im Milchsektor langfristig nicht aufzuhalten ist und wir in Europa wettbewerbsfähige Strukturen brauchen, die auch dem Weltmarkt gewachsen sind.

Die Aufgabe des Quotensystems birgt natürlich die Gefahr, dass es entsprechend den Angebotsmengen zyklische Preisschwankungen am Markt gibt; das erleben wir zurzeit gerade wieder. Diese werden wir nicht verhindern können, und in gewissem Umfang sind sie für die Entwicklung des Milchmarktes auch förderlich. Allerdings dürfen diese zyklischen Preisschwankungen nicht zu einem ruinösen Wettbewerb führen. Hier sollte und muss die Agrarpolitik eingreifen.

Gerade moderne, leistungsfähige und gleichzeitig am Tierwohl orientierte Betriebe haben oftmals erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber Banken, die sie bei anhaltend niedrigen Milchpreisen nicht mehr bedienen können. Insofern ist gerade auch unter dem Aspekt des Tierwohls ein auskömmlicher Milchpreis von entscheidender Bedeutung.

(Zustimmung von Guido Heuer, DIE LINKE)

Die Milchmarktbeobachtungsstelle der EU-Kommission ist eine Institution, die frühzeitig wichtige Hinweise liefern kann, um Milchkrisen zumindest deutlich abzumildern. So ist es wichtig, dass sich Betriebe frühzeitig darauf einstellen können und im Optimalfall ihre Milchproduktion drosseln, um ein starkes Absinken des Milchpreises zu verhindern. Dass hierbei makroökonomische und betriebswirtschaftliche Interessen unter einen Hut zu bringen sind, liegt auf der Hand und bedarf Steuerungsinstrumenten wie der Milchverringerungsbeihilfe.

Die Milchverringerungsbeihilfe ist ein Beihilfeanreiz zur freiwilligen Verringerung der Rohmilchanlieferung, welche nach Artikel 219 der Gemeinsamen Marktordnung - GMO-Verordnung - als Maßnahme gegen Marktstörungen gewährt werden kann. Sie wurde im zweiten EU-Hilfspaket angewendet. Durch eine Evaluierung soll nun geklärt werden, welchen Beitrag die Milchverringerungsbeihilfe letztendlich zur Erholung des Milchpreises geleistet hat. Davon wird sicher auch abhängen, ob und in welchem Umfang zukünftig von diesem Marktinstrument Gebrauch gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Stärkung der Marktposition der

Milcherzeuger; diese ist heute in diesem Hause bereits mehrfach angemahnt worden. So geht es darum, möglichst lange Lieferverträge mit einem festgelegten Milchpreis zwischen den Erzeugern und den Molkereien durchzusetzen. Hierzu müssen die Möglichkeiten des Artikels 148 der gemeinsamen Marktorganisation konsequent umgesetzt werden; das haben wir heute ebenfalls bereits mehrfach gehört.

Auch sind Regelungen zu schaffen, die es den Milcherzeugern ermöglichen, ihre Milch flexibel am Markt unterzubringen. Damit würde die Marktposition der Milcherzeuger durch mehr Wettbewerb verbessert, und die Milcherzeuger und Molkereien hätten durch die Lieferverträge über einen längerfristigen Zeitraum Planungssicherheit.

Meine Damen und Herren! Milch ist ein hochwertiges Lebensmittel, und die Milcherzeuger verdienen es, dafür auch angemessene Preise zu erlangen. Unser Appell richtet sich in diesem Sinne auch an den Einzelhandel, landwirtschaftliche Produkte nicht unter den Herstellungskosten anzubieten.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen. Abschließend spricht in der Debatte der Fraktionen Frau Abg. Frederking für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In unserem Antrag geht es um den Milchmarkt. Es geht um Mengen und Preise, und mit den beiden von uns vorgeschlagenen Maßnahmen wollen wir das derzeitige Marktversagen beenden und zukünftigen Milchkrisen begegnen. Im Antrag der AfD geht es um die Art der Milchkuhhaltung. Beide Anträge haben nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun. Der AfD-Antrag geht am Thema vorbei.

Wenn wir heute über unseren Antrag beschließen, dann senden wir ein äußerst wichtiges Signal nach Berlin. Wir fordern damit Landwirtschaftsministerin Klöckner auf, sich auf EU-Ebene für eine Mengensteuerung in Krisenzeiten einzusetzen. Der Landtag von Bayern hat das bereits im November 2017 getan, obwohl Frau Klöckner damals noch nicht die Milchkönigin war.

(Zurufe von der AfD)

Der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern wird dies nächste Woche tun. Endlich scheint sich

ein Schulterschluss zu vollziehen, für den der Bund der Deutschen Milchviehhalter seit Jahren kämpft - leider meist ohne Unterstützung des Bauernverbandes. Wir müssen von allen Seiten den Willen zur Durchsetzung einer zeitlich befristeten Reduzierung der Milchmenge deutlich machen.

Bereits Anfang 2016 hatten zwölf EU-Staaten signalisiert, mitzumachen. Es ist also möglich, Mehrheiten zu organisieren. Wir müssen uns immer klarmachen, dass wir alle EU-Länder mit ins Boot holen müssen. Wir müssen also überall dafür werben, dass noch viele in den Ruf nach einem Milchmarktkriseninstrument einstimmen. Ich appelliere an alle Verantwortlichen, insbesondere auch an den landwirtschaftlichen Berufsstand: Geben Sie Ihre Blockaden auf und setzen Sie sich für eine Mengensteuerung ein!

Im Februar 2016 hat ein Landwirt in der mit mehreren hundert Menschen gefüllten RinderAllianzHalle in Bismark geweint und seine erschütternde Situation geschildert. Die schmerzhaften Krisenjahre haben gezeigt, dass es mit einem „Weiter so!“ keine Stabilität gibt. Gebetsmühlenartig einen Markt zu beschwören, der nicht funktioniert, wird keinen Erfolg haben.

(Zuruf von Lydia Funke, AfD)

Diejenigen, die dies tun, müssen sich endlich von dem ideologischen Mantra befreien, dass der Markt schon alles richte.

Wir wissen schon lange, dass Milchüberschussmengen das Grundproblem sind, sodass den Landwirtinnen und Landwirten nur noch ein Niedrigstpreis gezahlt wird, der vielfach ihren Ruin bedeutet. Warum also nicht das Übel an der Wurzel packen und die Milchmenge EU-weit dann steuern und an die Nachfrage anpassen, wenn zu viel Milch auf dem Markt ist?

Ein dauerhaft implementiertes Milchmarktkrisenmanagement bzw. -instrument, das regelhaft in Krisenzeiten greift, bietet die Chance, den Milchpreis auskömmlich zu halten. Ich betone - Herr Heuer hat es in seinem Redebeitrag ebenfalls angedeutet -: Es geht darum, die Mengen an die Nachfrage anzupassen. Es muss darum gehen, die Mengen an die europäische Nachfrage und einen möglichst regionalen Absatz anzupassen. Wir müssen weg von einer Exportorientierung außerhalb der EU. Milch für die Welt - das geht gar nicht; denn diese Exporte zerstören die lokalen Märkte in den Ländern des globalen Südens und gehen zulasten von Umwelt und von Tierwohl.

(Zustimmung von Guido Henke, DIE LIN- KE)

Ich komme vom Dorf. Dort sind die Bäuerinnen und Bauern diejenigen, denen man Schläue und Selbstbewusstsein zuspricht.

(Zurufe von der AfD)

Doch von den Molkereien lassen sie sich gängeln. Mit der Änderung von Dezember 2017 - Artikel 148 der EU-Verordnung zur gemeinsamen Marktorganisation - haben die Erzeuger schon heute die Möglichkeit, für Rohmilchlieferungen auch schriftliche Verträge zu verlangen. Doch das tun sie nicht, weil das Prozedere bisher anders war. So müssen wir sie zu ihrem Glück zwingen; denn wir wollen, dass über die nationale Gesetzgebung schriftliche Verträge vorgeschrieben werden. Das wird dann auch die Verhandlungsposition der Landwirtinnen und Landwirte gegenüber den Molkereien stärken.

Unsere Vorschläge sind geeignet, um Milchviehbetriebe zu retten: mit Mengenreduzierungen in Krisenzeiten in allen EU-Staaten. Mit mehr Mitsprache für Milcherzeuger und verbesserte Lieferbeziehungen zu den Molkereien, durch schriftliche Verträge über Menge, Qualität und zu festen Preisen für einen bestimmten Zeitraum. Lassen Sie es uns versuchen! Es spricht alles dafür und nichts dagegen. Ruinöse Erzeugerpreise beenden - Existenz von Milchviehbetrieben sichern! Ich bin dankbar, dass wir heute dieses äußerst wichtige Thema hier im Hohen Hause beraten konnten.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜ- NE)

Danke, Frau Frederking. - Ich sehe keine Fragen. Deshalb können wir in das Abstimmungsverfahren einsteigen. Ich habe keinerlei Wunsch nach einer Überweisung gehört. Falls das jetzt nicht so sein sollte, müsste sich jemand melden. - Das tut niemand, demzufolge gab es diesen Wunsch wahrscheinlich auch nicht.

Damit kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Uns liegen zwei Anträge vor, nämlich der Ursprungsantrag der Koalitionsfraktionen und der Alternativantrag. Entsprechend unserer Geschäftsordnung wird zuerst über den Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 7/2711 abgestimmt. Wer diesem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind erwartungsgemäß die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion der AfD. Damit ist dieser Antrag angenommen worden und eine Abstimmung über den Alternativantrag erledigt sich. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Beratung

Sanierungsstau beseitigen - Ertüchtigung der Infrastruktur koordinieren

Antrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drs. 7/2537

Einbringer ist Herr Thomas, der nun das Wort hat.